IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***SV*** und ***R*** als Richter sowie ***FLR1*** und ***FLR2*** als fachkundige Laienrichter im Beisein der Schriftführerin ***SF*** über die Beschwerden des ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch die APP Steuerberatung GmbH, Schenkenstraße 4/6.Stock, 1010 Wien, vom 09.01.2020 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien/12/13/14 Purkersdorf vom 09.12.2019 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und Einkommensteuer 2014 nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war Gesellschafter (im Firmenbuch gelöscht am 13.07.2013) und Geschäftsführer (im Firmenbuch gelöscht am 19.07.2013) der ***X-GmbH_alt*** (später: ***X-GmbH_neu***; siehe Firmenbuchauszug vom 12.10.2022, OZ 64).
Mit Generalunternehmervertrag vom 01.04.2005 (OZ 110/58) beauftragte die ***X-GmbH_alt*** die ***A1-AG*** (später: ***A2-AG***, dann ***A2-GmbH***) um 21.329.000 € mit der Errichtung einer Park & Ride-Anlage auf dem der ***X-GmbH_alt*** gehörenden "mit Teilungsplan GZ 5889 vom 08.05.2002 neu geschaffenen Bauplatz D (Grundstück **** neu) im Ausmaß von ca. 6.467 m2 derzeit inliegend der EZ**** (Neu), GB*****". Der Vertrag wurde unter der auflösenden Bedingung der Nichterlangung der für die Errichtung des Bauwerkes im bedungenen Umfang erforderlichen rechtskräftigen behördlichen Genehmigungen (Baugenehmigung) und/oder der rechtswirksamen rechtskräftigen Förderungszusage der Stadt Wien (gemäß Park & Ride Gesetz) abgeschlossen. Sollten die behördlichen Genehmigungen vom Auftraggeber nicht bis längstens 31.12.2005 erlangt werden können, könne der Vertrag durch schriftliche Erklärung des Auftraggebers an den Auftragnehmer ex tune aufgelöst werden. Für diesen Fall gelte ausdrücklich als vereinbart, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer ein (nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegendes) Pönale von 2.500.000 € zu bezahlen habe, sofern den Auftragnehmer kein Verschulden an der Nichtschaffung der Voraussetzung und daher der Auflösung treffe. Sollten die behördlichen Genehmigungen vom Auftraggeber nicht bis längstens 31.12.2008 erlangt werden können, könne der Vertrag durch schriftliche Erklärung des Auftragnehmers an den Auftraggeber ex tunc aufgelöst werden. Für diesen Fall gelte ausdrücklich als vereinbart, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer ein (nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegendes) Pönale von 2.500.000 € zu bezahlen habe, sofern den Auftragnehmer kein Verschulden an der Nichtschaffung der Voraussetzung und daher der Auflösung treffe. Darüberhinausgehende Ansprüche würden ausdrücklich ausgeschlossen. Der Auftraggeber werde sich ohne Verzug um die Erlangung aller Genehmigungen und Zusagen nach besten Kräften bemühen.
Mit Sacheinlagevertrag vom 11.9.2008 (OZ 108) brachte die ***X-GmbH_alt*** die Liegenschaft EZ**** - auf dieser Liegenschaft sollte die Park & Ride-Anlage errichtet werden - in die ***X2-GmbH*** (eine mit Erklärung vom 24.07.2008 errichtete 100%ige Tochtergesellschaft) zum Buchwert von 520.258,79 € ein.
Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 27.10.2008 (OZ 106) verkaufte die ***X-GmbH_alt*** die ***X2-GmbH*** um den Kaufpreis von 520.258,79 € an die (im Jahr 2005 von ***M*** errichtete) ***Käufer-GmbH*** (99,8%) und ***M*** (0,2%).
Mit einem weiteren Vertrag vom 27.10.2008 (OZ 107) vereinbarte eine andere Gesellschaft des Beschwerdeführers, die ***X3-GmbH_alt*** (später: ***X3-GmbH_neu***) mit der ***Käufer-GmbH*** die Überlassung von "Know how" zur Errichtung der ***P&R-Anlage***, und zwar insbesondere Konzeptunterlagen, das Konvolut aus Einreichplänen, Studien zur Frequenzentwicklung sowie Durchrechnungen und Businessplan. Als Kaufpreis nennt die Vereinbarung den Betrag von 4.229.741,21 € (zuzüglich Umsatzsteuer).
