JudikaturBFG

RV/2100029/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***Vt***, ***Vt-Adr***, über die Beschwerde vom 23. August 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 25. Juli 2023 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach der am 28. Mai 2025 durchgeführten mündlichen zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.Die Einkommensteuer wird wie folgt festgesetzt:

Einkommensteuer in Euro:8.518,25
Anrechenbare Lohnsteuer in Euro:-13.090,85
Rundung in Euro:-0,40
Festgesetzte Einkommensteuer in Euro:-4.573,00

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin erklärte im Rahmen ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 unter anderem tatsächliche Aufwendungen aufgrund einer Behinderung in Höhe von 16.617,15 Euro als außergewöhnliche Belastungen.

Auf Vorhalt des Finanzamtes Österreich vom 27. März 2023 führte die Beschwerdeführerin aus, die beantragten außergewöhnlichen Belastungen seien durch den Einbau eines Treppenlifts und den stationären Aufenthalt in einem Pflegeheim, abzüglich der Haushaltsersparnis, als Folge eines Treppensturzes am 5. Dezember 2019 entstanden. Ergänzend machte sie weitere 198,39 Euro für Bettgalgen (135 Euro), Haltestangen (20,89 + 24,50 Euro), und Mundschutz (18 Euro) als außergewöhnliche Belastungen geltend.

Mit dem Einkommensteuerbescheid vom 25. Juli 2023 wurden Aufwendungen in der Höhe von 3.489,42 Euro als außergewöhnliche Belastung anerkannt (diese wurden mangels Überschreitens des Selbstbehaltes nicht steuerwirksam). Begründend führte die belangte Behörde aus, aufgrund der vorlegten Unterlagen sei keine Gehbehinderung feststellbar. Die Pflegebedürftigkeit sei erst zu einem späteren Zeitpunkt (aufgrund des Pflegegeldbezuges ab September 2021) eingetreten. Die Kosten des Treppenliftes seien daher als Vorsorgemaßnahme und nicht als außergewöhnliche Belastung zu qualifizieren. Die Aufwendungen (Anmerkung: in der Höhe von 3.489,42 Euro für Pflegeheimunterbringung, Bettgalgen, Haltestangen und Mundschutz) seien nicht berücksichtigt worden, weil die Aufwendungen niedriger seien als der Selbstbehalt in Höhe von 6.505,68 Euro.

