JudikaturBFG

RV/3100392/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2025

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch RA, über die Beschwerde vom 20. November 2017 gegen die Bescheide des ***FA*** (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom 19. Oktober 2015 betreffend Einkommensteuer 2007 und 2008 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

I. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 vom 19. Oktober 2015 und die Beschwerdevorentscheidung vom 6. Feber 2018 werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

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Begründung

Im Gefolge einer Außenprüfung setzte das Finanzamt mit Bescheiden vom 19.10.2015 unter anderem die Einkommensteuer für die Jahre 2007 in Höhe von EUR 21.337,73 und 2008 in Höhe von EUR 55.693,00 fest. Begründend führte es zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer in den Streitjahren seinen Wohnsitz in Österreich gehabt habe. Er sei als Gründer und Mitglied dreier kroatischer Handelsgesellschaften in Erscheinung getreten. Im Jahr 2007 habe er EUR 444.937,97 und im Jahr 2008 EUR 145.700,00 an Provisionszahlungen erhalten. Im Einzelnen führte das Finanzamt aus: "… L/R: Für dieses Projekt wurden laut Rechnung vom 8.6.2007 Provisionen in der Gesamthöhe von EUR 120.810,37 bezahlt. Von diesem Betrag wurde dem [Beschwerdeführer] ein "Barbetrag" von EUR 70.000,00 vom ehemaligen Geschäftspartner übergeben. Die Übernahme dieses Betrages wurde vom [Beschwerdeführer] schriftlich bestätigt. Somit war er wirtschaftlich Berechtigter dieses Geldbetrages.

K/S: Aus diesem Projekt wurden Provisionen im Gesamtbetrag von EUR 350.000,00 bezahlt, welche in wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem [Beschwerdeführer] zugerechnet werden. Aus dem Schriftverkehr mit der Firma M geht hervor und wird bestätigt, dass Provisionen im Gesamtbetrag von EUR 350.000,00 bezahlt wurden. In Rechnung gestellt wurde das Provisionshonorar von der kroatischen Firma "K d.o.o.". Der [Beschwerdeführer] war zum Zeitpunkt der Überweisung des gegenständlichen Provisionshonorars (26.3.2007-10.10.2007) auf ein Konto der Firma K d.o.o. bei der Raiffeisenbank Z alleiniger Zeichnungsberechtigter dieses Kontos. Der [Beschwerdeführer] war in diesem Zeitraum auch Geschäftsführer der kroatischen Firmen K d.o.o.

B/S: Aus der Vermittlung dieses Projektes wurde gemäß vorliegender, unterfertigter Zahlungsbestätigung vom 15.3.2007 im Jahre 207 an den [Beschwerdeführer] sein Provisionsanteil in Höhe von EUR 24.937,97 in bar in Deutschland übergeben.

Jahr 2008. K/S: Aus diesem Projekt wurden laut vorliegenden Kontoverdichtungen der Raiffeisenbank Z … betreffend die Firma K d.o.o. am 29.1.2008 Provisionen im Gesamtbetrag von … EUR 73.200,00 bezahlt, welche in wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem [Beschwerdeführer] zugerechnet werden. Rechnungen der Firma G d.o.o.: Mit Rechnung … wurden der Firma J d.o.o. in Ort_1 im Zusammenhang mi dem Projekt der Fa. KN d.o.o. … insgesamt … EUR 91.500,00 in Rechnung gestellt. Laut vorliegenden Kontoverdichtungen der Raiffeisenbank Z … betreffend die Firma G d.o.o. erfolgte auf dieses Konto am 18.8.2008 eine Zahlung/Überweisung in dieser Höhe. Der [Beschwerdeführer]war in dieser Zeit Zeichnungsberechtigter des Firmenkontos sowie alleiniger Inhaber der genannten Firma. Das angeführte Konto wies letztmalig eine Kontobewegung am 18.12.2008 auf. Mit 26.8.2008 fand eine Barauszahlung in Höhe von EUR 72.500,00 statt. Der Zahlungsempfänger ist nicht eruierbar. Aufgrund der nachweislichen Zeichnungsberechtigung des [Beschwerdeführers] wird im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und der freien Beweiswürdigung festgestellt, dass dem [Beschwerdeführer] dieser Betrag zugeflossen ist und somit zuzurechnen ist. …"