In einer E-Mail vom 04.06.2009 (OZ 113) wurde dem Beschwerdeführer von seinem Rechtsanwalt ***RA*** mitgeteilt, dass anlässlich des zuletzt geführten Gespräches seitens der Rechtsvertreter der ***A1-AG*** erhebliche Drohungen in Richtung strafbaren Verhalten im Zusammenhang mit der Einbringung der Liegenschaft ausgesprochen und seitens ***A*** ein Schaden in der Höhe von rund € 10 Mio. behauptet worden sei. Sie hätten, "um Zeit zu gewinnen, ohne irgendwelche Anerkenntnisse zugesagt zu überlegen", welche Möglichkeiten bestünden, den Schaden - zumindest teilweise - gut zu machen. Er habe am Wochenende ein Gespräch mit Herrn Prof. ***P*** gehabt und hätte diesem den Sachverhalt dargelegt. Hinsichtlich der Liegenschaft könnte möglicherweise der Tatbestand der betrügerischen Krida verwirklicht sein, sofern die Einbringung unter dem Verkehrswert der Liegenschaft erfolgt sei. Der Verkehrswert sei zu jenem Zeitpunkt zu ermitteln, zu welchem eine mögliche Tathandlung erfolgt sei, sohin zum Zeitpunkt der Einbringung (11.9.2008) oder zum Zeitpunkt der Veräußerung der Geschäftsanteile an der neu gegründeten Gesellschaft (27.10.2008). Dem strafrechtlichen Vorwurf sei dadurch zu entgehen, dass die Gesellschaft materiell so gestellt werde, als ob der relevante Sachverhalt nicht stattgefunden hätte. Dies bedeute, dass die Gesellschaft jene Mittel zu erhalten habe, die dem Verkehrswert der Liegenschaft entsprächen. Es könne selbstverständlich auch gegenüber der Gesellschaft eine entsprechende Garantie abgegeben werden, die allerdings gemäß strafrechtlicher Judikatur betraglich beziffert werden müsse. Er habe daher Herrn Prof. ***K*** gebeten, eine Bewertung der Liegenschaft vorzunehmen und diesem die hierzu notwendigen Unterlagen übermittelt. Herr Prof. ***K*** sei ein vom Strafgericht laufend beschäftigter Sachverständiger, der sowohl Buchsachverständiger als auch Liegenschaftssachverständiger sei. Herr Prof. ***K*** habe ihm zugesagt, dieses Gutachten zeitnahest zu erstellen, sodass er (Beschwerdeführer) kurzfristig die notwendigen Erklärungen gegenüber der Gesellschaft abgeben könne.
Mit Vereinbarung vom 12.06.2009 (OZ 71) verpflichtete sich der Beschwerdeführer gegenüber der ***X-GmbH_alt***, dieser "sicherheitshalber" bis zum 31.12.2010 den Betrag von 900.000 € (samt 4% Zinsen p.a.) zu bezahlen (Anmerkung: Die Zahlung wurde vom Beschwerdeführer in der Folge nicht geleistet). Dazu hält die Vereinbarung fest, dass als Grundlage für die Sacheinlage zum Buchwert das Gutachten des allgemein gerichtlich beeideten und zertifizierten Sachverständigen Baumeister ***Bf-Bruder*** (Bruder des Beschwerdeführers) vom 8.9.2008 herangezogen worden sei. Im Hinblick auf die an die ***X-GmbH_alt*** herangetragenen Forderungen "Dritter" habe ***RA*** den allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Immobilienbewertung ***K*** beauftragt, den Verkehrswert der vom Sacheinlagevertrag umfassten Liegenschaft zum Stichtag 11.9.2008 (Sacheinlagevertrag) und 27.10.2008 (Kauf- und Abtretungsvertrag) zu bewerten. Das Gutachten des Sachverständigen habe auf einer Basis des Marktwertes einen Verkehrswert von 1.349.000 € ergeben. Im Hinblick auf die nunmehr aufgetretene Differenz zwischen dem der Sacheinlage zugrundeliegenden Wert und dem nunmehrigen Schätzgutachten von 10.06.2009 vereinbarten die ***X-GmbH_alt*** und er eine völlige Schadensgutmachung durch Ausgleich der Differenz.
Nach ihrem Rücktritt vom Generalunternehmervertrag im Juli 2009 brachte die ***A1-AG*** Ende 2009/Anfang 2010 beim Handelsgericht Wien eine Klage gegen die ***X-GmbH_alt*** (als erstbeklagte Partei) und den Beschwerdeführer (als zweitbeklagte Partei) wegen 2.500.000 € ein (siehe die Klagsbeantwortung vom 01.02.2010 [OZ 12/1]).
Im Jahr 2010 machte der Beschwerdeführer in der Steuererklärung eine Rückstellung im Betrag von 504.000 € geltend (siehe die Darstellung der Entwicklung der Rückstellung "Rechtsstreit/***Klage A***" [OZ 55]).
Mit Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 11.04.2013 (OZ 19) wurde die ***X-GmbH_neu*** (vormals ***X-GmbH_alt***) schuldig gesprochen, der ***A2-AG*** den Betrag von 2.500.000 € (samt Zinsen) zu zahlen. Das Klagsbegehren gegenüber dem Beschwerdeführer wurde abgewiesen.
