120.686/3-DSK/00 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTERER, Dr. KLEISER und Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 18. Mai 2000 folgenden Beschluß gefaßt:
Spruch:
Die Beschwerde des N (Beschwerdeführer) aus R gegen die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (belangtes Organ) wegen Verletzung seines Grundrechts auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 Datenschutzgesetz, BGBl. Nr. 565/1978 idF BGBl. Nr. 632/1994 (DSG) durch Übersendung von Aktenstücken aus dem Berufungsverfahren gegen die Verhängung eines Waffenverbots, Zl. III-4XX9-80/98 der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, an den medizinischen Sachverständigen Dr. Ö am 22. November 1999 wird gemäß § 1 Abs 2 DSG und § 1 Abs. 5 iVm § 61 Abs. 3 Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 (DSG 2000) als unbegründet abgewiesen.
Begründung:
Mit Eingaben vom 16. Dezember 1999 und 10. Jänner 2000 behauptete der Beschwerdeführer durch den spruchgemäß erledigten Sachverhalt in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung ihn betreffender personenbezogener Daten, an der er ein schutzwürdiges Interesse hatte, verletzt worden zu sein. Nach seiner Ansicht hätte das belangte Organ vor Übersendung von Aktenteilen an einen nicht amtlichen Sachverständigen seine schriftliche Zustimmung einholen müssen.
Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem von ihm vorgelegten Beweisurkunden (Kopien) ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
Bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg ist zur Zl. III-4XX9-80/98 die Berufung des Beschwerdeführers gegen ein mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 14. Dezember 1998, Zl. III-2Y2-1/89, über ihn verhängtes Waffenverbot (§ 12 Waffengesetz 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG)) anhängig. Grund für das Waffenverbot waren Zweifel an der Verlässlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne von § 25 Abs. 2 WaffG, insbesondere an seiner Fähigkeit, auch unter psychischer Belastung mit Waffen sorgfältig umzugehen und sie nicht leichtfertig zu verwenden.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst, dem für die Bezirkshauptmannschaft Bregenz erstellten amtsärztlichen Gutachten vom 22. September 1998, Zl. VI-X4 (Dr. F), welches der Beschwerdeführer in Kopie vorgelegt hat, sowie dem Schreiben des belangten Organs an Dr. Ö (Gutachtensauftrag) vom 22. November 1999, ebenfalls vom Beschwerdeführer in Kopie vorgelegt.
Über die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Beschwerdeführers liegen aus beiden Instanzen mehrere Gutachten vor. Neben dem in der vorstehenden Beweiswürdigung zitierten amtsärztlichen Gutachten vom 22. September 1998 (Verlässlichkeit bezweifelt, Einholung von Fachgutachten empfohlen) liegt das psychologische Gutachten (gemäß § 1 Abs. 1 1. Waffengesetz - Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 164/1997) von Dr. I vom 7. Juni 1999 mit Ergänzung vom 20. September 1999 (keine Aggressionsneigung oder leichtfertige Einstellung zum Umgang mit Waffen nachweisbar) und das nervenärztliche Privatgutachten von Dr. E vom 14. Dezember 1999 (aus fachlicher Sicht keine Einwände gegen Umgang mit Waffen) vor. Das belangte Organ als Berufungsbehörde entschied, ein weiteres Fachgutachten einzuholen, und wandte sich dazu an Dr. Ö vom Krankenhaus M in A. Dieser willigte mit Fax vom 15. November 1999 in eine Begutachtung des Beschwerdeführers ein und ersuchte um ‘Übersendung von relevanten Unterlagen’. Darauf hin erteilte das belangte Organ mit Erledigung vom 22. November 1999 den Auftrag zur Gutachtenserstellung und übersendete die bezughabenden Akten.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der zitierten Urkunden, die in Kopie vom Beschwerdeführer vorgelegt wurden, sowie das Vorbringen des Beschwerdeführers selbst.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1) materiellrechtliche Anwendbarkeit des DSG
Gemäß § 61 Abs. 3 DSG 2000, der wie das gesamte Gesetz gemäß § 60 DSG 2000 am 1. Jänner 2000 in Kraft getreten ist, sind Datenschutzverletzungen, die sich vor dem Inkrafttreten ereignet haben, materiell nach dem im Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung geltenden Recht zu beurteilen. Dies gilt auch für die vorliegende Beschwerde.
2) nur Verletzung des Grundrechts denkbar
Die hier relevanten Daten, die für den Inhalt eines waffenrechtlichen Behördenaktes typischerweise zu erwarten sind, liegen nicht in automationsunterstützt verarbeiteter Form vor, sondern sind unstrukturiert auf dem Papier der einzelnen Aktenstücke festgehalten. Als verletztes subjektives Recht kommt daher nur das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 DSG in Frage.
