JudikaturDSB

K120.786/007-DSK/2003 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
16. September 2003

Text

BESCHEID

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. DUSCHANEK, Mag. HUTTERER, Dr. KLEISER, Dr. KOTSCHY und Mag. ZIMMER sowie der Schriftführerin Mag. HIRSCH in ihrer Sitzung vom 16. September 2003 folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

Über das am 11. Oktober 2001 von der Bundespolizeidirektion Wels gemäß § 6 Abs. 1 AVG der Datenschutzkommission vorgelegte Beschwerdevorbringen des W aus L wegen Verletzung seines Rechts auf Löschung personenbezogener Daten (Eintragungen im 'kriminalpolizeilichen Aktenindex') durch die Bundespolizeidirektion Wels (belangter Auftraggeber) entscheidet die Datenschutzkommission gemäß § 31 Abs 2 Datenschutzgesetz 2000, BGBl I Nr 165/1999 (DSG 2000) iVm § 90 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl Nr 566/1991 idF BGBl I Nr 104/2002 (SPG) wie folgt:

- Der Beschwerde wird stattgegeben; die Bundespolizeidirektion Wels hat die Eintragungen mit den Dastazahlen LXX98/95(N), LXX703/97(N), LXX945/98(N) und LXX60/00(N) binnen zwei Wochen aus der Datenanwendung gemäß § 57 Abs 1 Z 6 SPG (kriminalpolizeilicher Aktenindex – KPA) zu löschen.

Der Beschwerdeführer wandte sich am 7. April 2000 an den belangten Auftraggeber und begehrte, gestützt auf § 27 DSG 2000, unter Anschluss eines KPA-Auszugs die Löschung von vier näher bezeichneten KPA-Vormerkungen. Er wiederholte dieses Begehren anlässlich einer Besprechung im Kriminalbeamtenreferat des belangten Auftraggebers am 12. April 2000. Mit Schreiben vom 8. Juni 2000 lehnte der belangte Auftraggeber dieses Begehren schriftlich ab. Nach erneuter Intervention wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. August 2001 informiert, dass eine der KPA-Vormerkungen (Vorfall vom 20. 12. 1999, Dastazahl LXX60/00(N)) auf Weisung des belangten Auftraggebers gelöscht worden sei. Auf neuerliche mündliche Intervention des Beschwerdeführers (Aktenvermerk vom 7. September 2001, Zl. P-XX12) wurde vom belangten Auftraggeber mit Schreiben vom 24. September 2001 eine Löschung weiterer KPA-Daten vom belangten Auftraggeber abgelehnt.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen mit Schreiben vom 3. Oktober 2001 'Berufung', die materiell als Beschwerde gemäß § 31 Abs 2 DSG 2000 angesehen und gemäß § 6 Abs. 1 AVG zuständigkeitshalber der Datenschutzkommission vorgelegt wurde. Da die Beschwerde gegen die Bundespolizeidirektion Wels, also einen Auftraggeber des öffentlichen Bereiches gerichtet war, ist die Datenschutzkommission gemäß § 31 Abs. 2 DSG 2000 zur Erledigung berufen. Die Datenschutzkommission hat daher das Ermittlungsverfahren eingeleitet und zunächst eine Ergänzung (Verbesserung) der Beschwerde veranlasst (Schreiben des Beschwerdeführers vom 5. Dezember 2001).

Weiters wurde Beweis aufgenommen durch Einholung von Stellungnahmen des belangten Organs vom 21. Dezember 2001, Zl. P-XX12-, vom 14. Jänner 2002, Zl. P-XX12- und vom 18. Juni 2003 samt Beilagen, Einsichtnahme in die KPA-Auszüge vom 17. Dezember 2001 und vom 18. Juni 2003 (vorgelegt vom belangten Auftraggeber) sowie Einholung einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Wels vom 11. Juli 2003, Zl. Jv XX4-X8/03 mit Ergänzung vom 30. Juli 2003.

