K120.810/005-DSK/2002 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTER, Dr. KLEIN, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 4. Juni 2002 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Die Beschwerde des Mag. O (Beschwerdeführer) aus Wien vom 29. März 2002 gegen das Oberlandesgericht Wien als Organ der Justizverwaltung (belangtes Organ) mit dem Begehren, dem belangten Organ die Offenlegung eines im Zuge eines Auswahlverfahrens für den richterlichen Vorbereitungsdienst im Jänner 2002 über den Beschwerdeführer eingeholten psychologischen Gutachtens (einschließlich der diesem zu Grunde liegenden Testergebnisse) aufzutragen, wird gemäß §§ 1 Abs 3 Z 1, 26 Abs 1 und 31 Abs 1 Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr 136/2002 (DSG 2000), als unbegründet abgewiesen.
B e g r ü n d u n g
Der Beschwerdeführer brachte in der spruchgemäß erledigten Beschwerde, in der er die Verletzung des Rechts auf Auskunft gemäß § 26 Abs 1 DSG 2000 geltend macht, folgenden Sachverhalt vor:
Er habe sich als Rechtspraktikant um die Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst beworben. Im Zuge des Auswahlverfahrens habe er am 25. und 29. Jänner 2002 an verschiedenen Tests teilgenommen, auf deren Grundlage das Testinstitut, die S-Unternehmensberatungsges.m.b.H., ein psychologisches Gutachten über den Beschwerdeführer erstellt und dem belangten Organ auf Papier übermittelt habe. Das belangte Organ habe spätere Begehren (28. Februar 2002 und 6. März 2002) auf Einsichtnahme in dieses im Personalakt des Beschwerdeführers einliegende Gutachten abschlägig bzw. unzureichend beantwortet, in dem es ihm nur einzelne Textpassagen habe vorlesen lassen.
Beweiswürdigung : Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist glaubwürdig und konnte ohne weiteres Ermittlungsverfahren der Entscheidung der Datenschutzkommission zu Grunde gelegt werden. Die Schlussfolgerung, dass Einsichtnahme in ein papierenes Aktenstück (Gutachten) angestrebt wird, ergibt sich unter anderem zwingend aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers (Beschwerde vom 29. März 2002, protokolliert als GZ K120.810/001-DSK/2002), ihm sei das angestrebte 'Fotokopieren' des Gutachtens nicht gestattet worden.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Gemäß der Verfassungsbestimmung von § 1 Abs 3 Z 1 DSG 2000 hat jedermann, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in einer manuellen Datei bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die Daten stammen und wozu sie verwendet, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden.
Entsprechende einfachgesetzliche Ausführungsbestimmungen enthalten § 26 iVm § 58 DSG 2000.
Wie sich aus dem klaren Gesetzeswortlaut ergibt, bezieht sich das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht nur auf Daten, die in strukturierten Datensammlungen, nämlich automationsunterstützten Datenanwendungen oder manuellen Dateien, enthalten oder zur Verarbeitung in solchen bestimmt sind. Die subjektiven Rechte gemäß der Verfassungsbestimmung von § 1 Abs 3 DSG 2000 (Auskunftsrecht, Löschungsrecht, Richtigstellungsrecht) sind, wie e contrario zu schließen ist, auf andere Formen der Daten- bzw. Informationssammlung nicht anwendbar, dies gilt insbesondere für Papierakten (vgl. Bescheid der Datenschutzkommission vom 10. November 2000, GZ 120.707/7-DSK/00, veröffentlicht in der RIS-Entscheidungsdatenbank http://www.ris.bka.gv.at/dsk/). Das Datenschutzgesetz verleiht also kein subjektives, vor der Datenschutzkommission geltend zu machendes Recht auf Akteneinsicht.
