BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTERER, Dr. KLEISER und Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 29. Juni 2000 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch:
Die Beschwerde der I aus A (kurz: Beschwerdeführerin) vom 19. Oktober 1999 gegen die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich (kurz: belangtes Organ) wegen Verletzung des Grundrechts auf Geheimhaltung sie betreffender personenbezogener Daten durch Übermittlung ihres Namens und ihrer Adresse an den Verein Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuss, am 5. Mai 1999 wird gemäß §§ 1 Abs 2 und 31 Abs 2 iVm § 61 Abs 3 Datenschutzgesetz 2000, BGBl I Nr 165/1999 (DSG 2000) iVm § 1 Abs. 2 Datenschutzgesetz, BGBl Nr 565/1978 idF BGBl Nr 632/1994 (DSG) und § 92 Abs 3 Arbeiterkammergesetz 1992, BGBl Nr 626/1991 idF BGBl I Nr 104/1998 (AKG), als unbegründet abgewiesen.
Begründung:
Aus dem Beschwerdevorbringen und der Stellungnahme des belangten Organs samt Beweisurkunden ergibt sich folgender Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist bei der B Ges.m.b.H. beschäftigt. Im Frühjahr 1999 kam es zwischen dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuss (ÖGB-ANG), und der Geschäftsführung des Unternehmens, in dessen Betrieb kein Betriebsrat besteht, zu einem Konflikt um die Kündigung eines aus Sicht der Gewerkschaft im Interesse der Arbeitnehmerschaft und der Ziele der Gewerkschaft engagierten Mitarbeiters. Zum Zweck der Information der Arbeitnehmerschaft der Firma B ersuchte das Landessekretariat der Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuss das belangte Organ um Übermittlung der Daten der Dienstnehmer der Firma B. Am 5. 5. 1999 entsprach das belangte Organ diesem Ersuchen und übermittelte der ersuchenden Gewerkschaft eine Zusammenstellung der gewünschten Namen und Adressen aus dem automationsunterstützt geführten Mitgliederverzeichnis des belangten Organs. Der ÖGB-ANG verwendete diese Daten am 10. Juni 1999 zur Versendung eines Informationsschreibens an die Betroffenen dieser Datenübermittlung, darunter auch die Beschwerdeführerin, mit einer Darstellung des Konflikts aus gewerkschaftlicher Sicht.
Beweiswürdigung: Neben den in den wesentlichen Sachverhaltspunkten übereinstimmenden Darstellungen der Beschwerdeführerin und des belangten Organs stützt sich die Sachverhaltsfeststellung auf die vom belangten Organ vorgelegten Urkundenkopien des Übergabeprotokolls vom 5. 5. 1999 der EDV-Abt. des belangten Organs sowie die Kopie des Informationsschreibens des ÖGB-ANG vom 10. Juni 1999.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Das belangte Organ berief sich in seiner Stellungnahme vom 18.
April 2000 darauf, die angefochtene Datenübermittlung sei durch
§ 92 Abs 3 AKG gedeckt.
§ 92 AKG samt Überschrift hat folgenden Wortlaut:
‘Datenschutz
§ 92. (1) Die Arbeiterkammern und die Bundesarbeitskammer sind
im Sinne des Datenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 565/1978, in der jeweils geltenden Fassung, ermächtigt, persönliche, auf das Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis bezogene Daten der kammerzugehörigen Arbeitnehmer zu ermitteln und zu verarbeiten. Zu diesen Daten zählen insbesondere die in § 17a angeführten Daten.
(2) Die Übermittlung von Daten zwischen Arbeiterkammern oder zwischen Arbeiterkammern und Bundesarbeitskammer ist zulässig.
(3) Die Arbeiterkammern und die Bundesarbeitskammer sind berechtigt, die zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen erforderlichen Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes an kollektivvertragsfähige freiwillige Berufsvereinigungen zu übermitteln. Diese dürfen die übermittelten Daten nicht weitergeben.’
Die Beschwerdeführerin bestritt, dass die beschwerdegegenständliche Datenübermittlung im Sinne von § 92 Abs 3 AKG erforderlich gewesen sei. Statt einer Kontaktierung der Arbeitnehmerschaft über die Privatadressen der Dienstnehmer hätte nämlich auch eine Verteilung des Schreibens als Flugblatt am Arbeitsplatz ausgereicht. Für die Annahme, dass die Geschäftsführung ein derartiges Vorgehen untersagt oder unterbunden hätte, gebe es keinen Anhaltspunkt oder Präzedenzfall.
