178.074/13-DSK/00 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
BESCHEID
[Der vorliegende Bescheid wurde an das Bundesministerium für Inneres gerichtet]
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. KLEISER und Dr. KOTSCHY sowie des Schriftführers Dr. KUNNERT in ihrer Sitzung vom 14. April 2000 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch
Ihr Antrag wird gem. § 13 iVm § 7 iVm § 4 Z 7 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) BGBl 1999 I 165 zurückgewiesen.
Begründung
I. Der Rat der Europäischen Union hat im Juni 1998 den so genannten 'EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren' angenommen (vgl. Rats-Dok 8675/2/98 Rev 2 vom 5. Juni 1998). Ziel dieses Verhaltenskodex ist es u.a., im Rahmen der so genannten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) die Zusammenarbeit auf dem Feld der konventionellen Rüstungsexporte zu verstärken und schrittweise anzunähern. Der EU-Verhaltenskodex enthält acht Prüfkriterien, welche die Mitgliedstaaten ihren Entscheidungen über die Zulässigkeit/Nichtzulässigkeit von Exporten konventioneller Rüstungsgüter zu Grunde legen sollen.
Fälle abgelehnter Anträge für den Export von Rüstungsgütern sollen die Mitgliedstaaten sich wechselseitig in standardisierter Form notifizieren (vgl. Pkt. 3 der operativen Bestimmungen des EU-Verhaltenskodex). Ein entsprechendes Meldeformular ist dem Text des EU-Verhaltenskodex beigefügt.
Wird ein Mitgliedsstaat mit einem Antrag auf den Export von Gütern konfrontiert, welcher sich im Wesentlichen mit einem innerhalb der letzten drei Jahren von einem anderen Mitgliedsstaat abgelehnten Antrag deckt, ist vorgesehen, dass zunächst Konsultationen mit dem ablehnenden Staat gepflogen werden. Entschließt sich der aktuell befasste Mitgliedsstaat dennoch eine Exportbewilligung zu erteilen, ist er angehalten; diesen Umstand sowie eine ausführliche Begründung hierfür dem/den ursprünglich ablehnenden Mitgliedstaat(en) zu übermitteln.
Sowohl die Konsultationen als auch die ablehnenden Entscheidungen betreffend Rüstungsexporte als solche unterliegen der vertraulichen Behandlung durch die Mitgliedstaaten und dürfen nicht für die Erlangung wirtschaftlicher Vorteile verwendet werden (vgl. Pkt. 4 der operativen Bestimmungen des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren).
In Form des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 4.3.1999, GZ 13.360/XXX-II/13/99, mit welchem der Antrag der Fa. XY auf Ausfuhr von drei Maschinenpistolen des Typs 1 XX 4, Kaliber 9 mm parabellum nach Brasilien abgelehnt wurde, liegt in Österreich erstmals ein zu notifizierender Ablehnungsfall im Sinne des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren vor. Dementsprechend hat das BMI mit Schreiben vom 4. Mai 1999, GZ 10. X70/XXX-II/13/99 an die Datenschutzkommission den Antrag gestellt, die Mitteilung des bezüglichen Ablehnungsfalles an die übrigen EU-Mitgliedstaaten für Zwecke des Punktes 3 der operativen Bestimmungen des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren zu genehmigen.
Bei der Behandlung von Exportbewilligungsanträgen iS des § 1 Abs. 1 KrMatG bzw. der Dokumentation der aus dem EU-Ausland auf Grundlage des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren einlangenden Meldungen geht das BMI in administrativtechnischer Hinsicht wie folgt vor:
Auf einlangende Anträge hin ergehende bescheidförmige Erledigungen werden in Papierform zum Akt genommen. In der elektronischen Textverarbeitung bleibt zusätzlich eine Version längstens bis zum Ablauf der üblichen Skartierungsfrist gespeichert. Zum Zwecke der Wiederauffindung bleiben im Kanzleiinformationssystem des BMI zudem bezügliche Geschäftszahlen und Name der Antragsteller vorläufig gespeichert. Aus ablehnenden Bescheiden werden schließlich die für die Implementierung der Meldepflicht gemäß dem EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren erforderlichen Daten in ein Formular mit folgenden Rubriken übertragen:
Bestimmungsland, Kurzbeschreibung des Rüstungsgutes, beantragter Empfänger, beantragter Endverbraucher, Ablehnungsgrund, Ablehnungsdatum. Das ausgefüllte Formular wird zum Akt genommen bzw. abgelegt, ohne dass eine spezifische Erschließung anhand von Suchkriterien erfolgen würde. Innerhalb des auf das einzelne Verfahren Bezug habende Aktes gibt es keine feste Struktur, in der die Information verdichtet und vereinfacht auffindbar (durch ein besonderes Suchkriterium) bereitgehalten würden. In der elektronischen Textverarbeitung verbleibt ebenfalls eine Fassung des ausgefüllten Formulars erhalten, wobei wiederum keine spezifische Erschließung anhand von Ablagekriterien erfolgt. Auf Grundlage des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren aus dem EU-Ausland einlangende Meldungen sowie - künftighin auch vom BMI in das EU-Ausland abgehende Meldung - werden in einer automationsunterstützt geführten Datei erfasst; letztere ist vereinfacht gesagt als Tabelle mit folgenden vier Spalten konzipiert: EU-Staat, Datum, Bezeichnung des Kriegsmaterials und Ablehnungsgrund (jeweils ausschlaggebende[s] Kriteri[um]en gem. EU-Verhaltenskodex) (vgl. OZ 9 zu GZ 178.074). Zu betonen ist, dass die hier angesprochene Datei keinen Hinweis auf den Lieferanten, Empfänger oder Endverbraucher enthält und insofern nicht mit dem Informationsgehalt des Meldeformulars lt. Anhang des EU-Verhaltenskodex deckungsgleich ist.
