IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, die Richterin***Ri*2** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, SVNR Bf ***1***, über die Beschwerde vom 12. April 2023 gegen den Bescheid des ***FA*** vom 5. April 2023 betreffend Rückforderung Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 10/2021 bis 2/2023, für den Sohn ***3***, SVNR ***2***, in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF***, in der Sitzung am 23. Oktober 2024, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Nach einem Überprüfungsverfahren forderte das Finanzamt mit Bescheid vom 5.4.2023 die Familienbeihilfe für den Sohn ***3*** der Beschwerdeführerin (Bf) für den Zeitraum 10/2021 bis 2/2023 zurück mit der Begründung:"Familienbeihilfe steht bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu. Wann gilt die Ausbildung als ernsthaft und zielstrebig? • Das Kind verwendet die volle Zeit dafür • Das Kind tritt in angemessener Zeit zu Prüfungen anBei Ihrem Kind trifft das nicht zu."
In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 12.4.2023 führte die Bf aus:"Am 6.4.23 erreichte mich der Rückforderungsbescheid der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages ab Oktober 2021. Diese Rückforderung ist mir unverständlich, da ich immer rechtzeitig alle Belege und Nachweise erbracht habe, mein Sohn ***3*** ***4*** die Voraussetzungen erfüllt hat und von Ihnen die Familienbeihilfe, teilweise sogar aufrollend rückwirkend, nach Ihrer Prüfung, überwiesen wurde. Bei jedem Ausfüllen des Datenblattes (mehrmals seit Oktober 21 erfolgt) habe ich mich auch immer telefonisch bei der Hotline versichert, alles richtig zu machen. Ich sehe daher keine Rechtsgrundlage für diese willkürliche Entscheidung.Daher reiche ich heute Beschwerde und den Antrag zur Aussetzung der Einhebung bis zur Erledigung der Beschwerde ein und liefere Ihnen nochmals alle Fakten und Nachweise. - ***3*** ***4*** hat im Juli 2021 sein Diplom über die Matura an der ***9*** erhalten (Diplom in der Anlage) - Auf Grund der Corona Pandemie hat sich unsere Familie entschieden, dass ***3*** an der ***9*** noch ein post graduated year (wie fast jeder 2. Kanadische Schüler), zur Vorbereitung auf die Universität anhängt (Schulbesuchsbestätigung in der Anlage). In diesem post graduated year ist der Schüler zu 100% in der Schule anwesend und bereitet sich mit verschiedenen Kursen auf die Universität vor. Im Fall von ***3*** waren die Gegenstände SAT, Geschichte und Sportmanagement. Für diese Kurse gibt es kein neues Zeugnis, sondern die Schulbesuchsbestätigung, die auch unter der Schulnummer BS …. im Bildungsministerium ***7***, Kanada aufliegt. Das habe ich nach telefonischer Abklärung 2x mit dem Datenblatt eingesendet und das letzte Mal am 12.10.22 nochmals handschriftlich erklärt. •Ende Juli 2022 kam ***3*** retour aus Kanada und hat einen Antrag auf Studienzulassung an der Karl-Franzens Universität, Graz abgegeben. Auf Grund der Bearbeitungszeit wurde ihm erst im September ein Bescheid zugestellt, dass er die Deutschprüfung vom 23.07.2020 nochmals ablegen muss (Universitätsausdruck anbei) und die Zeugnisse notariell beglaubigen muss. Er hat in der Zwischenzeit sogar die Vorbereitungskurse Ergänzungsprüfung Sport abgelegt und sich zur Ergänzungsprüfung angemeldet, in der Annahme er kann im Oktober 22 beginnen zu studieren. Nach kurzfristiger Vorbereitung trat ***3*** am 19.11.22 zur Deutschprüfung an und bestand mit sehr gutem Erfolg (Prüfungsanmeldung und Bestätigung anbei). Die Zeugnisse wurden vom Notariat ….. beglaubigt. *Bei neuerlichem Antrag auf Studienzulassung an der Karl-Franzens- Universität, Graz wurde von der Studienabteilung festgestellt, dass die Zeugnisse diplomatisch, notariell beglaubigt werden müssen (Schreiben der Universität liegt bei). Unmittelbar nach dieser Information sind die Zeugnisse per DHL nach Ottawa gegangen, die Bearbeitungszeit dauert zwischen 6-10 Wochen, d.h. eine Studienzulassung für März 2023 war nicht mehr möglich. *ln der Zwischenzeit, Ende Dezember 22, kam auch der Einberufungsbefehl