K211.505/002-DSK/2004 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. DUSCHANEK, Mag. HUTTERER, Mag. PREISS, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 20. Jänner 2004 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch
Über die rechtzeitig erhobene Vorstellung des L (Vorstellungswerber) in O, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, vom 19. August 2003 gegen den Mandatsbescheid vom 4. August 2003, GZ K211.505/004-DSK/2003, wird gemäß § 57 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 50/1991, idF BGBl I Nr. 117/2002, sowie gemäß § 20 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 136/2001, wie folgt entschieden:
Der angefochtene Mandatsbescheid wird ersatzlos behoben.
Begründung:
Mit dem in Vorstellung gezogenen Mandatsbescheid hat die Datenschutzkommission durch ihr geschäftsführendes Mitglied, gestützt auf die §§ 20 Abs. 2 sowie 38 Abs. 1 DSG 2000, dem Vorstellungswerber den Betrieb der Datenanwendung 'TTT' vorläufig untersagt.
Auf den angeblichen Betrieb dieser Datenanwendung war die Datenschutzkommission durch einen Hinweis auf ein Inserat in der Zeitschrift K, Ausgabe Nr. 6/2003, S. 15, aufmerksam geworden. Demnach soll es sich bei 'TTT' um eine 'Informationsplattform' handeln aus welcher registrierte Benutzer gegen Entgelt Informationen über Personen beziehen könnten, die Rechtshandlungen nach dem Konsumentenschutz- bzw. Fernabsatzgesetz (insbesondere Rücktrittsrechte) ausgeübt haben. Weiters bestehe für die registrierten Benutzer auch die Möglichkeit, ihrerseits solche Informationen in das System einzubringen.
Die Datenschutzkommission ging in diesem Zusammenhang davon aus, dass der Vorstellungswerber als Betreiber der 'Informationsplattform' als datenschutzrechtlicher Auftraggeber anzusehen sei und vertrat weiters die Auffassung, bei Daten, welche das Verhalten von Personen im Zusammenhang mit von ihnen getätigten Konsumenten- bzw. Fernabsatzgeschäften dokumentieren, handle es sich um Daten, die die Kreditwürdigkeit dieser Personen betreffen. Weiters könnte es sich bei 'TTT' um ein Informationsverbundsystem handeln. Die Meldepflicht sowie damit verbunden die Pflicht, sich einer Vorabkontrolle nach § 18 Abs. 2 DSG 2000 zu unterziehen, seien vom Vorstellungswerber nicht erfüllt worden. Wegen des gewerbsmäßigen Betriebes und der daraus resultierenden Gefahr einer großen Zahl an rechtswidrigen Datenübermittlungen sowie auf Grund der mutmaßlichen Verwirklichung der Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 2 Z 1 DSG 2000 erachtete die Datenschutzkommission Gefahr im Verzug und damit die Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 Abs. 2 DSG 2000 und die Erlassung eines Mandatsbescheides nach § 57 Abs. 1 AVG gegeben.
Dagegen richtete sich die nunmehr gegenständliche Vorstellung.
Nachdem die Datenschutzkommission gemäß § 57 Abs. 3 AVG ein Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, steht der folgende entscheidungsrelevante Sachverhalt fest:
In der Zeitschrift K, Ausgabe Nr. 6/2003, S 15, hat der Vorstellungswerber ein ganzseitiges Inserat geschaltet, das auszugsweise folgendermaßen lautete:
'Auch Unternehmer verstehen die Wichtigkeit, Konsumenten zu schützen. Doch wer schützt die Unternehmer vor jenen notorischen und gefinkelten 'schwarzen Schafen', welche die Schwachstellen von Fernabsatzgesetz und Konsumentenschutzgesetz bedenkenlos ausnützen und so sowohl den Unternehmern, als auch der gesamten Wirtschaft massiven Schaden zufügen? [...]
[...]
Eine neue Internetplattform zum Selbstschutz von
Gewerbetreibenden soll Abhilfe vor dem 'Return to sender –
zurück zum Absender'-Syndrom schaffen, [...]
[...]
Unter www.ttt.at sieht der im eigenen Interesse vorsichtig interessierte Unternehmer, ob es über Herrn X oder Frau Y eine Meldung – sowohl positiv als auch negativ – gibt. Ohne Mitgliedschaft oder regelmäßige Gebühren kann jeder Interessierte dann über eine Login und ein Passwort im 'Meinungsaustausch für registrierte Benutzer' mehr Informationen über Herrn X oder Frau Y bekommen. Es wird nur für die einmalige Teilnahme an diesem Forum und ohne weitere Verpflichtung eine geringe Gebühr verrechnet. [...] Die Abfrage und Teilnahme an dieser Plattform ist über alle Kommunikationsmittel – also auch über Fax und Telefon – möglich. [...]'
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem der Datenschutzkommission vorliegenden Inserat in der Zeitschrift K, Nr. 6/2003, S. 15 sowie dem Vorstellungsvorbringen.
