K202.010/002-DSK/2001 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTERER, Dr. KLEISER, Dr. ROSENMAYER-KLEMENZ, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer
Sitzung vom 24. April 2001 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch:
Die Datenschutzkommission erteilt gemäß § 46 Abs. 3 Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 (DSG 2000), an die durch Beschluss der medizinischen Fakultät der Universität Z eingerichtete und dem Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie zugeordnete 'Arbeitsgruppe Personengemeinschaft
Die Rolle der Medizin im Nationalsozialismus (AG)', vertreten durch ihren Vorsitzenden Herrn Univ.-Prof. H, die Genehmigung zur Verwendung personenbezogener Daten des Archivs der Ärztekammer für M für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik nach Maßgabe der folgenden Bedingungen und Auflagen:
1. Die Verwendung ist nur für Zwecke der Tätigkeit der AG in Durchführung des Forschungsprojekts 'Der gesunde Volkskörper –
Die Medizinische Fakultät der Universität Z und das Gesundheitswesen in der NS-Zeit' laut dem der Datenschutzkommission vorgelegten und einen integrierenden Bestandteil dieses Spruches bildenden Arbeitskonzepts für dieses Projekt (Verfasser: Univ.-Prof. E, Beilage./A) zulässig.
2. Datenarten und Betroffenenkreise, deren Daten verwendet werden dürfen, bestimmten sich nach dem, was zur Durchführung des Forschungsprojekts gemäß dem einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Arbeitskonzepts für das Projekt (Verfasser: Univ.-Prof. E, Beilage./A) unabdingbar notwendig ist.
3. Die AG hat Personen und Einrichtungen, die sie für Tätigkeiten, die einen Zugang zu personenbezogenen Daten bedingen, heranzieht, nachweislich über die Pflichten aus dem DSG 2000 und diesem Bescheid zu informieren und für die entsprechende Überwachung zu sorgen. Es dürfen nur Personen herangezogen werden, deren Verlässlichkeit glaubhaft ist und die einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder sich in Schriftform zur Wahrung des Datengeheimnisses (§ 15 DSG 2000) verpflichtet haben.
4. Bei der Verwendung von Daten ist die Bestimmung des § 46 Abs. 5 DSG 2000 zu beachten.
5. Diese Genehmigung umfasst nicht die allfällige Übermittlung, insbesondere Veröffentlichung, von Forschungsergebnissen in personenbezogener Form. Eine derartige Verwendung von Daten ist nur zulässig, wenn sie im Einzelfall den §§ 6 bis 9 DSG 2000 entspricht.
6. Diese Genehmigung gilt bis zum Abschluss des Projekts 'Der gesunde Volkskörper – die medizinische Fakultät der Universität Z und das Gesundheitswesen in der NS-Zeit' oder einer davor erfolgenden Auflösung der AG; Projektabschluss oder vorzeitige Auflösung der Arbeitsgruppe sind der Datenschutzkommission von der Arbeitsgruppe bzw. der Medizinischen Fakultät der Universität Z rechtzeitig vor Projektabschluss bzw. Auflösung anzuzeigen.
7. Die von der AG verwendeten Daten sind, sofern sie nicht im Einklang mit den bestehenden Rechtsvorschriften an eine geeignete Institution zur Archivierung übermittelt oder rechtmäßig veröffentlicht wurden, mit Abschluss des Projektes 'Der gesunde Volkskörper – Die Medizinische Fakultät der Universität Z und das Gesundheitswesen in der NS-Zeit' zu löschen.
Begründung:
Gemäß § 26 Abs. 2 Z 3 DSG 2000 [Anmerkung: Schreib- bzw. Redaktionsfehler; gemeint wohl: § 46 Abs 2 Z 3 DSG 2000] dürfen personenbezogene Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschungsaufgaben, bei denen – zumindest teilweise – personenbezogene Ergebnisse erzielt werden sollen, und in Fällen mangelnder ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung oder mangelnder Zustimmung des Betroffenen nicht öffentlich zugängliche personenbezogene Daten nur mit Genehmigung der Datenschutzkommission verwendet werden.