für 2.5.23 zum Wehrdienst, dem ***3*** Folge leisten muss. (Einberufungsbefehl liegt bei). Sie werden auf Grund aller Nachweise, Bestätigungen, etc. feststellen, dass zu jeder Zeit von Oktober 2021 bis zum heutigen Tag der ernsthafte und zielstrebige Wille vorhanden war und ist, die Ausbildung weiterzuführen und ein Studium in Österreich zu beginnen. Corona bedingte Probleme und lange Bearbeitungszeiten der Universität und der Botschaft liegen nicht in ***3***'s Einflussbereich, die notwendigen Studienvorbereitungsprüfungen hat er absolviert und ich bitte Sie daher die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages zurückzuziehen.Nachdem ich die nächsten Monate beruflich sehr viel Zeit im Ausland verbringen werde, bevollmächtige ich meine Mutter …., in unserer Sache tätig zu sein."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.5.2023 wurde die Beschwerde abgewiesen:"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) steht Familienbeihilfe unter anderen dann zu, wenn sich das Kind in Berufsausbildung befindet.Der Begriff "Berufsausbildung" ist im Gesetz nicht näher definiert. Auf Grund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergeben sich als wesentliche Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung.Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein noch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 anzunehmen.Die Ausbildung muss ernsthaft und zielstrebig betrieben werden. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind durch Prüfungsantritte innerhalb eines angemessenen Zeitraumes die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung erfüllt (vgl. VwGH 20.6.2000, ZI. 98/15/0001).Universitäre Vorstudienlehrgänge zählen zu den außerordentlichen Studien. Sie stellen keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG dar. Ziel der Absolvierung eines Vorstudienlehrganges ist nicht die Qualifikation für ein bestimmtes Berufsbild bzw. für einen bestimmten Beruf, sondern lediglich die Zulassung für den Beginn einer solchen Berufsausbildung. Die Teilnahme an einem Vorstudienlehrgang wird vorgeschrieben, wenn eine Person, ihre Kenntnisse in Deutsch nicht nachweisen kann und / oder wenn Ergänzungsprüfungen (in Mathematik, Physik, Chemie, Darstellende Geometrie) für die Gleichwertigkeit eines Sekundarschulabschlusses benötigt werden.Ihr Sohn ***3*** hat von September 2021 bis Juni 2022 die ***5*** in ***8***, ***7*** besucht. Es wurden keine Prüfungen abgelegt. Die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit der Berufsausbildung kann daher nicht angenommen werden.Am 19.11.2022 hat er die Ergänzungsprüfung Deutsch für das Bachelorstudium Sportwissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz absolviert.Gemäß § 26 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG 1967) hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.Diese Bestimmung normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen wurden oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutet. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich.Aus oben angeführten Gründen wurde Ihre Beschwerde abgewiesen."
Im Vorlageantrag vom 14.6.2023 verwies die Bf auf die Beschwerdeausführungen und ergänzte wie folgt:"Es trifft nicht zu, dass mein Sohn ***3*** seine Ausbildung nicht ernsthaft und zielstrebig verfolgt hat. Dies geht aus den beigelegten kanadischen Zeugnissen, nunmehr voll diplomatisch beglaubigt hervor.Die Studienzulassung in Österreich war aufgrund der Corona-Pandemie und aufgrund der Bearbeitungsdauer der verlangten diplomatischen Beglaubigung der Zeugnisse verzögert, die Verantwortung dafür lag jedoch nicht bei uns.Ich vertrete nach wie vor die Auffassung, dass mir die Familienbeihilfe zusteht und die Rückforderung nicht zu Recht besteht.Es ist festzuhalten, dass die Ausbildung die überwiegende Zeit meines Sohnes in Anspruch genommen hat und die Ausbildung genau auf das von meinem Sohn ***3*** angestrebte Lehramtsstudium Englisch und Sport ausgerichtet war und beantrage ich daher die Entscheidung durch den Senat."