Gegen den Einkommensteuerbescheid richtete sich die Beschwerde vom 23. August 2023, darin wurde vorgebracht:"Ich fechte den Bescheid hinsichtlich der Nichtberücksichtigung meiner geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von € 16.815,54 an.Sachverhalt:Ich befinde mich als im 84'ten Lebensjahr stehende Landesbeamtin des (…) seit dem Jahr 1999 im Ruhestand und habe Wohnungseigentum an der Liegenschaft (…) und habe alleiniges Recht am Wohnungseigentumsobjekt der Wohnung Nummer (…), das ich auch alleine bewohne.Die Reihenhaussiedlung an obiger Liegenschaftsadresse ist in Form von Maisonetten Wohnungen mit Unter- und Obergeschoss errichtet. Im Untergeschoss meiner Wohnung befindet sich die Küche, das Wohnzimmer, das Badezimmer sowie das WC; im Obergeschoss meiner Wohnung befinden sich mein Schlafzimmer, ein weiteres Zimmer und die Terrasse.Unter- und Obergeschoss werden durch eine nur ca. 1 m breite und um 180° drehende gemauerte Stiege, die durch ihre 180° Rotation auf der Innenseite auch eine Verschmälerung aufweist, verbunden.Am 5. Dezember 2019 habe ich beim Abgang zur Unterführung des Bahnhofes Wien-Meidling infolge eines Sehnenrisses im linken Knie ein Sturzgeschehen auf der Treppe erlitten bei dem ich mir einen komplizierten Bruch des rechten Knöchels zuzog.Nach der stationären Aufnahme im ***Spital*** wurde mir operativ eine Verplattung des Außenknöchels, eine Stellschraube, eine Verschraubung mittels Volkmann-Dreieck und eine Verschraubung des Innenknöchels eingesetzt, Beilage ärztlicher Entlassungsbrief.Da ich für die ersten 6-8 Wochen nach der Operation den Knöchel überhaupt nicht belasten durfte und danach bis zur Stellschraubenentfernung nur mit einem maximalen Gewicht von 15 kg wurde ich bis 24. Februar 2020 im Pflegeheim (…) stationär betreut und wohne seit daher wieder in meiner Wohnung (…), Beilage Rechnungen Pflegeheim.Da ich durch den Unfall und der daraus resultierenden Verplattung und Verschraubung des rechten Knöchels (die auch nach wie vor im Knöchel verblieben sind) sowie der Instabilität des linken Kniegelenkes wie erwartet und schon während meines Aufenthaltes im Pflegeheim medizinisch prognostiziert stark geheingeschränkt geblieben bin (so sind mir mittlere ebene Gehstrecken nurmehr unter Zuhilfenahme einer Gehhilfe wie Gehstock oder Rollator möglich, dass trittsichere alleinige Treppensteigen insbesondere auf einer sich drehenden Treppe ist mir überhaupt nicht mehr möglich) habe ich bereits während meines Aufenthaltes im Pflegeheim den Einbau eines Treppenliftes der Firma (…) veranlasst, um mir auch weiterhin ein selbstständiges Wohnen in meiner zweistöckigen Maisonettewohnung zu ermöglichen, Beilage Auftragsbestätigung der Firma (…) vom 27.01.2020.Da ich ohne Errichtung des Treppenliftes infolge meiner durch den Unfall verursachten Gehbehinderung nicht mehr in der Lage gewesen wäre in meiner zweigeschossigen Maisonettewohnung zu leben, stellt diese Anschaffung für mich eine außergewöhnliche Belastung dar, sodass ich mich im Laufe des Jahres 2021 vor Erstellung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 telefonisch bei der Finanzamt-Hotline erkundigte, wie diese steuerrechtlich berücksichtigt werden könnte.Hier erhielt ich die Auskunft, dass neben den Rechnungen auch ein Nachweis über das Sturzgeschehen bzw. die daraus resultierenden Dauerfolgen, wie zum Beispiel durch einen Pflegegeldbescheid, vonnöten wären.In Folge habe ich dann nach Abflauen der Covid-19-Pandemie im August 2021 einen Antrag nach dem Bundespflegegeldgesetz gestellt und wurde mir aufgrund meiner Gehbehinderung auch ab 1.September 2021 ein Pflegegeld der Stufe 1 zuerkannt.Diesen Pflegegeldbescheid habe ich dann gemeinsam mit den Rechnungen über die außergewöhnlichen Belastungen im Rahmen meiner Arbeitnehmerveranlagung 2020 dem Finanzamt vorgelegt.Diese außergewöhnlichen Belastungen wurden jedoch im bekämpften Einkommensteuerbescheid 2020 mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass laut den vorgelegten Unterlagen keine Gehbehinderung festgestellt worden wäre und daher seitens des Finanzamtes aus der Ferne nicht feststellbar sei, ob der Einbau des Treppenliftes medizinisch begründet gewesen wäre, oder als Vorsorgemaßnahme für die Zukunft getätigt wurde. Dies auch deshalb, weil die belangte Behörde offenbar irrig davon ausgeht, dass meine Unfallfolgen [bis verheilen können], wobei sich in der Begründung des bekämpften Bescheides nicht einmal ein Datum wiederfindet mit dem die Unfallfolgen hätten verheilen können und ebenso, dass meine Pflegebedürftigkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten wäre, da der Pflegegeldbezug erst ab September 2021 erfolgte.Hierbei übersieht die belangte Behörde jedoch den kausalen und temporären Zusammenhang zwischen dem langwierigen Heilungsverlauf bis zu einer Wiederherstellung der Mobilität und Gehfähigkeit eines sich im 84'ten Lebensjahr befindlichen Menschen, die überhaupt erst teilweise ab der Beendigung des Aufenthaltes im Pflegeheim ab Ende Februar 2021 erfolgte (die Belastung des gebrochenen Knöchels mit mehr als 15 kg - die ein Gehen zwingend voraussetzt - war erst nach operativer Entfernung der Stellschraube überhaupt medizinisch möglich) und der in Auftrag gegebenen Errichtung des Treppenliftes bereits im Jänner 2021.Ein Verlassen des Pflegeheimes mit 25. Februar 2021 und das Wiederbewohnen der zweigeschossigen Maisonettewohnung wäre ohne den am 24 Februar 2021 erfolgten Einbau des Treppenliftes gar nicht möglich gewesen und wäre auch heute noch aufgrund der Art und Schwere meiner Verletzung und den dadurch eingetretenen Dauerfolgen meiner Gehbehinderung in Relation zu meinem hohen Lebensalter gar nicht machbar, da auf der drehenden Stiege aufgrund meiner Gehbehinderung ein ständiges Sturzrisiko bestünde.Aus diesem Grunde bin seit meinem Unfall, sohin bereits vor dem Lifteinbaus nicht mehr in der Lage Treppen zu steigen und mein Haus ohne Zuhilfenahme eines Treppenliftes alleine zu bewohnen, insbesondere da sich mein Schlafzimmer einerseits und Bad und WC andererseits auf unterschiedlichen Geschossen befinden.Diese, ein trittsicheres Begehen meiner Treppe hinderten, orthopädischen Einschränkungen (Verschraubungen und Verplattung im rechten Knöchel sowie eine Instabilität des linken Knies) haben sich aber bis heute nicht verbessert und sind solche Besserungen auch in Zukunft aufgrund meines hohen Alters nicht mehr zu erwarten, welches auch durch die Zuerkennung eines dauerhaften Pflegegeldes festgestellt wurde.Wie bereits erwähnt, wurde ein solcher Pflegegeldbescheid als ein möglicher Nachweis meiner Gehbehinderung für die Geltendmachung außergewöhnlicher Belastungen für meine Arbeitnehmerveranlagung 2020 von der Hotline der belangten Behörde gegen Mitte des Jahres 2021 selbst genannt, sodass ich einen solchen dann infolge beantragt habe und zieht die Behörde nunmehr fälschlicherweise die Zuerkennung des Pflegegeldes (erst) ab September 2021 als Begründung für eine angeblich erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte Pflegebedürftigkeit heran und schließt daraus sogar unrichtig, dass meine unfallbedingten Gehbehinderungen irgendwann bereits vorher - nicht näher bestimmt - weggefallen sein sollen, obwohl diese Gehbehinderung seit meinem Unfall im Dezember 2019 durchgehend bis heute in gleichem Ausmaß andauert.Zeuge: ***Vt*** p.A. (…)weitere Zeugen vorbehaltenIn diesem Sinn stellt der Einbau eines Treppenlifts eine spezifisch behindertengerechte Maßnahme dar und ist als außergewöhnliche Belastung infolge meines Unfalles anzuerkennen.Aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und stelle ich sohin denAntragder Beschwerde dahin gehend Folge zu geben, dass meine in der Arbeitnehmerveranlagung 2020 geltend gemachten Aufwendungen zur Gänze als außergewöhnliche Belastungen im Einkommensteuerbescheid 2020 berücksichtigt werden."