Auf der Homepage www.ttt.at ist zwar ein Bereich 'Login' und 'Passwort' vorgesehen, mit dem Betrieb der im Inserat beworbenen Datenanwendung 'TTT' wurde aber noch nicht begonnen.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den Angaben auf der Homepage www.ttt.at, auf dem Vorstellungsvorbringen sowie auf der Stellungnahme des Vorstellungswerbers vom 10. September 2003, von deren Richtigkeit die Datenschutzkommission mangels widersprechender Anhaltspunkte ausgeht.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Werden der Datenschutzkommission Umstände bekannt, die den Verdacht der Mangelhaftigkeit einer Registrierung oder der rechtswidrigen Unterlassung einer Meldung begründen, so hat sie gemäß § 22 Abs. 4 DSG 2000 ein Verfahren zur Feststellung des für die Erfüllung der Meldepflicht erheblichen Sachverhalts einzuleiten.
Gemäß § 20 Abs. 2 DSG 2000 kann die Datenschutzkommission (gemäß § 38 Abs. 1 DSG 2000 durch das Geschäftsführende Mitglied) im Prüfungsverfahren betreffend meldepflichtige Datenanwendungen die Weiterführung mit Mandatsbescheid gemäß § 57 Abs. 1 AVG vorläufig untersagen, wenn Gefahr im Verzug und eine wesentliche Gefährdung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen vorliegen.
§ 57 AVG lautet:
'§ 57. (1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.
(2) Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.
(3) Die Behörde hat binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides schriftlich zu bestätigen.'
Auf Grund der Anzeige in der Zeitschrift K, in welcher der Anschein erweckt wurde, dass die Datenanwendung 'TTT' bereits in Betrieb sei, war die Datenschutzkommission zunächst verpflichtet, gegen den Vorstellungswerber, der auf Grund der Angaben auf der Homepage www.ttt.at als Auftraggeber von 'TTT' in Betracht kam, ein Verfahren nach § 22 Abs. 4 DSG 2000 einzuleiten.
In einem derartigen Verfahren konnte ein Bescheid gemäß § 20 Abs. 2 DSG 2000 bei Auslegung dieser Bestimmung nach ihrem Ziel und Zweck auch ohne Vorliegen einer Registermeldung ergehen, da es sonst dem Auftraggeber entgegen den Intentionen dieser Bestimmung möglich wäre, durch gesetzwidriges Unterlassen einer Meldung auch einen Untersagungsbescheid der Datenschutzkommission unmöglich zu machen, der eben jene Interessen schützen soll, zu deren Schutz Meldepflicht und Vorabkontrolle dienen.
Diese Vorgangsweise war für die Datenschutzkommission wiederum deshalb geboten, weil der Vorstellungswerber durch sein Inserat den Anschein hervorgerufenen hat, 'TTT' sei bereits in Betrieb. Da eine entsprechende Meldung der Datenschutzkommission nicht vorlag, bestand daher der Verdacht der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 2 Z 1 DSG 2000. Die in dem Inserat beschriebene Funktionsweise, wonach vom Vorstellungswerber Daten betreffend die Inanspruchnahme von Rechten nach dem Fernabsatz- und Konsumentenschutzgesetz verarbeitet und übermittelt werden sollten, hat darüber hinaus den Verdacht nahe gelegt, dass diese Daten den Kunden von 'TTT' als Entscheidungsgrundlage für den Abschluss von Verträgen mit den Betroffenen dienen sollten und damit die Datenanwendung im Sinn von § 18 Abs. 2 Z 3 DSG 2000 als Grundlage der Auskunftserteilung über Hinweise auf die Kreditwürdigkeit der Betroffenen dienen könnten. Weiters bestand auf Grund des Inserateinhalts die Möglichkeit, dass ein Informationsverbundsystem (§ 4 Z 13 bzw. § 50 DSG 2000) vorliege. Damit war eine wesentliche Gefährdung von Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen indiziert. Es gehört allerdings zum Wesen eines Mandatsbescheides, dass dieser ohne Ermittlungsverfahren nach den §§ 37 ff AVG erlassen wird und daher die in ihm getroffenen Sachverhaltsannahmen, welche nur vorläufigen Charakter haben. Da das nunmehr gemäß § 57 Abs. 3 AVG durchgeführte Ermittlungsverfahren entgegen den vorläufigen Annahmen im Mandatsbescheid ergeben hat, dass die Datenanwendung 'TTT' derzeit (noch) nicht betrieben wird, kann von einer Gefährdung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen von Betroffenen durch die Datenanwendung 'TTT' und damit von Gefahr im Verzug nicht mehr ausgegangen werden. Schon damit hat sich das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Untersagung nach § 20 Abs. 2 DSG 2000 im Nachhinein als nicht zutreffend erwiesen und kann die nähere Prüfung der sonstigen Annahmen des Mandatsbescheides wie die Person des verantwortlichen Auftraggebers und der von der Datenanwendung ausgehenden Gefahren (insbesondere Erfüllung der Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z 3 bzw. 4 DSG 2000) unterbleiben.
Die Datenschutzkommission geht vielmehr davon aus, dass eine allfällige Betriebsaufnahme, die nach dem Vorstellungsvorbringen immer noch beabsichtigt ist, erst nach Erstattung einer Meldung nach § 17 Abs. 1 DSG 2000 durch den datenschutzrechtlichen Auftraggeber und der danach allenfalls notwendigen Durchführung einer Vorabkontrolle nach § 18 Abs. 2 DSG 2000 erfolgen wird. In diesem Zusammenhang wird auch die Zulässigkeit einer Übermittlung der in 'TTT' gesammelten Daten zu prüfen sein.
Der auf § 20 Abs. 2 DSG 2000 gestützte Mandatsbescheid war daher zur Gänze zu beheben.