BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht fasst durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek in der Beschwerdesache der A**** E****, [Adresse], Steuernummer **-***/****, vertreten durch Hallas & Partner Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH & Co KG, 1020 Wien, Praterstraße 38, betreffend die Säumnisbeschwerde vom 9.1.2025 hinsichtlich des an das Finanzamt Österreich gerichteten schriftlichen Antrages auf Akteneinsicht vom 15.5.2025 in einer Beschwerdesache wegen Rückforderung von Familienbeihilfe den Beschluss:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG ist zulässig.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erhob mit Datum vom 9.1.2025 (beim Bundesfinanzgericht eingelangt am 14.1.2025) durch ihre steuerliche Vertretung Säumnisbeschwerde gemäß § 284 BAO betreffend einen von ihr in einem Beschwerdeverfahren gegen einen Rückforderungsbescheid vom 1.3.2023 (neben einem Vorlageantrag) eingebrachten schriftlichen Antrag auf Akteneinsicht gemäß § 90 BAO. Sie führte dazu aus, der Antrag auf Akteneinsicht sei bisher trotz mehrerer Urgenzen nicht vom Finanzamt erledigt worden (im Übrigen sei auch der Vorlageantrag bislang unerledigt). Es sei ihr tatsächlich bisher trotz mehrerer Anläufe nicht einmal gelungen, eine Person beim Finanzamt telefonisch zu erreichen, die sich für die Bearbeitung dieses Falles zuständig fühle. Ein letzter telefonischer Versuch zu einer gütlichen Erledigung sei jüngst gescheitert. Rückrufe von einer zuständigen Person (ohne deren Namensnennung) seien zwar zuvor mehrfach auf ihre Urgenzen hin telefonisch angekündigt worden, bisher aber ebenfalls nicht erfolgt.Das Finanzamt habe somit gegen die ihm gemäß § 85a BAO auferlegte Entscheidungspflicht dadurch verstoßen, dass es den am 15.5.2024 eingebrachten Antrag auf Akteneinsicht bisher nicht erledigt habe.
Angeschlossen ist der Säumnisbeschwerde das Schreiben vom 15.5.2024, mit welchem die Beschwerdeführerin durch ihre steuerliche Vertretung neben einem Vorlageantrag den beschwerdegegenständlichen Antrag auf Akteneinsicht gemäß § 90 BAO gestellt hat.In ihrem Vorlageantrag führte die Beschwerdeführerin ua aus, das Finanzamt begründe die Abweisung der Beschwerde mit dem Umstand, dass ihr Sohn unter notarieller Beglaubigung ausgesagt habe, dass er seit 01.01.2020 nicht mehr mit ihr in einem Haushalt gemeinsam lebe (Seite 1 der BVE). Die zitierte Angabe des Sohnes sei aber unrichtig. Tatsächlich habe die Beschwerdeführerin auch im Zeitraum von 1. Jänner 2020 bis 20. November 2020 im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Sohn gelebt.
In ihrem Antrag auf Akteneinsicht führte die Beschwerdeführerin durch ihre steuerliche Vertretung Folgendes aus:
"Hiermit beantragen wir ihm Rahmen einer Aktensicht gem § 90 BAO um Übermittlung der in der Beschwerdevorentscheidung erwähnten, unter notarieller Beglaubigung erfolgten Aussage des Sohnes, ,dass er seit 01.01.2022 nicht mehr mit' unserer Mandantin ,in einem Haushalt gelebt' haben soll.
Weiters beantragten wir im Rahmen einer Akteneinsicht auch um Übermittlung
• sämtlicher sonstiger aktenkundiger Unterlagen, die Aufschlüsse zur Frage liefern, ob unsere Mandantin im strittigen Zeitraum von 1. Jänner bis 20. November 2020 im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Sohn gewohnt hat.• sämtlicher Vorhalte an bzw Eingaben von dem Kindesvater, die zum Zuge des Ermittlungsverfahrens erfolgten.