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom TT.08.2013 wurde (aufgrund eines eigenen Konkursantrages am 03.07.2013) der Konkurs über die ***X-GmbH_neu*** (vormals ***X-GmbH_alt***) eröffnet und die Gesellschaft infolge dessen aufgelöst (siehe Firmenbuchauszug vom 12.10.2022, OZ 64).
Mit (am 06.09.2013 abgefertigtem) Urteil des OLG Wien vom 29.08.2013 (OZ 22) wurde der Berufung der ***A2-AG*** nicht Folge gegeben.
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom TT.06.2014 wurde der Konkurs der ***X-GmbH_neu*** (vormals ***X-GmbH_alt***) nach Schlussverteilung (Verteilungsmasse: 16.562,24 € laut Schlussbericht der Masseverwalterin [OZ 23]) aufgehoben und die Gesellschaft am 03.09.2014 gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit amtswegig gelöscht (siehe Firmenbuchauszug vom 12.10.2022, OZ 64).
Für das Streitjahr 2014 löste der Beschwerdeführer die Rückstellung teilweise (im Betrag von 100.000 €) auf.
Aus einer von der ***A2-GmbH*** (vormals ***A1-AG***) und der ***B_neu*** Besitz GmbH (vormals "***B***" Besitz GmbH) eingebrachten Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien vom 16.11.2017 (OZ 110/3) geht hervor, dass der dringende Verdacht bestehe, dass der Beschwerdeführer als (Mit-)Gesellschafter und Geschäftsführer der "***X-GmbH_alt***" - im Zusammenwirken mit weiteren Personen - dieser Gesellschaft gezielt ihre Vermögenswerte entzogen und die Gesellschaft in die Insolvenz geführt habe, um dadurch die Einschreiterinnen als Gläubiger der Gesellschaft an deren Vermögen zu schädigen. Die Forderungen der zur "***A-Gruppe***" gehörenden Einschreiterinnen stünden außer Zweifel und seien gerichtlich tituliert: Die Ersteinschreiterin hätte einen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe von 2,5 Mio € (zzgl 8 % Zinsen) gegen die ***X-GmbH_alt*** gehabt. Die Zweiteinschreiterin hätte einen Anspruch auf Ersatz des Entsorgungsaufwandes für Bodenverunreinigungen gegen die ***X-GmbH_alt*** aus einem Liegenschaftskaufvertrag gehabt; der diesbezügliche Entsorgungsaufwand betrage 1,3 Mio € (inkl. USt). Im Lichte der vorgenannten Ansprüche habe der Beschwerdeführer einen systematischen Abfluss der Vermögenswerte der ***X-GmbH_alt*** veranlasst. Die diesbezügliche Vorgangsweise sei durch internen Mailverkehr des Beschwerdeführers mit seinen Beratern belegt. In diesen Mails sprächen die Akteure davon, dass es das "***Problem-A***" zu lösen gelte und eine "Konstruktion" zu finden sei, bei der die "Pönale"_an_***A*** hinfällig werde. Diese Vorgangsweise habe darin bestanden, nach Entzug der Barmittel der ***X-GmbH_alt*** im Wege von Darlehensgewährungen samt nachfolgender "Gegenverrechnung" der Darlehensforderungen mit behaupteten Gegenansprüchen der Darlehensnehmer den letzten verbliebenen Vermögenswert der Gesellschaft - eine Liegenschaft zur Errichtung einer Park & Ride Anlage im Wert von fast 4,5 Mio € - zu einem Bruchteil ihres Werts in eine Tochtergesellschaft einzubringen und die Anteile an dieser Tochtergesellschaft an einen Treuhänder der "***L-Gruppe***" abzutreten. Die Differenz zum wahren Wert der mit dieser Liegenschaft ausgestatteten Tochtergesellschaft habe sich der Beschwerdeführer im Wege eines "Know-How-Vertrags" an eine andere (ihm gehörende) Gesellschaft überweisen lassen. Aufgrund der aus dieser Vermögensverbringung resultierenden Vermögenslosigkeit sei es zur Insolvenz der ***X-GmbH_alt*** gekommen; die beiden Einschreiterinnen hätten nur einen Bruchteil ihrer Forderungen erhalten und einen Befriedigungsausfall von weit über 3 Mio. € erlitten (Seite 2). Die ***Käufer-GmbH*** (als zwischengeschalteter Treuhänder zur Verschleierung der Vorgänge) habe die ***X2-GmbH*** von der ***X-GmbH_alt*** weit unter Wert erworben und die Anteile an dieser Gesellschaft rund zwei Wochen später an die "***L-Gruppe***" abgetreten (Seite 5). Die für die Einbringung der Liegenschaft in die ***X2-GmbH*** notwendige Bewertung