Auf Vorhalt der belangten Behörde vom 8. Februar 2024 legte die Beschwerdeführerin am 18. März 2024 einen Pflegegeldbescheid sowie Fotos von den baulichen Gegebenheiten der Treppe vor und führte ergänzend aus, am 25. Februar 2020 habe sie das Pflegeheim verlassen und wieder ihre Maisonettewohnung bezogen. Seit dem Sturz im Jahr 2019 sei es ihr nicht mehr möglich gewesen, ihre Wohnung ohne einen Treppenlift zu bewohnen. Der Einbau des Treppenlifts am 24. Februar 2020 sei notwendig gewesen um wieder in ihre Wohnung zurückkehren zu können. Dies lasse sich bereits aus dem ärztlichen Entlassungsbrief ableiten. Seit dem Unfall sei es nicht möglich, Steighilfen wie Treppen und Leitern unfallfrei zu benützen. Ein Umzug in eine andere Wohnung sei ihr nicht zumutbar. Für den Kauf des Treppenlifts seien keine Zuschüsse oder Förderungen in Anspruch genommen worden. Beim beigelegten Sachverständigengutachten über die Zuerkennung von Pflegegeld vom Herbst 2021 sei zu berücksichtigen, dass der Gutachter die Wohnung nicht genau besichtigt habe und der Treppenlift bereits eingebaut gewesen sei.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 14. Mai 2024 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Einbau eines Treppenliftes könne dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn dieser in direktem Zusammenhang mit einer Gehbehinderung stehe und nur mithilfe des Treppenliftes die notwendigen Wohnräumlichkeiten erreicht werden könnten. Die Gehbehinderung müsse bereits im Zeitpunkt des Treppenlifteinbaus bestanden haben. Weiters müsse die Gehbehinderung einwandfrei entweder durch das ärztliche Sachverständigengutachten im Zuge der Pflegebegutachtung oder durch Feststellung beim Sozialministeriumservice nachgewiesen werden. Das Finanzamt sei an diese Feststellungen gebunden und müsse auf die ärztliche Expertise darin vertrauen. Bisher lägen dem Finanzamt keine Daten über eine vom Sozialministeriumservice festgestellte (Geh)Behinderung vor. Da auch aus dem vorgelegten Pflegegeldbescheid nicht eindeutig ersichtlich sei, ob und wie schwerwiegend die vorhandene (Geh)Behinderung sei und seit wann diese bestehe, könnten die beantragten Kosten für den Treppenlift nicht berücksichtigt werden. Aus den vorgelegten ärztlichen Entlassungsbriefen sei zwar ersichtlich, dass eine Mobilitätseinschränkung bestanden habe/noch immer bestehe, jedoch sei für eine Anerkennung der außergewöhnlichen Belastungen eine Feststellung der Schwere der Gehbehinderung beim Sozialministeriumservice zumindest ab dem Zeitpunkt des Lifteinbaus notwendig.

