JudikaturDSB

K120.779/011-DSK/2002 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
23. August 2002

Text

BESCHEID

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 23. August 2002 folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

1. Die Datenschutzkommission stellt auf Grund der Beschwerde des R gemäß § 1 Abs. 1 und 5 iVm § 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 136/2001 (DSG 2000), fest, dass die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha (belangtes Organ) den Beschwerdeführer durch Einholung einer Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger bezüglich des Beschäftigungs- und Versicherungsverhältnisses des Beschwerdeführers am 24. Juli 2001 in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten gemäß § 1 DSG 2000 verletzt hat.

2. Der Antrag des Beschwerdeführers, die Datenschutzkommission wolle dem Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 DSG 2000 Schadenersatz in Höhe des entstandenen materiellen Schadens (ATS 120.880,--, Euro 8.784,69) zusprechen, wird gemäß § 31 Abs. 1 und 2 iVm §§ 32 Abs. 1 und 2 iVm §§ 32 Abs. 4 und 33 Abs. 4 DSG 2000 wegen Unzuständigkeit der Datenschutzkommission zurückgewiesen.

Begründung

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist Vater der beiden zum Zeitpunkt der behaupteten Datenschutzverletzung noch minderjährigen Kinder Ernst und Sabine R.

Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen des Unterhaltsvorschussgesetzes 1985 (UVG) gewährte der Bund den beiden minderjährigen Kindern des Beschwerdeführers für die Monate Jänner bis Februar 1999 und Juli 1999 bis Juni 2000 Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von S 4.200,-- monatlich je Kind, somit für 14 Monate zusammen ATS 117.600,--.

Die Jugendabteilung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha wurde zunächst auf Grund einer Erklärung gemäß § 212 Abs. 2 ABGB der Mutter als gesetzlichen Vertreterin der beiden minderjährigen Kinder tätig, worin diese die Zustimmung erteilte, dass die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha für die Festsetzung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche als Sachwalter der minderjährigen Kinder einschreiten möge. Mit Zustellung des Beschlusses, mit dem die Vorschüsse gewährt wurden, wurde die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha gemäß § 9 Abs. 2 UVG alleiniger gesetzlicher Vertreter der minderjährigen Kinder zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche.

Da gemäß § 26 Abs.2 UVG der Unterhaltsschuldner ab Zustellung des Vorschussbeschlusses an ihn zur Zahlung der Unterhaltsbeiträge an den Jugendwohlfahrtsträger verpflichtet ist und der Beschwerdeführer dieser Verpflichtung nicht nachkam, forderte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha den Beschwerdeführer zwei mal zur Zahlung jenes Betrages auf, welcher den bereits gewährten Unterhaltsvorschüssen entsprach.

Als der Beschwerdeführer auch in der Folge keine Zahlungen leistete, entschloss sich die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha, einen Exekutionsantrag auf Durchführung einer Forderungsexekution nach § 294 Exekutionsordnung (EO) an das zuständige Bezirksgericht D zu stellen. Dieser Antrag langte am 26. Juli 2001 beim Bezirksgericht D ein.

Im Vorfeld dieses Exekutionsantrages richtete die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha am 24. Juli 2001 eine Sozialversicherungsabfrage hinsichtlich des Dienstgebers des Beschwerdeführers an den Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Nach den Ausführungen des belangten Organs sollte durch diese Vorgehensweise nicht die Einkommenshöhe des Beschwerdeführers festgestellt werden, sondern lediglich ermittelt werden, ob es einen Drittschuldner (Arbeitgeber) des Beschwerdeführers gebe, sodass ein Exekutionsverfahren sinnvoll erscheine.

Der Beschwerdeführer erachtete sich durch diese Vorgangsweise der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha in seinem Recht auf Schutz personenbezogener Daten gemäß § 1 DSG 2000 verletzt und erhob daher Beschwerde an die Datenschutzkommission.

Beweiswürdigung

Diese Feststellungen stützen sich auf die Vorbringen der Verfahrensparteien, auf die von der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vorgelegten Schriftstücke, sowie auf unbedenkliche Urkunden.

Daraus folgt in rechtlicher Hinsicht:

Zu Spruchteil 1:

Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 DSG 2000 hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse hat, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens.

Die grundsätzliche Schutzwürdigkeit der Beschäftigungs- und Versicherungsdaten des Beschwerdeführers steht außer Zweifel.