Im Vorlagebericht vom 12.7.2023 führte das Finanzamt in der Stellungnahme aus:"Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten. Der Sohn der Bf. hielt sich nachweislich ab zumindest 01.09.2020 in Kanada auf. Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Aufenthalt im Ausland nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, allenfalls ab Beginn des Aufenthaltes ein ständiger Aufenthalt im Drittstaat vor, der einen Familienbeihilfeanspruch ausschließt. Im gegenständlichen Fall hat sich das Kind für eine mehrjährige Ausbildung entschieden, welche es an einer ausländischen Ausbildungseinrichtung in einem Drittstaat absolviert. Somit liegt bereits ab Beginn der gewählten Berufsausbildung im Drittstaat ein ständiger Aufenthalt im Ausland vor, welcher einen Anspruch bis 07/2022 ausschließt. Ob es sich überhaupt durchgehend um eine Berufsausbildung handelt oder diese ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde, kann bei dieser Betrachtungsweise dahingestellt bleiben. Die Rechtsprechung des BFG ist hier strenger als die Verwaltungspraxis, an die das BFG nicht gebunden ist. Rückgefordert wurde erst ab 10/2021. Das Finanzamt erachtet daher eine weitere Rückforderung ab zumindest 09/2020 für erforderlich. Erhebungen zum Aufenthalt/Schulbesuch des Kindes im Zeitraum vor 09/2020 sind bis dato noch keine erfolgt. Das Finanzamt ersucht das BFG, wenn auch nicht verfahrensgegenständlich, auch dazu Stellung zu beziehen. Im Zeitraum 08/2022 - 02/2023 befand sich der Sohn der Bf. in keiner Berufsausbildung. Universitäre Vorstudienlehrgänge zählen zu den außerordentlichen Studien, sie stellen keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG dar. Ziel der Absolvierung eines Vorstudienlehrganges ist nicht die Qualifikation für ein bestimmtes Berufsbild bzw. für einen bestimmten Beruf, sondern lediglich die Zulassung für den Beginn einer solchen Berufsausbildung. Wer seinen Schulabschluss nicht in Österreich macht, gilt als Internationaler Studierender. Dabei ist die Staatsangehörigkeit nicht von Bedeutung. Solange nicht alle Kriterien für die Zulassung für das Studium erfüllt und die geforderten Nachweise erbracht sind, gibt es auch keine Zulassung zum Studium. Erst die Zulassung zum Studium ermöglicht jedoch die Aufnahme des Studiums mit Semesterbeginn und damit den Familienbeihilfenanspruch. Bis dahin liegt keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b) FLAG vor. Das Finanzamt beantragt, die Beschwerde abzuweisen."
Am 23.10.2024 fand die von der Bf. beantragte, nicht mündliche Senatsverhandlung statt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Sohn der Beschwerdeführerin (Bf.) ***3***, geboren am ***10***, besuchte laut vorgelegten Bestätigungen im Zeitraum 1.9.2020 bis 28.7.2021 die Schule ***5*** in Kanada. Über vorangehende Zeiträume liegen keine Schulbesuchsbestätigungen vor. Am 28.7.2021 schloss er die Schule in Kanada mit Diplom ab. Vom 1.9.2021 bis 30.6.2022 besuchte er an der ***11*** noch ein "post graduate year" mit diversen Kursen zur Vorbereitung auf die Universität. Für die Absolvierung der Kurse gibt es keine Prüfungen oder Zeugnisse, lediglich eine Schulbesuchsbestätigung. Im Sommer 2022 stellte der Sohn der Bf. einen Antrag auf Studienzulassung für das Bachelorstudium Sport- und Bewegungswissenschaften an der Karl-Franzens Universität in Graz. Die Universität Graz forderte den Sohn der Bf. mit Verbesserungsauftrag vom 14.09.2022 auf, diplomatisch beglaubigte Zeugnisse sowie einen Deutschnachweis vorzulegen. Das gleiche Prozedere erfolgte für den Antrag auf Studienzulassung für das Bachelorstudium der Anglistik mit Schreiben vom 10.04.2023. Am 28.11.2022 bestand der Sohn die Deutschprüfung C1.
Laut Angaben der Bf. besuchte ***3*** Vorbereitungskurse für die Ergänzungsprüfung Sport und meldete sich für die Prüfung an; dass er diese Prüfung ablegte, ist allerdings nicht ersichtlich. Ab 05/2023 leistete ***3*** den Präsenzdienst ab.Soweit aus den elektronischen Datenbanken der Finanzverwaltung ersichtlich, begann der Sohn auch nach dem Präsenzdienst kein Studium in Österreich.Vom 1.3.2023 bis 30.4.2023 war er bei der ***12***, ***13***, vollbeschäftigt und desgleichen vom 19.4.2022 bis 15.6.2022.
