JudikaturBFG

RV/2100297/2023 – BFG Entscheidung

Entscheidung
15. Mai 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Wiebke Peperkorn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 23. September 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 25. August 2022 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, Steuernummer ***BF1StNr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2021 wird festgesetzt mit EUR *******.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage ./I angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) reichte am 31.3.2022 seine Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2021 ein und beantragte darin u.a. die Berücksichtigung des Familienbonus Plus sowie des Unterhaltsabsetzbetrages.

Am 25.8.2022 erging der Einkommensteuerbescheid 2021. Darin wurden der Familienbonus Plus sowie der Unterhaltsabsetzbetrag nicht berücksichtigt. Begründend wurde im Einkommensteuerbescheid 2021 ausgeführt, dass kein Nachweis erbracht worden sei, wonach für den Zeitraum 2021 betreffend die volljährige Tochter ***T*** Anspruch auf eine Familienleistung in Tschechien bestand.

Dagegen brachte der Bf. am 23.9.2022 fristgerecht eine Bescheidbeschwerde ein, die mit Beschwerdevorentscheidung vom 24.11.2022 abgewiesen wurde.

Aufgrund des am 8.12.2022 gestellten Vorlageantrags legte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht (BFG) die Beschwerde am 12.5.2023 vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. lebt und arbeitet in Österreich. Seine volljährige Tochter, ***T***, geb. ***Datum***, lebt und studiert im Beschwerdejahr in Tschechien. Für die Tochter bezieht die ebenfalls in Tschechien und vom Kindesvater getrennt lebende Kindesmutter, ***KM***, in Tschechien für das Jahr 2021 eine der österreichischen Familienbeihilfe vergleichbare Familienleistung und in Österreich eine Differenzzahlung.

Der Bf. leistet für seine Tochter im Jahr 2021 4.000,00 CZK/Monat an Unterhalt. Zusätzlich überweist er ihr seit Juli einen Betrag von 1.000,00 CZK/Monat an Taschengeld. Jährlich ergibt dies einen Unterhaltsbetrag von ungefähr EUR 2.340,00.

Die Kindesmutter hat für das Jahr 2021 keinen Antrag auf den Familienbonus Plus gestellt.

2. Beweiswürdigung

Dass der Bf. in Österreich lebt und arbeitet sowie seine Tochter und die Kindesmutter in Tschechien leben ist zwischen den Parteien unstrittig und ergibt sich aus dem vorgelegten Akt. Strittig war bislang der Umstand, ob für die Tochter Familienleistungen in Tschechien und/oder Österreich bezogen werden. Für die Klärung dieser Frage wurde der Bf. mehrmals zur Vorlage von Nachweisen aufgefordert, allerdings konnte der Bf. den Nachweis nicht erbringen.

Im Vorlagebericht, der am 12.5.2023 an das BFG erstattet wurde, führte die belangte Behörde aus, dass dem abgeschlossenen Familienbeihilfeverfahren (FABIAN) zu entnehmen sei, dass die Kindesmutter im Dezember 2022 einen Antrag auf Familienbeihilfe gestellt habe. Da aber ein Vorhalt zur Klärung des Anspruches nicht beantwortet worden sei, sei der Antrag im April 2023 abgewiesen worden.

Im Rahmen der amtswegigen Einsichtnahme in das finanzbehördliche Familienbeihilfenverfahren (FABIAN) durch die Richterin zeigte sich, dass mit Beschwerdevorentscheidung vom 23.10.2023 der Beschwerde der Kindesmutter vom 12.5.2023 gegen den Abweisungsbescheid vom 18.4.2023 stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben wurde.

Der Kindesmutter wurde eine Differenzzahlung für den Zeitraum 12/2017 bis 01/2023 zu der in Tschechien geleisteten Familienleistung gewährt. In der Folge wurde, ebenfalls am 23.10.2023, ein Betrag von EUR 12.445,26 an die Kindesmutter betreffend die Differenzzahlungen für 12/2017 bis 01/2023 ausbezahlt. Auch diese Umstände ergeben sich aus der amtswegigen Einsichtnahme in FABIAN.

Dass der Bf. im Jahr 2021 Unterhalt an seine in Tschechien lebende Tochter zahlte, ist zwischen den Parteien unstrittig und wurde durch den Bf. mittels Kontoauszügen und einer Bestätigung der Tochter nachgewiesen. Der umgerechnete Jahresbetrag von EUR 2.340,00 ist jener, der vom Bf. in seiner Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2021 angegeben wurde. Aufgrund von Wechselkursschwankungen ist dieser Umrechnungsbetrag plausibel.

Die Feststellung, wonach die Kindesmutter für das Jahr 2021 keinen Antrag auf den Familienbonus Plus gestellt hat, folgt aus einer amtswegigen Abfrage in den abgabenbehördlichen Finanzanwendungen betreffend die Kindesmutter.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988, in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl I 2022/135, steht der Familienbonus Plus auf Antrag für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält. Gem. § 33 Abs. 3a Z 1 lit. b EStG 1988 beträgt der Familienbonus Plus für ein Kind, das das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, pro Monat EUR 41,68.

Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 zusteht, ist der Familienbonus Plus gem. § 33 Abs. 3a Z 3 lit. b TS 1 EStG 1988 in der Veranlagung beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, zu berücksichtigen, wenn der Familienbonus Plus nur von einer dieser Personen geltend gemacht wird.

Nach § 33 Abs. 3a EStG 1988 setzt die Gewährung des Familienbonus Plus den Bezug der Familienbeihilfe (Ausgleichs-/ Differenzzahlung) nach dem FLAG 1967 (dem Grunde nach, vgl. hierzu VwGH 6.4.2022, Ra 2021/15/0067) voraus. Dies war im gegenständlichen Beschwerdeverfahren zwischen den Parteien bislang strittig und wurde der Familienbonus Plus aufgrund des fehlenden Nachweises von der belangten Behörde verwehrt.

Aufgrund des erhobenen Sachverhaltes steht nunmehr fest, dass die Kindesmutter im Jahr 2021 für die Tochter in Tschechien eine der österreichischen Familienbeihilfe vergleichbare Leistung bezogen hat und in Österreich eine Differenzzahlung geleistet wurde.

Für die Geltendmachung des Familienbonus Plus durch eine unterhaltsverpflichtete Person, die nicht Familienbeihilfenberechtigte oder deren Ehepartner ist, muss überdies auch der Unterhaltsabsetzbetrag gem. § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 zustehen (vgl. § 33 Abs. 3a Z 3 EStG 1988). Auch dieser wurde dem Bf. bislang verwehrt.

Gem. § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988, ebenfalls in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl I 2022/135, steht dem Steuerpflichtigen ein Unterhaltsabsetzbetrag von EUR 29,20 monatlich für ein Kind zu, das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EUR oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält und für das er den gesetzlichen Unterhalt leistet, wenn das Kind nicht seinem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 FLAG 1967) und für das Kind weder ihm noch seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.

Aufgrund des erhobenen Sachverhalts wurde festgestellt, dass die Tochter des Bf. im Beschwerdejahr in Tschechien studierte und der Bf. Unterhalt an sie leistete. Der Bf. ist nicht der Familienbeihilfenberechtigte, sondern die in Tschechien lebende Kindesmutter. Somit sind die Voraussetzungen für den Unterhaltsabsetzbetrag gem. § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 erfüllt.

Damit liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung des Familienbonus Plus vor.

Zur Höhe des Familienbonus Plus und des Unterhaltsabsetzbetrages:

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 16.6.2022, C-328/20, Kommission/Österreich (Indexierung von Familienleistungen) ausgesprochen, dass Art 67 VO 883/2004 dahin auszulegen ist, dass die Familienleistungen, die ein Mitgliedstaat Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in diesem Mitgliedstaat wohnen, exakt jenen entsprechen müssen, die er Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Kaufkraftunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten rechtfertigen im Hinblick auf diese Bestimmung nicht, dass ein Mitgliedstaat dieser zweiten Personengruppe Leistungen in anderer Höhe gewährt als der ersten Personengruppe (vgl. hierzu EuGH 16.6.2022, C-328/20 Rn 47). Die Mitgliedstaaten dürfen gemäß dieser Verordnung die Familienleistungen nicht nach Maßgabe des Wohnstaats der Kinder des Begünstigten anpassen (EuGH 16.6.2022, C-328/20 Rn 51).

Aufgrund dieses Urteiles erfolgte mit BGBl I 2022/135 vom 28.07.2022 eine Änderung des § 33 EStG 1988. Die Bestimmungen des § 33 Abs. 3a Z 2 und Z 5 sowie Abs. 4 Z 4 und Z 5 EStG 1988 (Indexierung der Absetzbeträge) entfielen. Betreffend Kinder, die sich u.a. in Tschechien aufhalten, ist die Änderung erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2019 anzuwenden (vgl. hierzu § 124b Z 410 lit. a EStG 1988).

Aufgrund dieser gesetzlichen Änderung sind die streitgegenständlichen Absetzbeträge bei der Ermittlung der Einkommensteuer für 2021 ohne Indexierung zu berücksichtigen.

Der Unterhaltsabsetzbetrag beträgt daher für das Jahr 2021 EUR 350,40 (12 x EUR 29,20).

Da die Kindesmutter keinen Antrag auf Familienbonus Plus gestellt hat, steht dem Bf. der Familienbonus Plus zur Gänze und somit für das Beschwerdejahr 2021 in Höhe von EUR 500,16 (12 x EUR 41,68) zu.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten war und sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus den gesetzlichen Bestimmungen des § 33 Abs. 3a und Abs. 4 Z 3 EStG 1988 i.d.F. BGBl I 2022/135 i.V.m. § 124b Z 410 lit. a EStG 1988 ergeben, war die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.

Klagenfurt am Wörthersee, am 15. Mai 2025

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