IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Merkur Treuhand Steuerberatung GmbH, St.-Veit-Gasse 50, 1130 Wien, über die Beschwerde vom 17. April 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 3. April 2024 betreffend Pfändung einer Geldforderung, Steuernummer ***BFStNr***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3.4.2024 pfändete die belangte Behörde das der Beschwerdeführerin gegenüber dem Finanzamt Österreich (DST12) zustehende Guthaben auf Steuernummer ***BFStNr***.
Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 17.4.2024, in der geltend gemacht wird, der Spruch des angefochtenen Bescheides sei mangelhaft.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.5.2024 wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit Schriftsatz vom 5.6.2024 erhob die Beschwerdeführerin Vorlageantrag gemäß § 264 BAO.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Schreiben vom 13.3.2024, eingelangt bei der belangten Behörde am selben Tage, übermittelte die Merkur Treuhand Steuerberatung GmbH der belangten Behörde eine am 11.3.2024 von der Beschwerdeführerin und ihr unterfertigte Vollmacht, womit die Beschwerdeführerin die Merkur Treuhand Steuerberatung GmbH als "Vertreter in allen steuerlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Angelegenheiten" bevollmächtigt. Weiters wurde der Merkur Treuhand Steuerberatung GmbH darin die Vollmacht "zum Empfang von Schriftstücken, insbesondere der Abgabenbehörden, welche nunmehr ausschließlich dem Bevollmächtigten zuzustellen sind" erteilt und mitgeteilt, dass durch die vorliegende Vollmacht "noch etwa beim Finanzamt erliegende vorhergehende Vollmachten außer Kraft gesetzt" werden. Im (Begleit-) Schreiben vom 13.3.2024 führt die Merkur Treuhand Steuerberatung GmbH aus, dass die Vollmacht als "Spezialvollmacht für das laufende Verfahren betreffend Umsatzsteuer und NOVA sowie das Finanzstrafverfahren" erteilt wurde. Im Hinblick auf die Divergenz zwischen dem Begleitschreiben (Spezialvollmacht für bestimmte Verfahren) und der Vollmacht selbst (uneingeschränkte Vollmacht für alle steuerlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Angelegenheiten) ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin mit Vorhalt vom 4.4.2024 um Aufklärung, wie die Vollmacht zu verstehen ist. Hierauf teilte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 16.4.2024 mit, dass die Vertretungsvollmacht unbeschränkt ist.
Mit Bescheid vom 20.3.2024 erließ die belangte Behörde einen an die Beschwerdeführerin adressierten Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO über insg. € 206.548,79 (Umsatzsteuer 2019 und 2020). Aufgrund dieses Sicherstellungsauftrages pfändete sie mit Bescheid (Zahlungsverbot) vom 3.4.2024, adressiert an das Finanzamt Österreich (DST12), Dr. Adolf Schärf Platz 2,1220 Wien, das der Beschwerdeführerin gegenüber dem Finanzamt Österreich (DST12) zustehende Guthaben auf Steuernummer ***BFStNr***. Beide Bescheide (der an das Finanzamt Österreich adressierte Pfändungsescheid vom 3.4.2024 ergänzt um die Anmerkung "Ausfertigung für den Abgabenschuldner") wurden der Beschwerdeführerin am 5.4.2024 zu Handen der Schabetsberger Steuerberatung GmbH, Fischerstiege 9, 1010 Wien, zugestellt. Am 3.4.2024 wurde der Pfändungsbescheid (Zahlungsverbot) vom 3.4.2024 durch persönliche Übernahme auch an das Finanzamt Österreich (DST12) zugestellt.