Die Rückforderung der Familienbeihilfe erfolgte für den (und damit verfahrensgegenständlichen) Zeitraum 10/2021 bis 2/2023, weil das Finanzamt von einem ständigen Aufenthalt des Sohnes der Bf im Drittland ausging bzw. im Inland keine Berufsausbildung iSd des FLAG 1967 gegeben war.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und den elektronischen Datenbanken der Finanzverwaltung.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967: Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,a) für minderjährige Kinder,b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. … …d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung; im Anschluss daran für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,
e) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird,… …
(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
§ 2 Abs. 5 FLAG 1967 lautet:(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenna) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.
§ 5 Abs. 3 FLAG 1967 lautet:(3) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Nach § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.Um Familienbeihilfe beziehen zu können, muss die Anspruchsberechtigte also den Lebensmittelpunkt im Inland haben, was bei der Bf (zumindest für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum) nicht strittig ist. Auf den Lebensmittelpunkt des anspruchsvermittelnden Kindes kommt es grundsätzlich nicht an.Als Grundvoraussetzung für den Familienbeihilfenanspruch legt aber § 5 Abs. 3 FLAG 1967 fest, dass sich das den Familienbeihilfenanspruch vermittelnde Kind nicht ständig im Ausland aufhalten darf.Einen Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, besteht nur insoweit, als EU-/EWR-Recht einen solchen Anspruch vorsieht.
Drittstaaten wie Kanada sind demnach jedenfalls als Ausland iS d § 5 Abs. 3 FLAG 1967 zu werten.Hält sich ein Kind dort ständig auf, ist es unerheblich, ob eine österreichische Staatsbürgerschaft des Kindes oder des Anspruchsberechtigten besteht.
Nach § 26 Abs. 2 BAO hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er/sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er/sie an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate.
Nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ergibt sich ein Ausschlussgrund des Beihilfenanspruches für Kinder, die sich ständig im Ausland/Drittland aufhalten. Der ständige Aufenthalt im Sinne der vorstehenden Gesetzesbestimmung ist nach der gesicherten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. VwGH vom 24.6.2010, 2009/16/0133) nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen. Das ist dort, wo sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er/sie an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt.
Bei der Frage des ständigen Aufenthaltes iSd § 5 Abs. 3 FLAG 1967 geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. etwa VwGH 22.4.2009, 2008/15/0323; VwGH 28.11.2007, 2007/15/0055; VwGH 15.11.2005, 2002/14/0103). Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit (vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2.Aufl. 2020, § 5 Rz 9).
Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl. VwGH 28.11.2007, 2007/15/0055).Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. VwGH 15.11.2005, 2002/14/0103).
Das bloße Verbringen der Ferien in Österreich bzw. fallweise kurze Besuche in Österreich während des Studienjahres sind jeweils als vorübergehende Abwesenheit (Anmerkung: im Drittland) zu beurteilen, wodurch ein ständiger Aufenthalt des Kindes im Ausland nicht unterbrochen wird (vgl. VwGH 27.4.2005, 2002/14/0050; VwGH 20.6.2000, 98/15/0016; VwGH 8.6.1982, 82/14/0047; VwGH 28.11.2002, 2002/13/0079; VwGH 2.6.2004, 2001/13/0160; UFS 25.10.2012, RV/0454-G/12).
Der VwGH hat eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland gerade noch als einen vorübergehenden Aufenthalt angesehen (vgl. VwGH 24.6.2010, 2009/16/0133).
Bereits ein einjähriger Auslandsaufenthalt auch nur zum Zwecke eines einjährigen Schulbesuches im Ausland ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes als ständiger Aufenthalt im Ausland anzusehen. Ein Aufenthalt ist demnach nicht schon dann "vorübergehend" im Sinne dieser Rechtsprechung, wenn er zeitlich begrenzt ist (vgl. VwGH 26.01.2012, 2012/16/0008 unter Hinweis auf Kuprian, Kein Familienbeihilfenanspruch bei Ausbildung eines Kindes in einem "Drittland", in UFS Journal 2011/10, 371).
Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Aufenthalt nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, allenfalls ab Beginn des Aufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor (vgl. VwGH 26.01.2012, 2012/16/0008).
