IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Wagramer Straße 19, 1220 Wien, über die Beschwerde vom 1. April 2025 gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom 3. Februar 2025 betreffend die Festsetzung einer Stabilitätsabgabe für das Jahr 2024, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Stabilitätsabgabe 2024 in Höhe von 265.208,56 € erklärungsgemäß festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid legte das beschwerdeführende Kreditinstitut Rechtsmittel ein, worin lediglich die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen behauptet wird. Die Beschwerde sei daher gemäß § 262 Abs 3 BAO unverzüglich dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Nach der Entscheidung des VwGH vom 20.11.2024, Ro 2024/13/0019, sei eine Kürzung der Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe um die von der Beschwerdeführerin beim Zentralinstitut gehaltene Liquiditätsreserve gemäß § 2 Abs 2 Z 3a Stabilitätsabgabegesetz (StabAbgG) unzulässig. Diese Rechtslage sei verfassungswidrig und sei die Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe nach Aufhebung von Teilen des § 2 Abs 2 Z 3a StabAbgG durch den Verfassungsgerichtshof um die gehaltene Liquiditätsreserve zu kürzen.
In der Stabilitätsabgabeerklärung 2024 sei die Liquiditätsreserve nicht abgezogen und damit der Rechtsprechung des VwGH (20.11.2024, Ro 2024/13/0019) entsprochen worden. Die Beschwerdeführerin beantrage - gleichwohl - die Abänderung des bekämpften Bescheides, weil dieser auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruhe. Die Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe 2024 ist nach Auffassung der Beschwerdeführerin um die Liquiditätsreserve von EUR 359.157.250,00 zu kürzen und die Stabilitätsabgabe 2024 mit EUR 179.010,82 festzusetzen.
Die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erfolgte ohne Stellungnahme und Antrag am 11. April 2025.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist ein Kreditinstitut im Sinne des § 1 Bankwesengesetz (BWG) und gehört dem Liquiditätsverbund der 2 Stufen Banken an. Der 2 Stufen Banken-Sektor ist ein zweistufiger Sektor mit der Zentral Bank als Zentralinstitut und den angeschlossenen 2 Stufen Banken als Primärinstitute.
Die Beschwerdeführerin hat als Teil des 2 Stufen Banken-Verbundes bei ihrem Zentralinstitut eine Liquiditätsreserve gemäß § 27a BWG (idF BGBl. I Nr. 184/2013, Nr. 98/2014 bzw. Nr. 118/2016) gehalten.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung
Strittig ist die Abzugsfähigkeit der beim Zentralinstitut gehaltenen Liquiditätsreserve gemäß § 2 Abs 2 Z 3a (idF BGBl. I Nr. 184/2013) Stabilitätsabgabegesetz (StabAbgG).
Der Betrieb von Kreditinstituten unterliegt gemäß § 1 StabAbgG der Stabilitätsabgabe.
Gemäß § 2 Abs 1 StabAbgG ist die durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme (§ 2 Abs 2 StabAbgG) des Kreditinstitutes, vermindert um die in § 2 Abs 2 StabAbgG genannten Beträge, die Bemessungsgrundlage für die Stabilitätsabgabe.
Gemäß § 2 Abs 2 Z 3a StabAbgG ist die Bilanzsumme ab 2015 um Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten zu vermindern, soweit diese aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses gemäß Teil 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 entstanden sind. Eine Verminderung ist nur in jenem Ausmaß zulässig, als Forderungen an das Zentralinstitut oder ein anderes Kreditinstitut gemäß § 27a BWG (idF BGBl. I Nr. 184/2013, Nr. 98/2014 bzw. Nr. 118/2016) bestehen, die der Erfüllung der eigenen Liquiditätshaltungspflicht gemäß Teil 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 dienen und das Zentralinstitut oder das andere Kreditinstitut gemäß § 27a BWG der Stabilitätsabgabe gemäß diesem Bundesgesetz oder einer vergleichbaren Abgabe in einem Mitgliedstaat (§ 2 Z 5 BWG) unterliegt.
Gemäß § 27a BWG haben Kreditinstitute, die einem Zentralinstitut angeschlossen sind, zur Sicherung der Finanzmarktstabilität an einem System des gemeinsamen Liquiditätsausgleichs teilzunehmen. Dazu haben sie bei ihrem Zentralinstitut oder bei einem anderen vertraglich oder statutarisch festgelegten Kreditinstitut mit Sitz in einem Mitgliedstaat eine Liquiditätsreserve im Ausmaß von 10 vH der Spareinlagen und 20 vH der sonstigen Euro-Einlagen, höchstens jedoch 14 vH der gesamten Euro-Einlagen zu halten.
Zur Anwendbarkeit des § 2 Abs 2 Z 3a StabAbgG auf die vorliegende Fallkonstellation hat der Verwaltungsgerichtshof zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt ausgesprochen (VwGH 20.11.2024, Ro 2024/13/0019):
"29 Da eine Verminderung nur in jenem Ausmaß zulässig ist, als Forderungen an das Zentralinstitut (oder ein anderes Kreditinstitut) bestehen, kann die Verminderung der Bemessungsgrundlage nach dieser Ziffer nur im Fall eines mehrstufigen Bankenverbundes eintreten, weil nur in diesem Fall sowohl Verpflichtungen gegenüber einem Kreditinstitut (aus der Erfüllung eines Liquiditätserfordernisses), anderseits aber auch Forderungen an das Zentralinstitut bestehen können. Eine derartige Verminderung der Bemessungsgrundlage wird daher insbesondere bei einem dreistufigen Bankenverbund, und zwar auf Ebene der Landesbank eintreten können, bei welcher Verpflichtungen gegenüber dem Primärinstitut und Forderungen gegenüber dem Zentralinstitut bestehen.