Aus dem Antrag und dem diesen beigeschlossenen Arbeitskonzept zum Projekt 'Der gesunde Volkskörper – Die Medizinische Fakultät der Universität Z und das Gesundheitswesen in der NS-Zeit' ergibt sich der folgende entscheidungsrelevante Sachverhalt:
Die Medizinische Fakultät der Universität Z hat eine Arbeitsgruppe mit dem Namen 'Arbeitsgruppe Die Rolle der Medizin im Nationalsozialismus' eingerichtet. Diese Arbeitsgruppe wurde dem Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie zugeordnet. Aus der Bezeichnung der Arbeitsgruppe ergibt sich gleichzeitig der globale Forschungsauftrag der medizinischen Fakultät an diese Arbeitsgruppe. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe ist Herr Univ.-Prof. H, geschäftsführender Vorsitzender ist Herr Univ.- Prof. D und als wissenschaftlicher Leiter fungiert Herr Univ.- Prof. E. Sämtliche der genannten Personen stehen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich und unterliegen in dieser Eigenschaft der Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG. Das konkrete, dem Antrag an die Datenschutzkommission zu Grunde liegende Forschungsprojekt, welches die AG durchzuführen beabsichtigt bzw. zum Teil bereits durchführt, trägt den Titel 'Der gesunde Volkskörper –
Die Medizinische Fakultät der Universität Z und das Gesundheitswesen in der NS-Zeit'. Die näheren Methoden und Zielsetzungen dieses Projekts sind dem mit dem Antrag vorgelegten Arbeitskonzept für das Projekt (Verfasser: Univ.- Prof. E, Beilage./A), welches einen integrierenden Bestandteil des Spruches dieses Bescheides bildet, zu entnehmen.
Die Tätigkeit der AG wird finanziell durch den Bund, das Land M und die Stadt Z gefördert.
In rechtlicher Hinsicht war zu erwägen:
1. Gemäß § 4 Z 4 DSG 2000 können als 'Auftraggeber' im datenschutzrechtlichen Sinn nicht nur natürliche oder juristische Personen fungieren, sondern auch Personengemeinschaften, welchen es zwar an einer eigenen Rechtspersönlichkeit mangelt, die aber durch ihre Bezeichnung sowie die gemeinsamen Ziele und Aufgaben der Mitglieder eine hinlänglich unterscheidbare Entität sind. Die 'Arbeitsgruppe
Die Rolle der Medizin im Nationalsozialismus' besitzt diese Eigenschaften und kommt daher als antragstellender Auftraggeber im Sinne des § 46 in Verbindung mit § 4 Z 4 DSG 2000 in Betracht.
2a. § 46 Abs. 3 DSG 2000:
Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für......Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist zu erteilen, wenn
1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet und
2. ein öffentliches Interesse an der beantragten Verwendung besteht und
3. die fachliche Eignung des Antragstellers glaubhaft gemacht wird.
Sollen sensible Daten übermittelt werden, muss ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muss gewährleistet sein, dass die Daten beim Empfänger nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verlässlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.
b. Im vorliegenden Fall liegen Vorsitz, Geschäftsführung bzw. wissenschaftliche Leitung der AG in Händen qualifizierter Wissenschaftler. Die Einholung individueller Zustimmungserklärungen Betroffener kommt im vorliegenden Fall entweder aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht oder würde einen unverhältnismäßigen finanziellen Aufwand erfordern, der aus heutiger Sicht nicht bedeckbar erscheint.
Das öffentliche Interesse an der Durchführung des Forschungsauftrages der Arbeitsgemeinschaft im Allgemeinen kann durch die Förderung der Arbeitsgemeinschaft durch Stellen des Bundes, des Landes M und der Stadt Z als gegeben angenommen werden. Davon abgesehen kann auf die von der Datenschutzkommission bereits getroffene Feststellung verwiesen werden, dass die objektive Aufarbeitung des den Zeitraum von 1938 bis 1945 mit seinen Nachwirkungen umfassenden Abschnitts der österreichischen Geschichte für das internationale Ansehen der Republik Österreich von wesentlicher Bedeutung erscheint (vgl. GZ 202.002/2-DSK/00).
Hinsichtlich des Aspektes der Gewährleistung der Datenverwendung ausschließlich durch Personen, die an gesetzliche Verschwiegenheitspflichten gebunden oder sonst glaubwürdigerweise verlässlich sind, ist auf die Auflage 3 dieses Bescheides zu verweisen.
Die erteilten Auflagen und Bedingungen waren notwendig, um sicherzustellen, dass die im DSG verankerten Grundsätze der Zweckgebundenheit (§ 6 Abs. 1 Z 1 DSG 2000), der Wesentlichkeit (§ 6 Abs. 1 Z 3 DSG 2000) und der zeitlichen Begrenztheit (§ 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000) der Datenverwendung gewahrt bzw. nicht in überschießender Weise beeinträchtigt werden. Weiters war durch Auflagen zu gewährleisten bzw. näher auszugestalten, wie für die Verpflichtung von Mitarbeitern zur Wahrung des Datengeheimnisses sowie für die Weitergeltung der Auftraggeberpflichten bei Auflösung der als Personengemeinschaft zu wertenden AG bzw. bei Beendigung des Forschungsprojektes 'Der gesunde Volkskörper' Vorkehrungen zu treffen sind.
Es war somit so spruchgemäß zu entscheiden.