Auf den Wohnsitz und den ständigen Aufenthalt der Eltern kommt es daher ebenso wenig an wie auf deren Staatsbürgerschaft, deren Berufsausübung in Österreich, den Mittelpunkt der Lebensinteressen und die Staatsbürgerschaft des Kindes, die Tragung der Kosten des Lebensunterhaltes oder die Argumentation, dass der Auslandsaufenthalt "nur" zur Ausbildung erfolge (Kuprian, Kein Familienbeihilfenanspruch bei Ausbildung eines Kindes in einem Drittland, UFS journal 2011, 371; VwGH 02.06.2004, 2001/13/0160; VwGH 20.06.2000, 98/15/0016).
Selbst eine Rückkehr nach Österreich nach Abschluss eines mehrjährigen Studiums spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.Auch wenn der Auslandsaufenthalt ausschließlich zu Ausbildungszwecken erfolgt, ändert dies nichts daran, dass sich das Kind während der Auslandsausbildung ständig (also nicht nur vorübergehend) iSd § 5 Abs. 3 FLAG 1967 im Ausland, also in einem Drittland, aufhält (vgl. auch BFG 11.12.2015, RV/7105408/2015; BFG 4.1.2016, RV/7101957/2015; BFG 14.10.2016, RV/7101355/2016; BFG 3.11.2016, RV/7100224/2016; BFG 2.1.2017, RV/7103136/2015; BFG 9.11.2018, RV/6101105/2015; BFG 22.1.2019, RV/1100552/2018; BFG 27.4.2020, RV/5100044/2020; BFG 3.7.2023, RV/71000277/2023).
In solchen Fällen ist eine ex-ante-Betrachtung anzustellen, ab dem Zeitpunkt der geänderten Verhältnisse, die auf einen ständigen Aufenthalt des Kindes im Ausland schließen lassen, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe, und ist eine tatsächlich geplante spätere Berufsausübung (oder weitere Berufsausbildung) im Inland nicht entscheidend (vgl. VwGH 22.04.2015, Ro 2015/16/0008, mit Hinweis auf VwGH 27.09.2012, 2010/16/0013, und VwGH 29.09.2011, 2011/16/0086).
Der VwGH betont also mehrfach, dass eine ex-ante Betrachtung für die Beurteilung des Anspruchs auf Familienbeihilfe zu erfolgen hat (vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2.Aufl. 2020, § 5 Rz 9).
Dass ein Schulbesuch/Studium im EU-Ausland beihilfenrechtlich anders behandelt wird als eine Ausbildung im Drittland, für welches die Eltern die überwiegenden Kosten tragen und das erfolgreich betrieben wird, mag als ungerecht empfunden werden, entspricht aber dem geltenden Recht.
Insofern besteht für die Verwaltung und das BFG kein Ermessen.Für die Dauer eines längeren (hier sogar mehrjährigen) Schulbesuchs in Kanada steht der Bf keine Familienbeihilfe für den Sohn zu, bzw. verfahrensgegenständlich zumindest zum Zeitpunkt seiner Rückkehr nach Österreich, den die Bf mit Ende 7/2022 angab.Da der Sohn aber laut Sachverhalt von 19.4.2022 bis 15.6.2022 bei der ***12***, ***13*** beschäftigt war, muss er zumindest schon im April 2022 nach Österreich zurückgekommen sein.
Hier änderte sich der Sachverhalt wieder dahingehend, als sich der Sohn nicht mehr ständig im Drittland aufhielt und in Österreich ein Studium (offensichtlich ab Juli 2022) beginnen wollte, das er tatsächlich aber nie begann.Die Deutschnachweisprüfung und die Vorbereitungskurse für die Ergänzungsprüfung Sport stellen noch keine Berufsausbildung dar und wurde ein entsprechendes Studium auch nach Ableistung des Präsenzdienstes zwischenzeitlich gar nicht begonnen, was sich aus der Familienbeihilfendatenbank ergibt.Der Sohn war nach dem Sachverhalt somit nach der Rückkehr nach Österreich im beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht in Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 und bestand davor aufgrund seines ständigen Aufenthaltes im Drittland nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 kein Familienbeihilfenanspruch.
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO ist das BFG berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen.
Die Beschwerde war daher abzuweisen, da der Sohn sich über mehrere Jahre im Drittland aufgehalten hat und in Österreich keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 begonnen wurde.Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am 23. Oktober 2024