JudikaturBFG

RV/7104689/2020 – BFG Entscheidung

Entscheidung
08. August 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 26. Juni 2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich (zuvor: Finanzamt Gänserndorf Mistelbach) vom 27. Mai 2020 betreffend die Abweisung des Antrags auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab Juli 2019, Sozialversicherungsnummer ***SVNr***, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Am 14.04.2020, 11:24 Uhr langte beim Finanzamt Gänserndorf Mistelbach (gerichtet an die E-Mail-Adresse: "post.fa18@bmf.gv.at") ein E-Mail mit dem Betreff "Antrag Erhöhte Familienbeihilfe für ***Kind*** ***SV*** auf Grund Zöliakie" ein. Dem E-Mail war als Anlage ein PDF-Dokument mit einem ausgefüllten Formular Beih 3 angeschlossen. Laut diesem beantragte die Beschwerdeführerin die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung (Zöliakie) für ihre Tochter ***Kind***, geb. am XX.XX.1999, ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Behinderung.

In einer weiteren E-Mail vom 15.04.2020 präzisierte die Beschwerdeführerin, dass die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe zumindest für fünf Jahre rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Zöliakie bei ihrer Tochter (22. bzw. 23.07.2019) beantragt werde.

Das vom Finanzamt beim Sozialministeriumservice angeforderte Sachverständigengutachten vom 19.05.2020 stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 30% ab 01.07.2019, aber keine dauernde Erwerbsunfähigkeit fest.

Das Finanzamt wertete die E-Mails samt Anlage als Antrag und wies diesen mit Bescheid vom 27.05.2020 unter Hinweis auf die Bestimmung des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 "ab Juli 2019" ab.

Gegen diesen Bescheid wurde am 26.06.2020 Beschwerde erhoben, welche mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.10.2020 abgewiesen wurde. Begründet wurde diese Entscheidung unter anderem damit, dass auch ein zweites angefordertes Gutachten zum selben Ergebnis wie das erste geführt habe (30% Grad der Behinderung ab 07/2019, keine dauernde Erwerbsunfähigkeit), da laut begutachtender Ärztin eine rückwirkende Anerkennung des Grades der Behinderung nur ab Diagnosestellung möglich sei. Davor könne keine objektivierbare Feststellung des Krankheitsbeginns getroffen werden, da eine behinderungsrelevante Therapie, im vorliegenden Fall eine Diät, davor nicht eingehalten worden sei.

Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 16.11.2020, den Akt zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht vorzulegen.

Mit Anbringen vom 29.07.2025, beim Bundesfinanzgericht eingelangt am 05.08.2025, zog die Bf. den Antrag auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

II. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Aktenkonvolut und sind unstrittig.

III. Rechtliche Beurteilung

Nach § 10 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt.

Gemäß § 85 Abs 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des dritten Abschnittes der BAO schriftlich einzureichen (Eingaben). Ein Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe (Formular Beih 3) ist jedenfalls ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten.

Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde gemäß § 85 Abs. 2 BAO nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Gemäß § 86a Abs 1 BAO können Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, auch telegraphisch, fernschriftlich oder, soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden.

Mit § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Zulassung von Telekopierern zur Einreichung von Anbringen, BGBl. Nr. 494/1991 in der ab 1. Jänner 2021 geltenden Fassung BGBl. II Nr. 579/2020, wird für Anbringen im Sinn des § 86a Abs. 1 erster Satz BAO, die in Abgaben-, Monopol- oder Finanzstrafangelegenheiten an das Bundesministerium für Finanzen, an die Verwaltungsgerichte, an ein Finanzamt, an das Zollamt Österreich oder an das Amt für Betrugsbekämpfung gerichtet werden, die Einreichung unter Verwendung eines Telekopierers (Telefaxgerätes) zugelassen.

Mit der Verordnung BGBl. II Nr. 97/2006 (FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006) wird die automationsunterstützte Datenübertragung in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), soweit nicht eigene Vorschriften bestehen, geregelt. Nach § 1 Abs. 2 der FOnV 2006 ist die automationsunterstützte Datenübertragung für die Funktionen zulässig, die dem jeweiligen Teilnehmer in Finanz-Online zur Verfügung stehen. Gemäß § 5 FOnV 2006 sind andere als die in den Funktionen gemäß § 1 Abs. 2 dem jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung gestellten Anbringen, ungeachtet einer allfälligen tatsächlichen Übermittlung in FinanzOnline, unbeachtlich.

Das Finanzamt beurteilte das als PDF-Datei dem E-Mail vom 14.04.2020 angefügte Formular Beih 3 als Antrag.

Da § 85 und § 86a BAO und die aufgrund § 86a BAO ergangenen beiden erwähnten Verordnungen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vorsehen, kommt einer E-Mail nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung zugängliche Eingabe handelt (vgl. etwa VwGH 25.1.2006, 2005/14/0126; VwGH 28.5.2009, 2009/16/0031, zur insoweit vergleichbaren Steiermärkischen Landesabgabenordnung; VwGH 29.9.2011, 2011/16/0143; VwGH 27.9.2012, 2012/16/0082).

Ein mit einer E-Mail eingebrachtes "Anbringen" löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen abhängig ist. Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einer solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt. Zufolge § 2a BAO gilt dies sinngemäß im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht.

Anbringen per E-Mail stellen ein "rechtliches Nullum" dar. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe (Formular Beih 3) der besagten E-Mail als Anlage in Form eines PDF-Dokuments angeschlossen war. Die oben zitierten Bestimmungen stellen nicht darauf ab, in welcher Form bei der Behörde ein ein Schriftstück darstellendes Papier vorliegt, sondern dass der Weg der Einreichung einer Eingabe gesetzlich vorgegeben ist. Damit ist auch die Einbringung des in Rede stehenden Antrags auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe in Form eines der E-Mail vom 14.04.2020, 11:24 Uhr angehängten PDF-Dokumentes vom Gesetz nicht vorgesehen (vgl. nochmals VwGH 27.9.2012, 2012/16/0082) und kommt diesem daher nicht die Wirkung eines Antrags gem. § 10 Abs. 1 FLAG 1967 zu.

Indem das Finanzamt entgegen den gesetzlichen Bestimmungen das auf einem gesetzlich nicht vorgesehenen Weg eingereichte Antragsformular als verfahrensauslösenden Schritt der Antragstellerin angesehen hat, wurde der den Gegenstand dieses Verfahrens bildende Bescheid tatsächlich ohne einen rechtswirksam eingebrachten Antrag erlassen und war daher wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze aufzuheben.

Weitere Ausführungen zur vom Finanzamt vorgenommenen rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes erübrigen sich aus diesem Grund.

IV. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen eines mittels E-Mail eingereichten Anbringens konnte sich das Bundesfinanzgericht auf die zitierte einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am 8. August 2025

Rückverweise