Es wird folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt:

Im so genannten 'kriminalpolizeilichen Aktenindex', dem Informationsverbundsystem der Sicherheitsbehörden gemäß § 57 Abs 1 Z 6 SPG, werden unter EDV-Zahl 8,5XX.XXX folgende personenbezogene Daten des Beschwerdeführers verarbeitet (Stand: 18. Juni 2003):

Allgemein: Name, Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort, Namen der Eltern und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers.

Weiters folgende Daten, die sich auf eingeleitete Ermittlungen im Dienste der Strafrechtspflege (§ 57 Abs. 1 Z 6 SPG) gegen den Beschwerdeführer beziehen:

1) Ermittlungen der Bundespolizeidirektion Wels, Vorfall vom 20. Jänner 1995, Zl. Roem 2/1XX/95-Schm, betreffend Übertretung des Waffengesetzes, Dastazahl: LXX98/98(N)

2) Ermittlungen der Bundespolizeidirektion Wels, Vorfall vom 15. Februar 1997, Zl. Roem 2-XX8/97-Burg, betreffend Sachbeschädigung (sonstige Tatbegehung, Zusatz: Plakate), Dastazahl: LXX703(N)

3) Ermittlungen der Bundespolizeidirektion Wels, Vorfall vom 4. April 1998, Zl. II-7XX/98-Pf, betreffend Sachbeschädigung (öffentliche Einrichtung/Gebäude), Dastazahl: LXX945/98(N)

4) Ermittlungen der Bundespolizeidirektion Wels, Vorfall vom 18. Dezember 1999, Zl. II-XXX8/99, betreffend Körperverletzung (Straße/Parkplatz), Beleidigung und Verhetzung, Dastazahl:

LXX60/00(N)

5) Ermittlungen der Bundespolizeidirektion Wels, Vorfall vom 21. Oktober 2002, Zl. II/XXX03-Wo, betreffend Üble Nachrede,

Dastazahl: LXX291/03(N)

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen stützen sich auf den vorliegenden KPA-Auszug vom 18. Juni 2003, vorgelegt vom belangten Auftraggeber mit Schreiben vom 18. Juni 2003. Unzutreffend ist daher die Feststellung in einem Schreiben des Welser Polizeidirektors vom 14. August 2001, in dem dem Beschwerdeführer zugesichert wird, die KPA-Vormerkung 'des Vorfalls mit M' sei wegen der durch ein Urteil des BG Wels festgestellten Unschuld des Beschwerdeführers gelöscht worden. Wie aus anderen Urkunden (Kopie des Berufungsurteils des LG Wels vom 24. Oktober 2001, 22 R XXX/01i, Beilage zur Eingabe des Beschwerdeführers vom 5. Dezember 2001, GZ K120.786/003- DSK/2001, Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Wels vom 11. Juli 2003, siehe unten) eindeutig hervorgeht, handelt es sich dabei um die KPA-Vormerkung mit der laufenden Nr. 4). Wegen dieses Vorfalls wurde nie ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet (siehe sogleich unten) sondern nur ein Zivilprozess geführt, den der Beschwerdeführer gewonnen hat. Wie bereits angeführt wurde diese KPA-Vormerkung bisher nicht gelöscht.

Diese Ermittlungen führten zu folgenden Ergebnissen:

Ad 1): Die Anzeige des belangten Auftraggebers zu Zl. II- 1XX/95 (= 'Roem 2'-1XX/95-Schm) wurde von der Staatsanwaltschaft Wels am 16. Februar 1995 zu AZ 3 BAZ 4XX/95 gemäß § 90 Abs 1 StPO wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat zurückgelegt.

Ad 2) Die Ermittlungen zu Zl. II-XX6/97-Burg – die im KPA verarbeitete Zahl 'ROEM 2-XX8/97-BURG' ist falsch - führten zu einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft, die vom Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Wels am 15. Mai 1997 gemäß § 90 Abs 1 StPO zurückgelegt wurde.

