JudikaturDSB

K120.697/005-DSK/2001 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
01. Juni 2001

Text

BESCHEID

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. KLEISER, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 1. Juni 2001 folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

1. Der Bescheid der Datenschutzkommission vom 15. Dezember 2000, GZ 120.697/7-DSK/00, wird gemäß § 68 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 29/2000 (AVG), aufgehoben.

2. An seine Stelle tritt gemäß § 63 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl Nr 566/1991 idF BGBl I Nr 85/2000 (SPG) iVm § 90 Abs 1 SPG und § 31 Abs 2 Datenschutzgesetz 2000, BGBl I Nr 165/1999 (DSG 2000) folgender Spruch: Der Beschwerde des H aus Wien (Beschwerdeführer), vertreten durch Rechtsanwältepartnerschaft Dr. G und Dr. G in Wien, vom 15. März 2000 wird stattgegeben. Der Bezirkshauptmannschaft T wird als Auftraggeber aufgetragen, binnen zwei Wochen folgende den Beschwerdeführer betreffende personenbezogene Daten, nämlich sämtliche unter der EDV-Zahl 79,XXX.502 in der Zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden (Elektronisches Kriminalpolizeiliches Informationssystem - EKIS, Applikation: Kriminalpolizeilicher Aktenindex - KPA) verarbeitete Daten, insbesondere: Vorname, Familienname, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort, Vornamen der Eltern, Staatsangehörigkeit sowie sämtliche Angaben zur Anzeige P X76/98 des Gendarmeriepostens O, zu löschen.

Begründung

Mit dem unter Spruchpunkt 1. aufgehobenen Bescheid wurde die mit einem Löschungsbegehren verbundene Beschwerde vom 15. März 2000 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid zu Zl. B 176/01 am 1. Februar 2001 Beschwerde wegen Verletzung seiner verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Ein Erkenntnis dieses Gerichtshofs ist bisher nicht ergangen.

Der Verfassungsgerichtshof hat aber mit Erkenntnissen vom 16. März 2001, GZ G 94/00-8 und GZ B 1117/99-13, Entscheidungen getroffen, die die von der Datenschutzkommission im zu 1. aufgehobenen Bescheid vertretene Auslegung der §§ 57 Abs 1 Z 6 und 58 Abs 1 Z 6 lit b SPG verfassungswidrig erscheinen lassen.

Aus dem aufgehobenen Bescheid ist niemand ein Recht erwachsen, weshalb einer Bescheidaufhebung durch die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, das Hindernis der Rechtskraft nicht entgegensteht. Der Bescheid war daher zwingend zwecks Herstellung jenes Zustands, der der Rechtsansicht des Höchstgerichts entspricht, gemäß § 68 Abs 2 AVG aufzuheben.

Für die neue Sachentscheidung ging die Datenschutzkommission von folgendem, gegenüber den Feststellungen im aufgehobenen Bescheid auf Grund der Ergebnisse des bereits durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergänzten Sachverhalt aus:

Am 13. Oktober 1998 erstattete der Gendarmerieposten O für das belangte Organ unter GZ: P X76/98 Strafanzeige wegen des Verdachts des Verbrechens nach § 106 StGB an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt. Dieser Anzeige liegt ein Vorfall am 12., 13. oder 20. August 1998 zu Grunde, bei dem der Beschwerdeführer unter den Verdacht der Schweren Nötigung geriet, als er einen Mann und dessen Begleiter mit einem ungeladenen Luftgewehr zum Verlassen der von ihm als Ferienwohnsitz gemieteten Liegenschaft gezwungen haben soll, weil er befürchtete, seine schwerkranke elfjährige Tochter werde aus Angst vor dem mitgeführten Hund in eine gesundheitsgefährdende Stresssituation geraten. Das belangte Organ veranlasste als datenschutzrechtlicher Auftraggeber auf Grundlage der bei der Einvernahme des Beschwerdeführers auf dem Gendarmerieposten O auf dem standardisierten 'Personalblatt' erhobenen Daten die Speicherung der im Spruch genannten Daten in der vom Bundesministerium für Inneres als Dienstleister aller Sicherheitsbehörden geführten Zentralen Informationssammlung (Elektronisches kriminalpolizeiliches Informationssystem - EKIS, Applikation: Kriminalpolizeilicher Aktenindex - KPA) unter der im Spruch genannten EDV-Zahl. Die Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer wurde von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gemäß § 90 Abs 1 StPO ohne weiteres Verfahren zurückgelegt und der Beschwerdeführer davon mit Benachrichtigung vom 18. November 1998, GZ: 728 1St XX2/98y-1, nachweislich verständigt.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen betreffen nicht bestrittene Sachverhaltselemente und beruhen auf den in den vom belangten Organ vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere der zitierten Strafanzeige (Vollanzeige) des Gendarmeriepostens O samt Personalblatt, den von der Sicherheitsdirektion für Kärnten erstellten, den Beschwerdeführer betreffenden KPA-Auszügen vom 5. und 7. Jänner 1999 und der zitierten Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt. Die Feststellungen zum angezeigten Sachverhalt wurden einschließlich der widersprüchlichen Angaben zur Tatzeit ebenfalls der Strafanzeige entnommen.