der Park & Ride Liegenschaft hab ein naher Verwandter (nach den vorliegenden Indizien: Bruder) des Beschwerdeführers, nämlich Baumeister ***Bf-Bruder*** durchgeführt und dabei unrichtigerweise bestätigt, dass der Verkehrswert der Liegenschaft dem Buchwert entsprochen habe. ***Bf-Bruder*** sei auch Geschäftsführer der ***X3-GmbH_alt*** (Seite 7). ***M*** habe als Treuhänder der "***L-Gruppe***" zunächst die ***X2-GmbH*** mit seiner ***Käufer-GmbH*** übernommen und die Gesellschaftsanteile hernach binnen kürzester Zeit an die "***L-Gruppe***" abgetreten. Er habe auch im Wege eines "Know-How-Vertrags" die Bezahlung des Differenzbetrags zum wahren wirtschaftlichen Wert der Park & Ride Liegenschaft an den Beschwerdeführer bewirkt. Die diesbezüglichen Geldmittel stammten von Treugeberseite, also von der "***L-Gruppe***" (Seite 7). Die ***X-GmbH_alt*** sei nach dem Generalunternehmervertrag verpflichtet gewesen, bis längstens 31.12.2008 eine Förderzusage der Stadt Wien hinsichtlich der Park & Ride Anlage einzuholen, widrigenfalls der ***A1-AG*** ein Rücktrittsrecht und eine Pönalzahlung von 2,5 Mio € zustehe. Die ***X-GmbH_alt*** habe das erforderliche Förderungsansuchen nicht eingereicht. Der ***A1-AG*** sei daraufhin keine andere Möglichkeit verblieben, als die vertraglich bedungene Vertragsstrafe gerichtlich einzuklagen. Das HG Wien habe der ***A1-AG*** diesen Anspruch rechtskräftig zuerkannt (Seite 9). Der zweite Anspruch resultiere aus Kontaminationsschäden jener Liegenschaften, die von der ***X-GmbH_alt*** erworben worden seien. Die ***X-GmbH_alt*** habe sich vertraglich verpflichtet gehabt, die für deren Entsorgung anfallenden Kosten zu tragen. Die zu erwartenden Entsorgungskosten seien mit bis zu 2,8 Mio € geschätzt worden. Das HG Wien habe schließlich mit Urteil festgestellt, dass die ***X-GmbH_alt*** dem Grunde nach verpflichtet sei, die Kosten der Dekontamination der Grundstücke zu tragen (Seite 10). Die Vermögensverringerung der ***X-GmbH_alt*** sei zunächst im Wege intransparenter Darlehensvergaben mit nachfolgenden - ebenso intransparenten - Gegenverrechnungen der Darlehensforderungen mit angeblichen Forderungen der Darlehensnehmer erfolgt. Aber selbst der einzig verbliebene Vermögensgegenstand der ***X-GmbH_alt***, die Park & Ride-Liegenschaft, hätte - wie sich aus der Zahlung der Wertdifferenz von Buch- und Verkehrswert der Liegenschaft in Höhe von 4,2 Mio € ersehen lässt - immer noch zur Abdeckung der Forderungen der Einschreiterinnen hingereicht. Die Vermögensverringerung der ***X-GmbH_alt*** sei daher ganz gezielt auch im Wege der unterpreisigen Veräußerung des letzten verbliebenen Vermögenswerts der Gesellschaft, eben der Park & Ride-Liegenschaft, an die "***L-Gruppe***" erfolgt (Seite 20).
Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) erteilte der Finanzstrafbehörde am 31.7.2018 einen Auftrag zur Durchführung von Erhebungen hinsichtlich des Tatverdachts nach § 33 Abs. 1 FinStrG ua. betreffend den Beschwerdeführer selbst und in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der ***X-GmbH_alt*** sowie der ***X3-GmbH_alt*** Die Finanzstrafbehörde erteilte sodann der Großbetriebsprüfung Wien einen Ermittlungsauftrag. Am 11.09.2018 führte das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung eine Hausdurchsuchung durch und es wurden sämtliche relevanten Unterlagen beschlagnahmt (siehe Vorlagebericht zu GZ. RV/7102647/2020 und RV/7102648/2020).
Strittig ist, ob die Rückstellung im Streitjahr 2014 zur Gänze aufzulösen war (der Streitpunkt "Photovoltaikanlage" wurde in der mündlichen Verhandlung am 17.06.2025 zurückgenommen).
Verfahrensablauf
Außenprüfung
Mit Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom 06.09.2018 (OZ 31) führte die Abgabenbehörde beim Beschwerdeführer gemäß § 147 BAO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG eine Außenprüfung ua. betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2016 durch.
