JudikaturBFG

RV/7100171/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
28. Oktober 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Seywald in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, (Beschwerdeführerin, abgekürzt: Bf.), über die Beschwerde der Bf. vom 10. Februar 2020 gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 des Finanzamtes X vom 20. Jänner 2020 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (abgekürzt: Bf.) war im Streitjahr 2015 Angestellte. Hinsichtlich der Bf. wurden für das Streitjahr 2015 ein Lohnzettel vom Arbeitgeber sowie zwölf Lohnzettel der Gebietskrankenkasse betreffend Krankengelder für 9. Juni bis 7. Dezember übermittelt.

Die Bf. machte in ihrer Einkommensteuererklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung) für das Jahr 2015, welche am 1. Dezember 2019 elektronisch beim Finanzamt X einlangte, als außergewöhnliche Belastungen geltend:

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        "Krankheitskosten (Kennzahl 730): 80,00 €;"
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        "Grad der Behinderung: 50%;"
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        "Diät - Zucker;"
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        "zusätzliche Kosten bei Behinderung (Kennzahl 476): 6.403,01 €."
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Das Finanzamt X richtete an die Bf. ein mit 3. Dezember 2019 datiertes Ergänzungsersuchen u.a. betreffend die zusätzlichen Krankheitskosten aus der Behinderung. Dieses wurde von der Bf. am 8. Jänner 2020 (Datum des Einlangens) beantwortet.

Das Finanzamt X berücksichtigte in dem mit 20. Jänner 2020 datierten Einkommensteuerbescheid 2015 folgende außergewöhnliche Belastungen:

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        "80,00 € neutralisiert durch Selbstbehalt in derselben Höhe;"
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        "Freibetrag wegen Behinderung gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988: 243,00 € (für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 45% bis 54%);"
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        "Pauschbetrag nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen aufgrund Behinderung (Krankendiät/Zuckerkrankheit 12 x 70,00 €): 840,00 €;"
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        "nachgewiesene Kosten aus Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen: 3.315,37 €."
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In der Begründung dieses Bescheides wurde u.a. ausgeführt: "Grundsätzlich werden Kosten für eine notwendige medizinische Behandlung bzw. Operation durch den jeweiligen Krankenversicherungsträger übernommen bzw. teilweise Ersätze geleistet. Der Entschluss, sich im Falle einer Operation an den Arzt (Privatklinik) des Vertrauens zu wenden ist durchaus verständlich und nachvollziehbar. Allerdings handelt es sich dabei um eine freiwillige Entscheidung, die nach der Rechtslage keine Zwangläufigkeit der Aufwendungen begründet. Die beantragten Aufwendungen konnten daher nicht berücksichtigt werden.Die Aufwendungen für Markenname, Narbencreme, Batterie, Schwimmbad und Thermeneintritte stellen keine abzugsfähigen Krankheitskosten dar und konnten somit nicht berücksichtigt werden.Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten sowie für die Erhaltung der Gesundheit sind ebenfalls nicht absetzbar (FSME-Titerbestimmung). …"

Die Bf. erhob Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 20. Jänner 2020. Sie wendete sich gegen die Nichtanerkennung der geltend gemachten Kosten in Höhe von 2.005,00 € in der Privatklinik KH-Bezeichnung, deren Berücksichtigung sie beantragte. Die Bf. habe seit mehr als 35 Jahren Diabetes Typ 1. Aufgrund dieser Erkrankung und ihren Folgeerscheinungen sei ihr eine 50%ige Behinderung zuerkannt worden. In den letzten Jahren habe sich ihr Gesundheitszustand immer mehr verschlechtert, und es träten immer mehr Folgeerkrankungen auf. Sie habe in den letzten Jahren aufgrund diverser medizinischer Eingriffe und dem damit verbundenen Ausfall als Arbeitskraft um die Erhaltung ihres Arbeitsplatzes kämpfen müssen. Sie habe sich für eine Operation in einem privaten Institut entscheiden müssen, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Monate im Krankenstand gewesen sei, und die Personalchefin sie immer wieder zu Gesprächen eingeladen und sie unter Druck gesetzt habe. Die nervliche Anspannung und die ständigen Schmerzen in der Schulter hätten zu einer massiven Verschlechterung der Blutzuckerwerte geführt. Die betreuenden Ärzte hätten eine rasche Operation empfohlen, auch um einer Medikamentenabhängigkeit zu entgehen, weil die Bf. bereits mehrere Monate lang verschreibungspflichtige suchtgefährdende Schmerzmittel eingenommen habe. Die Wartezeit für die benötigte Operation in verschiedenen angefragten Krankenhäusern hätte damals mindestens drei bis sechs Monate betragen. An Arbeit sei wegen der Bewegungseinschränkung und der Schmerzen nicht zu denken gewesen. Dies seien die Beweggründe gewesen, die erheblichen Kosten von 2.005,00 € zu investieren, um die Operation durchführen zu können.

