JudikaturBFG

RV/3100491/2019 – BFG Entscheidung

Entscheidung
09. Dezember 2024

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Dr. Nicolaus Pomaroli MAS in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***V***, über die Beschwerde vom 03. Juli 2018 gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 27. Februar 2018 betreffend Einkommensteuer 2013 zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am 22. Oktober 2022 wurden für die Jahre 2013 und 2014 jeweils Anträge gemäß § 240 BAO auf Herabsetzung des Kfz-Sachbezuges auf die Hälfte gestellt.

Am 27. Februar 2018 wurden beide Anträge mit einem Bescheid abgewiesen. Begründet wurde dies - zusammengefasst - damit, dass aufgrund höchstgerichtlicher Rechtsprechung der Antragsteller vom Dienstgeber eine Korrektur unrichtig vorgenommener Sachbezugsversteuerungen im Zuge der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2013 und 2014 beantragen und Beschwerde erheben müsste. Da keine Beschwerden gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 29. Jänner 2015 und gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 25. Juni 2015 eingebracht worden seien, seien die Einkommensteuerbescheide rechtskräftig geworden. Da der Antragsteller mit Schreiben vom 09. Juni 2015 explizit einen Antrag nach § 240 BAO gestellt gehabt habe, könne dieser Antrag nicht als Beschwerde gewertet werden.

Gegen diesen Bescheid, welcher vom Beschwerdeführer nachweislich am 05. März 2018 (Rückschein) übernommen worden war, hat der Beschwerdeführer nachweislich am 03. Juli 2018 Beschwerde erhoben (Datum der Postaufgabe), welche am 04. Juli 2018 beim Finanzamt eingelangt ist.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12. Juli 2018 wurde die Beschwerde vom 03. Juli 2018, welche am 04. Juli 2018 beim Finanzamt eingelangt ist, als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Das Schriftstück, welches diese Entscheidung enthält, wurde vom Beschwerdeführer am 18. Juli 2018 nachweislich übernommen. Am 19. Juli 2018 wurde ein Anbringen gestellt, welches von der Abgabenbehörde als gegen die Beschwerdevorentscheidung gerichteter Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gewertet wurde.

Am 04. Juli 2018 hat die Abgabenbehörde die Beschwerde mit dem Antrag vorgelegt, die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 05. März 2018 zugestellt. Das als "Einspruch" und als gegen diesen Bescheid gerichtet bezeichnete Schriftstück trägt den Eingangsstempel vom 04. Juli 2018. Es ist nicht datiert. Am 03. Juli 2018 wurde jenes Dokument mit der Post aufgegeben, bei dem es sich um das Rechtsmittel gegen den genannten Bescheid gehandelt hat.

Der Beschwerdeführer war bei Vornahme dieser Rechtshandlung offensichtlich nicht vertreten.

Hinsichtlich des mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossenen Verfahrens wurde am 27. März 2018 die Wiederaufnahme beantragt. In diesem Schreiben wurde der Umstand, weshalb jedenfalls bis zum 27. März 2018 keine Beschwerde eingereicht wurde, mit der Wiederaufnahme begründet. Der Wiederaufnahmeantrag wurde am letzten Tag der für die Bescheidbeschwerde normierten Monatsfrist vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers gestellt. Dieser am 28. März 2018 beim Finanzamt eingelangte Antrag auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2013 vom 29. Jänner 2015 abgeschlossenen Verfahrens wurde mit Bescheid vom 05. Juni 2018 abgewiesen. In gleicher Weise wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 25. Juni 2015 abgeschlossenen Verfahrens mit Bescheid abgewiesen. Beide Bescheide wurden dem Beschwerdeführer nachweislich am 07. Juni 2018 zugestellt.

Die als "Einspruch" bezeichnete Bescheidbeschwerde, vom 03. Juli 2018 ist ausdrücklich "zum" (gegen den) Bescheid erhoben, welcher vom Beschwerdeführer am 05. März 2018 übernommen wurde.

In dem "Einspruch", der die Beschwerdevorentscheidung als den im Schriftstück vom 12. Juli 2018 bestehenden Bescheid bezeichnet, wurde erstmals ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit seinem Einspruch vom 3. Juli 2018 zum Bescheid vom 5. Juni 2018, eingegangen am 7. Juni 2018, dargelegt habe, dass er sich seit 2015 bemühe, einen positiven Abschluss für den Sachbezug 2013/2014 zu bewirken. Eine Vorlage an das Verwaltungsgericht wurde nicht beantragt.