Die Schabetsberger Steuerberatung GmbH leitete Scans der ihr zugestellten Bescheide vom 20.3.2024 (Sicherstellungsauftrag) und 3.4.2024 (Pfändung) mit E-Mail vom 16.4.2024 an die Merkur Treuhand Steuerberatung GmbH weiter. Eine Übermittlung der Originalbescheide erfolgte nicht.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf den Akteninhalt, insbesondere auf den Zustellnachweis (Rückschein) zum Sicherstellungsauftrag vom 20.3.2024 und zum Pfändungsbescheid vom 3.4.2024, worin ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin (Unterschrift unleserlich) der Schabetsberger Steuerberatung GmbH die Übernahme dieser beiden Bescheide am 5.4.2024 bestätigt, sowie auf das Schreiben der Merkur Treuhand Steuerberatung GmbH vom 13.3.2024 und die damit übermittelte Vollmacht vom 11.3.2024. Dass die Bescheide (lediglich) per E-Mail an die Merkur Treuhand Steuerberatung weitergeleitet wurden, hat diese über Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes mitgeteilt und auch das diesbezügliche E-Mail vorgelegt. Die Feststellungen zum Vorhalt betreffend den Umfang der Vollmacht gründen sich auf das Schreiben der belangten Behörde vom 4.4.2024 und die hierauf ergangene Eingabe der Beschwerdeführerin vom 16.4.2024 (beides von der Beschwerdeführerin vorgelegt), die Feststellung zur Zustellung des Pfändungsbescheides an das Finanzamt Österreich (DST12) auf die diesbezüglich von der belangten Behörde vorgelegte, mit einer Übernahmebestätigung versehene Bescheidausfertigung.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gem. § 78 Abs. 1 AbgEO kann aufgrund eines Sicherstellungsauftrages (§ 232 BAO) zur Sicherung von Abgaben schon vor Eintritt der Rechtskraft oder vor Ablauf der für die Leistung bestimmten Frist die Vornahme von Vollstreckungshandlungen angeordnet werden. Zu den in Frage kommenden Vollstreckungshandlungen zählt u.a. die Pfändung grundbücherlich nicht sichergestellter Geldforderungen (§ 78 Abs. 2 AbgEO). Eine derartige Forderungspfändung geschieht dadurch, dass die Abgabenbehörde dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen (Zahlungsverbot; sog. "Drittverbot" bzw., wenn sich die Forderung des Abgabenschuldners - wie hier - an die Abgabenbehörde selbst richtet, "Zweitverbot") und dem Abgabenschuldner verbietet, über die Forderung zu verfügen (Verfügungsverbot; § 65 Abs. 1 AbgEO). Beim Zahlungsverbot und dem Verfügungsverbot handelt es sich um zwei unterschiedliche Bescheide. Während ein Rechtsmittel gegen das Verfügungsverbot nach § 77 Abs. 1 Z. 1 AbgEO unstatthaft ist, gewährt die ständige Rechtsprechung (auch) dem Abgabenschuldner ein Beschwerderecht gegen den Pfändungsbescheid, also gegen das (an sich an den Dritt- bzw. Zweitschuldner gerichtete) Zahlungsverbot (VwGH 28.10.1981, 81/13/0031; 13.2.1985, 84/13/0071; 10.5.2010, 2009/16/0102). Die gegenständliche Beschwerde ist daher grundsätzlich zulässig.
Gem. § 9 Abs. 1 ZustG können die Parteien natürliche oder juristische Personen gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellvollmacht). (Zustell-) Vollmachten werden für die Abgabenbehörde bedeutsam und wirksam, sobald sie ihr bekannt sind (VwGH 24.6.1999, 97/15/0131; 19.12.2001, 2000/13/0135) und sind so lange zu beachten, als der Behörde nicht der Widerruf, die Kündigung oder die einvernehmliche Aufhebung bekannt wird (VwGH 22.11.1990, 90/09/0007; 22.9.1998, 98/05/0123). Ist ein Zustellbevollmächtigter bestellt, hat die Behörde grundsätzlich diesen (in der Zustellverfügung) als Empfänger zu bezeichnen (§ 9 Abs. 3 ZustG; vgl. VwGH 20.2.2008, 2005/15/0159). Geschieht dies nicht, erfolgt also die Zustellung an eine Person die nicht Zustellbevollmächtigter ist, hat dies die Unwirksamkeit der Zustellung zur Folge (VwGH 27.4.1995, 93/17/0075; 29.5.1995, 93/17/0318; 22.3.1999, 98/17/0192).