Die Bf. habe die Kosten für die Operation nicht freiwillig auf sich genommen. Ihre langjährige Erkrankung erforderte von ihr bereits beträchtliche finanzielle Aufwendungen. Es sei ihr in der damaligen Situation keine andere Wahl geblieben, als die Entscheidung für eine rasche Operation - gezwungenermaßen auf eigene Kosten - zu treffen, um ihren Arbeitsplatz zu erhalten und einer drohenden Aussteuerung der Gebietskrankenkasse zuvorzukommen. Weitere 3 bis 6 Monate auf einen Operationstermin zu warten, hätte die Bf. in finanzielle Probleme gebracht. Auch hätte der Dienstgeber nach einem Jahr eventuell eine Begründung zur Kündigung finden können. Die Bf. wäre zu dem Zeitpunkt, hätte sie auf den Operationstermin bei einem Krankenversicherungsträger gewartet, bereits von der Gebietskrankenkasse ausgesteuert worden. Auch habe sie ohnehin bereits aufgrund der fehlenden Entgeltfortzahlung des Dienstgebers einen Einkommensverlust gehabt. Die Bf. habe sich also in einer Zwangslage befunden.

Das Finanzamt X erließ eine abweisende, mit 27. Februar 2020 datierte Beschwerdevorentscheidung, welche u.a. wie folgt begründet war: "Der Entschluss, sich im Falle einer Operation an den Arzt des Vertrauens bzw. an ein Privatkrankenhaus zu wenden, ist durchaus verständlich und nachvollziehbar.Allerdings handelt es sich dabei um eine freiwillige Entscheidung, die nach Rechtslage keine Zwangsläufigkeit der Aufwendungen begründet.Üblicherweise werden dringend notwendige Operationen auch in öffentlichen Krankenhäusern durchgeführt und von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt.Somit konnten die Kosten in Höhe von 2.005 Euro nicht berücksichtigt werden."