Der festgestellte Sachverhalt ergab sich widerspruchsfrei aus den Akten.
II. Die Datenschutzkommission (DSK) entscheidet unter anderem über Anträge gem. § 13 DSG 2000 auf Genehmigung der Übermittlung und Überlassung von personenbezogenen Daten ins Ausland. Allerdings kommt die Durchführung eines derartigen Genehmigungsverfahrens nur in Betracht, soferne Daten aus Datenanwendungen iS des § 4 Z 7 DSG 2000 übermittelt/überlassen werden sollen. Unter einer 'Datenanwendung' versteht das DSG 2000 die Summe der in ihrem Ablauf logisch verbundenen Verwendungsschritte (Z 8), die zur Erreichung eines inhaltlich bestimmten Ergebnisses (des Zweckes der Datenanwendung) geordnet sind und zur Gänze oder auch nur teilweise automationsunterstützt, also maschinell und programmgesteuert, erfolgen (automationsunterstützte Datenanwendung). Dem gleichzuhalten ist gemäß § 58 DSG 2000 die Verarbeitung von Daten in manuellen Dateien (d.s. Karteien, Listen, etc.).
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass das BMI jene Informationen, die für die Beurteilung von Rüstungsexportanträgen nach dem KrMatG erforderlich sind, in konventioneller Form, ermittelt und aufzeichnet. Dies gilt auch für die förmlichen behördlichen Erledigungen (stattgebende, ablehnende, zurückweisende Bescheide), die in Reaktion auf die Rüstungsexportanträge ergehen, aber auch für die in Vorbereitung der eigentlichen Übermittlungshandlungen iS des Punktes 3 der 'Operativen Bestimmungen' des EU-Verhaltenskodex erstellten Meldeformulare: Der personenbezogene Bescheidinhalt bzw. der Formularinhalt selbst wird nicht so strukturiert gespeichert/abgelegt, dass er unmittelbar nach spezifischen (personenbezogenen) Kriterien abfragbar wäre. Zur ergänzend in automationsunterstützter Form geführten Datei zur Dokumentation einlangender Meldungen sowie - künftighin auch vom BMI in das EU-Ausland abgehender Meldung (vgl. OZ 9) - ist schließlich festzuhalten, dass diese in Ermangelung eines inhaltlichen Bezuges zu bestimmten Lieferanten bzw. (End )Abnehmern von vornherein keinen Personenbezug iS § 4 Z 1 DSG 2000 aufweist und daher aus den weiteren rechtlichen Erwägungen ausgeklammert bleiben kann.
Zusammenfassend zeigt sich, dass in concreto kein Fall der Übermittlung/Überlassung von Daten aus Datenanwendungen iS des § 4 Z 7 DSG 2000 vorliegt und für eine Anwendung des 2. Abschnittes des DSG 2000 und damit auch des § 13 DSG 2000 ('genehmigungspflichtige Übermittlung und Überlassung von Daten ins Ausland') auf den vorliegenden Antrag des BMI daher kein Raum bleibt.
Für andere Fälle von Datenüberlassungen - etwa Informationen aus herkömmlichen Aktenkonvoluten - ist kein Genehmigungsverfahren vor der DSK vorgesehen. Es war daher der dieser Erledigung zu Grunde liegende Antrag mangels Genehmigungspflichtigkeit der betroffenen Datenverwendung zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung [hier weggelassen]
Hinweis [hier weggelassen]
Mitteilung
Unbeschadet der Unzuständigkeit der DSK zur rechtsförmlichen Entscheidung über den bezüglichen Antrag ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die beabsichtigte Übermittlung deshalb nicht etwa 'genehmigungsfrei zulässig' wäre. Vielmehr bleibt zu prüfen, ob bei einer Übermittlung den für den vorliegenden Fall maßgebenden grundrechtlichen Vorschriften des DSG 2000 (Art 1) entsprochen wird:
So weit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung durch staatliche Eingriffe nur auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Geht man davon aus, dass schon die bloße Ermittlung von Daten betreffend beabsichtigte Waffenausfuhren bei betroffenen Unternehmen einen 'Eingriff' in das Grundrecht bedeutet, dann wäre im Kriegsmaterialgesetz 1977 BGBl. 540 idgF eine implizite gesetzliche Grundlage für einen solchen Eingriff durch Datenermittlung bzw. -verarbeitung wohl enthalten.
Von der Frage der Zulässigkeit der Datenermittlung bzw. - verarbeitung ist jedoch die Frage der Zulässigkeit der Weitergabe an Dritte ('Übermittlung') strikt zu trennen. Erstere impliziert im Regelfall nicht automatisch auch das Vorliegen letzterer Befugnis. Vielmehr bedarf es für die Weitergabe von zulässigerweise ermittelten Daten zusätzlich einer entsprechenden gesetzliche Grundlage. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das BMI zwar die für die Implementierung des EU-Code of conduct on arms exports benötigten Daten zulässigerweise unter dem Titel des Vollzuges des KRMATG ermitteln darf, zu einer Weitergabe dieser Daten an die EU-Mitgliedstaaten zwecks Implementierung des Codes aber derzeit nicht befugt ist, da den erwähnten Codes nur der Charakter von soft law zukommt, sodass eine gesetzliche (im formellen Sinn!) Grundlage fehlt.