An dem vom Beschwerdeführer angegebenen 5. Juni 2018 wurde ein Antrag des Beschwerdeführers vom 27. März 2018 einerseits auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2013 und andererseits auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2014 abgeschlossenen Verfahrens mit getrennten, aber gleichlautenden Bescheiden abgewiesen.

2. Beweiswürdigung

Der angenommene Sachverhalt ergibt sich für das Verwaltungsgericht nachvollziehbar aus den von der Finanzstrafbehörde vorgelegten Akten. Vom Verwaltungsgericht wurde Einsicht in Firmenbuch und Zentrales Melderegister durch Abfragen genommen. Die zum Sachverhalt erhobenen Feststellungen wurden auf Basis des Inhalts der Verwaltungsakten getroffen; die für Beginn und oder Lauf der gesetzlichen Fristen maßgeblichen Sachverhaltsannahmen gehen aus den vorliegenden Rückscheinen und dem mitübermittelten Protokoll zur Verfolgung der Sendung *Nr.* hervor. Dessen Sendungsnummer stimmt jedenfalls mit der auf dem Kuvert einer an das Finanzamt adressierten Sendung, welches den Eingangsstempel vom 04. Juli 2018 trägt, überein. Für das Gericht hat damit das relevante Datum der Postaufgabe der Bescheidbeschwerde (03. Juli 2018) - die überwiegende Wahrscheinlichkeit für sich.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Es kann der Abgabenbehörde nicht mit Gründen entgegengetreten werden, wenn sie vorwiegend aus Rechtsschutzgründen den Einspruch vom 03. Juli 2018 als Beschwerde gegen den die Anträge gemäß § 240 BAO abweisenden Bescheid vom 27. Februar 2018 gewertet hat. Ebensowenig gilt dies für die Zurückweisung dieses Rechtsmittels als verspätet, war das Rechtsmittel doch ausdrücklich als gegen den angefochtenen Bescheid gerichtet bezeichnet.

Des Weiteren bezeichnet auch der Einspruch - den die Abgabenbehörde richtigerweise als Vorlageantrag gewertet hat - jenen Bescheid vom 12. Juli 2018, mit welchem in Form einer Beschwerdevorentscheidung eben die genannte Beschwerde als verspätet zurückgewiesen wird. An dieser eindeutigen Bezeichnungskette vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass dem weiteren Text dieses Antrages entnommen werden kann, dass sich der Beschwerdeführer (auch) gegen jene abgabenbehördlichen Erledigungen vom 05. Juni 2018 habe wenden wollen, welche den Antrag auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2013 und 2014 für diese Jahre jeweils negativ beschieden.

Selbst aus dem Umstand, dass ein Vorlageantrag sich nur darauf richten darf, dass die ursprüngliche Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird, lässt sich keine andere Erkenntnis gewinnen; ist doch diese Begrifflichkeit (Konstruktion) eng damit verbunden, dass im Konzept des AVG, welches für die Vorlage Pate steht, der angefochtene Bescheid mit dieser außer Kraft tritt (vgl. § 64a Abs. 3 AVG).

Wenngleich eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung, dass mit Anrufung des Gerichtes der Bescheid außer Kraft tritt, nach neuer Rechtslage nicht mehr erforderlich sein soll (RV 1618 BlgNR 24. GP 11; vgl. Greifeneder, Auslaufmodell sukzessive Kompetenz?, 9) und das Modell gemäß § 264 Abs. 3 BAO eine gedankliche Trennung in (vorläufige) Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung im Sinn des Bestehenbleibens und Verlust ihrer Erledigungswirkung in Bezug auf das Rechtsmittel vorsieht, so haben doch alle in diesem Punkt durchaus voneinander abweichenden Systeme gemeinsam, dass ein Gericht umfassend "neu" und jedenfalls nicht im Instanzenzug entscheiden soll.

Selbst wenn dieser Antrag daher - wie hier - fehlt, konnte eine diesfalls "zweite" Beschwerde nur diesem Mechanismus unterzogen werden. Dem entspricht, dass schon die Beschwerdevorentscheidung selbst neben remonstrativen auch devolutive Züge aufweist (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 534/1 für die Berufungsvorentscheidung) und sie im System der BAO überdies den Regelfall darstellt. Daher konnte dem "Vorlageantrag" auch nur durch Vorlage entsprochen werden.