Dagegen richtete sich der Vorlageantrag vom 3. Juni 2024. Darin verwies die Beschwerdeführerin auf die Ausführungen in ihrer Beschwerde und die Ergänzungen in ihrer Stellungnahme vom 18. März 2024 und brachte vor, der Einbau des Treppenliftes stehe in direktem Zusammenhang mit dem Sturzgeschehen im Dezember 2019. Obwohl aufgrund der vorgelegten ärztlichen Befunde bei einer im 84. Lebensjahr stehenden Person keinerlei gesundheitliche Verbesserung mehr eintreten könne, die ein gefahrloses Treppensteigen auf einer um 180° gewundenen steilen Wendeltreppe ermöglichten, beharre die erkennende Behörde nach wie vor darauf, dass eine solche Gehbehinderung nicht im ärztlichen Sachverständigengutachten im Zuge der Pflegegeldbegutachtung festgestellt worden sei. Dabei verkenne die belangte Behörde, dass im Pflegegutachten ihre Wohnsituation überhaupt nicht begutachtet worden sei. Ohne sich mit den angebotenen Beweisen auseinandergesetzt zu haben, stütze sich die belangte Behörde einzig auf die abweisende Begründung, dass aus dem Pflegegeldbescheid nicht eindeutig ersichtlich sei, ob und wie schwerwiegend die vorhandene Gehbehinderung sei und seit wann diese bestehe.Abschließend beantragte die Beschwerdeführerin, die geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Vorlagebericht vom 21. Jänner 2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. Darin brachte das Finanzamt ergänzend vor, gemäß § 35 Abs. 2 EStG 1988 und § 3 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen sei die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sowie etwaige Zusatzeintragungen betreffend eine Mobilitätseinschränkung durch eine amtliche Bescheinigung der für die Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Im vorliegendem Fall sei dies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice). An dessen Feststellung sei das Finanzamt gebunden. Bei der amtlichen Zuerkennung von Pflegegeld sei aus der Sicht des Finanzamtes ebenfalls von einer mindestens 25%igen Erwerbsunfähigkeit (Grad der Behinderung) auszugehen. Entsprechende Nachweise seien durch die Beschwerdeführerin für den verfahrensgegenständlichen Veranlagungszeitraum jedoch nicht vorgelegt worden.

Am 7. April 2025 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Vollmacht, ein ärztliches Gutachten vom 20. Jänner 2025, das im Streit über die Höhe des Pflegebedarfs ergangen ist, und eine Kopie des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Am 27. Mai 2025 legte die Beschwerdeführerin dem Bundesfinanzgericht das Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 16. Mai 2025 und ein Schreiben des Sozialministeriumservice vor.