In rechtlicher Hinsicht war zu erwägen:

Gemäß der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2001, GZ: G 94/00-8 (Seite 14ff), vertretenen Rechtsansicht, sind die Sicherheitsbehörden in verfassungskonformer Auslegung von § 63 Abs 1 iVm § 61 SPG von Amts wegen verpflichtet, die in der Zentralen Informationssammlung gemäß § 57 Abs 1 Z 6 SPG (Kriminalpolizeilicher Aktenindex) verarbeiteten Daten zur Herstellung der Datenrichtigkeit jedenfalls um Angaben (laut VfGH: 'Folgedaten') wie die Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 90 Abs 2 StPO und einen Freispruch gemäß § 259 StPO durch ein Gericht zu ergänzen. Weiters sind solche Daten gemäß § 63 Abs 1 SPG auch vor Ablauf der in § 58 Abs 1 Z 6 lit b SPG festgelegten Frist auf Antrag des Betroffenen zu löschen, wenn die Speicherung als im Dienste der Strafrechtspflege nicht mehr erforderlich anzusehen ist, was durch Interessenabwägung festzustellen ist.

Diese Interessenabwägung ergab nun Folgendes:

Der Beschwerdeführer ist unbescholten und wurde wegen eines schon wegen der äußeren Umstände (Zeit, Ort, beteiligte Personen, emotionaler Stress) mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht wiederholbaren Vorfalls von Organen der belangten Sicherheitsbehörde zur Anzeige gebracht. Das angezeigte Delikt, Schwere Nötigung gemäß § 106 StGB, ist zwar nicht geringfügig sondern gehört gemäß § 17 Abs 1 StGB zu den Verbrechen, der Tatverdacht war aber offenbar so gering, dass die Staatsanwaltschaft Klagenfurt gemäß § 90 Abs 1 StPO nicht genügend Gründe fand, wider den Beschwerdeführer ein gerichtliches Strafverfahren einzuleiten. Es ist daher nach den vom Verfassungsgerichtshof im bereits mehrfach zitierten Erkenntnis aufgestellten Grundzügen das öffentliche Interesse an einer Verarbeitung der Beschwerdeführerdaten gegen das subjektive Interesse an der Löschung abzuwägen.

Das öffentliche Interesse an der weiteren Verarbeitung der Beschwerdeführerdaten kann nur durch Ziel und Zweck des Sicherheitspolizeirechts und der Strafrechtspflege begründet werden. Verhinderung und Aufklärung von strafbaren Handlungen, die Bestrafung der Täter sowie die Abwehr von allgemeinen Gefahren, die von Menschen ausgehen, sind die hauptsächlich zu wertenden öffentlichen Interessen. Das Interesse des Beschwerdeführers wiederum besteht in der Wahrung seines Grundrechts auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten, dem Schutz seines Privat- und Familienlebens und der Wahrung seines Rechts, bis zur rechtskräftigen Verurteilung durch ein Gericht oder ein anderes durch Gesetz eingerichtetes Tribunal als unschuldig zu gelten. Während einerseits auf Grund des festgestellten Sachverhalts und der eingangs dargelegten Umstände kein einsichtiger Grund besteht, anzunehmen, der Beschwerdeführer werde eine strafbare Handlung wie die zur Anzeige gebrachte begehen oder unter ähnlichen Umständen eine allgemeine Gefahr verursachen, ist andererseits eine KPA-Vormerkung als manifester Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs 1 DSG 2000 und das Grundrecht auf Geltung der Unschuldsvermutung gemäß Art 6 Abs 2 EMRK anzusehen, da einer der erkennbaren Zwecke des Kriminalpolizeilichen Aktenindex ist, im Falle unaufgeklärter Straftaten an Hand früherer Verdachtsfälle den Kreis der als Täter in Frage kommenden Personen einzugrenzen. Eine KPA-Vormerkung setzt den Betroffenen daher erhöhter Gefahr aus, neuerlich von den Sicherheitsbehörden auf Verdachtsmomente hin überprüft zu werden. Dieser Gefahr darf ein Betroffener aber nur ausgesetzt werden, wenn für jedermann verständliche Gründe vorliegen, dass durch die Verarbeitung dieser Daten Zwecke der Strafrechtspflege und der Sicherheitspolizei gefördert werden. Die Abwägung ergab deshalb hier, dass das subjektive Interesse an der Löschung der Daten das öffentliche Interesse an der Verarbeitung überwiegt. Es war daher die Löschung dieser Daten anzuordnen.

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