Wir dürfen hierzu Folgendes festhalten: Unsere Mandantin hat bereits vor Ergehen der Beschwerdevorentscheidung persönlich wegen einer Akteneinsicht beim Finanzamt Österreich (Dienststelle Gmunden Vöcklabruck) vorgesprochen.
Hierbei wurde ihr jenes Aktenstück, mit dem die Abweisung ihrer Beschwerde nun begründet wird, jedoch nicht zur Einsichtnahme oder Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Ihr wurde auch nach ihrer Vorsprache keine Kopie dieses Aktenstücks postalisch übermittelt. Sie gelangte vielmehr erst mit Zustellung der abweisenden Beschwerdevorentscheidung in Kenntnis von dessen Existenz.
Durch diese Vorgangsweise wurde gegen den Grundsatz auf Parteiengehör (§ 115 Abs 2 BAO) verstoßen, der zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates gehört (vgl Ritz, BAO7, § 115 Rz 14).
Unserer Mandantin wurden im Zuge bzw in Folge ihrer Akteneinsicht auch keine anderen Aktenstücke zur Kenntnis gebracht.
Die Bewilligung der Akteneinsicht ist daher für die Geltendmachung bzw Verteidigung der abgabenrechtlichen Interessen unserer Mandantin jedenfalls erforderlich."
Weiters angeschlossen ist eine über FinanzOnline eingebrachte Urgenzeingabe (sonstige Anbringen und Anfragen) vom 26.11.2024, welche lautet:
"Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben am 15. Mai 2024 einen Vorlageantrag und einen Antrag auf Akteneinsicht im Rahmen des offenen Beschwerdeverfahrens wegen der Rückforderung der Familienbeihilfe eingebracht. Bis dato ist Ihrerseits keinerlei Reaktion erfolgt. Wir ersuchen daher nunmehr um Erledigung unseres Antrags auf Akteneinsicht und Bearbeitung des Aktes, da wir uns anderenfalls mit einer Vorlageerinnerung an das Bundesfinanzgericht wenden müssten. Bereits vorweg vielen Dank für eine rasche Erledigung. Mit freundlichen Grüßen [...]"
§ 284 BAO lautet, soweit für das Beschwerdeverfahren maßgeblich:
(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.
(2) - (6) [...]
(7) Sinngemäß sind anzuwenden:a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),d) § 266 (Vorlage der Akten),e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).
Die Säumnisbeschwerde ist auf die Durchsetzung des Akteneinsichtsbegehrens vom 15.5.2024 gerichtet.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 284 Abs 1 BAO ist eine Säumnisbeschwerde möglich, wenn Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten erlassen werden.
Ist die Behörde lediglich zu einem Tun, nicht aber zu einer Entscheidung verpflichtet, kann gegen diese Untätigkeit nicht mit einer Säumnisbeschwerde vorgegangen werden. Gleiches gilt bei bloßen Gestattungsrechten (zB Akteneinsicht [§ 90 BAO]). Ua gegen die Säumnis bei Akteneinsichtsbegehren (§ 90) ist keine Säumnisbeschwerde zulässig (vgl Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 284 Rz 4 mwN; Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.06 (2023) § 284 BAO Rz 8).
Gemäß § 260 Abs 1 lit a iVm § 284 Abs 7 BAO ist eine Säumnisbescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass im Beschwerdefall eine Säumnisbeschwerde nicht zulässig, ist, da es sich bei dem Begehren auf Gewährung einer Akteneinsicht um ein bloßes Gestattungsrecht handelt. Die Verweigerung einer beantragen Akteneinsicht kann als Verfahrensmangel im zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren in der Hauptsache (betreffend den Rückforderungsbescheid) bekämpft werden, ein abgesondertes Rechtsmittel ist nicht zulässig (zB Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 90 Rz 12).
Da im Beschwerdefall nicht die Erlassung eines Bescheides begehrt wird, ist die Säumnisbeschwerde somit als unzulässig zurückzuweisen (Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 284 Rz 4).
Zur Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da zur Frage der Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde betreffend die Gewährung einer Akteneinsicht (während eines anhängigen Beschwerdeverfahrens) bisher keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, ist die ordentliche Revision zuzulassen.
Wien, am 31. Jänner 2025