Mit Schreiben vom 19.06.2019 (OZ 34) verlangte die Abgabenbehörde vom Beschwerdeführer einen Nachweis der betriebsbedingten Schadensfälle (Konto Nr. ***) im Jahr 2010 in Höhe von 504.000 € (Dotierung ***Schadensfall-A***) sowie Auskunft, warum ein Teil der Rückstellung (100.000 €) im Jahr 2014 aufgelöst worden sei und wann mit einer "Klärung und damit Auflösung/Verwendung der Rückstellung" zu rechnen sei.
Mit E-Mail vom 19.07.2019 (OZ 35) teilte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers der Abgabenbehörde mit, dass die Rückstellung in Zusammenhang mit einem Rechtsstreit mit der ***A1-AG*** bzw. in weiterer Folge mit der ***A2-AG*** gebildet worden sei, die den Beschwerdeführer wegen Schadensersatz verklagt hätte (Streitwert 2.550.000 €). Beiliegend fände die Abgabenbehörde diverse Schriftsätze in diesem Zusammenhang. Nachdem es in weiterer Folge zivilrechtlich zu einer Klärung der Angelegenheit gekommen sei, gleichzeitig aber ein diesbezügliches Strafverfahren sowie ein weiteres anderes Strafverfahren zunächst absehbar gewesen und schließlich hinzugekommen seien, sei es zu einer entsprechenden Anpassung der Rückstellung gekommen. Hinsichtlich der Frage, wann mit der Klärung und damit Auflösung/Verwendung der Rückstellung zu rechnen sei, dürfe man darauf verweisen, dass die gegenständlichen Strafverfahren Ursache für die der Betriebsprüfung bekannten Hausdurchsuchungen und damit auch Auslöser Ihrer Betriebsprüfung selbst seien. Wie der Betriebsprüfung bekannt sei, liefen die Strafverfahren schon seit Jahren. Auf Grund der Gespräche des Beschwerdeführers mit dem zuständigen Landeskriminalamt sei damit zu rechnen, dass auch die weitere Aufarbeitung noch Jahre in Anspruch nehmen dürfte und im Übrigen laufend beim Beschwerdeführer schon entsprechende Kosten verursache. Details entnehme die Abgabenbehörde der Beilage 3.
Mit weiterem Vorhalt (OZ 36) verlangte die Abgabenbehörde vom Beschwerdeführer die Auskunft, wofür die Rückstellungen genau beibehalten worden seien (Schadenersatz, Strafe, Beratungskosten...). Der Beschwerdeführer solle die Höhe der Rückstellung durch geeignete Dokumente nachweisen; mit den beigelegten Dokumenten sei dies nicht möglich.
Mit E-Mail vom 16.10.2019 (OZ 39) übermittelte der steuerliche Vertreter der Abgabenbehörde eine Stellungnahme des Beschwerdeführers (OZ 37 und 38). Darin führte der Beschwerdeführer aus, dass ***Herr-A***, nachdem der Verkauf der "***B***" an die ***A1-AG*** durchgeführt worden sei, unmittelbar nach dem Verkauf sowohl ihrem Anwalt ***RA*** als auch ihm persönlich gedroht habe, dass er die diversesten Streitfälle und Gerichtsverfahren einleiten werde, da er verschiedene Punkte gefunden habe, welche nach seiner Meinung nicht seinen Wünschen und seinen Darlegungen aus den verschiedenen Verträgen entspreche. Aufgrund diverser Schriftstücke seien anschießend Rückstellungen "in den zu erwartenden Schadensbildern" aufgrund von vorerst möglichen Klagen, später tatsächlich durchgeführten Klagen, gebildet worden. Sämtliche Rückstellungen seien jeweils den Forderungen und den möglichen, von ihrem Käufer des Betriebsobjektes vorgelegten Wunschbildern und Klagen etc. angepasst worden. In der Fortsetzung sei im Zivilverfahren beim Handelsgericht Wien Klage_von_***A*** gegen sie geführt worden, sowohl als Gesellschaft als auch er als Person, und da seien diese Rückstellungen alle in den jeweiligen Zeiträumen mit den zugeordneten Beträgen in den Bilanzen festgehalten worden. Nach unzähligen Verhandlungen, Streitverfahren usw. habe die Republik Österreich als Handelsgericht Wien im Namen der Republik entschieden, und sie hätten die Rückstellungen dahingehend adaptiert. Naturgemäß seien für diese Verfahren jede Menge an Kosten zusätzlich aufgelaufen. Nach dem Prozess in zwei Instanzen sei dieses Thema jedoch noch immer nicht erledigt, da ***Herr-A*** allen und überall erzähle und gedroht habe, dass er nie verliere und er sich das alles nicht gefallen lasse, da er der Meinung sei, da müsse etwas geschehen. Diese Drohungen hätten sie sowohl über fremde Anwälte in Erfahrung gebracht, welche informell erzählt hätten, dass er überall erzähle, was er nun angehen werde etc. Diese Drohungen hätten sie aufgrund der Kenntnis über die Person ernst genommen und sie hätten mit allem, was man sich vorstellen könne, an Hausdurchsuchungen, Arbeitsaufwänden, Befragungen etc. leider recht behalten. Die Rückstellungen seien daher leider noch immer gerechtfertigt und Gegenstand aller ihrer "Bearbeitungen". Dies zum derzeitigen Stand.