Neuerungen (§ 270) im Rahmen des Beschwerdegegenstands sind dabei nicht ausgeschlossen. Eine Ausweitung des Beschwerdegegenstands etwa auf ursprünglich nicht mit Beschwerde angefochtene Bescheide ist allerdings unzulässig. Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels allein vermag dessen Unzulässigkeit nicht zu begründen. Für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe sind vielmehr ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 264 BAO (Stand 1.2.2021, rdb.at) Anm 1 unter Bezugnahme auf VwGH 30.6.2011, 2009/07/0151).

Eine Umdeutung der unrichtig bezeichneten und die Vorlage nicht ausdrücklich beantragenden Eingabe in das vom Gesetz vorgesehene Rechtsmittel käme nur dann nicht in Betracht, wenn sich aus Rechtsmittelerklärung und Rechtsmittelantrag unmissverständlich das Begehren der Partei nach einer Entscheidung über das (unzulässige) Rechtsmittel - insbesondere durch eine im Instanzenzug unzuständige Behörde - ergäbe (VwGH 1.4.2004, 2003/20/0438, unter Hinweis auf die Vorjudikatur). Gegenständlich verunmöglicht die Eingabe aber nicht die Deutung, dass über die Beschwerde das Verwaltungsgericht entscheiden soll.

Genügt es denn, dass aus dem gesamten Inhalt eines Rechtsmittels (gemeint: auf Ebene der - früheren - Berufung und - nunmehrigen - Beschwerde) hervorgeht, wogegen es sich richtet, und dass die Behörde aufgrund des Beschwerdevorbringens nicht zweifeln kann, welcher Bescheid angefochten ist (vgl. VwGH 24.6.2009, 2007/15/0041), und lässt sich dies für die Bescheidbeschwerde bejahen, so kann es auch in Anbetracht der Funktion eines Vorlageantrages allerdings nicht mehr darauf ankommen, dass dieser sich inhaltlich - auch - gegen die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme mit den Bescheiden vom 5. Juni 2018 wendet. Umgekehrt ist aber "der Ausweg", die Abgabenbehörde möge den "zweiten Einspruch" vom 19. Juli 2018 nicht als Vorlage, sondern als (neuerliche) Beschwerde gegen die Bescheide vom 5. Juni 2018 qualifizieren, mit - wie anzumerken ist: richtigerweise - erfolgter Vorlage verbaut.

Offenbar wurde die Bescheidbeschwerde in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren eingelegt. Damit korrespondiert aber kein Zusammenhang inhaltlicher Natur, wird doch einerseits im Antrag auf Wiederaufnahme einleitend darauf Bezug genommen, dass bis dato deshalb keine Beschwerde eingereicht wurde, weil der Beschwerdeführer damit rechnen habe können, dass seinem Antrag stattgegeben werde. Der Antrag auf Wiederaufnahme wiederum knüpft - inhaltlich gleichgerichtet - an die Abweisung der Anträge gemäß § 240 BAO an. Ob dieser am letzten Tag der Beschwerdefrist gestellte Antrag daher selbst als gegen die Abweisungsbescheide gerichtete Beschwerde verstanden werden kann (und muss) oder die Beschwerde ersetzen sollte (oder ob es sich letztlich um eine Zufälligkeit innerhalb der weiterreichenden Möglichkeit, einer beantragten Wiederaufnahme zu entsprechen, handelt), kann allerdings dahingestellt bleiben, weil sogleich nach Ablehnung der Wiederaufnahme die im Antrag auf Wiederaufnahme genannte Beschwerde mit einem eindeutig auf die Anträge gemäß § 240 BAO - und nicht etwa auf den abgewiesenen Wiederaufnahmeantrag - Bezug nehmenden Inhalt erhoben und damit nachgeholt wurde.

Ungeachtet der Formulierung im Vorlageantrag ist die Beschwerde somit nicht gegen die Bescheide vom 05. Juni 2018, sondern gegen jenen Bescheid gerichtet anzusehen, der am 05. März 2018 beim Beschwerdeführer eingegangen ist.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Den in diesem Verfahren zu lösenden Rechtsfragen kam im dargelegten Sinn grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Auch konnten sie unmittelbar durch Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen gelöst werden.

Innsbruck, am 9. Dezember 2024

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