Über diese Argumente hat die Datenschutzkommission erwogen:
Bei dem als Verein organisierten Österreichischen Gewerkschaftsbund handelt es sich um eine kollektivvertragsfähige freiwillige Berufsvereinigung gemäß § 4 Abs 2 Arbeitsverfassungsgesetz 1994, BGBl Nr 22/1974 idgF (vgl. Floretta-Strasser, Kommentar zum ArbVG § 165 Anm. 2.1). Entscheidend ist daher die Frage, ob es sich bei der beschwerdegegenständlichen Datenübermittlung um einen Vorgang handelte, der zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen erforderliche Daten umfasste.
Der Wortlaut von § 92 Abs 3 AKG wie auch der systematische Zusammenhang lässt beide Auslegungen zu. Eine klare, aus den Gesetzesmaterialien (Ausschussbericht, 252 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrats der XVIII Gesetzgebungsperiode, Erläuterungen zum Gesetzesvorschlag selbst fehlen, da dieser als Initiativantrag eingebracht wurde) erschließbare Absicht des historischen Gesetzgebers, was als erforderliche Datenübermittlung anzusehen ist, fehlt. Die Systematik der Konstruktion als Ermächtigung der Arbeiterkammern und der Bundeskammer als datenschutzrechtlichen Auftraggebern zur Übermittlung bestimmter Daten, ergibt aber, dass die um Übermittlung ersuchende freiwillige Berufsvereinigung die Erforderlichkeit der Datenübermittlung darzulegen und die Kammer diese objektiv und sorgfältig zu prüfen hat.
Dies ist im Beschwerdefall auch geschehen. Eine Intervention des ÖGB in einem Konflikt um die Kündigung bestimmter Dienstnehmer ist, unabhängig von der Berechtigung der gewerkschaftlichen Position, ein Vorgang der ‘Vertretung der Arbeitnehmerinteressen’ im Sinne von § 92 Abs 3 AKG. Auch gegen die Beurteilung, dass diese Datenübermittlung für die Tätigkeit der Gewerkschaft erforderlich war, ist nichts einzuwenden. Die Beschwerdeführerin bringt zwar vor, dass für die gewerkschaftliche Tätigkeit alternative Informationsmöglichkeiten in Frage gekommen wären, legt damit aber den Begriff der ‘erforderlichen Daten’ nach Ansicht der Datenschutzkommission zu eng aus. Aus dem Gesamtzusammenhang von § 92 AKG ergibt sich, dass der Gesetzgeber einer Datenübermittlung zwischen gesetzlichen und freiwilligen Arbeitnehmerorganisationen positiv gegenübersteht. Sinn und Zweck der Bestimmung ist es, den freiwilligen Berufsvereinigungen, gerade in betriebsbezogenen Konfliktfällen, einen Rückgriff auf die - viel umfassenderen - Mitgliederdatenbestände der Arbeiterkammern zu ermöglichen. Es bedarf daher auch keiner tief greifenden Kenntnis und Analyse der gewerkschaftlichen Vertretungstätigkeit, um zu erkennen, dass dabei wohl auch und vor allem an die Möglichkeit gedacht war, Informationen direkt an die Betroffenen zu richten. Natürlich bestehen fast immer Möglichkeiten, diese Informationen auch anders an die Arbeitnehmerschaft heranzutragen (neben der von der Beschwerdeführerin geschilderten Möglichkeit kämen etwa noch in Frage: Verteilen von Flugblättern vor dem Betriebseingang, Schaltung eines Inserats in einer verbreiteten Tageszeitung, Veröffentlichung auf einer Website des ÖGB uvam). Würde man aber den Begriff der ‘zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen erforderlichen Daten’ so auslegen, dass es sich bei der Datenübermittlung um die jeweils einzige, alternativlose Möglichkeit handeln muss, die Arbeitnehmerinteressen wahrzunehmen, entzöge man der Bestimmung damit weitgehend den Anwendungsbereich. Es kann dem Gesetzgeber aber (nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH) im Zweifel nicht unterstellt werden, eine überflüssige Rechtsvorschrift erlassen zu haben (vgl. bereits VwSlg. 6035 A/1963). Auf den in Beschwerde gezogenen Sachverhalt konnte aus diesem Grund die Übermittlungsermächtigung gemäß § 92 Abs 2 AKG angewendet werden.
Es liegt somit ein durch Gesetz gemäß § 1 Abs 2 DSG 2000 gerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten vor; die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
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