Dagegen stellte die Bf. einen Vorlageantrag (Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde vom 10.2.2020 durch das Bundesfinanzgericht), worin u.a. ausgeführt wurde:"Woraus sie Ihre Erkenntnis der Freiwilligkeit ableiten, erschließt sich mir nicht, da ich wie bereits ausgeführt in einer Notlage war.Ich war zum damaligen Zeitpunkt der Entscheidung bereits durchgehend seit 27.4.2015 im Krankenstand. Sämtliche Krankheitsbilder sind auf meinen langjährigen Diabetes (Typ 1 seit Oktober 1981) laut der behandelnden Fachärzte zurückzuführen.Ich habe, bevor ich mich entschlossen habe, die Operation auf meine Kosten durchführen zu lassen, bei mehreren Spitälern angefragt und es wurde mir mitgeteilt, dass die Kapazitäten der öffentlichen Krankenhäuser für "nicht lebensrettende" Operationen, für zumindest 3 bis 6 Monate ausgelastet sind. Ich habe damals alles mir menschenmögliche versucht, einen raschen Operationstermin in einem öffentlichen Spital zu bekommen. Die Kosten der Operation privat zu tragen war keine "freiwillige Entscheidung", sondern eine durch die Umstände (Krankenstanddauer, drohende Kündigung, bevorstehende Aussteuerung,..) erzwungene.Der Verwaltungsgerichtshof verweist in seinen Entscheidungen gerne auf die allgemeinen Erfahrungen des Lebens.Meine allgemeine Erfahrung des Lebens zum damaligen Zeitpunkt war, dass für mich keine Möglichkeit bestand in einem öffentlichen Spital einen Operationstermin ohne Wartezeit von zumindest 3 Monaten zu bekommen und so der Aussteuerung und Kündigung entgegen zu wirken...Die Aussteuerung hätte bedeutet, dass ich keine Zahlungen der Gebietskrankenkasse erhalte, keine Zahlungen von meinem Arbeitgeber, weil ich nicht arbeitsfähig war und keine Zahlungen vom Arbeitsmarktservice, weil ich ein aufrechtes Dienstverhältnis hatte und natürlich auch keine Krankenversicherung gehabt hätte und ich dann auch kein öffentliches Krankenhaus in Anspruch nehmen hätte können.Auch hätte mein Dienstgeber nach einem Jahr Krankenstand das Dienstverhältnis lösen können."

Das Finanzamt X legte die Beschwerde mit einem Vorlagebericht am 21. Oktober 2020 an das Bundesfinanzgericht vor. Im Vorlagebericht wurde u.a. ausgeführt: "… Auch Krankheitskosten für privatärztliche Operationen können als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommen.Nach der Rechtsprechung des VwGH ist die Zwangsläufigkeit bei Krankheitskosten nur dann gegeben, wenn diese Krankheitskosten aus triftigen medizinischen Gründen erfolgen. Solche triftigen medizinischen Gründe müssen als feststehende oder sich konkret abzeichnende, ernsthafte gesundheitliche Nachteile vorliegen, welche ohne die teurere medizinische Behandlung eintreten würden.Die durch die Beschwerdeführerin vorgelegten Schreiben, lassen keine Gründe für die Annahme von bereits feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen erkennen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene privatärztliche Operation eintreten würden."

Am 1. Jänner 2021 trat das Finanzamt Österreich gemäß § 323b Abs. 1 BAO an die Stelle des Finanzamtes X.

Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde in der ersten gegenständlichen Entscheidung vom 1. April 2021 unter GZ. RV/7104192/2020 statt. Darin führte das Bundesfinanzgericht zum Sachverhalt aus:"Die Bf. hatte im Jahr 2015 bereits einen Krankenhausaufenthalt vom 7. bis 13. Mai im Allgemeinen Krankenhaus Wien gehabt, wie aus der diesbezüglichen Gebührenrechnung hervorgeht.Die Bf. war seit 27. April 2015 im Krankenstand, wie aus dem unbedenklichen Vorbringen im Vorlageantrag hervorgeht. Die Bf. bezog ab 9. Juni 2015 Krankengeld, wie aus den von der Gebietskrankenkasse übermittelten Lohnzetteln hervorgeht.Die streitgegenständliche Operation im Privatspital KH-Bezeichnung fand am 8. Dezember 2015 statt, wie aus der diesbezüglichen Honorarnote hervorgeht. Es ist unstrittig, dass die Ursache für die Operation eine Folgeerkrankung der Diabetes 1, welche zu einem Grad der Behinderung von 50% geführt hat, ist.Die Angst vor der ´Aussteuerung´ durch die Gebietskrankenkasse war zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Operation noch nicht objektiv nachvollziehbar, weil die Bf. erst ein halbes Jahr Krankengeld bekommen hatte und für eine langjährig Versicherte wie die Bf. das Krankengeld gemäß § 139 Abs. 1 ASVG für bis zu 52 Wochen bezahlt worden wäre. Das Krankengeld wäre also für eine weitere Wartezeit auf die Operation von drei bis sechs Monaten gesichert gewesen.Die Angst der Bf. vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes, wenn sie die streitgegenständliche Operation nicht rasch auf eigene Kosten durchführen ließe, sondern weiterhin monatelang im Krankenstand wäre, ist objektiv nachvollziehbar. § 20 Angestelltengesetz sieht zwar eine Kündigungsfrist vor, welche je nach Dauer des Dienstverhältnisses bis zu fünf Monate beträgt, und auch Bestimmungen, zu welchen Zeitpunkten das Dienstverhältnis beendet werden kann. Es gibt aber keinen Kündigungsschutz für Angestellte im Krankenstand. Die Realität war also schlimmer als die Meinung der Bf., wonach der Dienstgeber nach einem Jahr Krankenstand das Dienstverhältnis hätte lösen können.Die Bf. entschied sich somit aus einem objektiv nachvollziehbaren Grund für die Operation auf eigene Kosten. Dieser Grund war zwingend, weil der Verlust des Arbeitsplatzes eine unbedingt zu vermeidende Situation ist.Indem sich die Bf. vom 7. bis 13. Mai 2015 im Allgemeinen Krankenhaus Wien behandeln hat lassen, hat sie gezeigt, dass sie keine allgemeinen Befürchtungen hinsichtlich der Qualität öffentlicher Krankenhäuser hat. Sie hat die streitgegenständliche Behandlung im Privatspital also nicht wegen solcher allgemeinen Befürchtungen gewählt. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ist es der Bf. auch nicht darum gegangen, im Privatspital einen sogenannten ´Hotelkomfort´ zu ´genießen´.Ob triftige medizinische Gründe für den früheren Operationstermin im Privatspital statt des späteren Termines im öffentlichen Krankenhaus vorlagen, kann mangels ärztlicher Bestätigungen nicht beurteilt werden, wird aber letztendlich für die vorliegende Entscheidung nicht relevant sein."

Deshalb sei nach damaliger Ansicht des Bundesfinanzgerichtes das Kriterium der Zwangsläufigkeit für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen erfüllt gewesen, weil sich die Bf. zur Abwendung einer Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz und sohin aus tatsächlichen Gründen den Kosten für die Operation im Privatspital nicht entziehen habe können.

Da keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob auch die Abwendung einer Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz zur Zwangsläufigkeit von Behandlungskosten im Privatspital führen könne, ersichtlich sei, ließ das Bundesfinanzgericht die Revision zu.

Das Finanzamt Österreich erhob Revision gegen das vorgenannte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 1. April 2021 an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis vom 18. Dezember 2024 zu Zl. Ro 2021/13/0011 hob der Verwaltungsgerichtshof das vorgenannte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 1. April 2021 mit folgender tragender Begründung auf:

"[16] Die im vorliegenden Fall strittige Voraussetzung der Zwangsläufigkeit ist gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erfüllt, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Dabei ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen. Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein. Die Zwangsläufigkeit ergibt sich bei Krankheitskosten aus der Tatsache der Krankheit (vgl. etwa VwGH 11.2.2022, Ra 2020/13/0062, mwN).

[17] Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind. Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit (dem Grunde nach) ist nach der hg. Rechtsprechung ein ärztliches Zeugnis oder ein Gutachten erforderlich. Einem ärztlichen Gutachten kann es gleich gehalten werden, wenn ein Teil der angefallenen Aufwendungen von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung übernommen wird (vgl. etwa VwGH 13.3.2023, Ra 2020/13/0057, mwN).

[18] Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, dem Steuerpflichtigen (der Höhe nach) zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl. etwa VwGH 20.9.2023, Ro 2021/13/0025; 11.2.2022, Ra 2020/13/0062; 5.10.2021, Ra 2021/15/0059; 27.9.2021; Ra 2020/15/0066; jeweils mwN). Die Beweislast dafür trägt der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl. erneut VwGH 20.9.2023, Ro 2021/13/0025; 13.3.2023, Ra 2020/13/0057; jeweils mwN).

