Beschluss
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf2***, ***Bf2-Adr*** nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Gregor Kohlbacher, Keesgasse 11, 8010 Graz, betreffend die Beschwerde vom 17. Juni 2019 (Beschwerdeführerin laut Beschwerdeschriftsatz: "***Bf1***, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. JE") gegen 1) die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom 10. Mai 2019 betreffend Umsatzsteuer 2014 bis 2017,2) den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 13. Mai 2019 betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für 1-11/2018 sowie 3) gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom 24. Mai 2019 betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 2014 bis 2017, jeweils Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:
Der Vorlageantrag vom 26.8.2019 (betreffend die an die ***Bf1***, zHd. Dr. JE ergangene "Beschwerdevorentscheidung" vom 23.7.2019) wird als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Dieser Beschluss wirkt gegen alle Beteiligten, denen im Spruch (der angefochtenen Feststellungsbescheide) Einkünfte zugerechnet bzw. nicht zugerechnet werden (§ 191 Abs. 3 BAO). Sofern die Zustellung dieses Beschlusses an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person oder einen Zustellungsbevollmächtigten nach § 9 Abs. 1 ZustG erfolgt, gilt die Zustellung an alle Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 und 4 BAO).
Begründung
Verfahrensgang bzw. Sachverhalt:
Über das Vermögen der R OG (in der Folge: R-OG) wurde mit Beschluss des LGZ Graz vom 6.12.2018, 12345/9999, das Konkursverfahren eröffnet.
Im Gefolge einer Außenprüfung erließ das Finanzamt gegenüber dem gerichtlich bestellten Masseverwalter die im Spruch angeführten Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide.
Dagegen erhob die R-OG, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. JE, mit Eingabe vom 17.6.2019 das Rechtsmittel der Beschwerde.
Mit "Beschwerdevorentscheidung" vom 23.7.2019 wies das Finanzamt diese Beschwerde gemäß § 260 BAO zurück.
Die Erledigung wurde wie folgt begründet:
"Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte Insolvenzvermögen des Schuldners dessen freier Verfügung entzogen. Der Masseverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung Vertreter des Schuldners. Während des Insolvenzverfahrens sind daher die Abgaben gegenüber dem Masseverwalter festzusetzen (VwGH 24.7.2007, 2006/14/0065).
Gegenständlich wurde mit Beschluss des LGZ Graz zu 12345/9999 vom 6.12.2018 über die R- OG das Konkursverfahren eröffnet. Zum Masseverwalter wurde Hon.-Prof. Dr. MV bestellt.
Der Insolvenzverwalter ist hinsichtlich des Insolvenzvermögens gesetzlicher Vertreter des Schuldners, somit gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 80 Abs 1 BAO (VwGH 08.02.2007, 2006/15/0373; 29.03.2007, 2005/15/0130; 24.07.2007, 2006/14/0065). Durch Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der R- OG wurde ihr gesamtes Insolvenzvermögen, ihrer freien Verfügung entzogen (§ 2 Abs 1 IO). Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Insolvenzeröffnung der Insolvenzverwalter an die Stelle der Schuldnerin, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenzmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter, der insofern die Schuldnerin repräsentiert, festzusetzen (VwGH 18.9.2003, 2003/15/0061). Somit ist auch nur der Masseverwalter für die Gesellschaft zur Einbringung von Beschwerden gegen die gegenständlich angefochtenen Bescheide legitimiert.
Die R- OG, vertreten durch Herrn Dr. JE, ist daher als Schuldnerin nicht legitimiert, ohne Zustimmung bzw. Bevollmächtigung des Masseverwalters Beschwerden betreffend die gegenständlichen Bescheide einzubringen (VwGH 21.2.1996, 96/14/0007, 0008, 0009). Folglich ist die Beschwerde mangels Aktivlegitimation der Beschwerdeführerin gemäß § 260 Abs 1 lit. a BAO wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen."
Diese Erledigung ist an die "R-OG, zu Handen Dr. JE" adressiert bzw. ergangen.
Dagegen wurde mit Eingabe vom 26.8.2019 ein Vorlageantrag eingebracht. Als Einschreiter werden neben der R-OG auch die fünf Mitunternehmer bzw. Gesellschafter, allesamt vertreten durch Rechtsanwalt Dr. JE, angeführt.