Die Außenprüfung wurde ohne Schlussbesprechung beendet.
Änderung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb lt. Außenprüfung:
2014 | |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorher | 85.984,10 € |
Hinzurechnung AfA Photovoltaikanlage*) | 677,86 € |
abzüglich Einnahmen Photovoltaikanlage*) | -51,32 € |
Auflösung Rückstellung lt. AP | 440.000,00 € |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb lt. angefocht. Bescheid | 526.610,64 € |
*) Streitpunkt zurückgenommen.
Bescheide
Mit den hier entscheidungsgegenständlichen Bescheiden vom 09.12.2019 (OZ 1 und 4) nahm die Abgabenbehörde das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2014 wieder auf und setzte die Einkommensteuer 2014 unter Zugrundelegung der hier strittigen Hinzurechnung mit 253.200 € (Nachforderung: 220.313 €) fest.
Zur Begründung der Verfahrenswiederaufnahme verwies die Abgabenbehörde im Wiederaufnahmebescheid (OZ 4) auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung. Im Bericht vom 10.12.2019 über das Ergebnis der Außenprüfung (OZ 52) verwies die Abgabenbehörde zur Begründung der Wiederaufnahme der Verfahren auf die Textziffern 1 und 2, die auf den "Anhang zu Tz. 1 Photovoltaikanlage" und den "Anhang zu Tz. 2 Rückstellung" weiterverweisen.
Zur Begründung der Hinzurechnung führte die Abgabenbehörde im "Anhang zu Tz. 2 Rückstellung" des Berichts vom 10.12.2019 über das Ergebnis der Außenprüfung (OZ 52) aus, dass bereits im Vorprüfungszeitraum eine Rückstellung in Höhe von 146.000 € bestanden habe. Diese sei laut einer Stellungnahme des Beschwerdeführers in Verbindung mit dem Verkauf der ***B***gründe an die ***A1-AG*** gebildet worden. Im Jahr 2009 (zugestellt an den Beschwerdeführer im Jahr 2010) sei es tatsächlich zu einer Klage der ***A2-AG*** (vormalig ***A1-AG***) gegen ihn als zweite beklagte Partei neben der ***X-GmbH_alt*** (danach ***X-GmbH_neu***, mittlerweile wegen Vermögenslosigkeit gelöscht), bei welcher der Beschwerdeführer damals Geschäftsführer-Gesellschafter gewesen sei. Der Streitwert laut Anklageschrift habe 2.550.00, € betragen. Daraufhin seien im Jahr 2010 weitere Rückstellungen im Zusammenhang mit dem "***Schadensfall-A***" in Höhe von 504.000 € gebildet worden. Von dieser Rückstellung seien 20% (100.800 €) außerbilanziell wieder hinzugerechnet worden. Somit hätten die Rückstellungen unternehmensrechtlich gesamt 650.000 € betragen. Laut Stellungnahme sei das Verfahren mittlerweile in zwei Instanzen entschieden und beigelegt. Daraufhin seien 2014 Rückstellungen in Höhe von 100.000 € aufgelöst worden, davon 20% (20.000 €) außerbilanziell abgerechnet. Laut Stellungnahme des Beschwerdeführers habe ***Herr-A*** "allen und überall erzählt und gedroht hat, dass ER NIE VERLIERT und er sich das alles nicht gefallen lässt, da er der Meinung ist, da muss etwas geschehen." Für das Zivilverfahren seien die Klageschriften und Beantwortungsschreiben vorgelegt worden. Weitere Unterlagen, die die genaue Höhe der nach Entscheidung des Zivilverfahrens weiterbestehenden möglichen Verpflichtung gegenüber_***A*** (belegten), seien keine vorgelegt worden. Zur Begründung der Notwendigkeit der Rückstellungen über 2014 hinaus sei vom Beschwerdeführer angeführt worden: "Diese Drohungen (Anm. siehe weiter oben) haben wir aufgrund der Kenntnis über die Person (Anm. ***Herr-A***) ernst genommen und haben mit allem, was man sich vorstellen kann, an Hausdurchsuchungen, Arbeitsaufwänden, Befragungen etc. leider recht behalten. Die Rückstellungen sind daher leider noch immer gerechtfertigt und Gegenstand aller unserer Bearbeitungen." Eine messbare Verpflichtung gegenüber Dritten habe über 2014 hinausgehend nicht festgestellt werden können. Gemäß § 9 Abs. 3 EStG 1988 seien Rückstellungen steuerrechtlich nur dann zulässig, wenn konkret nachgewiesen werden könne, dass mit Entstehen einer Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen sei. Die Außenprüfung erkenne keine Außenverpflichtung des Beschwerdeführers gegenüber der ***A1-AG*** nach Beendigung des zivilrechtlichen Rechtstreites 2014. Die Rückstellungen seine somit im Jahr 2014 steuerwirksam aufzulösen.
