K202.007/004-DSK/2001 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. DUSCHANEK, Mag. HUTTERER, Dr. KLEIN, Dr. KLEISER und Dr. KOTSCHY sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 21. August 2001 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag vom 27. März 2001 auf Genehmigung der Übermittlung der Daten der Datenanwendung 'Wählerevidenzregister' (Auftraggeber: Bundesministerium für Inneres, DVR: 0000052, Datenanwendung Nr. 0013) an Prof. Dr. O (Antragsteller), Universitätsklinik für Innere Medizin in X, für den Zweck der Versendung von Fragebögen für eine medizinische Studie über Magen-Darm-Erkrankungen und Ernährungsgewohnheiten der österreichischen Bevölkerung wird mangels Vorliegens eines Sachverhalts, der einen genehmigungspflichtigen Tatbestand erfüllt, zurückgewiesen.
Begründung
Aus dem Antrag vom 5. Dezember 2000 samt Ergänzung vom 27. März 2001 ergibt sich folgender bescheinigter Sachverhalt:
Der Antragsteller beabsichtigt die Verwendung von Daten aus dem Wählerevidenzregister (=zentrale Wählerevidenz im Bundesministerium für Inneres) für den Zweck der Versendung von Fragebögen für eine medizinische Studie über Essverhalten und Häufungsgrad von Magen- und Darmbeschwerden in der österreichischen Bevölkerung. Um diese Studie nach international anerkannten wissenschaftlichen Kriterien durchzuführen, werden die im Spruch aufgezählten Daten eines möglichst repräsentativen und umfassenden Personenverzeichnisses benötigt, aus dem ein bestimmter Betroffenenkreis ausgewählt und an zu diesem Kreis gehörende, nach Zufallsprinzip ausgewählte Betroffene die Fragebögen für die eigentliche Datenermittlung versendet werden. Die Teilnahme an der eigentlichen Studie wäre freiwillig, die Fragebögen selbst anonym, wobei nur mit Zustimmung des Betroffenen die Möglichkeit bestünde, die erhobenen Gesundheitsdaten einem bestimmten Fragebogenadressaten zuzuordnen. Die Studie dient wissenschaftlichen Zwecken und ist von öffentlichem Interesse, da sie auch die zukünftige bessere Planung von medizinischen Vorsorgemaßnahmen ermöglichen wird.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf der glaubwürdigen Projektbeschreibung des Antragstellers in den Schreiben vom 5. Dezember 2000, GZ 202.007/0-DSK/00, und vom 27. März 2001, GZ K202.007/002-DSK/2001. Die Feststellungen hinsichtlich des Inhalts der Datenanwendung 'Wählerevidenzregister' wurden dem öffentlichen Datenverarbeitungsregister entnommen. Ein weiter gehendes Beweis- und Ermittlungsverfahren war nicht notwendig, da § 47 Abs 4 DSG 2000 ausdrücklich nur die Bescheinigung (Glaubhaftmachung) der Voraussetzungen für eine Genehmigung fordert.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Anzuwendende Rechtsvorschriften:
Gemäß der Verfassungsbestimmung von § 1 Abs 1 DSG 2000 hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Ein solches ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
Gemäß § 7 Abs 2 DSG 2000 dürfen Daten übermittelt werden, wenn sie aus einer zulässigen, etwa durch Gesetz gedeckten Datenanwendung stammen, der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft macht und durch Zweck und Inhalt der Übermittlung schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden.
Gemäß § 8 Abs 2 DSG 2000 gelten bei der Verwendung zulässigerweise veröffentlichter Daten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen als nicht verletzt.
Gemäß § 47 Abs 1 DSG 2000 ist die Übermittlung von Adressdaten eines bestimmten Kreises von Betroffenen zum Zweck ihrer Befragung grundsätzlich nur mit Zustimmung der Betroffenen gestattet.
§ 47 Abs 2 Z 2 lit a) DSG 2000 legt eine Ausnahme für den Fall fest, dass Adressdaten an Dritte übermittelt werden sollen und nach Auswahlkriterien und Gegenstand der Befragung eine Beeinträchtigung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen unwahrscheinlich ist, und an der Befragung der Betroffenen auch ein öffentliches Interesse besteht.
