JudikaturBFG

RV/7100414/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf Adr*** über die Beschwerden vom 17. Juni 2024 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 13. Mai 2024 betreffend Pfändung einer Geldforderung gemäß § 65 AbgEO sowie Festsetzung von Gebühren und Auslagenersätzen des Vollstreckungsverfahrens gemäß § 26 AbgEO, zu Steuernummer ***Bf StNr***, zu Recht:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom 13.05.2024 pfändete das Finanzamt Österreich zur Einbringung von Abgabenschulden der beschwerdeführenden Partei über € 1.206.633,16 (Abgaben einschließlich Nebengebühren, nämlich eine am 28.02.2023 bescheidmäßig vorgeschriebene Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 2016 bis 2019) zuzüglich € 12.076,28 (Pfändungsgebühren und Barauslagen), gesamt sohin € 1.218.709,44 die Forderungen der Beschwerdeführerin (***Bf***, nachfolgend "Bf") aus dem Arbeitsverhältnis mit der *** GmbH, ***Adr.***, ***PLZ*** Wien (Anmerkung: Am 09.04.2024 wurde ein Rückstandsausweis ausgefertigt.). Am selben Tag wurden der Bf mit Bescheid die Gebühren und Auslagenersätze des Vollstreckungsverfahrens (§ 26 AbgEO) vorgeschrieben (Pfändungsgebühr 1% von € 1.206.633,16 = € 12.066,33 und Auslagenersätze € 9,95 = gesamt € 12.076,28).

Am 17.06.2024 wurden fristgerecht Beschwerden gegen die angeführten Bescheide erhoben.

Mit den Beschwerdevorentscheidungen vom 01.07.2024 wies die belangte Behörde die Beschwerden als unbegründet ab.

Am 22.07.2024 brachte die Bf Vorlageanträge ein.

Am 04.02.2025 wurden die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die belangte Behörde erließ am 28.02.2023 (zugestellt am 06.03.2023) Bescheide über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 2016 bis 2019. Der Abgabenbetrag werde mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des (jeweiligen) Abgabenbescheides fällig.

Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden vom 03.04.2023. Gleichzeitig wurde die Aussetzung der Einhebung der der Bf vorgeschriebenen Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 2016 bis 2019 bis zur Erledigung der Beschwerden beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 30.05.2023 wurden die Beschwerden vom 03.04.2023 als unbegründet abgewiesen.

Die Aussetzungsanträge vom 03.04.2023 wurden mit den Bescheiden vom 31.05.2023 abgewiesen. Die Abgabenschuldigkeiten, deren Aussetzung beantragt worden ist, seien innerhalb eines Monates ab Zustellung des (jeweiligen) Bescheides zu entrichten.

Gegen die Beschwerdevorentscheidungen vom 30.05.2023 richten sich die Vorlageanträge vom 29.06.2023. Neue Aussetzungsanträge sind in den Vorlageanträgen nicht gestellt worden. Über die Beschwerden wurde seitens des Bundesfinanzgerichtes noch nicht entschieden; die Vorlage erfolgte erst am 23.04.2025.

Mit Eingaben vom 30.06.2023 wurden Beschwerden gegen die Bescheide vom 31.05.2023 über die Abweisung von Aussetzungsanträgen eingebracht.

Das Finanzamt hat hinsichtlich der Beschwerden gegen die Bescheide vom 31.05.2023 über die Abweisung von Aussetzungsanträgen Beschwerdevorentscheidungen erlassen und die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese im Aussetzungsverfahren ergangenen Beschwerdevorentscheidungen richten sich die innerhalb eines Monates ab deren Bekanntgabe eingebrachte Vorlageanträge vom 06.09.2023. Eine Entscheidung in dieser - erst am 23.04.2025 vorgelegten - Sache durch das Bundesfinanzgericht ist noch ausständig.

Ein Vollstreckungsbescheid im Sinne des § 230 Abs 7 BAO ist nicht erlassen worden.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Entgegenstehende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 212a Abs 4 BAO bestimmt, dass die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge (§ 264 BAO) sinngemäß anzuwenden sind. Gerade durch diese Bestimmung hat der Gesetzgeber dafür Sorge getragen, dass die mit einem Aussetzungsantrag verbundenen beiden Wirkungen (einbringungshemmende und die Verpflichtung zur Entrichtung weiterer Säumniszuschläge hinausschiebende Wirkung) auch Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung von Aussetzungsanträgen und solchen Vorlageanträgen, die sich gegen den Aussetzungsantrag abweisende Beschwerdevorentscheidungen richten, zukommt (Ritz/Koran, BAO7 § 212a Rn 22; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a Rn 33). Das heißt: Die Vorlageanträge vom 06.09.2023 waren im vorliegenden Fall zwar nicht als neuerliche Aussetzungsanträge zu werten, über die gesondert abzusprechen wäre, es kommt ihnen aber die Wirkung neuerlicher Aussetzungsanträge zu (vgl die EB zur RV zum 2. AbgÄG 1987, mit dem die Bestimmung des § 212a BAO eingeführt wurde, NR GP XVII, RV 108, Seite 43; siehe dazu schon BFG 21.02.2022, RV/5101013/2021 und BFG 06.11.2017, RV/5100036/2014; vgl auch BFG 15.06.2018, RV/6100018/2014, UFS 03.06.2005, ZRV/0113-Z1W/04, UFS 25.02.2009, RV/0197-I/06 und Stoll, BAO 2262 zur analogen Bestimmung des § 212 Abs 4 BAO).

Daraus folgt:

In sinngemäßer Anwendung der in § 230 Abs 6 BAO getroffenen Regel ("Wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt, so dürfen Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon nach Maßgabe des § 212 a Abs. 1, 2 lit. b, 2a und 3 letzter Satz betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.") ist davon auszugehen, dass durch die Vorlageanträge vom 06.09.2023 neuerlich eine Hemmung der Einbringung bewirkt wurde, die im Zeitpunkt der hier gegenständlichen Amtshandlung (Pfändung) noch aufrecht war. Angesichts dessen war die Abgabenbehörde zur Vornahme von Exekutionsmaßnahmen, wie der Pfändung von Geldforderungen, nicht ermächtigt, weshalb sich nicht nur der Pfändungsbescheid, sondern auch die Gebührenvorschreibung als rechtswidrig erwiesen hat.

Es war daher spruchgemäß zu befinden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht stützt sich auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen. Darüber hinaus waren die in freier Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes entscheidungswesentlich. Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs 4 B-VG liegen somit nicht vor.

Wien, am 28. Mai 2025

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