IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 24. Mai 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 6. Mai 2024 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2023 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (BF) ***Bf1*** hat am 3.3.2024 einen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2023 eingereicht, in dem er ein Pendlerpauschale iHv 1.530,00 Euro und einen Pendlereuro iHv 833,00 Euro geltend machte. Weiters gab er an, für seine Tochter ***Tocher1*** einen monatlichen Unterhalt von 157,00 Euro, somit im Jahr 2023 einen Unterhalt von 1.884,00 Euro, geleistet zu haben.
Nach einem Vorhalt des Finanzamtes Österreich (belangte Behörde) übermittelte der BF am 30.4.2024 zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales das Formular L34a.
Am 6.5.2024 erließ die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid für 2023. Anstatt des beantragten Pendlerpauschales und des Pendlereuros wurden dem BF Kosten für Familienheimfahrten iHv 3.366,00 Euro gewährt. Der Unterhalt wurde lediglich für 2 Monate anerkannt, weshalb ein Unterhaltsabsetzbetrag von 62,00 Euro in Abzug gebracht wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 24.5.2024 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. In dieser beantragte der BF die Berücksichtigung 1/3 der Pendlerpauschale für die Strecke seines Arbeitsplatzes in Österreich zum Familienwohnsitz in Ungarn, die er als Wochenpendler 4 - 6 Mal pro Monat zurücklege. Zudem beantragte er, den Unterhaltsabsetzbetrag für das ganze Jahr zu berücksichtigen, da er das ganze Jahr über Unterhalt geleistet habe.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.6.2024 wurde der Beschwerde nicht stattgegeben und in der Begründung darauf hingewiesen, es seien bereits die Familienheimfahrten berücksichtigt worden.
Fristgemäß beantragte der BF am 25.6.2024 die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Hierin machte er lediglich die mangelnde Anerkennung des Unterhaltsabsetzbetrages geltend, da er das gesamte Jahr 2023 den Unterhalt für seine Tochter ***Tocher1*** bezahlt habe.
Nach einem erneuten Vorhalt der belangten Behörde übermittelte der BF eine ungarische Unterhaltsvereinbarung mit tw. deutscher Übersetzung und monatliche Überweisungsbestätigungen des Unterhaltsbetrages für das Jahr 2023.
Im Vorlagebericht vom 7.8.2024 beantragte die belangte Behörde die Stattgabe der Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der BF war im Jahr 2023 ganzjährig in Österreich unselbständig bei der ***Arbeitgeber***, Österreich beschäftigt, wobei ihm an der Adresse seines Arbeitgebers eine Wohnung zur Verfügung gestellt wurde. Sein Familienwohnsitz befand sich jedoch in ***Familienwohnsitz***, Ungarn, wo er in den Monaten Jänner, sowie März bis Dezember grundsätzlich jedes Wochenende zurückkehrte. Die einfache Fahrtstrecke zwischen der österreichischen und der ungarischen Wohnung beträgt 520 km. Im Februar 2023 fanden keine Familienheimfahrten statt (Aufstellung des BF - OZ 11).
Im Rahmen der Ehescheidung des BF von ***Ex-Frau*** wurde vereinbart, dass die im Jahr 2013 geborene, gemeinsame Tochter ***Tocher1*** bei der Mutter wohnen werde. Weiters wurde vereinbart, dass der BF für seine Tochter einen monatlichen Unterhalt von 60.000 ungarischen Forint leisten soll. Dieser Unterhalt wurde im Jahr 2023 auch tatsächlich bezahlt.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist unstrittig. Der Umstand, dass die Tochter bei der Mutter wohnhaft ist und die Höhe des zu zahlenden Unterhalts ergibt sich aus der vorgelegten Scheidungsvereinbarung (OZ 15). Der Umstand, dass der Unterhalt tatsächlich bezahlt wurde, ergibt sich aus den vorgelegten Überweisungsbestätigungen (OZ 16). Es haben sich für das Bundesfinanzgericht keine Anhaltspunkte ergeben, dass die tatsächlichen Verhältnisse nicht den getroffenen Vereinbarungen entsprechen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Strittig war im gegenständlichen Fall lediglich die Frage, ob der Unterhaltsabsetzbetrag für das gesamte Jahr 2023 zusteht oder nicht. Der zweite Beschwerdepunkt, die Zuerkennung des Pendlerpauschales, wurde vom Beschwerdeführer im Vorlageantrag nicht mehr angeführt. Es ist davon auszugehen, dass er mit der Zuerkennung der Familienheimfahrten durch die belangte Behörde einverstanden ist, zumal ihm hiedurch Werbungskosten in Höhe des vollen Pendlerpauschales gewährt wurden, während er bei Geltendmachung des Pendlerpauschales Anspruch auf lediglich 1/3 des vollen Pendlerpauschales plus Pendlereuro gehabt hätte.
Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Bei Familienheimfahrten handelt es sich der Art nach um private Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bis zu einem Höchstbetrag steuerlich zum Abzug zugelassen sind. (VwGH 12.5.2021, Ra 2019/13/0101)
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist von einer beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach auszugehen, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt ist, dass ihm die tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes neben der Begründung eines weiteren Wohnsitzes am Beschäftigungsort als durch die Einkunftserzielung veranlasst gilt (vgl VwGH 24.11.2011, 2008/15/0296).
Aufgrund der Entfernung zwischen Arbeitsort und Familienwohnsitz von 520 km ist dem BF eine tägliche Rückkehr nicht zumutbar.
Nach ständiger Rspr. der VwGH ist die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten. Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen. (VwGH 27.2.2008, 2004/13/0116 mwN)
Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes im Streitjahr unzumutbar ist. Auch das BFG sieht hierfür keinen Anhaltspunkt, zumal die minderjährige Tochter des BF in Ungarn bei ihrer Mutter wohnhaft ist.
Da die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung vorliegen, hat der BF grundsätzlich einen Anspruch auf Berücksichtigung von Familienheimfahrten als Werbungskosten.
Im Falle verheirateter Erwerbstätiger hat der VwGH ausgesprochen, dass sich in der Regel wöchentliche Heimfahrten als erforderlich erweisen (VwGH 24.3.2015, 2012/15/0074).
Im gegenständlichen Fall ist der BF zwar geschieden, hat allerdings in Ungarn eine minderjährige Tochter, sodass auch hier wöchentliche Familienheimfahrten als erforderlich erscheinen, zumal der Höchstbetrag des § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 ohnehin auch mit nur monatlichen Heimfahrten erreicht würde.
Die Abzugsfähigkeit von Familienheimfahrten ist gem. § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 mit dem Höchstbetrag des Pendlerpauschales begrenzt.
Der Höchstbetrag des Pendlerpauschales beträgt im Streitjahr gem. § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG 1988 jährlich 3.672 Euro.
Der Höchstbetrag ist gegebenenfalls auf Monatsbeträge umzurechnen, wobei ein voller Monatsbetrag auch für angefangene Kalendermonate der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit zusteht (vgl. VwGH 20.09.2001, 98/15/0207; BFG 3.12.2014, RV/6100463/2013 mwN)
Der BF kann als Werbungskosten aus Familienheimfahrten die tatsächlich angefallenen Fahrtkosten geltend machen. Da die Strecke mit dem PKW zurückgelegt wurde, wird das amtliche Kilometergelt von 0,42 Euro pro Kilometer zugrunde gelegt. Aufgrund der Anzahl der Familienheimfahrten ergeben sich daher Kosten, die den in § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 festgelegten Höchstwert von übersteigen, weshalb nach § 20 Abs 1 Z 2 lit e iVm § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG 1988 Kosten für Familienheimfahrten in Höhe des höchsten Pendlerpauschales als Werbungskosten zuzuerkennen waren. Da in 11 Monaten Familienheimfahrten angefallen sind, ist der Höchstbetrag auf 11 Monatsbeträge umzurechnen und beträgt somit 3.366,00 Euro, wie die belangte Behörde bereits richtig errechnet hat.
Nach § 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 idF BGBl I Nr. 135/2022 steht - wenn sich das Kind ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält -Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, ein Unterhaltsabsetzbetrag von 31 Euro monatlich zu. Dabei gilt:
a) Der Unterhaltsabsetzbetrag steht zu, wenn das Kind nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört (§ 2 Abs 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und weder ihm noch seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe für das Kind gewährt wird.
b) Leistet ein Steuerpflichtiger für mehr als ein nicht haushaltszugehöriges Kind den gesetzlichen Unterhalt, steht für das zweite Kind ein Absetzbetrag von 55 Euro und für jedes weitere Kind ein Absetzbetrag von jeweils 73 Euro monatlich zu.
c) Erfüllen mehrere Personen in Bezug auf ein Kind die Voraussetzungen für den Unterhaltsabsetzbetrag, steht der Absetzbetrag nur einmal zu.
d) Wird die Unterhaltsverpflichtung im Kalenderjahr nicht zur Gänze erfüllt, steht der Unterhaltsabsetzbetrag nur für jene Monate zu, für die rechnerisch die volle Unterhaltsleistung erfüllt wurde, wobei vorrangig die zeitlich am weitesten zurückliegende Unterhaltsverpflichtung getilgt wird.
e) Nachzahlungen von gesetzlichen Unterhaltsleistungen sind ausschließlich im Kalenderjahr der Zahlung zu berücksichtigen.
Da die in § 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 normierten Voraussetzungen für das gesamte Jahr 2023 gegeben waren und der BF das gesamte Jahr Unterhalt für seine Tochter geleistet hat, steht ihm ein Unterhaltsabsetzbetrag von insgesamt 372 Euro zu.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Lösung für die gegenständliche Rechtsfrage aus dem Gesetz und der zitierten Rechtsprechung des VwGH ergibt, war eine Revision für unzulässig zu erklären.
Graz, am 12. Juni 2025