[19] Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis ausgeführt, mangels ärztlicher Bestätigungen könne nicht beurteilt werden, ob triftige medizinische Gründe für den früheren Operationstermin im Privatspital statt des späteren Termins im öffentlichen Krankenhaus vorgelegen seien. Dies sei allerdings auch nicht relevant, ergebe sich die Zwangsläufigkeit doch aus dem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes.

[20] Damit steht das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts aber nicht im Einklang mit der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten anhand deren medizinischer Notwendigkeit zu beurteilen ist und die Abzugsfähigkeit von nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragenen Aufwendungen nur bei Vorliegen triftiger medizinischer Gründe gegeben ist, für die der Steuerpflichtige die Beweislast trägt."

Das Bundesfinanzgericht ersuchte die Bf. mit Schreiben vom 3. März 2025, einen Nachweis triftiger medizinischer Gründe für die Vornahme der Operation im Privatkrankenhaus einzubringen, ggfs. samt Nachweis für die Eigenschaft der Schulterprobleme als Folge der Diabetes Typ 1.

Die Bf. brachte Befunde vom 19. und 28. August 2015 und einen Ergänzungsbefund vom 24. März 2025 beim Bundesfinanzgericht ein und führte im Begleitschreiben vom 9. April 2025 u.a. aus: "Im Arztbrief vom 19.8.2015 (Anlage) wurde mir bereits eine Operation aufgrund der Diagnosen frozzen shoulder (1) und IDDM (Abkürzung für insulin dependent diabetes mellitus) angeraten. Auch im Arztbrief vom 19.8.2015 (2. Diagnose) wurde mir eine Operation angeraten. Mein Diabetes hat sich bereits zu dem Zeitpunkt massivst verschlechtert.Da sich auch trotz Medikamenteneinnahme und intensiver Bewegungseinheiten keine Besserung meines Gesundheitszustandes (zumindest zeitweise Schmerzfreiheit, keine Bewegungseinschränkung, Blutzucker zumindest in einem akzeptablen Bereich, eine Nacht durchschlafen Können) einstellte, entschied ich mich für eine Operation im Dezember 2015 in einer Privatklinik. Auch wurde das Krankheitsbild im Verlauf nie besser sondern verschlechterte sich immer mehr."

Im eingebrachten Befund (Arztbrief) eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 19. August 2015 wird ausgeführt:(aktuelle Anamnese) seit ca Nov 2014 frozzen shoulder Syndrom linke Schulter, dzt Schmerzen und Bewegungseinschränkung;(Befund) Ruhe- und Bewegungsschmerzen in der linken Schulter; schmerzhafter Bogen ab 60°,geringes subakromiales Impingement,passive Abduktion 45°,Jobe Test +++pos,Yergason Zeichen +++pos,kein Druckschmerz über dem AC Gelenk,die angrenzenden Gelenke frei beweglich,Sensibilität in Ordnung;(Hilfsbefund) MRI linke Schulter;(Diagnose) 1 frozzen shoulder links mit deutlicher Bewergungseinschränkung,Akromionsporn linksLaes msuc supraspinatus sin;2 NB: IDDM [laut Österreichischem Wörterbuch43: NB = notabene = wohlgemerkt!, übrigens];(Therapie) ausführliche Information der Patientin über die konservativen und operativen Behandlungsmöglichkeiten, der Patientin wird die Operation angeraten, die OP grundsätzlich besprochen, vorerst intensive Bewegungsübungen, die Patientin wird über den langen Heilungsverlauf (ca 4-6 Monate) informiert;(Procedere) Kontrolle bei OP Wunsch.

Im eingebrachten Befundbericht eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 28. August 2015 wird ausgeführt:(Anamnese) klagt seit Oktober … über Schulter links mit Ausstrahlung … seit ca Oktober … dtl. Bewegungseinschränkung und Schmerz, Heilgymnastik seit Anfang Mai im Laufen subj. Beweglichkeitsverbesserung.(Diagnose) Allergie PenicillinIDDM seit 1982Z.n. Lipomentfernung links OA AKH mit Radialsläsion sens und Dysästhesie links UA bis Finger 1.-2Adhaesive capsulitis Schulter links mit dtl. Einschränkung (Abd. 20°)(Therapie) Mobilisation Schulter links(procedere) Die Möglichkeit der konservativen vs. operativen Therapie wurden ausführlich erklärt,auf Wichtigkeit der Heilgymnastik hingewiesenweitere Behandlungen sind geplant, Cortisontreppe aufgrund des IDDM nicht indiziert, konservative Therapie für 3 Monate wird versucht, wenn erfolglos wird eine operative Therapie angezeigt.

