JudikaturDSB

K120.746/001-DSK/2002 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2002

Text

BESCHEID

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. DUSCHANEK, Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 26. Februar 2002 folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

Über die Beschwerde des H (Beschwerdeführer), bei der Datenschutzkommission (DSK) eingelangt am 5. März 2001, gegen den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Rechnungsamt, Stadtkasse für den 2. und 20. Bezirk, wird gemäß § 1 Abs. 1 und 5 iVm § 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 wie folgt entschieden:

I. Der Beschwerdeführer wurde in seinem Grundrecht auf Datenschutz dadurch, dass der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6-Rechnungsamt, Stadtkasse für den 2. und 20. Bezirk, im Jänner 2001 Versicherungsdaten des Beschwerdeführers, nämlich die Polizzennummer und Fälligkeit einer von diesem bei der B-Versicherung AG abgeschlossenen Lebensversicherung ermittelt hat, nicht verletzt.

II. Hinsichtlich des Begehrens, festzustellen, dass die Datenübermittlung durch die B-Versicherung AG durch § 7 Abs. 2 DSG 2000 nicht gedeckt war, wird die Beschwerde gemäß §§ 1 Abs. 5 iVm 31 Abs. 2 DSG 2000 zurückgewiesen.

III. Hinsichtlich des Begehrens den Magistrat der Stadt Wien zur Löschung sämtlicher rechtswidrig erlangter Daten zu verpflichten, wird die Beschwerde gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 iVm § 31 Abs. 2 DSG 2000 abgewiesen.

Begründung

I. Im Zuge eines abgabenbehördlichen Verfahrens stellte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Rechnungsamt, Stadtkasse für den 2. und 20. Bezirk (belangtes Organ), einen Rückstandsausweis betreffend die Person des Beschwerdeführers aus. In weiterer Folge richtete das belangte Organ an den Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs eine Anfrage, in der um Bekanntgabe ersucht wurde, ob der Beschwerdeführer eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, zutreffendenfalls um Bekanntgabe der Polizzennummer bzw. Fälligkeit der Versicherung. Als Zweck gab das belangte Organ an, ein behördliches Pfandrecht erwerben zu wollen. Als Beleg für ihre gesetzliche Befugnis zur Durchführung dieser Anfrage verwies die MA 6 ausdrücklich auf § 113 der Wiener Abgabenordnung (WAO), wonach die Abgabenbehörde ermächtigt sei, Auskunft über alle für die Verwaltung von Abgaben maßgebenden Tatsachen zu verlangen. Diese Auskunftspflicht treffe jedermann, auch wenn es sich nicht um seine persönliche Abgabenpflicht handle. Diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung schließe auch die Verbindlichkeit in sich, Urkunden und andere schriftliche Unterlagen vorzulegen.

Tatsächlich erhielt das belangte Organ von der B-Versicherung über den Versicherungsverband Österreich die gewünschten Angaben übermittelt. Gegen diese Vorgangsweise erhob Herr H Beschwerde gemäß § 31 DSG 2000.

Das zur Stellungnahme aufgeforderte belangte Organ verwies im Wesentlichen auf die sich aus der WAO ergebenden Ermittlungsbefugnisse, insbesondere auf die §§ 113ff iVm § 89 leg. cit..

Der Beschwerdeführer vertrat in seinem Schreiben vom 21. Mai 2001 demgegenüber die Auffassung, die Abgabenbehörde sei nach den vorzitierten Gesetzesstellen berechtigt, Auskunft über alle für die Verwaltung von Abgaben maßgeblichen Tatsachen zu verlangen, dies berechtigte sie jedoch nicht dazu, Erkundigungen im Abgabenexekutionsverfahren aus fremden Datenbeständen einzuholen, nur um mögliche Exekutionsobjekte auszukundschaften. Weiters beantragte der Beschwerdeführer 'festzustellen, dass die Datenübermittlung durch § 7 Abs. 2 DSG nicht gedeckt war und die MA 6 zur Löschung sämtlicher rechtswidrig erlangter Daten zu verhalten'.

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den Akten.