In der mündlichen Verhandlung, an der die belangte Behörde nicht teilgenommen hat, verwies der Vertreter der Beschwerdeführerin auf die Feststellungen im zuletzt vorgelegten Gutachten, danach sei der Unfall im Jahr 2019 ursächlich für die Feststellung eines Behindertengrades von 70% gewesen. Es wurde auch bestätigt, dass das ab 1. September 2021 gewährte Pflegegeld mittlerweile auf ein solches der Pflegestufe 2 angehoben worden sei. Der ursprünglich im Jahr 2020 gestellte Antrag auf Gewährung des Pflegegeldes sei zurück gezogen worden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Die im Jahr 1939 geborene Beschwerdeführerin bezog im Veranlagungsjahr ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Ruhegenuss).Die Beschwerdeführerin bewohnt eine Maisonette-Wohnung (Wohnungseigentum), die Zimmer befinden sich im Obergeschoss, Bad und Klo im unteren Geschoss. Die beiden Geschosse sind durch eine um 180° gedrehte Stiege (mit enger werdenden Stufen auf der Innenseite) verbunden.Seit einem Sturz im Dezember 2019, bei dem sich die Beschwerdeführerin einen Bruch des Sprunggelenks zugezogen hat und der im Krankenhaus operativ (Verplattung, verschiedene Verschraubungen mit Unterschenkeldeckelgips und einer Teilbelastung für mehrere Wochen) versorgt worden ist, ist die Beschwerdeführerin in ihrer Mobilität eingeschränkt. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus war die Beschwerdeführerin bis 24. Februar 2020 in einem Pflegeheim stationär zu versorgen. Im Februar 2020 ist in der Wohnung der Beschwerdeführerin ein Treppenlift eingebaut worden, um der Beschwerdeführerin das Erreichen des Obergeschosses (einschließlich des Schlafzimmers) zu ermöglichen.Aufgrund ihres Antrages vom 19. August 2021 wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 9. November 2021 ab September 2021 Pflegegeld der Stufe 1 zuerkannt, dieses wurde mittlerweile auf ein solches der Stufe 2 erhöht. Für das verfahrensgegenständliche Jahr war vom Sozialministeriumservice eine Behinderung nicht festgestellt.

Der Sachverhalt stand aufgrund der von der belangten Behörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegten und aufgrund der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von der Beschwerdeführerin beigebrachten Unterlagen fest; daraus ließen sich der Sturz und die daraus resultierenden Folgen sowie die Beschaffenheit der Stiege und der Einbau eines Treppenliftes ableiten. Zum anderen ergaben sich die Einschränkungen der Beschwerdeführerin aus den von der Beschwerdeführerin am 7. April 2025 und am 27. Mai 2025 dem Bundesfinanzgericht übermittelten Sachverständigengutachten; aus dem ärztlichen Gutachten vom 20. Jänner 2025 ließ sich klar und deutlich ableiten, dass die beim Sturz zugezogenen Verletzungen ursächlich für die "Gangerschwernis und Einschränkung der Mobilität" waren. Das genannte Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 16. Mai 2025 kommt zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 90%, dabei machen die Erkrankungen des Bewegungsapparates 70% aus, wobei (auch) der Zustand nach der im Dezember 2019 vorgenommenen Operation des Sprunggelenks als Begründung für diese Einstufung angegeben ist. Für das Bundesfinanzgericht stand daher fest, dass die im Dezember 2019 bei einem Sturz zugezogenen Verletzungen ursächlich für die Mobilitätseinschränkung der Beschwerdeführerin waren und diese nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus bis zur Vollbelastung des Sprunggelenks auf die Pflege in einem Pflegeheim angewiesen war; das lässt sich auch aus dem Entlassungsbrief des Krankenhauses ableiten, wonach die Beschwerdeführerin ins Pflegeheim entlassen werden konnte.Nach dem am 27. Mai 2025 vorgelegten Schreiben des Sozialministeriumservice wird ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 90% ausgestellt werden; laut den Ausführungen im Gutachten wird diese Bewertung ab 2024 bestätigt. Für das verfahrensgegenständliche Jahr war eine Behinderung somit nicht festgestellt.

§ 34 Abs. 1 EStG 1988 lautet:"Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein."

Die Belastung ist gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von mehr als 36.400 Euro 12%.

§ 34 Abs. 6 EStG 1988 bestimmt:"Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:(…)- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.(…)"

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung und erhält er nicht eine pflegebedingte Geldleistung, so steht ihm gemäß § 35 Abs. 1 Teilstrich 1 EStG 1988 ein Freibetrag zu.

Gemäß § 35 Abs. 2 EStG 1988 ist die Tatsache der Behinderung durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente.- Der Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Behindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Anstelle des Freibetrages können gemäß § 35 Abs. 5 EStG 1988 auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden.

Unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 sind nur vermögensmindernde Ausgaben, also solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern stellen dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, wenn somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (VwGH 7.9.2022, Ra 2021/13/0157).