Bescheidbeschwerden
Mit Beschwerdeschreiben vom 09.01.2020 (OZ 6) erhob der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter die Beschwerden sowohl gegen den Wiederaufnahmebescheid als auch gegen den Sachbescheid und beantragte die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides und den Rechtsstand vor Erlassung des bekämpften Bescheides wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde vorgebracht, im angefochtenen Wiederaufnahmebescheid seien die Wiederaufnahmegründe nicht ersichtlich. Konkret fehle die Angabe, über welche Informationen die Abgabenbehörde bei Erlassung des ursprünglichen Abgabenbescheides verfügt habe und welche Tatsachen und Beweismittel im Prüfungsverfahren neu hervorgekommen seien. Die beiden Informationen seien unabdingbar notwendig um beurteilen zu können, ob der Neuerungstatbestand des § 303 Abs. 1 lit b BAO (nova reperta) erfüllt sei (Seite 2). Im Rahmen eines Erhebungsauftrages vom 31.07.2018 der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) sei die Durchführung von Erhebungen hinsichtlich des Tatverdachts nach § 33 Abs. 1 FinStrG ua betreffend den Beschwerdeführer angeordnet worden. Der Beschwerdeführer sei weiters mit Prüfungsauftrag vom 06.09.2018 einem Außenprüfungsverfahren gemäß § 147 BAO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG für die Jahre 2008 bis 2016 unterzogen worden. Im Rahmen dieser Prüfungshandlungen seien Feststellungen getroffen worden, welche zu den bekämpften Bescheiden geführt hätten (Seite 2). Der Beschwerdeführer fechte die bekämpften Abgabenbescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften an. Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Rechtsmittels sei dem Beschwerdeführer der Prüfungsbericht über die Außenprüfung, auf den die bekämpften Bescheide basierten, trotz wiederholter Urgenzen noch nicht zugestellt worden. Aufgrund dessen werde eine detaillierte Begründung nach Erhalt und Studium des Prüfberichtes nachgereicht (Seite 3).
Mit Schreiben vom 08.03.2020 (OZ 7) brachte der steuerliche Vertreter die Begründung der Beschwerden ergänzend vor, dass der Beschwerdeführer die Auffassung vertrete, dass die Risiken, welche für die Bildung der Rückstellung aus seiner "Auseinandersetzung" mit der ***A-Gruppe*** vorhanden gewesen seien, noch immer vorhanden seien. Als Beweis führe der Beschwerdeführer an, dass die ***A-Gruppe***, nach Verlust von zwei Prozessen, eine (oder mehrere) Strafanzeigen eingebracht habe, welche beim Beschwerdeführer massive finanzielle Belastungen zur Folge gehabt hätten. Explizit führe der Steuerzahler die Eröffnung eines Strafverfahrens, eines Finanzstrafverfahrens und mehrere Hausdurchsuchungen an. Des Weiteren seien mehrere Außenprüfungsverfahren durchgeführt worden, die zu rechtlich unrichtigen Erkenntnissen geführt hätten und gegen deren Ergebnisse der Beschwerdeführer Beschwerden hätte einbringen müssen. Aus diesem Grund seien die Aussagen der Außenprüfung im Prüfbericht dahingehend zu ergänzen, dass möglicherweise aktuell keine sichtbare Außenverpflichtung des Beschwerdeführers gegenüber der ***A-Gruppe*** erkennbar sei, dass aber infolge der Einleitung der zahlreichen Verfahren nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine solche noch entstehe, falls in den Strafverfahren Erkenntnisse gewonnen würden (was könne aus Sicht des Anzeigenden sonst Zweck der Anzeige sein?) und eine faktische wirtschaftliche Verpflichtung bestehe, die Verfahren abzuwenden, um der eigenen wirtschaftlichen Betätigung weiter nachgehen zu können. Zum aktuellen Zeitpunkt sei bis dato der Beschwerdeführer zu keinerlei strafrechtlicher Verfehlung rechtskräftig schuldig gesprochen worden. Selbst nach alter Diktion der Finanzverwaltung seien z.B. Strafverteidigungskosten eines Freigesprochenen als Werbungskosten und als Betriebsausgabe abzugsfähig, wenn der Beschuldigte freigesprochen werde und die potentielle Tat ein Teil seiner beruflichen / betrieblichen Tätigkeit gewesen sei. Diese Ansicht sei von der Judikatur des VwGH (21.4.2016, 2013/15/0182; 22.03.2018, Ro 2017/15/0001 und 0002) später verstärkt worden (siehe auch EStR 2000 Rz. 1621). Nichts Anderes könne gelten, wenn ein Unternehmer Vorsorge treffen müsse, weil ihn sein Geschäftspartner aus Überschussjahren mit Klagen und Strafanzeigen eindecke und er massive Abwehrkosten aufbringen müsse (Seite 2).