Anmerkung: Der angeführte Vorlageantrag richtet sich noch gegen eine weitere "Beschwerdevorentscheidung" vom 23.7.2019, mit welcher über eine Beschwerde vom 25.6.2019 (eingebracht von sämtlichen Mitunternehmern der R-OG, alle vertreten durch Rechtsanwalt JE) abgesprochen werden sollte, und die an "DI R*, zHd. Dr. JE" adressiert bzw. ergangen ist. Bezüglich dieses (zweiten) "Verfahrensstranges" wird auf den Beschluss des BFG vom heutigen Tag, RV/2100500/2020, verwiesen.
Das BFG erließ per 6.2.2025 einen Mängelbehebungsauftrag, welchem zufolge binnen gesetzter Frist der "der Beschwerde anhaftende Mangel, keinen Nachweis dafür vorgelegt zu haben, dass die Beschwerde mit Zustimmung (Vollmacht) des Masseverwalters eingebracht wurde", zu beheben sei.
Dieser Auftrag wurde mit Eingabe des nunmehrigen Rechtsvertreters vom 26.2.2025 beantwortet. Darin wird ua. ausgeführt:
"In Bezug auf den Mängelbehebungsauftrag vom 06.02.2025 wird der angebliche Mangel behoben, indem Dr. MV als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren der R- OG zu 12345/9999, LGZ Graz, dem RA Mag. Gregor Kohlbacher Vollmacht erteilt hat.
(…) In Vollmacht und Auftrag des Insolvenzverwalters Dr. MV erklärt RA Mag. Gregor Kohlbacher, dass die gegenständliche Beschwerde in Vollmacht des Insolvenzverwalters als eingebracht gilt, (…)"
Rechtliche Beurteilung:
Das Finanzamt hat die Zurückweisung der Beschwerde der R-OG vom 17.6.2019 im Wesentlichen damit begründet, dass die Ausübung des Beschwerderechtes im Insolvenzfalle nur dem Masseverwalter, nicht aber der Gemeinschuldnerin selbst zukomme. Das trifft zwar grundsätzlich zu, doch übersieht das Finanzamt, dass nach der Rechtsprechung ein verbesserungsfähiges Formgebrechen iSd. § 85 Abs. 2 BAO vorliegt, wenn - wie im hier vorliegenden Fall - ein Nachweis der Zustimmung des Insolvenzverwalters für eine Eingabe des Schuldners fehlt (vgl. zB die bei Koran/Ritz, BAO 8. Auflage, § 79 Tz 18, zitierte Judikatur).
Der Schuldner kann mit Zustimmung des Insolvenzverwalters - und damit im rechtlichen Ergebnis als Bevollmächtigter des Insolvenzverwalters - Verfahrenshandlungen setzen (zB VwGH 14.3.1995, 94/07/0095; VwGH 21.12.2004, 2004/17/0145, AW 2004/17/0022).
Die Zustimmung (Genehmigung) des Insolvenzverwalters kann auch nachträglich erfolgen (vgl. zB VwGH 15.7.1998, 97/13/0090). Die "Heilung" der Unzulässigkeit von Anbringen des Schuldners kommt unabhängig davon in Betracht, ob der Insolvenzverwalter von der Tatsache des (befristeten) Anbringens innerhalb der Frist Kenntnis erlangt hatte, ob der Schuldner im Anbringen auf die Person des Insolvenzverwalters hingewiesen hat und ob er überhaupt in Kenntnis des bereits erfolgten Eintrittes der Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewesen war (VwGH 15.7.1998, 97/13/0090).
Da der Beschwerde der OG vom 17.6.2019 ein Nachweis der Zustimmung des Masseverwalters fehlte, erließ das BFG mit Beschluss vom 6.2.2025 einen entsprechenden Mängelbehebungsauftrag. In der Beantwortung dieses Auftrages (mit Eingabe vom 26.2.2025) erklärt der Insolvenzverwalter durch seinen nunmehrigen Bevollmächtigten Mag. Gregor Kohlbacher, dass die gegenständliche Beschwerde mit seiner Vollmacht eingebracht worden sei.