Die Gegenwerttheorie findet dort ihre Grenze, wo durch Aufwendungen kein am Verkehrswert zu messender Gegenwert geschaffen wird. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Wirtschaftsgüter beschafft werden müssen, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (z.B. Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (z.B. Rollstühle) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (VwGH 19.10.2022, Ra 2021/15/0029).

Beim Einbau des Treppenlifts in der Maisonette-Wohnung der Beschwerdeführerin und bei der vorübergehenden Unterbringung in einem Pflegeheim handelt es sich um durch ihren im Dezember 2019 erlittenen Sturz verursachte Maßnahmen, die nur für einen sehr eingeschränkten Personenkreis, nämlich für einen solchen mit Bewegungseinschränkungen, einen Mehrwert darstellen. Es ist davon auszugehen, dass sich der Verkehrswert der Wohnung dadurch nicht erhöht hat. Denn für nicht geheingeschränkte Personen stellt nach allgemeiner Lebenserfahrung ein vorhandener Treppenlift nicht einen Mehrwert, sondern vielmehr eine Einschränkung bei der Benützung einer Stiege dar.Der Einbau des Treppenlifts ist daher als Belastung für die Beschwerdeführerin zu qualifizieren (vgl VfGH 13.03.2003, B785/02). Auch die Kosten des Pflegeheims, des Bettgalgens und der Haltestangen sind zweifellos vermögensmindernde Ausgaben mit Wertverzehr. Die dadurch entstandenen Belastungen sind auch außergewöhnlich, weil diese außerhalb des Üblichen liegen und höher sind als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwachsen.

Eine weitere Voraussetzung für eine Berücksichtigung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen ist auch, dass die Belastungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwächsen. Die Zwangsläufigkeit des Aufwands ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst eine Belastung zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Hingegen sind Aufwendungen, die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat, nicht zwangsläufig erwachsen.

Letzteres war verfahrensgegenständlich nicht der Fall. Im Gegenteil, durch die beim Sturz im Dezember 2019 erlittenen Verletzungen war - wie sich aus den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Sachverständigengutachten eindeutig ableiten lässt - die Mobilität der Beschwerdeführerin eingeschränkt beziehungsweise eine "hochgradige Gehbehinderung" gegeben, sodass sich die Beschwerdeführerin der Belastung aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte. Die Aufwendungen für die vorübergehende Heimunterbringung, die Ausfluss der vorübergehenden Pflegebedürftigkeit war, sowie für den Einbau des Treppenliftes, auf den die Beschwerdeführerin für das Erreichen des oberen Bereiches ihrer Wohnung und somit der Zimmer angewiesen war, sowie die für die Anschaffung eines Bettgalgens und zwei Haltestangen sind daher der Beschwerdeführerin zwangsläufig erwachsen.

Die Aufwendungen in der Höhe von insgesamt 16.797,54 Euro (Kosten für den Einbau des Treppenliftes in der Höhe von 13.326,12 Euro und die bereits von der belangten Behörde berücksichtigten Kosten für die vorübergehende Unterbringung im Pflegeheim (abzüglich Haushaltsersparnis) in der Höhe von 3.291,03 Euro sowie die Anschaffungskosten für Bettgalgen und Haltestangen in der Höhe von 180,39 Euro) überstiegen den Selbstbehalt. Die der Beschwerdeführerin entstandene Belastung beeinträchtigte daher wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin. Diese Aufwendungen waren daher nach Abzug des Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Da für das verfahrensgegenständliche Jahr 2020 weder von einer dazu berufenen Stelle eine Behinderung festgestellt worden war, noch die Beschwerdeführerin Pflegegeld bezogen hat, war eine Berücksichtigung der Aufwendungen ohne Abzug des Selbstbehaltes nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen ausgeschlossen; dafür wären der Bezug von Pflegegeld im verfahrensgegenständlichen Jahr oder eine für das Jahr 2020 geltende Feststellung einer Behinderung Voraussetzung gewesen.

Da das Bundesfinanzgericht eine durch den Sturz im Jahr 2019 verursachte Mobilitätseinschränkung als erwiesen erachtete, war von der Einvernahme des beantragten Zeugen Abstand zu nehmen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen, sondern hat sich auf diese sowie auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen gestützt. Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BV-G grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist eine Revision nicht zulässig.

Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am 18. Juni 2025

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