Wenn der Beschwerdeführer (Stellungnahme vom 6. Mai 2002, protokolliert als GZ K120.810/003-DSK/2002) dem entgegenhält, er sehe sinngemäß keinen Unterschied zwischen seinem Recht auf Einsicht in das Gutachten und dem von der Datenschutzkommission stattgebend entschiedenen Fall der Einsichtnahme in Tachographenscheiben und Tagesarbeitsblätter eines Buslenkers (Bescheid der Datenschutzkommission vom 21. August 2001, GZ K120.734/014-DSK/2002, veröffentlicht in der RIS-Entscheidungsdatenbank http://www.ris.bka.gv.at/dsk/), so ist ihm zu erwidern: Nach der Legaldefinition in § 4 Z 6 DSG 2000 ist eine 'Datei' – dies ist der Überbegriff zu 'Datenanwendung' (§ 4 Z 7 DSG 2000), der auch manuell geführte aber strukturierte Datensammlungen wie Karteien u.ä. umfasst – eine strukturierte Sammlung von Daten, die nach mindestens einem Suchkriterium zugänglich ist. Aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des DSG 2000 (NR: GP XXI RV 1613) lässt sich aber ableiten, dass diese knappe Definition nur eine Übernahme der Dateidefinition in Art 2 lit c der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, Amtsblatt Nr. L 281 vom 23/11/1995 S. 0031-005 (RL 95/46/EG), darstellt, die keineswegs so zu verstehen ist, dass damit auch Aktenteile oder Aktenkonvolute in den Dateibegriff einbezogen werden. Auch eine Auslegung der RL 95/46/EG nach den Motiven der EU-Rechtsetzungsorgane führt zum selben Ergebnis, da in Erwägungsgrund 27 festgehalten wird, dass 'Akten und Aktensammlungen sowie ihre Deckblätter, die nicht nach bestimmten Kriterien strukturiert sind', nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Das Gesetz ist daher so zu verstehen, dass eine Datei eine Sammlung strukturierter Datensätze ist, die als Sammlung wiederum nach mindestens einem Suchkriterium geordnet ist. Auf die Tachographenscheiben und Tagesarbeitsblätter im Beschwerdefall K120.734 traf dies zu, da diese eine genau festgelegte Struktur von Datenarten hatten und nach einem Suchkriterium (Name des Buslenkers) geordnet aufbewahrt wurden. Auf einen Personalakt und das darin enthaltene psychologische Gutachten kann es hingegen nicht zutreffen. Der Personalakt selbst ist ein Konvolut verschiedener Papieraktenstücke und wird zwar wohl nach einem Suchbegriff geordnet aufbewahrt, hat aber keinen fest strukturierten Inhalt. Ein Gutachten, das darin auf Grund bestimmter individueller Umstände, wie hier einer Stellenbewerbung der im Akt beschriebenen Person, einliegt, enthält wiederum im wesentlichen schriftlich niedergelegte, eigenständige Schlussfolgerungen des Sachverständigen, die definitionsgemäß weder strukturiert noch ihrem (Daten )Inhalt nach vorhersehbar sein müssen. Schon allein deshalb, weil nicht jeder in Frage kommende Personalakt ein gleich strukturiertes Gutachten enthalten muss, kann es sich weder bei der Gesamtheit noch bei den betreffenden einzelnen Akten um eine Datei bzw. um Dateien handeln.
Ergänzend sei angemerkt, dass gemäß § 26 Abs 1 DSG 2000 das subjektive Recht des Betroffenen darauf beschränkt ist, schriftliche Auskunft über seine Daten zu erhalten. Die Einsichtnahme in Dateien, inklusive der Ablichtung von Datenträgern, ist in § 26 Abs 1 letzter Satz DSG 2000 dem Auftraggeber als Option eingeräumt, die mit Zustimmung des Betroffenen die schriftliche Auskunft ersetzen kann. Ein subjektives Recht auf eine solche Einsichtnahme durch den Betroffenen besteht allerdings nicht. Auch aus diesem Grund wäre ein ausdrücklich auf Anordnung von Einsichtgewährung lautendes Leistungsbegehren abzuweisen.
