K120.777/003-DSK/2002 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. KLEIN, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Mag. LECHNER in ihrer Sitzung vom 8. März 2002 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch
1. Die Datenschutzkommission stellt auf Grund der Beschwerde des H gemäß § 1 Abs 1 und 5 iVm § 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr 136/2001 (DSG 2000), fest, dass die Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung (belangtes Organ) den Beschwerdeführer durch Einholung einer Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger bezüglich des Beschäftigungsverhältnisses des Beschwerdeführers am 3. April 2001 in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten gemäß § 1 DSG 2000 verletzt hat.
2. Der Antrag des Beschwerdeführers, die Datenschutzkommission wolle dem Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 DSG 2000 Schadenersatz in Höhe des entstandenen materiellen Schadens (ATS 168.680, Euro 12.258,45) zusprechen, wird gemäß § 31 Abs 1 und 2 iVm §§ 32 Abs 4 und 33 Abs 4 DSG 2000 wegen Unzuständigkeit der Datenschutzkommission zurückgewiesen.
Begründung
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist Vater der beiden minderjährigen Kinder Konstanze und Leonore R.
Mit Zustimmungserklärung gemäß § 212 Abs. 2 ABGB vom 2. April 2001 erteilte die Mutter der beiden Kinder als gesetzliche Vertreterin ihre Zustimmung, dass die Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung, Jugendamt, für die Festsetzung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche als Sachwalter einschreiten möge.
Auf Grund dieser Zustimmungserklärung wurde die Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung tätig.
Da der Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung von der Rechtspraktikantin des zuständigen Pflegschaftsgerichtes Bezirksgericht Salzburg bekannt war, dass der Beschwerdeführer seit Monaten seine Einkommensverhältnisse nicht offen legte, holte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung am 3. April 2001 beim Sozialversicherungsträger eine Einkommensauskunft hinsichtlich des Beschwerdeführers ein, ohne den Beschwerdeführer vorher über seine Einkommensverhältnisse zu befragen. Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung stützte ihre Anfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger auf § 37 Abs. 4 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989.
Der Beschwerdeführer erachtete sich durch diese Vorgangsweise der Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung in seinem Recht auf Schutz personenbezogener Daten gemäß § 1 DSG 2000 verletzt und erhob daher Beschwerde an die Datenschutzkommission.
Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen stützen sich auf die Vorbringen der Verfahrensparteien und auf die von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung vorgelegte Zustimmungserklärung der Kindesmutter.
Daraus folgt in rechtlicher Hinsicht:
Zu Spruchpunkt 1:
Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 DSG 2000 hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse hat, insbesondere in Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens.
Die grundsätzliche Schutzwürdigkeit der Einkommensdaten des Beschwerdeführers steht außer Zweifel.
Die Ermittlung derartiger Daten bedarf daher gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 einer besonderen gesetzlichen Grundlage oder einer Rechtfertigung 'zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen'.
Was die besondere gesetzliche Grundlage für die Vorgangsweise der Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung betrifft, so kämen die §§ 183 und 184 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen, RGBl. 1854/208 idgF (Außerstreitgesetz - AußStrG) in Betracht.
Gemäß § 183 Abs. 1 Außerstreitgesetz haben Personen, deren Einkommen oder Vermögen für die Entscheidung über den Unterhaltsanspruch eines Minderjährigen von Belang ist, dem Gericht auf dessen Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu geben und deren Überprüfung zu ermöglichen.
Gemäß § 183 Abs. 2 leg.cit. kann das Gericht, wenn jemand den im vorstehend angeführten Absatz angeführten Pflichten nicht nachkommt, dessen Arbeitgeber und erforderlichen Falls den in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung um Auskunft über das Beschäftigungs- oder Versicherungsverhältnis des Betreffenden ersuchen. In gleicher Weise kann das Gericht die Finanzämter um Auskunft über die maßgebenden Tatsachen für die Besteuerung des Einkommens oder des Vermögens des Unterhaltspflichtigen ersuchen.
Gemäß § 183 Abs. 3 leg.cit. gilt der vorstehende Absatz auch für Anfragen des Pflegschaftsgerichtes, die der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen Minderjähriger oder Pflegebefohlener durch den gesetzlichen Vertreter dienen.
Gemäß § 184 leg.cit. hat der Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlicher Vertreter die in § 183 dem Gericht eingeräumten Auskunftsrechte, ausgenommen das in seinem Abs. 2 letzter Satz genannte Recht.
Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung, Jugendamt, hatte bei der beschwerdegegenständlichen Datenermittlung die Stellung eines gesetzlichen Vertreters der minderjährigen Unterhaltsberechtigten. Die zitierten Bestimmungen der §§ 183 und 184 Außerstreitgesetz gelten daher im vorliegenden Fall auch für die Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung, Jugendamt.