30 … Es kann somit abgeleitet werden, dass in Satz 1 dieser Bestimmung gerade nicht die Liquiditätserfordernisse jenes Kreditinstituts gemeint sind, dessen Stabilitätsabgabe zu beurteilen ist, sondern die Liquiditätserfordernisse jenes Kreditinstituts, das die Einlagen bei dem Kreditinstitut, dessen Stabilitätsabgabe zu beurteilen ist, geleistet hat (und damit die Verpflichtung ausgelöst hat).
31 Bei einem (wie hier vorliegenden) zweistufigen Bankenverbund liegen hingegen nicht (beim selben Kreditinstitut) sowohl Verpflichtungen (aus der Erfüllung eines Liquiditätserfordernisses) als auch Forderungen gegenüber dem Zentralinstitut vor."
Die Beschwerdeführerin bilanziert als Primärinstitut keine Verbindlichkeiten, die aus Liquiditätserfordernissen eines anderen Kreditinstituts resultieren. Da folglich keine Verpflichtungen diesen gegenüber gemäß § 2 Abs 2 Z 3a StabAbgG vorliegen können, kann auch die Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe derart nicht reduziert werden. Überhaupt sind diese Bestimmungen in einem zweistufigen Liquiditätsverbund nicht anwendbar.
Die Beschwerde war daher in Anbetracht der einfachgesetzlichen Bestimmungen als unbegründet abzuweisen.
Die Beschwerdeführerin bringt in verfassungsrechtlicher Hinsicht vor, es läge ein unsachlicher Systembruch hinsichtlich der doppelten Besteuerung von Einlagen, eine unsachliche Differenzierung zwischen Einlagensicherung und Liquiditätsverbund, eine sachwidrige Besteuerung gedeckter Einlagen, eine Benachteiligung gegenüber Kreditinstituten, die keinem Liquiditätsverbund angehören müssen sowie solchen, die einem dreistufigen Bankenverbund angehören, vor.
Nach Art 89 Abs 2 B-VG iVm Art 135 Abs 4 B-VG hat ein Verwaltungsgericht, wie auch der Verwaltungsgerichtshof, dann, wenn es gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat, den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.
Vorauszuschicken ist zunächst, dass es in der privatautonomen Entscheidung einer Bank liegt, ob sie sich einem Zentralinstitut anschließt oder nicht (VwGH 24.04.2015, Ro 2015/02/0011 mit Verweis auf VfGH 23.06.1993, G 250/92; Völkl in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka, BWG § 27a Rz 13 [Stand 1.5.2019, rdb.at]), sodass die Angeschlossenheit - sowohl von Zentralinstitutsseite als auch von Seiten des angeschlossenen Instituts privatautonom in jede Richtung zu jedem Zeitpunkt - abhängig von den entsprechenden Kündigungsbestimmungen - verändert werden kann (Blume in Dellinger, BWG § 27a Rz 8, 10. Lfg November 2020).
Der Verfassungsgerichtshof hat in einer Entscheidung (VfGH 14.12.2011, B 886/11‐8) zum StabAbgG idF BGBl. I 111/2010 erkannt, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Festsetzungsbescheid hinsichtlich der Stabilitätsabgabe weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist. Hinsichtlich der vom Gesetzgeber gewählten Bemessungsgrundlage ist das Anknüpfen an die (modifizierte) Bilanzsumme nicht unsachlich und die vorgebrachten Bedenken gegen die Berechnung der Bemessungsgrundlage sind rechtspolitischer und nicht verfassungsrechtlicher Natur, wobei der Verfassungsgerichtshof festhält, dass ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gegeben ist (Rz 28ff).
Wie bereits in VwGH 20.11.2024, Ro 2024/13/0019, zum Ausdruck kommt, können gemäß gleichgelagerter Folgebestimmung keine Verpflichtungen bei zweistufigen Liquiditätsverbünden abgezogen werden. Schließt man aus diesen Gründen eine Präjudizialität aus, so fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung zur Beantragung eines Normprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof.
Geht man jedoch davon aus, dass § 2 Abs 2 Z 3a StabAbgG präjudiziell ist (vgl dazu Muzak, B-VG6 Art 89 Rz 5 d) mit zahlreichen Hinweisen wie zB VfGH 12.04.1997, G400/96, G44/97, mit welcher dieser in einer die Kommunalsteuer betreffenden Beschwerdesache, obwohl vom Beschwerdeführer lediglich die Verfassungswidrigkeit von § 1 Kommunalsteuergesetz vorgebracht worden war, von Amts wegen ein Prüfungsverfahren hinsichtlich der Ausnahmebestimmung § 8 Z 1 Kommunalsteuergesetz eingeleitet und diese somit als präjudiziell angesehen hatte), so ist die Tatsache, dass ein Normprüfungsverfahren weder beantragt noch amtswegig eingeleitet wurde, derart auszulegen, dass weder der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 20.11.2024, Ro 2024/13/0019) noch der Verfassungsgerichtshof (14.12.2011, B 886/11‐8) Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit hatten.
Das Bundesfinanzgericht sieht sich daher nicht veranlasst, einen Gesetzesaufhebungsantrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.
4. Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision (Spruchpunkt II.)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Rechtsfrage ist durch VwGH 20.11.2024, Ro 2024/13/0019, gelöst und kommt dieser daher keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu.
Wien, am 4. Juni 2025