Ad 3) Nach Anzeige des belangten Auftraggebers zu Zl. II- 7XX/98 (= II-7XX/98-Pf) wurde vom Bezirksanwalt u.a. gegen den Beschwerdeführer Strafantrag beim Bezirksgericht Wels gestellt. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 20. Juli 1998, AZ 1X U XX0/98a, rechtskräftig gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Ad 4) Die Anzeige des belangten Auftraggebers zu Zl. II-XXX8/99 wurde von der Staatsanwaltschaft Wels am 27. Jänner 2000 zu AZ 1X BAZ XX/00z gemäß § 90 Abs 1 StPO wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat zurückgelegt.

Ad 5) Die vom belangten Auftraggeber erstattete Strafanzeige zu Zl. II-XXX03/03-Wo führte zu einem Strafantrag gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 111, 117 StGB, ein Strafverfahren war am 11. Juli 2003 zu AZ 1X U XXX/03i beim Bezirksgericht Wels anhängig.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen stützen sich hauptsächlich auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Wels vom 11. Juli 2003, Zl. Jv XX4-X8/03, hinsichtlich der Vormerkung 3) liegt der Datenschutzkommission auch eine Kopie des Urteils vor (Beilage zur Stellungnahme des belangten Auftraggebers vom 14. Jänner 2002, GZ K120.786/002-DSK/2002). Dass die in der Vormerkung 2) verarbeitete Bezugszahl des belangten Auftraggebers falsch eingetragen wurde ('XX8' statt 'XX6') wurde vom belangten Auftraggeber schon in der Stellungnahme vom 21. Dezember 2001, Zl. P-XX12-, mitgeteilt.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 3 Z 2 DSG hat jedermann, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.

Im gegebenen Zusammenhang maßgebliche einfachgesetzliche Bestimmungen enthalten die §§ 57 Abs. 1 Z 6, 58 Abs. 1 Z 6, 58 Abs. 1 letzter Satz, 59 Abs. 1 und 63 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz 1991 idF BGBl I Nr. 104/2002 (SPG). Demnach dürfen die Sicherheitsbehörden die in § 57 Abs. 1 SPG näher umschriebenen Daten verarbeiten, wenn gegen einen Betroffenen Ermittlungen im Dienste der Strafrechtspflege eingeleitet worden sind (so genannte Kriminalpolizeilicher Aktenindex - KPA). Gemäß § 58 Abs. 1 Z 6 SPG sind diese Daten zu sperren, wenn gegen den Betroffenen kein Verdacht mehr besteht, eine strafbare Handlung begangen zu haben, spätestens jedoch fünf Jahre nach der Aufnahme der letzten Vormerkung des Betroffenen im KPA; nach zwei weiteren Jahren sind gesperrte Daten auch physisch zu löschen (§ 58 Abs. 1 letzter Satz SPG). Im übrigen haben die Sicherheitsbehörden die von ihnen in der Zentralen Informationssammlung (einschließlich KPA) verarbeiteten Daten unter den Voraussetzungen der §§ 61 und 63 Abs. 1 SPG zu aktualisieren oder richtig zu stellen, insbesondere bei Einstellung oder sonstiger Beendigung eines Strafverfahrens. Jedenfalls sind Daten gemäß § 63 Abs. 1 SPG zu löschen, wenn sie für die Erfüllung der Aufgabe, für die sie verwendet worden sind, nicht mehr benötigt werden, es sei denn, für ihre Löschung wäre eine besondere Regelung getroffen worden.