Die Ermittlung derartiger Daten bedarf daher gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 einer besonderen gesetzlichen Grundlage oder einer Rechtfertigung 'zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen'.

Was die besondere gesetzliche Grundlage für die Vorgangsweise der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha betrifft, so kämen die §§ 183 und 184 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen, RGBl. 1854/208 idgF (Außerstreitgesetz – AußStrG) in Betracht.

Gemäß § 183 Abs. 1 AußStrG haben Personen, deren Einkommen oder Vermögen für die Entscheidung über den Unterhaltsanspruch eines Minderjährigen von Belang ist, dem Gericht auf dessen Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu geben und deren Überprüfung zu ermöglichen.

Gemäß § 183 Abs. 2 leg. cit. kann das Gericht, wenn jemand den im vorstehend angeführten Absatz angeführten Pflichten nicht nachkommt, dessen Arbeitgeber und erforderlichen Falls den in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung um Auskunft über das Beschäftigungs- oder Versicherungsverhältnis des Betreffenden ersuchen. In gleicher Weise kann das Gericht die Finanzämter um Auskunft über die maßgebenden Tatsachen für die Besteuerung des Einkommens oder des Vermögens des Unterhaltspflichtigen ersuchen.

Gemäß § 183 Abs. 3 leg.cit. gilt der vorstehende Absatz auch für Anfragen des Pflegschaftsgerichts, die der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen Minderjähriger oder Pflegebefohlener durch den gesetzlichen Vertreter dienen.

Gemäß § 184 leg.cit. hat der Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlicher Vertreter die in § 183 dem Gericht eingeräumten Auskunftsrechte, ausgenommen das in seinem Abs. 2 letzter Satz genannte Recht.

Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha, hatte bei der beschwerdegegenständlichen Datenermittlung gemäß § 9 Abs. 2 UVG [Anmerkung: im Original in Folge eines Redaktionsversehens: '§ 9 Abs 2 GVG'] die Stellung eines gesetzlichen Vertreters der zu diesem Zeitpunkt minderjährigen Unterhaltsberechtigten. Die Anfrage diente der 'Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen'; somit gelten die zitierten Bestimmungen der §§ 183 und 184 Außerstreitgesetz daher im vorliegenden Fall auch für das belangte Organ.

Die Erläuterungen zu den §§ 183 und 184 Außerstreitgesetz (RV 172 Blg. Nr. 17. GP) führen aus, dass derjenige, in dessen Sphäre eine bestimmte Tatsache eintritt, hierüber am besten Auskunft geben kann. Deshalb hat der Unterhaltspflichtige dem Gericht die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die Unterlagen, zu denen er Zugang hat, zu übergeben, damit seine Angaben überprüft werden können. Kommt jemand diesen Pflichten nicht nach, so kann das Gericht im Interesse des Minderjährigen von Amtswegen u.a. den in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung um Auskunft ersuchen.

Gemäß § 183 Abs. 4 Außerstreitgesetz sind die Ersuchten zur Auskunftserteilung verpflichtet.

§ 37 Abs. 4 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989, BGBl Nr. 161/1989 idgF (JWG), enthält (als unmittelbar anzuwendendes Bundesgesetz) aus dem Blickwinkel der Auskunftspflicht folgende Bestimmung: 'Wirkt ein Minderjähriger oder ein ihm gegenüber Unterhaltspflichtiger im Einzelfall an der Ermittlung seiner Einkommens- oder Vermögensverhältnisse nicht ausreichend mit, so haben die Träger der Sozialversicherung und die Arbeitgeber auf Ersuchen des Wohlfahrtsträgers über das Versicherungs- oder das Beschäftigungsverhältnis des Genannten Auskunft zu geben.'

Aus den zitierten Gesetzesstellen und Gesetzesmaterialien geht somit hervor, dass zuerst der Unterhaltspflichtige zu befragen ist und nur dann, wenn dies nicht zum Ziel führt, der Arbeitgeber oder der zuständige Sozialversicherungsträger zur Auskunft heranzuziehen ist.

Dies entspricht auch dem datenschutzrechtlichen Grundsatz, wonach stets das gelindeste zum Ziel führende Mittel anzuwenden ist, wenn durch die Ermittlung (oder Übermittlung) von Daten in die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen einer Person eingegriffen wird. Dieser Grundsatz wird daraus abgeleitet, dass Grundrechtseingriffe immer nur im absolut notwendigen und verhältnismäßigen Umfang durchgeführt werden dürfen, sodass bei Alternativen immer jene Eingriffsform zu wählen ist, die die grundrechtlichen Interessen des Betroffenen am wenigsten gefährdet.