Die Erläuterungen zu den §§ 183 und 184 Außerstreitgesetz (RV 172 Blg. Nr. 17. GP) führen aus, dass derjenige, in dessen Sphäre eine bestimmte Tatsache eintritt, hierüber am besten Auskunft geben kann. Deswegen soll die Auskunftspflicht über das zur Unterhaltsbemessung maßgebliche Einkommen oder Vermögen demjenigen auferlegt werden, der dieses Einkommen oder Vermögen hat. Dieser Unterhaltspflichtige hat dem Gericht die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die Unterlagen, zu denen er Zugang hat, zu übergeben, damit die Angaben überprüft werden können. Kommt jemand diesen Pflichten – etwa auch durch unangemessene Verzögerung bei der Erstellung einer Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung – nicht nach, so kann das Gericht im Interesse des Minderjährigen von Amtswegen den Arbeitgeber und, etwa wenn dieser nicht bekannt ist oder die auskunftspflichtige Person keinen solchen hat, den in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung um Auskunft ersuchen.
Gemäß § 183 Abs. 4 Außerstreitgesetz sind die Ersuchten zur Auskunftserteilung verpflichtet.
§ 37 Abs. 4 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989, BGBl Nr. 161/1989 idgF (JWG), enthält (als unmittelbar anzuwendendes Bundesgesetz) aus dem Blickwinkel der Auskunftspflicht folgende Bestimmung: 'Wirkt ein ... Unterhaltspflichtiger im Einzelfall an der Ermittlung seiner Einkommens- oder Vermögensverhältnisse nicht ausreichend mit, so haben die Träger der Sozialversicherung und die Arbeitgeber auf Ersuchen des Wohlfahrtsträgers über das Versicherungs- oder das Beschäftigungsverhältnis des Genannten Auskunft zu geben.'
Aus den zitierten Gesetzesstellen und Gesetzesmaterialien geht somit hervor, dass zuerst der Unterhaltspflichtige zu befragen ist und nur dann, wenn dies nicht zum Ziel führt, der Arbeitgeber oder der zuständige Sozialversicherungsträger zur Auskunft heranzuziehen ist.
Dies entspricht auch dem datenschutzrechtlichen Grundsatz, wonach stets das gelindeste zum Ziel führende Mittel anzuwenden ist, wenn durch die Ermittlung (oder Übermittlung) von Daten in die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen einer Person eingegriffen wird. Dieser Grundsatz wird daraus abgeleitet, dass Grundrechtseingriffe immer nur im absolut notwendigen und verhältnismäßigen Umfang durchgeführt werden dürfen, sodass bei Alternativen immer jene Eingriffsform zu wählen ist, die die grundrechtlichen Interessen des Betroffenen am wenigsten gefährdet.
Im gegenständlichen Fall gelangten Daten über den Unterhaltspflichtigen an Dritte, die Angelegenheiten seines Privat- und Familienlebens betreffen und daher schutzwürdig sind. Überdies sind sie allenfalls auch geeignet, eine negative Bewertung in den Augen des Dritten hervorzurufen. Die Befragung eines Dritten in Unterhaltssachen muss daher als nicht unerheblicher Eingriff in schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen gewertet werden, bei dem die schutzwürdigen Interessen der Unterhaltsberechtigten erst dann überwiegen, wenn die Auskunft durch den Unterhaltspflichtigen unzureichend, unglaubwürdig, verspätet oder überhaupt nicht zu erlangen ist. (vgl. zu all diesen Ausführungen den Bescheid der Datenschutzkommission vom 19.3.1997, GZ 120.523/9-DSK/97, ZfVBDat 1997/4)
Im vorliegenden Fall beruft sich die Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung auf eine Aussage einer Rechtspraktikantin des zuständigen Pflegschaftsgerichtes. Eine derartige informelle Auskunft kann jedoch keinen ausreichenden Umstand darstellen, aus dem sich die Zwecklosigkeit einer Befragung des Unterhaltspflichtigen vor der Einholung der in § 183 Abs. 2 Außerstreitgesetz vorgesehenen Auskünfte im gegenständlichen Verfahren ergeben hätte.
Die Behörde hat keine Tatsachen ins Treffen geführt, die die Befragung des Unterhaltspflichtigen als nicht zielführend erscheinen lassen mussten.
Dadurch, dass die Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung nicht, wie gesetzlich vorgesehen, zuerst den Beschwerdeführer zur Einkommensauskunft aufforderte, sondern sofort von der subsidiär anzuwendenden Bestimmung des § 183 Abs. 2 Außerstreitgesetz Gebrauch gemacht hat, in dem sie sogleich den Sozialversicherungsträger um Einkommensauskunft ersuchte, hat sie daher den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG 2000 verletzt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.