In seiner Beschwerde vom 20.11.2015 bestritt der Beschwerdeführer, einen Wohnsitz in Österreich gehabt zu haben. Er bestritt weiter hinsichtlich des Großteils der ihm vom Finanzamt zugerechneten Provisionszahlungen, diese tatsächlich erhalten zu haben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 6.2.2018 wies das Finanzamt die Beschwerde ab, worauf der Beschwerdeführer am 9.3.2018 die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte. Letztere erfolgte am 13.9.2019. Nach einem Ermittlungsverfahren gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde mit Erkenntnis vom 6.12.2021 zu GZ RV/3100712/2019 teilweise Folge und setzte die Einkommensteuer 2007 mit EUR 39.053,99 und die Einkommensteuer 2008 mit EUR 27.835,00 fest. Aufgrund der Revision des Beschwerdeführers hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27.5.2025 zu Ra 2023/15/0043 das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts auf.

§ 278 BAO lautet: "(1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtesa) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) nochb) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst."

Die Ausnahmebestimmung des § 278 Abs. 1 BAO erfordert, dass das VwG im Rahmen seiner Ermessensentscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung die von ihm vermissten und ins Auge gefassten Ermittlungsschritte im Hinblick auf die Zielsetzungen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bezeichnet und beurteilt sowie die Frage beantwortet, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Gericht selbst nicht im Interesse der Raschheit des Verfahrens oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (VwGH 19.10.2023, Ro 2023/13/0017).

Die Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 278 Abs. 1 BAO steht im Ermessen des Gerichtes. Zulässig ist sie nach dem Gesetz aber erstens nur dann, wenn Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid erlassen hätte werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Die Aufhebung und Zurückverweisung ist zweitens unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Das Gericht hat die von ihm vermissten und ins Auge gefassten Ermittlungsschritte zu bezeichnen und zu beurteilen und auch die Frage zu beantworten, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Gericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (VwGH 17.10.2018, Ra 2017/13/0087 mwN).

Die Aufhebung unter Zurückverweisung dient der Verfahrensbeschleunigung und entspricht dem Gebot der möglichst angemessenen Verfahrensdauer. Dem Bundesfinanzgericht fehlen zumindest für umfangreichere Ermittlungen die erforderlichen Ressourcen (das Bundesfinanzgericht hat eine verglichen mit allen anderen Gerichten signifikant zu niedrige Ausstattung mit nichtrichterlichen Mitarbeitern vgl Wanke/Unger, BFGG § 18 Anm 6). Die erforderlichen Erhebungen sind daher jedenfalls vom Finanzamt (sei es nach § 278 BAO, sei es bei Nichtaufhebung nach § 269 Abs 2 BAO) durchzuführen (vgl etwa BFG 8.1.2016, RV/7105055/2015).

Weiter ist im Hinblick auf die Wahlmöglichkeit des Ermittlungsauftrages an die Abgabenbehörde gemäß § 269 Abs 2 BAO zu berücksichtigen, dass - bei einer weiteren Verfahrensführung durch das Bundesfinanzgericht - alleine wegen des wechselseitig und gegebenenfalls mehrfach zu gewährenden Parteiengehörs keinesfalls eine Beschleunigung des Verfahrens, sondern vielmehr zusätzliche Verzögerungen in Kauf genommen werden müssten. Dem Beschwerdeführer entstehen durch die Aufhebung keine Mehrkosten gegenüber einer weiteren Verfahrensführung durch das Bundesfinanzgericht und wäre eine erhebliche Kosteneinsparung ebenfalls nicht zu erreichen (BFG 31.8.2021, RV/7102683/2019; BFG 03.02.2023, RV/7103804/2018). Im Übrigen müsste das Bundesfinanzgericht, das über keinen Erhebungsapparat verfügt, die ausstehenden Ermittlungsschritte im Hinblick auf Art und Umfang der nachzuholenden Erhebungen ohnehin gemäß § 269 Abs. 2 BAO durch die Abgabenbehörde durchführen lassen.

Im Sinn des vom Verwaltungsgerichtshof geforderten restriktiven Verständnisses der Ermessensbestimmung des § 278 Abs. 1 BAO ist angesichts der dargestellten Umstände die Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde geboten, zumal sich die Begründung des Finanzamtes zu den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen in Hinweisen auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise und die freie Beweiswürdigung erschöpft.