Im Falle des Nichtvorliegens der Voraussetzungen gemäß § 47 Abs 2 DSG 2000 dürfen Daten ohne Zustimmung der Betroffenen entsprechend den in § 47 Abs 3 und 4 DSG 2000 aufgestellten Voraussetzungen mit Genehmigung der Datenschutzkommission verwendet werden. Diese ist zu erteilen, wenn die Einholung der Zustimmung der Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde
Gemäß § 1 Wählerevidenzgesetz 1973, BGBl Nr 601/1973 idF BGBl I Nr 30/1998 (WählerevidenzG) sind die Daten Vorname, Familienname, Geschlecht, Geburtsdatum und Wohnadresse jedes Wahl- und Stimmberechtigten von der Gemeinde des Hauptwohnsitzes für jeden Staatsbürger, der vor dem 1. Jänner des jeweiligen Jahres das 18. Lebensjahr vollendet hat, in der (örtlichen) Wählerevidenz zu erfassen, die als Kartei oder mit Hilfe automationsunterstützter Datenanwendungen geführt werden kann. Sämtliche automationsunterstützt erfassten Daten sind gemäß § 3 Abs 4 WählerevidenzG an das Bundesministerium für Inneres zu übermitteln, das sie im Wählerevidenzregister verarbeiten darf. Die örtlichen Wählerevidenzen sind gemäß § 3 Abs 1 WählerevidenzG für jedermann einsehbar.
Rechtliche Beurteilung des vorliegenden Antrags:
Es steht fest, dass zur Versendung von Fragebögen für eine medizinische Studie in der vom Antragsteller beschriebenen Art und Weise, die 'Übermittlung von Adressdaten eines bestimmten Kreises von Betroffenen zum Zweck ihrer Befragung' Voraussetzung wäre. Beim Kreis der hier Betroffenen handelt es sich um die österreichischen Wahlberechtigten. Übermittelt würden die Daten vom Bundesministerium für Inneres als Auftraggeber des Wählerevidenzregisters an den Antragsteller als weiteren Auftraggeber und Übermittlungsempfänger.
§ 47 Abs 4 DSG 2000 setzt wie überhaupt die gesamte Gesetzesbestimmung voraus, dass die zu übermittelnden Daten einem schutzwürdigen Geheimhaltungsanspruch zugänglich sind. Beim Verwenden von Daten, wozu gemäß § 4 Z 6 DSG 2000 ausdrücklich auch das Übermitteln von Daten zählt, die als veröffentlicht gelten können, ist gemäß § 8 Abs 2 DSG 2000 die Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen ausgeschlossen. Eine Beeinträchtigung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen ist bei Vorliegen veröffentlichter Daten somit nicht nur unwahrscheinlich sondern sogar ausgeschlossen. In diesem Fall könnte daher § 47 Abs 2 Z 2 lit a DSG 2000 zur Anwendung kommen, wonach die Übermittlung von Adressdaten ohne Zustimmung des Betroffenen erlaubt ist, wenn an der vorgesehenen Befragung ein öffentliches Interesse besteht. Ein solches Interesse - wissenschaftliche Forschung mit möglichen Erkenntnissen, die für die Gesundheitsvorsorge nützlich sein könnten - hat der Antragsteller bescheinigt.
Bei den Daten des Wählerevidenzregisters, das nur eine Kompilation sämtlicher automationsunterstützter Wählerevidenzen der österreichischen Gemeinden darstellt, handelt es sich um Daten aus öffentlichen Registern, die jedermann auf Gemeindeebene einsehen kann. Damit handelt es sich um veröffentlichte Daten gemäß § 8 Abs 2 DSG 2000.
Die Übermittlung dieser Daten wäre daher schon allein bei Beachtung der allgemeinen datenschutzrechtlichen Bestimmungen über die Übermittlung gemäß § 7 DSG 2000, insbesondere Abs 2 leg.cit., gestützt auf § 47 Abs 2 Z 2 lit a DSG 2000 zulässig.
§ 47 Abs 3 DSG 2000 ist, wie schon oben dargelegt wurde, eine Ausnahmebestimmung, die es im Wege eines Rechtsgestaltungsbescheids (Ausnahmegenehmigung) ermöglichen soll, einen ansonsten unzulässigen Eingriff in durch das DSG 2000 geschützte Rechte vorzunehmen. Da das Recht, das durch die Datenschutzkommission hier dem Antrag entsprechend verliehen werden soll, aber unmittelbar auf Grundlage des Gesetzes bereits besteht, würde ein solcher Bescheid ins Leere gehen. Der Antrag war daher spruchgemäß zurückzuweisen.