JudikaturDSB

K202.034/0002-DSK/2004 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
06. Juli 2004

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]

BESCHEID

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. DUSCHANEK, Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 6. Juli 2004 folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

Die Datenschutzkommission erteilt gemäß § 46 Abs. 3 Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I 136/2001 (DSG 2000), dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (in der Folge: BMWA) als Auftraggeber (§ 4 Z 4 DSG 2000) die Genehmigung zur Verwendung personenbezogener Daten, und zwar der Datenarten Namen, Adresse, Geschlecht, Geburtsjahr und Staatsbürgerschaft der Teilnehmer an der Familienhospizkarenz aus Datenbeständen des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger (in der Folge: HV) für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik, nämlich zur Durchführung einer Studie zur Evaluierung der Familienhospizkarenz nach Maßgabe der folgenden Bedingungen und Auflagen:

1) Die Verwendung ist nur für Zwecke der Durchführung der eingangs bezeichneten Studie zur Evaluierung der Familienhospizkarenz zulässig.

2) Die Bewilligung zur Datenverwendung gilt hinsichtlich des Verarbeitens von Daten (§ 4 Z 9 DSG 2000) bis zum Abschluss des eingangs bezeichneten Forschungsprojekts.

3) Der Auftraggeber hat Personen, die er im Rahmen des eingangs bezeichneten Forschungsprojekts für Tätigkeiten, die einen Zugang zu personenbezogenen Daten bedingen, heranzieht, nachweislich über die Pflichten aus dem DSG 2000 und diesem Bescheid zu informieren und für eine entsprechende Überwachung der Einhaltung dieser Pflichten zu sorgen. Es dürfen nur Personen herangezogen werden, die einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren Verlässlichkeit glaubhaft ist und die sich vertraglich und in Schriftform zur Wahrung des Datengeheimnisses (§ 15 DSG 2000) verpflichtet haben.

4) Bei der Verwendung von Daten ist die Bestimmung des § 46 Abs. 5 DSG 2000 zu beachten.

5) Die vorliegende Genehmigung zur Datenverwendung umfasst nicht die allfällige Übermittlung einschließlich der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen in personenbezogener Form; Eine derartige Verwendung von Daten ist nur zulässig, wenn sie im konkreten Einzelfall den Bestimmungen des 2. Abschnittes des DSG 2000 entspricht.

Begründung:

Mit eMail vom 14. Juni 2004 stellte das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit unter der Zahl xy einen Antrag gemäß § 46 DSG 2000 auf Genehmigung der Verwendung von Daten des Hauptverbands der Österreichischen Sozialversicherungsträger (in der Folge: HV) für eine evaluierende Studie zur Familienhospizkarenz (FHK). Die FHK ist vor zwei Jahren durch eine Änderung zum Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993 eingeführt und seitdem von knapp 1000 Menschen österreichweit in Anspruch genommen worden. Zweck der Studie, mit der noch im Juni ein externes Sozialforschungsinstitut beauftragt werden soll, ist die Feststellung von politischem, möglicherweise legistischem Handlungsbedarf in diesem Bereich.

Folgende personenbezogenen Daten der Teilnehmer an der FHK werden seitens des Antragsstellers für die geplante Studie als notwendig erachtet:

1. Name und Adresse der Teilnehmer an der FHK: Diese Daten bilden die Grundlage für den Adresspool der schriftlichen Befragungen bzw. fernmündlichen Interviews. Sowohl die schriftliche Befragung als auch die Interviews basieren auf der Grundlage der Freiwilligkeit. In der Antwort des Hauptverbandes wird implizit auch eine Information betreffend die Inanspruchnahme einer Maßnahme nach den Regeln zur Familienhospizkarenz übermittelt, da nur Namen und Adressen solcher Personen zurückgeliefert werden, die eine derartige Maßnahme in Anspruch genommen haben.

2. Geschlecht, Geburtsjahr und Staatsbürgerschaft: Diese Daten dienen der Kontrolle der Rücklaufquote und zur Stichprobengewichtung, da bei Befragungen der so genannte Rücklauf bzw. die Verweigerungsquote erfahrungsgemäß statistisch nicht gleich über die Zielgruppen hinweg verteilt sind.

Aus rechtlicher Sicht war zu erwägen:

Das Grundrecht auf Datenschutz sieht gemäß § 1 Abs. 1 DSG 2000 vor, dass jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist für allgemein verfügbare und nicht rückführbare Daten ausgeschlossen.