III. In rechtlicher Hinsicht hat die Datenschutzkommission erwogen:

Zu Spruchteil I:

Rückstandsausweise wie der im vorliegenden Fall vom belangten Organ am 26. Jänner 2001 ausgestellte sind Exekutionstitel sowohl für das abgabenbehördliche als auch das gerichtliche Vollstreckungsverfahren (vgl. § 176 WAO; vgl. auch § 4 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO)). Das Verfahren der Vollstreckung der einen vollstreckbaren Titel bildenden Rückstandsausweise richtet sich - soweit öffentliche Abgaben und Beiträge eingebracht sollen - nach den Bestimmungen der AbgEO (vgl. § 1 Abs. 3 VVG iVm § 2 Abs. 1 AbgEO). Als Verwaltungsvollstreckungsbehörde mit eigener spezialisierter Vollstreckungsabteilung hat der Magistrat hinsichtlich der Exekution auf das bewegliche Vermögen und auf nicht grundbücherlich sichergestellte Forderungen die Wahl, selbst eine Pfändung bzw. Verwertung zu versuchen oder den Weg des gerichtlichen Vollstreckungsverfahrens zu beschreiten (vgl. § 3 Abs. 1 VVG iVm § 3 Abs. 2 und 3 AbgEO). Wie sich aus § 7 Abs. 1 AbgEO ergibt, können mehrere abgabenbehördliche Vollstreckungsarten gleichzeitig angewendet werden, es besteht also keine Verpflichtung, etwa zuerst die Fahrnisexekution anzuordnen und den Verpflichteten bei Erfolglosigkeit derselben durch das Verfahren zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses (§§ 31a, 47 Abs. 3 AbgEO) zur Bekanntgabe von möglichen weiteren Exekutionsobjekten zu zwingen.

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer mit der Entrichtung der Getränkesteuer und der Vergnügungssteuer in Verzug (gewesen) ist, wobei die Steuerschuld auf die Jahre 1993, 1996 und 1997 zurückgeht und inklusive div. Zuschläge und aufgelaufener Zwangsverfahrensgebühren 68.825,60 S beträgt. Damit steht fest, dass der Beschwerdeführer seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist und insofern einen gesetzwidrigen Zustand herbeigeführt hat, dessen Beseitigung dem Magistrat der Stadt Wien als zur Einhebung dieser Steuern nicht bloß Berechtigten sondern sogar Verpflichteten obliegt. Diese Verpflichtung lässt sich aus den Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes über die Rechnungshofkontrolle erkennen. So ist der Rechnungshof gemäß Art. 121 Abs. 1 B-VG ua. zur Überprüfung der Gebarung der Länder und Gemeinden berufen, wobei hinsichtlich der Kontrolle der Gebarung der Stadt Wien durch den Rechnungshof die Bestimmungen über die Kontrolle der Gebarung der Länder zur Anwendung gelangen (vgl. Art. 127 Abs. 8 B-VG). Zur Gebarung zählt jedes Verhalten, das finanzielle Auswirkungen hat (vgl. VfSlg. 7944). Demzufolge stellt auch jede im Rahmen der zwangsweisen Hereinbringung von bereits fällig gewordenen Steuern oder Abgaben gesetzte Maßnahme gebarungsrelevantes Verhalten dar.

Im Hinblick auf die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Interpretation innerstaatlichen Rechts, wäre § 113 WAO aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ebenfalls als vereinbar mit dem Recht auf Datenschutz zu sehen. Auch wenn die Weiterverwendung von Daten über das Bestehen eines Versicherungsvertrages für Zwecke der Abgabenexekution als inkompatible Weiterverwendung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. b RL 95/46/EG qualifiziert würde, käme § 113 WAO die Rolle eines gemäß Art. 13 RL 95/46/EG zulässigen Ausnahmebestimmung vom Inkompatibilitätsverbot zu, und zwar näher hin, aus dem Grunde eines wichtigen wirtschaftlichen Interesses eines Mitgliedsstaates 'einschließlich Währungs-, Haushalts- und Steuerangelegenheiten' (Art. 13 Abs. 1 lit. e RL 95/46/EG). Kommt ihr im Hinblick darauf, dass die von der belangten Behörde gesetzte Maßnahme auf eine möglichst rasche und wirksame Beseitigung des vom Beschwerdeführer geschaffenen und von ihm zu vertretenen rechtswidrigen Zustandes gerichtet war, aus nachstehenden Gründen wesentliche Bedeutung zu:

So hat sich die belangte Behörde zur Rechtfertigung ihres Handelns auf die Bestimmungen der §§ 89 und 113 Wiener Abgabenordnung - WAO berufen. Zwar beziehen sich diese beiden Normen für sich allein gesehen ausschließlich auf das Verfahren zur Feststellung der Abgabepflichtigkeit bzw. der Abgabenbemessung. § 89 WAO bestimmt u.a., dass die Abgabenbehörden darauf zu achten haben, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgabevorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden sowie darüber zu wachen haben, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden. § 113 Abs. 1 leg. cit. normiert, dass zur Erfüllung der im § 89 WAO bezeichneten Aufgaben die Abgabenbehörden berechtigt sind, Auskunft über alle für die Verwaltung von Abgaben maßgebenden Tatsachen zu verlangen, wobei diese Auskunftspflicht jedermann trifft, auch wenn es sich nicht um seine persönliche Abgabepflicht handelt. Diesen verfahrensrechtlichen Bestimmungen kommt im gegenständlichen Fall insofern Relevanz zu, als § 2 Abs. 1 der Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 in der Fassung BGBl. Nr. 53/1963 nicht nur die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auch in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden der Länder, der Gemeindeverbände und der Gemeinden zu erhebenden öffentlichen Abgaben, Beiträge und Nebenansprüche, sondern auch die (soweit sich aus der Abgabenexekutionsordnung nichts anderes ergibt) landesgesetzlichen Abgabenverfahrensvorschriften im Vollstreckungsverfahren für anwendbar erklärt. Damit sind auch die Verfahrensbestimmungen der WAO im Vollstreckungsverfahren zu beachten. Die Berechtigung, Auskunft über alle für die Verwaltung von Abgaben maßgebenden Tatsachen verlangen zu können, und zwar von jedermann, auch wenn es sich nicht um seine persönliche Abgabepflicht handelt, ist daher auch im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich gegeben.

Diese Berechtigung könnte nur insofern eine Einschränkung erfahren, als sich aus anderen Rechtsnormen eine solche Einschränkung ergeben würde. Dies ist nicht der Fall. Aus § 108a Abs. 1 Z 1 Versicherungsaufsichtsgesetz, BGBl. Nr. 569/1978 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/1998 ergibt sich vielmehr, dass Dienstnehmer eines Versicherungsunternehmens ihnen ausschließlich auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit bekannt gewordene Verhältnisse oder Umstände, deren Geheimhaltung im berechtigten Interesse der davon betroffenen Personen gelegen ist nicht weitergeben oder verwerten dürfen, es sei denn, dass die Weitergabe oder Verwertung nach Inhalt und Form u.a. durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt ist. Die Hereinbringung vollstreckbarer Steuerforderungen stellt ein solches öffentliches Interesse dar, dem im vorliegenden Fall kein überwiegendes schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse gegenübersteht.

Der Beschwerde war daher hinsichtlich des im Punkt I dargelegten Verhaltens der Erfolg zu versagen.

Zu Spruchteil II:

Datenschutzrechtlich kann der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt in den Vorgang der Ermittlung von Daten durch das belangte Organ beim Versicherungsverband und den Schritt der Übermittlung der angefragten Daten durch die B-Versicherung im Wege des Versicherungsverbandes an das belangte Organ unterteilt werden. Gegenüber Rechtsträgern, die in Formen des Privatrechtes eingerichtet sind, ist das Grundrecht auf Datenschutz - mit Ausnahme des 'Teilgrundrechtes' auf Auskunft - auf dem Zivilrechtswege geltend zu machen (§ 1 Abs. 5 erster Satz DSG). Hinsichtlich des Begehrens auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der 'Datenübermittlung' - also der Übermittlung durch die B-Versicherung im Wege des Versicherungsverbandes an das belangte Organ - richtet sich die Beschwerde somit gegen einen Privatrechtsträger und kommt der Datenschutzkommission insoweit keine Zuständigkeit zu.

Zu Spruchteil III:

Anträge auf Löschung rechtswidrig erlangter bzw. gespeicherter Daten sind gemäß § 27 Abs. 1 Z 2 DSG 2000 zunächst direkt an den betreffenden Auftraggeber zu richten. Erst wenn der Auftraggeber einem entsprechenden Antrag nicht binnen 8 Wochen ab Einlangen entsprochen hat (vgl. § 27 Abs. 4 DSG 2000), kommt die Geltendmachung im Wege einer Beschwerde an die Datenschutzkommission gemäß § 31 Abs. 2 DSG 2000 in Betracht. Vor Geltendmachung des Rechts auf Löschung von Daten kann eine Verletzung in diesem Recht aber denkmöglich gar nicht stattfinden. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bisher keinerlei expliziten Löschungsantrag an das belangte Organ herangetragen hat, weshalb eine Verletzung im subjektiven Recht auf Löschung von Daten nicht vorliegen kann.

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