3) schutzwürdiges Interesse gegeben
Ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung von personenbezogenen Daten aus einem waffenrechtlichen Akt, der auch medizinische und psychologische Gutachten über ihn enthält, ist gegeben.
4) zulässiger Grundrechtseingriff
Der Sachverhalt fällt allerdings unter einen zulässigen Eingriffstatbestand gemäß § 1 Abs. 2 DSG, nämlich ein Gesetz, das im Sinne von Art 8 der Europäischen Konvention für Menschenrechte, BGBl. Nr. 210/1958 (EMRK), zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung notwendig ist. Das WaffG ist ein solches Gesetz und sieht die Ermittlung von Gesundheitsdaten, einschließlich solcher über den psychischen Zustand einer Partei, im Rahmen der Verlässlichkeitsprüfung vor. Wer sich daher in ein waffenrechtliches Verfahren einlässt, muss mit der Ermittlung solcher Daten - oder einer abschlägigen Entscheidung in Folge mangelnder Mitwirkung am Ermittlungsverfahren - rechnen. Ob und in welcher Weise solche Ermittlungen vorzunehmen sind, ob amtliche oder nicht amtliche Sachverständige heranzuziehen sind und in welche Akten(teile) den Sachverständigen Einblick gegeben wird, ob Befangenheitsgründe vorliegen oder das Gutachten sonst dem Gesetz entspricht, ist in erster Linie nach den Bestimmungen des Verfahrensrechtes, hier also den §§ 52f Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 158/1998 (AVG), zu beurteilen. Diese Fragen sind primär Verfahrensfragen und daher rechtlich im Parteiengehör, in der Berufung oder im Wege einer höchstgerichtlichen Beschwerde gegen den Berufungsbescheid geltend zu machen. Die Datenschutzkommission hat aber keine Zweifel, dass die Ermittlung bei gegebener Sachlage aus logisch nachvollziehbaren und daher unbedenklichen Erwägungen erfolgte. Es steht ihr daher nicht zu, weiter gehende Bewertungen der Verfahrensführung durch das belangte Organ vorzunehmen.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht war daher gemäß § 1 Abs. 2 DSG die Ermittlung, da eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht, rechtmäßig. Selbst wenn man die Übersendung dieser Daten in Urkundenform an einen nicht amtlichen Sachverständigen als Übermittlung qualifizierte, wäre diese gemäß § 1 Abs. 2 DSG iVm einer sinngemäßen Anwendung von § 7 Abs 2 DSG gerechtfertigt. Auch ein nicht amtlicher Sachverständiger im Sinne von § 52 Abs 3 AVG ist nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung (VfGH 27. 6. 1955, VfSlg 2847, VwGH 1. 6. 1967, Zl. 333/67) und Lehrmeinung (Hauer-Leukauf, Handbuch des öster. Verwaltungsverfahrens 5. Aufl, 360) Beweisperson und - hier entscheidend - Hilfsorgan der Behörde bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit. Als solcher ist er insbesondere, neben allfälligen beruflichen Schweigepflichten wie hier der ärztlichen, durch die Strafdrohung von § 121 Abs. 1 und 3 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet. In dieser Eigenschaft war der Sachverständige hier im Sinne von § 7 Abs 2 DSG als Bundesorgan im weiteren Sinne tätig. Es ist logisch und nachvollziehbar, sowie durch das in § 39 Abs 2 AVG verankerte Prinzip der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis des Verfahrens vorgegeben, dass einem Sachverständigen bei einer solchen Tätigkeit vorhandene Informationen und Daten zur Verfügung gestellt werden, um zum Beispiel unnötige Befundaufnahmen zu vermeiden. § 7 Abs 2 DSG fordert nicht, dass die Übermittlung von Daten für die Tätigkeit unabdingbar ist, sondern dass sie eine ‘wesentliche Voraussetzung’ bildet. Dieser Tatbestand ist im Beschwerdefall erfüllt, da man jedenfalls davon ausgehen kann, dass die Tätigkeit des Sachverständigen durch die übermittelten Daten in entscheidender Weise erleichtert wurde. Eine medizinische Begutachtung durch einen externen Sachverständigen ohne irgendeine Datenübermittlung ist wiederum überhaupt nicht vorstellbar, da die auftragerteilende Behörde dem Sachverständigen ja eine konkrete Aufgabe, etwa die Überprüfung des Vorliegens bestimmter psychischer Eigenschaften, zwingend stellen muss.
5) Schlussfolgerung
Die in Beschwerde gezogene Datenverwendung erfolgte demnach zu Recht, die Beschwerde war daher abzuweisen.