Grundsätzlich stellt somit jede Verwendung von personenbezogenen, nicht allgemein zugänglichen Daten einen Eingriff in das Grundrecht dar, es sei denn die Verwendung erfolgt im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen (§ 4 Z 3 DSG 2000) oder mit seiner Zustimmung (§ 4 Z 14 DSG 2000). Auch zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen sind Eingriffe in das Grundrecht zulässig, die allerdings trotzdem jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden dürfen.

§ 46 DSG 2000 und insbesondere dessen Absatz 3 sehen als Privileg der wissenschaftlichen Forschung und Statistik vor, dass Auftraggeber auch personenbezogene Daten verwenden dürfen, selbst wenn diese nicht veröffentlicht sind und weder besondere gesetzliche Vorschriften noch die Zustimmung der Betroffenen vorliegen. Zwingend vorgesehen ist in einem solchen Fall dann allerdings die Genehmigung durch die Datenschutzkommission.

Eine Genehmigung ist seitens der Datenschutzkommission zu erteilen, wenn die Einholung der Zustimmungserklärungen einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde (§ 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000), ein öffentliches Interesse an der Verwendung besteht (§ 46 Abs. 3 Z 2 DSG 2000) und die fachliche Eignung des Antragstellers glaubhaft gemacht wird (§ 46 Abs. 3 Z 3 DSG 2000).

Angesichts der geringen Zahl an Personen, die für die Durchführung einer solchen Studie herangezogen werden können, erscheint ein 'trial-and-error'-Verfahren zur Ermittlung des in Frage kommenden Personenkreises nicht durchführbar. Die Chance durch zufällige Kontaktaufnahme - beispielsweise nach Konsultierung des öffentlichen Telefonbuchs – liegt im Zehntel-Promille-Bereich. Der Aufwand mehrere tausend Telefongespräche führen zu müssen, um vielleicht auf eine entsprechende Person zu stoßen, wird daher seitens der Datenschutzkommission als unverhältnismäßig angesehen. Da mit der Studie ausdrücklich die Evaluierung und allfällige legistische Verbesserung einer gesetzlichen Regelung intendiert ist, ist von einem wichtigen öffentlichen Interesse auszugehen.

Die fachliche Eignung des Antragstellers ergibt sich aus dessen Rechtsnatur als zuständiges Ministerium. Durch Auflage

3) des Spruchs ist zudem sichergestellt, dass nur gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtete oder verlässliche Personen, die sich vertraglich und in Schriftform zur Wahrung des Datengeheimnisses (§ 15 DSG 2000) verpflichtet haben, als Dienstleister (§ 4 Z 5 DSG 2000) herangezogen werden. Deshalb ist auch diese Vorraussetzung der fachlichen Eignung (§ 46 Abs. 3 DSG 2000) erfüllt.

Schließlich bleibt noch zu prüfen, ob auch keine Verletzung der Datenverwendungsgrundsätze, insbesondere des Zweckbindungsprinzips, gemäß § 6 DSG 2000 vorliegt. § 6 Abs. 1 Z 3 DSG 2000 sieht vor, dass Daten nur soweit verwendet werden dürfen, als sie für den jeweiligen Zweck der Datenanwendung wesentlich sind und nicht über diesen Zweck hinausgehen. Die Verwendung der oben unter Pkt. 1 genannten Kontaktdaten ist für die Durchführung der Studie zweifellos wesentlich – um mit einer Person Kontakt aufzunehmen und sie zu befragen, sind die angeführten Daten unbedingt erforderlich. Die unter Pkt. 2 genannten Daten (Staatsbürgerschaft, Geschlecht und Alter der befragten Personen) sind erforderlich, um die Über- bzw. Unterrepräsentierung einzelner Personengruppen zu vermeiden. Es scheint im Interesse der Korrektheit dieser Studie zu liegen, für eine gleichmäßige und dem österreichischen Bevölkerungsquerschnitt entsprechende Verteilung der Auskunftspersonen zu sorgen. Angesichts der vom Antragsteller garantierten absoluten Freiwilligkeit der Interviews und des – wie oben erkannten – öffentlichen Interesses an der Studie wird die Verwendung dieser Daten nicht als unverhältnismäßig bzw. dem Zweckbindungsgrundsatz widersprechend anzusehen sein. Die beantragte Datenverwendung war daher aus den angeführten Gründen spruchgemäß zu genehmigen.

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