Nun könnten zwar die Bestimmungen des § 58 Abs. 1 Z 6 und Abs. 1 letzter Satz sowie § 59 Abs. 1 SPG als vorrangige besondere Regelung iSd § 63 Abs. 1 angesehen werden; der VfGH hat allerdings im Erkenntnis G 94/00 vom 16.3.2001 (VfSlg 16150/2001) bei gleichgelagertem Sachverhalt eine verfassungskonforme Auslegung des § 63 Abs. 1 SPG unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Löschungsanspruches iVm dem in §§ 29 Abs. 1 und 51 Abs. 1 SPG normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorgenommen und ist dabei zum Ergebnis gelangt, dass eine Verpflichtung zur Löschung bereits vor Ablauf der im § 58 Abs. 1 Z 6 SPG bezeichneten Fristen besteht, wenn die Speicherung im KPA als im Dienste der Strafrechtspflege nicht mehr erforderlich anzusehen ist. Nur dann, wenn eine Speicherung von Daten im Dienste der Strafrechtspflege weiterhin erforderlich ist, wäre der Löschungstatbestand gemäß § 58 Abs.1 Z 6 und Abs. 1 letzter Satz anzuwenden. Dies gilt zweifellos auch für die in den entscheidungsrelevanten Fragen nur unwesentlich veränderte Rechtslage nach der SPG-Novelle BGBl I Nr. 104/2002.

Im Falle eines Löschungsantrages vor Ablauf des in § 58 Abs. 1 Z 6 bzw. Abs. 1 letzter Satz SPG bezeichneten Zeitpunktes hat die Sicherheitsbehörde daher nach der vom VfGH zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung die Erforderlichkeit der betreffenden Datenverwendung (Speicherung) festzustellen und dafür eine Interessensabwägung auf Grund der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen - dies insbesonders auch im Hinblick auf das den Sicherheitsbehörden gemäß § 51 Abs. 1 SPG auferlegte Verhältnismäßigkeitsgebot (§ 29 SPG) beim Verwenden personenbezogener Daten. Wie die Datenschutzkommission bereits in dem auf Grundlage des zitierten VfGH-Erkenntnisses ergangenen Bescheid vom 20.8.2002, GZ K120.645/003-DSK/2002 ausgeführt hat, hat die vom VfGH verlangte Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der weiteren Verarbeitung der Betroffenendaten für Zwecke der Sicherheitspolizei und der Strafrechtspflege mit dem grundrechtlich geschützten Interessen des Betroffenen auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten und Wahrung der Unschuldsvermutung zu konfrontieren.

Auf die Aufforderung (Schreiben vom 29.11.2001), der Datenschutzkommission mitzuteilen, welche Gründe nach Umständen des Einzelfalles die Speicherung der Beschwerdeführerdaten als noch im Interesse der Strafrechtspflege und der Sicherheitspolizei notwendig erachten lassen, hat die Bundespolizeidirektion Wels lediglich mit Verweisen auf die im vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen der den KPA betreffenden erlassmäßigen Vorschriften des Bundesministeriums für Inneres geantwortet. Besondere, in den Umständen des Einzelfalles gelegene, inhaltliche Gründe für die Erforderlichkeit einer weiteren Datenspeicherung im Dienste der Sicherheitspolizei und Strafrechtspflege wurden von der Sicherheitsbehörde nicht vorgebracht und sind auch nach der gegebenen Sachlage nicht zu erkennen. Soweit die beschwerdegegenständlichen KPA-Vormerkungen Verfahren betreffen, die durch Zurücklegung der Anzeige gemäß § 90 StPO (Fälle 1, 2 und 4) oder Freispruch (Fall 4) beendet wurden, werden sie aber für die Aufgabe, für die sie verwendet wurden, nicht mehr benötigt (§ 63 Abs. 1 SPG); somit ist ihre weitere Speicherung unzulässig und sind die betreffenden Daten daher zu löschen.

Die Vormerkung im Fall 5 erfolgte erst nach Einlangen der Beschwerde bei der Datenschutzkommission und ist daher davon nicht betroffen; dieses Verfahren ist nach den der Datenschutzkommission vorliegenden Informationen noch anhängig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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