Der Beschwerdeführer wurde durch das gerügte Verhalten des belangten Organs daher nicht in seinem Recht auf Auskunft über eigene Daten gemäß §§ 1 Abs 3 Z 1 und 26 Abs 1 DSG 2000 verletzt; die Beschwerde war daher abzuweisen.
Mit Erkenntnis vom 4. Juni 2005, Zl. 2003/06/0021-17, hat der VwGH die Beschwerde als unbegründet abgewiesen .
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien führt der VwGH zur Rechtsfrage aus:
'Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Auskunftsrecht gemäß § 26 DSG 2000 verletzt. Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunkts vor, aus der Ablehnung der Behandlung seiner Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof sei die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die belangte Behörde in ihrem Spruch das Auskunftsrecht nach § 26 DSG 2000 unzulässigerweise mit der Verfassungsbestimmung des § 1 leg.cit. in Verbindung gebracht habe. Es stelle sich daher nicht die Frage, ob eine manuelle Datei im Sinne des § 1 leg.cit. vorliege, sondern es sei sein Auskunftsbegehren rein nach § 26 leg.cit. zu beurteilen. In dieser Bestimmung werde jedoch der Begriff "manuelle Datei" überhaupt nicht erwähnt, sodass ihm ein Auskunftsrecht nach dieser Gesetzesbestimmung zustehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2004/06/0086, ausgeführt, dass sich die in den §§ 26, 27 und 28 DSG 2000 eingeräumten Rechte auf Auskunft, Löschung und Widerspruch nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen zwar auf (im § 4 Z.4 des Gesetzes definierte) "Daten" beziehen; jedoch sei aus der Entstehungsgeschichte des DSG 2000 und dem systematischen Zusammenhang mit § 2 DSG 2000 zu erschließen, dass diese Rechte (anders als das Recht auf Geheimhaltung) in Ausführung und im Rahmen des in (richtig:) § 1 Abs.3 DSG 2000 normierten Gesetzesvorbehaltes genauer betrachtet nur auf die in dieser Verfassungsbestimmung angeführten, zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell geführten Dateien bestimmten Daten zu beziehen seien. Die belangte Behörde habe der zutreffend darauf abgestellt, ob die (im damaligen Beschwerdefall) gegenständlichen, nicht automationsunterstützt verarbeiteten (konventionellen) Daten in einer Datei gespeichert seien oder gespeichert werden sollten. In der im damaligen Beschwerdefall zu klärenden Frage, ob es sich bei dem in Rede stehenden "Papierakt" bzw. "Kopienakt" um eine "manuelle Datei" im Sinne des § 1 Abs.3 bzw. des § 58 DSG 2000 handle, gelangte der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis, dass der fragliche "Kopienakt" betreffend den damaligen Beschwerdeführer mangels erforderlicher Strukturierung nicht als "manuelle Datei" im Sinne des DSG 2000 anzusehen sei. Gemäß § 43 Abs.2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.
Die in diesem Erkenntnis angestellten Überlegungen zur Bestimmung des Begriffes "strukturierte Datei" bzw. zur Umschreibung des Begriffes "Datei" gelten in gleicher Weise für den verfahrensgegenständlichen Personalakt des Beschwerdeführers , in dem sich das in Rede stehende schriftliche Gutachten befindet. Abgesehen davon ergibt sich aus § 26 Abs.1 DSG 2000 kein Recht auf Einsicht in Daten – wie dies der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall geltend gemacht hat -, sondern immer nur ein Recht auf schriftliche Auskunft über eine Person betreffende Daten. Auch aus diesem Grund kam der vorliegenden Beschwerde keine Berechtigung zu. Die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs.1 VwGG als unbegründet abzuweisen.'
[Anmerkung Bearbeiter: Begründung der Kostenentscheidung nicht wiedergegeben.]