Aufgrund der bisherigen Verfahrensergebnisse steht fest, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2007 und 2008 in Österreich seinen Wohnsitz hatte. Hinsichtlich des Teilbetrages von EUR 24.937,97 ist angesichts der bisherigen Verfahrensergebnisse von einem unstrittigen Zufluss an den Beschwerdeführer im Jahr 2007 auszugehen.

Folgende weiteren Ermittlungen sind bezogen auf das Vorbringen in der Begründung zu den Einkommensteuerbescheiden für 2007 und 2008 vorzunehmen:

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        "Es ist lückenlos darzustellen, aus welchen Überlegungen und aufgrund welcher Beweismittel das Finanzamt zur Auffassung gelangt ist, dass dem Beschwerdeführer im Jahr 2007 insgesamt EUR 444.937,97 und im Jahr 2008 insgesamt EUR 145.700,00 an Provisionen zugeflossen sind. "
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      "type": "li",
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        "Hinsichtlich des nach dem Vorbringen des Finanzamtes im Jahr 2007 zugeflossenen Teilbetrages von EUR 70.000,00 hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27.5.2025 zu Ra 2023/15/0043 darauf hingewiesen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe den Betrag von EUR 70.000,00 im Beisein von V dem K zurückgegeben, nicht ausreichend widerlegt worden ist. Es ist daher zu ermitteln und durch Beweismittel zu belegen, auf welche Weise dieser Teilbetrag von EUR 70.000,00 in die Verfügungsmacht des Beschwerdeführers gelangt ist."
      ]
    },
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      "type": "li",
      "children": [
        "Hinsichtlich des nach dem Vorbringen des Finanzamtes im Jahr 2007 zugeflossenen Teilbetrages von EUR 350.000,00 ist zu ermitteln und durch Beweismittel zu belegen, auf welche Weise dieser Betrag dem Beschwerdeführer zugeflossen sein soll. Es ist darzustellen, welche Teile des ",
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            "\"Schriftverkehrs mit der Firma M\""
          ]
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        " die Provisionsleistung in Höhe von EUR 350.000,00 belegen. Weiter ist darzustellen, aus welchen Überlegungen das Finanzamt aufgrund der Umstände, dass der Beschwerdeführer Geschäftsführer der K d.o.o. und alleiniger Zeichnungsberechtigter auf einem dieser zugeordneten Konto war, von einem Zufluss der EUR 350.000,00 an den Beschwerdeführer ausgeht."
      ]
    },
    {
      "type": "li",
      "children": [
        "Hinsichtlich des nach dem Vorbringen des Finanzamtes im Jahr 2008 an die K d.o.o. bezahlten Betrages von EUR 73.200,00 ist zu ermitteln und durch Beweismittel zu belegen, auf welche Weise dieser dem Beschwerdeführer zugeflossen sein soll. Der Verweis auf Tz 5 im Außenprüfungsbericht (vgl. Punkt 7 der Stellungnahme des Sachbearbeiters vom 19.10.2021) reicht diesbezüglich nicht aus."
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    },
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      "children": [
        "Hinsichtlich des nach dem Vorbringen des Finanzamtes im Jahr 2008 vom Beschwerdeführer von einem Bankkonto der G d.o.o. behobenen Betrages von EUR 72.500,00 ist zu ermitteln und durch Beweismittel zu belegen, auf welche Weise dieser dem Beschwerdeführer durch Mittelverwendung zugeflossen sein soll. In Hinblick auf den vom Beschwerdeführer eingewendeten weiteren Transaktionsablauf und insbesondere die Gewährung eines Darlehens an D (vgl. Beschwerdevorbringen) ist zu ermitteln, ob der Darlehensbetrag tatsächlich nicht zurückbezahlt wurde bzw. ob Anteile an der Firma R d.o.o. dem Beschwerdeführer oder der G d.o.o. übertragen wurden."
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Zulässigkeit einer Revision

Das Bundesfinanzgericht konnte sich an der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermessensübung orientieren. Im Übrigen handelt es sich bei der Überprüfung der Ermessensübung um eine nicht revisible Sachfrage. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu lösen.

Innsbruck, am 3. Juli 2025

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