Damit ist nach der oa. Rechtslage die (ursprüngliche) Unzulässigkeit der Beschwerde jedenfalls "geheilt". Die R-OG hat (durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter) den Antrag im rechtlichen Ergebnis gleichsam als Bevollmächtigte des Insolvenzverwalters eingebracht. Eine Zurückweisung der Beschwerde aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen ist daher nicht möglich.
Das Finanzamt hat nun seine als Beschwerdevorentscheidung intendierte Erledigung vom 23.7.2019 an die "R-OG, zu Handen Dr. JE" adressiert und zugestellt.
Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.
§ 260 Abs. 1 BAO ist gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO für Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.
Nach § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erlangen Bescheide, die nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (und vor dessen Beendigung) an den Gemeinschuldner und nicht an den Insolvenzverwalter gerichtet sind, keine Wirksamkeit (zB VwGH 19.10.2017, Ra 2016/16/0112; VwGH 20.11.2014, 2013/16/0171; jeweils mwN). Eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner gerichtete Erledigung geht auch dann ins Leere, wenn sie an den Schuldner, zu Handen des Masseverwalters (Insolvenzverwalters) gerichtet ist; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Schuldner noch für den Masseverwalter (VwGH 9.11.2011, 2009/16/0260, mwN; VwGH 23.11.2016, Ro 2014/17/0023).
Eine gegen einen Nichtbescheid erhobene Beschwerde ist als unzulässig zurückzuweisen (zB VwGH 20.11.2014, 2013/16/0171).
Dies gilt sinngemäß für Vorlageanträge, wenn diese auf Grund einer als Nichtbescheid zu qualifizierenden "Beschwerdevorentscheidung" erhoben wurden (§ 264 Abs. 4 BAO).
Die als Beschwerdevorentscheidung intendierte Erledigung vom 23.7.2019 ist - wie angeführt - gegenüber der R-OG, zu Handen des Rechtsanwaltes Dr. JE, ergangen.
Auf Grund der oben dargestellten Rechtslage konnte diese Erledigung keine Wirksamkeit erlangen, da sie richtigerweise an den Insolvenzverwalter zu richten gewesen wäre.
Mangels Bescheidqualität der "Beschwerdevorentscheidung" vom 23.7.2019 war sohin auf Grund der Bestimmungen des § 264 Abs. 4 lit. e BAO iVm. § 260 Abs. 1 BAO (zwingend) die Zurückweisung des dagegen eingebrachten Vorlageantrages als unzulässig auszusprechen.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass das Finanzamt in weiterer Folge am 15.5.2020 bezüglich der Feststellung von Einkünften 2014 bis 2017 - nach hg. Ansicht rechtswirksame - Beschwerdevorentscheidungen gegenüber dem Insolvenzverwalter erlassen und diese jedem/jeder der (insgesamt fünf) MitunternehmerInnen zugestellt hat. Dagegen wurde am 22.6.2020 ein Vorlageantrag eingebracht. Dazu ist beim BFG ein weiteres bzw. gesondertes Verfahren zu RV/2100976/2020 anhängig. Trotz der Tatsache, dass die hier gegenständliche, als Beschwerdevorentscheidung intendierte Erledigung vom 23.7.2019 - wie oben dargelegt - nicht wirksam ergangen ist, hat daher das Finanzamt (eben in Anbetracht der zwischenzeitig erlassenen Beschwerdevorentscheidungen vom 15.5.2020) hinsichtlich der Feststellung von Einkünften 2014 bis 2017 nach hg. Ansicht nicht nochmals mittels Beschwerdevorentscheidung abzusprechen.
Ungeachtet der Anträge auf Entscheidung durch den Senat sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte auf Grund der Bestimmungen des § 272 Abs. 4 und § 274 Abs. 3 BAO von der mündlichen Verhandlung abgesehen und der gegenständliche Beschluss vom Einzelrichter (Berichterstatter) gefasst werden.
Zur Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
In der vorliegenden Entscheidung konnte sich das BFG auf die zitierte Rechtsprechung des VwGH stützen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag sohin nicht vor und konnte die Revision folglich nicht zugelassen werden.
Graz, am 24. Juni 2025