IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike Stephan in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 29. März 2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom 6. März 2020 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Strittig ist die Indexierung des Familienbonus Plus für die in der Tschechischen Republik wohnhaften Kinder des Beschwerdeführers (in der Folge kurz Bf.).
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 vom 31.1.2020 optierte der Bf. gemäß § 1 Abs. 4 EStG in die unbeschränkte Steuerpflicht und beantragte u.a. den ganzen Familienbonus Plus für zwei Kinder. Als Wohnsitzstaat der Kinder gab der Bf. die Tschechische Republik an.
Mit Bescheid vom 6.3.2020 wurde die Veranlagung antragsgemäß vorgenommen. Allerdings wurden dabei für den Familienbonus Plus nur die indexierten Werte für die Tschechische Republik berücksichtigt. Dabei ergab sich eine Gutschrift in Höhe von 2.054 Euro.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 29.03.2020. Begründend führte der Bf. darin aus, dass die Entscheidung des Finanzamtes insoweit unrichtig sei, als durch die Indexierung der steuerlichen Begünstigungen (Familienbonus Plus) der Bf. in seiner gesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere den unmittelbar und vorrangig anzuwendenden Europäischen Rechten und den Grundrechten, verletzt sei. Beantragt werde die Berücksichtigung der vollen Grundbeträge ohne die sogenannte Indexierung.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 5.5.2020 wurde die Beschwerde unter Hinweis auf § 33 Abs 3a Z 2 EStG 1988 als unbegründet abgewiesen.
Im Vorlageantrag vom 28.5.2020 bringt der Bf. vor, dass zu den einzelnen Themen in seiner Beschwerde in der Beschwerdevorentscheidung keine Stellung genommen worden sei. Die gesetzliche Lage führe aus seiner Sicht eindeutig zu einer materiellen Diskriminierung aufgrund sowohl nationaler als auch spuranationaler Rechtsquellen.
Der Akt wurde dem Bundesfinanzgericht am 10. Juni 2020 zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der in der Tschechischen Republik ansässige Beschwerdeführer bezog im Streitjahr 2019 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ausschließlich in Österreich und hatte weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Er beantragte in der Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung für das Jahr 2019 gemäß § 1 Abs 4 EStG 1988 als unbeschränkt steuerpflichtig in Österreich behandelt zu werden.
Der Bf. hatte im Streitjahr 2019 zwei in der Tschechischen Republik wohnhafte Kinder, ***Kind 1***, geboren am ***Datum*** und ***Kind 2***, geboren am ***Datum 2***, für die er Familienbeihilfe bezog und den ganzen Familienbonus Plus geltend machte. Die Söhne des Bf. hatten im Streitjahr 2019 das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, dem glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers sowie den in der Beihilfendatenbank und im Abgabeninformationssystem gespeicherten Daten.
Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war die Höhe des dem Bf. zuzuerkennenden Familienbonus Plus strittig.
Die Zuerkennung des Familienbonus Plus basiert auf der gesetzlichen Bestimmung des § 33 Abs. 3a EStG 1988.
§ 33 Abs. 3a EStG 1988 in der vor BGBl I 135/2022 geltenden Fassung lautete - soweit hier maßgeblich - folgendermaßen:
"Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedsstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
1. Der Familienbonus Plus beträgt
a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,
b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.
2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
a) Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab 1. Jänner 2019 auf Basis der zum Stichtag 1. Juni 2018 zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
b) Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.
[…].
Gemäß § 33 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 ist der Familienbonus Plus insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs. 1 zu versteuernde Einkommen entfällt (Steuer laut Tarif vor Abzug der Absetzbeträge)."
Die zitierte Bestimmung war als Rechtsgrundlage für die Zuerkennung des Familienbonus Plus in dem hier angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019 sowie auch in der hierzu ergangenen Beschwerdevorentscheidung anzuwenden.
Insbesondere war, wie sich aus Z 2 der Bestimmung ergab, eine Indexierung des Familienbonus Plus vorzunehmen, da die Söhne des Bf. im Jahr 2019 zur Gänze in Tschechien lebten.
Zwischenzeitig wurde aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes EuGH 16.06.2022, C-328/20, wonach der Anpassungsmechanismus bei der Bemessung von Familienleistungen bzw. familienbezogenen Steuerbegünstigungen (ua des Familienbonus Plus) nach der unterschiedlichen Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedsstaaten (= Indexierung) als unionsrechtswidrig qualifiziert worden war, die Bestimmung des § 33 Abs. 3a EStG 1988 geändert:
Zufolge Art. II Z 4 des "Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden", BGBl I 135/2022, entfällt unter anderem § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988. Diese Änderung ist gemäß § 124b Z 410 lit. a EStG 1988 unter anderem für Kinder, die sich ständig in Tschechien aufhalten, bei Veranlagung der Einkommensteuer erstmalig für das Kalenderjahr 2019 anzuwenden (Art. II Z 11 leg.cit.).
Das bedeutet, dass auch im gegenständlichen Fall die Bestimmung des § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 betreffend die Indexierung des Familienbonus Plus für Kinder, die sich in einem anderen Mitgliedsstaat der EU - hier Tschechien - aufhalten, nicht mehr anzuwenden ist.
Bei der Ermittlung der Einkommensteuer 2019 wäre daher grundsätzlich stattgebend der Familienbonus Plus mit EUR 3.000,00 (= 12 x EUR 125,00 x 2) zu berücksichtigen. Da der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 aber insoweit nicht abzuziehen ist, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs. 1 zu versteuernde Einkommen entfällt (Steuer laut Tarif vor Abzug der Absetzbeträge), ist er im beschwerdegegenständlichen Fall in Höhe von € 2.390,35 abzuziehbar, in Höhe von 609,65 € nicht abziehbar.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall ist das zitierte Urteil des EuGH umzusetzen, sodass keine ungelöste Rechtsfrage vorliegt. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Linz, am 9. Juni 2023