Im eingebrachten Ergänzungsbefund (Kurzbericht/Berichterstattung) des vorgenannten Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 24. März 2025 wird ausgeführt:Zustand nach arthroskopischer Arthrolyse Schulter links, ASAD [arthroskopische subakromiale Dekompression], alte LBS [lange Bizipssehne]-Ruptur AbkürzungPrivatkrankenhaus.MB! 12/15Bei der Patientin erfolgte oben genannter Eingriff im Jahr 2015. Die Operation erfolgte privat, da im öffentlichen Bereich eine entsprechende zeitnahe Versorgung nicht organisierbar war. Aufgrund des hohen Leidensdruckes war die lange Wartezeit auf eine Operation im öffentlichen Krankenhaus der Patientin nicht zuzumuten. Die Patientin leidet unter anderem an Diabetes mellitus. Bei dieser bestehenden Grunderkrankung kommt es statistisch gehäuft zum Krankheitsbild der Frozen shoulder (primäre Schultersteife).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Die Bf. litt im Streitjahr 2015 von Jahresanfang bis zur Operation am 8. Dezember 2015 an frozen shoulder mit deutlicher Bewegungseinschränkung und Schmerzen. Ab Mai 2015 wurde eine konservative (erhaltende) Therapie in Form von Bewegungsübungen (Heilgymnastik) angewendet. Im August 2015 riet einer der beiden konsultierten Fachärzte die Operation an; der andere war für drei Monate konservative Therapie und, wenn diese erfolglos bleibe, für operative Therapie. Ab Ende November 2015 stimmten beide Meinungen insofern überein, dass die Operation medizinisch indiziert war.

Die streitgegenständliche Operation wurde am 8. Dezember 2015 im Privatspital KH-Bezeichnung durchgeführt. Die Kosten hierfür betrugen 2.005,00 €.

Die Dauer einer allfälligen Wartezeit auf die Operation in einem öffentlichen Krankenhaus ist nicht nachgewiesen worden.

Die Entscheidung für die Operation in einem Privatspital im Dezember 2015 war durch den Leidensdruck aufgrund der Schmerzen an der Schulter motiviert.

Medizinische Komplikationen im Falle der Durchführung der Operation später als am 8. Dezember 2015 waren nicht unmittelbar zu erwarten.

Der Sachverhalt, welcher der aufgehobenen hg. Entscheidung vom 1. April 2021, GZ. RV/7104192/2020, zugrunde gelegt worden ist, ist zwar richtig, aber im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 2024, Ro 2021/13/0011, unerheblich.

Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den Befunden der beiden Fachärzte aus dem August 2015 sowie aus dem Ergänzungsbefund eines der beiden Fachärzte vom 24. März 2025. Letzteres stammt von einem Arzt, der die Bf. bereits im August 2015 untersucht hat; deshalb kann dieser Arzt auch etwas aus eigener Wahrnehmung berichten.

Das Fehlen eines Nachweises über die Dauer einer allfälligen Wartezeit auf die Operation in einem öffentlichen Krankenhaus ergibt sich aus der Aktenlage. Das Vorbringen der Bf. über Anfragen an Krankenhäuser und deren Auskünfte ist zu unspezifisch, um einen Nachweis darzustellen. Auch die diesbezüglichen Ausführungen im Ergänzungsbefund vom 24. März 2025 sind zu unspezifisch. Die Überzeugung der Bf. und die weit verbreitete Meinung, dass es lange Wartezeiten auf Operationen in öffentlichen Krankenhäusern gebe, sind kein Nachweis.