Im vorliegenden Fall bestellte die Beschwerdeführerin am 11.3.2024 die Merkur Treuhand Steuerberatung GmbH zum Zustellbevollmächtigten. Gleichzeitig wurden alle bis dahin beim Finanzamt erliegenden Vollmachten (daher auch eine allfällige Zustellvollmacht der Schabetsberger Steuerberatung GmbH) aufgelöst. Dies wurde der belangten Behörde am 13.3.2024 zur Kenntnis gebracht. Anzumerken ist, dass die Vollmacht zugunsten der Merkur Treuhand Steuerberatung GmbH entgegen den Ausführungen im Schreiben vom 13.3.2024 alle steuerlichen Angelegenheiten umfasst und daher nicht auf das laufende Verfahren betreffend Umsatzsteuer und NOVA sowie das Finanzstrafverfahren eingeschränkt ist. Sie umfasst daher auch das Sicherstellungsverfahren und das Abgabenexekutionsverfahren. Dies gilt nicht erst seit der Klarstellung durch die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 16.4.2024, sondern bereits mit Zugang der Vollmacht am 13.3.2024, da für den Umfang der Vollmacht deren Wortlaut maßgeblich ist und das (unzutreffend) davon abweichende Begleitschreiben daran nichts ändern konnte. Der Sicherstellungsauftrag vom 20.3.2024 und der Pfändungsbescheid (Zahlungsverbot) vom 3.4.2024 hätten daher der Beschwerdeführerin z.Hd. der Merkur Steuerberatung GmbH zugestellt werden müssen. Die Zustellung an die Schabetsberger Steuerberatung GmbH war unwirksam.
Gem. § 9 Abs. 3 S. 2 ZustG heilt eine derartige unwirksame Zustellung, wenn das Dokument dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zukommt. Dies setzt voraus, dass das Originaldokument bzw. die für den Empfänger bestimmte Ausfertigung in den Besitz des Zustellbevollmächtigten gelangt. Die Übermittlung einer bloßen Fotokopie bzw. - was der Übermittlung einer Kopie gleichzuhalten ist - die Übermittlung des eingescannten Dokuments per E-Mail hat diese Wirkung nicht (VwGH 9.12.2019, Ra 2019/02/0224; OGH 26.4.2017, 7Ob33/17d, LVwG Wien 19.3.2020, VGW-031/055/2358/2020; 20.11.2020, VGW-031/055/15649/2019). Die hier geschehene Übermittlung der eingescannten Bescheide vom 20.3.2024 (Sicherstellungsauftrag) und 3.4.2024 (Pfändung) mit E-Mail der Schabetsberger Steuerberatung GmbH vom 16.4.2024 an die Merkur Treuhand Steuerberatung GmbH konnte daher keine Heilung der unwirksamen Zustellung bewirken.
Der Pfändungsbescheid vom 3.4.2014 wurde jedoch an das Finanzamt Österreich (DST12) wirksam zugestellt und ist damit rechtlich existent geworden (vgl. VwGH 9.6.2017, Ra 2017/02/0060, wonach im Mehrparteien ein Bescheid als erlassen anzusehen ist, wenn er einer Partei zugestellt wurde). Die Beschwerde gegen den Pfändungsbescheid ist daher lediglich deswegen, weil dieser der Beschwerdeführerin (noch) nicht zugestellt wurde, nicht unzulässig (vgl. § 260 Abs. 2 BAO, wonach eine Bescheidbeschwerde nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden darf, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde).
Mangels jeglicher wirksamen Zustellung gehört dagegen der Sicherstellungsauftrag vom 20.3.2024 nicht dem Rechtsbestand an; es handelt sich um einen sog. "Nichtbescheid" (VwGH 19. 10. 2011, 2008/08/0210). Damit fehlt dem angefochtenen Pfändungsbescheid vom 3.4.2024 der Titel (vgl. VwGH 10.5.2010, 2009/16/0102; 26.7.1995, 94/15/0228). In Ermangelung eines Sicherstellungsauftrages hätte die Forderungspfändung nicht durchgeführt werden dürfen. Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die hier maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von welcher das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist, geklärt. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung waren daher nicht zu lösen.
Wien, am 22. Oktober 2024