Bei der Befragung eines Dritten iZm Unterhaltssachen überwiegen die schutzwürdigen Interessen des Unterhaltsberechtigten erst dann, wenn die Auskunft durch den Unterhaltspflichtigen unzureichend, unglaubwürdig, verspätet oder überhaupt nicht zu erlangen ist (vgl. zu all diesen Ausführungen den Bescheid der Datenschutzkommission vom 19.3.1997, GZ 120.523/9-DSK/97, ZfVBDat 1997/4).

Im vorliegenden Fall rechtfertigt die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha ihr Vorgehen einerseits damit, dass die Sozialversicherungsanfrage lediglich dazu dienen sollte, festzustellen, ob die Durchführung eines Exekutionsverfahrens sinnvoll erscheine und andererseits damit, dass sowohl aus anhängigen Verfahren vor dem belangten Organ als auch beim zuständigen Bezirksgericht hinlänglich bekannt wäre, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, am Verfahren sinnvoll mitzuwirken. Vielmehr ließe die Benachrichtigung des Beschwerdeführers vom Bevorstehen eines Exekutionsverfahrens befürchten, dass der Beschwerdeführer alles versuchen würde, ein solches zu verhindern. Des Weiteren führte das belangte Organ auch das Kindeswohl sowie eine Abwägung dieses Kindeswohles mit den schutzwürdigen Interessen des Beschwerdeführers ins Treffen.

Mit diesen Ausführungen hat die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha jedoch keine ausreichenden Tatsachen ins Treffen geführt, aus denen sich die völlige Zwecklosigkeit einer Befragung des Unterhaltspflichtigen vor der Einholung der in § 183 Abs. 2 Außerstreitgesetz vorgesehenen Auskünfte im gegenständlichen Verfahren ergeben hätte, zumal im Hinblick auf die Exekutionsführung gegen den unbekannten Drittschuldner (§ 294a EO) eine derartige Anfrage vor der Einleitung eines Exekutionsverfahrens nicht erforderlich war.

An diesem Ergebnis vermag auch die Tatsache, dass es sich beim vorliegenden Fall nicht um ein Verfahren zur Festsetzung der Höhe eines Unterhaltsanspruches, sondern um eine Anfrage, die der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Wege eines Exekutionsverfahrens dienen sollte, nichts zu ändern, da für beide Fälle die obzitierten Bestimmungen in gleichem Ausmaß gelten.

Dadurch, dass die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha nicht, wie gesetzlich vorgesehen, zuerst den Beschwerdeführer zur Auskunft aufforderte, sondern sofort von der subsidiär anzuwendenden Bestimmung des § 183 Abs. 2 Außerstreitgesetz Gebrauch gemacht hat, indem sie sogleich den Sozialversicherungsträger um Beschäftigungs- und Versicherungsauskunft ersuchte, hat sie daher den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG 2000 verletzt.

Unbeachtlich ist ferner die Tatsache, dass sowohl die Kinder des Beschwerdeführers als auch deren Mutter mittlerweile aus dem örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha verzogen sind. Dies deshalb, weil die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha im Beurteilungszeitraum zu Recht als Unterhaltssachwalter der minderjährigen Kinder tätig wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil 2:

Der Antrag des Beschwerdeführers, die Datenschutzkommission wolle ihm Schadenersatz gemäß § 33 Abs. 1 DSG 2000 zusprechen, war wegen Unzuständigkeit der Datenschutzkommission zurückzuweisen, da sich gem. § 33 Abs. 4 DSG 2000 die Zuständigkeit für Schadenersatzklagen nach § 32 Abs. 4 DSG 2000 richtet.

Gem. § 32 Abs. 4 DSG 2000 liegt jedoch die Zuständigkeit in erster Instanz bei dem mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betrauten Landesgericht, in dessen Sprengel der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz hat.

Somit ist die Datenschutzkommission nicht dafür zuständig, über Schadenersatzansprüche zu entscheiden, die in Grund und Höhe nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (vgl. § 33 Abs. 1 1. Satz DSG 2000) zu beurteilen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Anspruch gegen einen Auftraggeber des öffentlichen oder des privaten Bereichs bzw. dessen Rechtsträger richtet.

Rückverweise