Über medizinische Komplikationen im Falle einer späteren Durchführung der Operation wird in den ärztlichen Befunden nichts ausgeführt. Vielmehr wurde eine konservative Therapie ab Mai 2015 durchgeführt und auch nach den beiden fachärztlichen Untersuchungen im August 2015 fortgesetzt. Laut einem der Befunde vom August 2015 werde zur Operation geraten; es wird darin aber nichts über sich abzeichnende, ernsthafte gesundheitliche Nachteile (medizinische Komplikationen) im Falle der nicht sofortigen Operation ausgesagt.

Rechtliche Würdigung:

Eine steuerlich zu berücksichtigende außergewöhnliche Belastung muss gemäß § 34 EStG 1988 außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Strittig ist im vorliegenden Fall die Zwangsläufigkeit, welche im § 34 Abs. 3 EStG 1988 folgendermaßen definiert wird: "Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann."

Hinsichtlich Kosten der Heilbehandlung des Steuerpflichtigen selbst kann es sich nur um tatsächliche Gründe iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 handeln.

Randnummer 18 des aufhebenden Erkenntnisses VwGH 18.12.2024, Ro 2021/13/0011: Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, dem Steuerpflichtigen (der Höhe nach) zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl. etwa VwGH 20.9.2023, Ro 2021/13/0025; 11.2.2022, Ra 2020/13/0062; 5.10.2021, Ra 2021/15/0059; 27.9.2021; Ra 2020/15/0066; jeweils mwN). Die Beweislast dafür trägt der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl. erneut VwGH 20.9.2023, Ro 2021/13/0025; 13.3.2023, Ra 2020/13/0057; jeweils mwN).

Randnummer 14 des Erkenntnisses VwGH 11.2.2022, Ra 2020/13/0062, auf welches zuvor verwiesen worden ist: Zu berücksichtigen ist weiters, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Merkmal der Zwangsläufigkeit auch der Höhe nach gegeben sein muss (vgl. VwGH 24.3.2021, Ra 2020/15/0029, mwN). Das Bundesfinanzgericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe sich die angefallenen Aufwendungen als notwendig erwiesen haben, insbesondere hinsichtlich der von der Mitbeteiligten gewählten Behandlung in einer Privatklinik anstatt in einer öffentlichen Krankenanstalt. Dabei ist zu beachten, dass triftige medizinische Gründe auch höhere Aufwendungen als die von Sozialversicherungsträgern finanzierten zwangsläufig erscheinen lassen (vgl. z.B. VwGH 5.10.2021, Ra 2021/15/0059; 10.5.2021, Ra 2021/15/0031, mwN).

Von der Zwangsläufigkeit der gegenständlichen Operation im Privatspital wäre auszugehen, wenn die Operation im Privatspital früher stattfinden konnte als in einem öffentlichen Krankenhaus (auf Kosten der Gebietskrankenkasse) und wenn triftige medizinische Gründe (drohende Komplikationen) für eine sofortige Operation gegeben waren. Für das Vorliegen beider Umstände trifft die Bf. nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ("alle Umstände") die Beweislast. Wenn einer der Umstände nicht nachgewiesen wird, ist die Zwangsläufigkeit insgesamt nicht nachgewiesen. Die Bf. hat beide Umstände nicht nachgewiesen:

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        "Triftige medizinische Gründe: Unter solchen sind sich abzeichnende, ernsthafte gesundheitliche Nachteile (medizinische Komplikationen) im Falle der nicht sofortigen Operation zu verstehen (vgl. BFG 21.11.2014, ",
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Die Kosten für die streitgegenständliche Operation iHv 2.005,00 € sind der Bf. daher nicht zwangsläufig im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwachsen und können daher nicht als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden.

Zur Unzulässigkeit einer (ordentlichen) Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art. 133 Abs. 4 B-VG)

Das vorliegende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wie es der Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis in der gegenständlichen Beschwerdesache vom 18.12.2024, Ro 2021/13/0011, vorgegeben hat. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am 28. Oktober 2025

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