Beschwerdevorentscheidungen
Mit (als Sammelbescheid verfassten) Beschwerdevorentscheidungen vom 29.01.2021 (OZ 8) wies die Abgabenbehörde sowohl die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid als auch die Beschwerde gegen den Sachbescheid als unbegründet ab.
Zur Verfahrenswiederaufnahme sei auf den Außenprüfungsbericht vom 10.12.2019 zu verweisen, in dem der neu hervorgekomme Sachverhalt/die neu hervorgekommenen Tatsachen in den Tz 1 und 2 bzw. den diesbezüglichen Anhängen dargestellt sei/seien. Eine Darstellung dessen, was der Behörde bei Erlassung der bisherigen Abgabenbescheide bekannt gewesen sei, sehe die Bundesabgabenordung iZm mit der Begründung eines Wiederaufnahmebescheides nicht vor.
Zur Hinzurechnung wurde ausgeführt, dass für die beschwerdegegenständliche Rückstellung § 9 Abs. 2 Zif.3 - sonstige ungewisse Verbindlichkeiten - iVm § 9 Abs. 3 EStG von Relevanz sei. Danach sei die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen würden, nach denen im Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen sei. Eine pauschale Rückstellung sei nicht zulässig. Bei den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten müsse eine Verpflichtung gegenüber Dritten gegeben sein. Verbindlichkeitsrückstellungen seien daher Rückstellungen, die auf Grund privatrechtlicher Verpflichtungen auf vertraglicher oder deliktischer Grundlage (zB Rechts- und Beratungskosten, Pfandverbindlichkeiten, drohende Inanspruchnahme aus Bürgschaften, vertraglich vereinbarte Miet- oder Pachterneuerungskosten, Gewährleistungsansprüche), oder öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen (Gesetz, Verordnung, Bescheid - zB Rückstellung für Umzugsräumungskosten, Baustellenräumungskosten - VwGH 25.2.1954, 2959/51, sonstige Entfernungs- und Entsorgungspflichten) sowie wirtschaftlicher Verpflichtungen (zB Rückstellungen für nicht einklagbare Kulanzfälle, für freiwillig gewährte zusätzliche Arbeitsentgelte) gebildet würden. Gemeinsames Merkmal aller Verpflichtungsarten sei, dass gegenüber Dritten eine Leistungsverpflichtung bestehe, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Vermögensabfluss in der Zukunft führe. Die wirtschaftliche Verursachung der Verpflichtung müsse im Abschlussjahr gelegen sein (vgl. VwGH 30.10.2003, 99/15/0261). Soweit die Beschwerde vorbringe, eine Außenverpflichtung könne infolge der Einleitung der zahlreichen Verfahren nicht ausgeschlossen werden, so sei auf den klaren Gesetzeswortlaut zu verweisen, wonach mit dem Entstehen einer Verbindlichkeit nachgewiesener Maßen ernsthaft zu rechnen sei. Die Nichtausschließbarkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit sei daher kein Grund für die Beibehaltung oder Bildung einer Rückstellung. Auch aus dem Vorbringen, es bestehe eine faktische wirtschaftliche Verpflichtung, die Verfahren abzuwenden, um der eigenen wirtschaftlichen Betätigung weiter nachgehen zu können, ergebe sich nicht, dass die Voraussetzungen für eine Beibehaltung oder Bildung einer Rückstellung vorgelegen seien, mit welchen Verbindlichkeiten nachweisbar, konkret und ernsthaft zu rechnen gewesen sei. Das im Zusammenhang mit ***Herrn-A*** stehende, im Jahr 2017 eingeleitete, Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer sei zum Ende des Jahres 2014 noch nicht konkret absehbar gewesen, vielmehr könne es aufgrund der vorgebrachten Aussage von ***Herrn-A*** höchstens eine diesbezügliche Befürchtung gegeben haben. Des Weiteren sei hinsichtlich des behaupteten Rückstellungserfordernisses bzw. der Beibehaltung der bisherigen Rückstellung kein Vorbringen zur Bewertung erstattet worden.
Vorlageanträge
Mit Schreiben vom 20.02.2021 (OZ 10 und 11) stellte der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter gegen die Beschwerdevorentscheidungen den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerden durch das Verwaltungsgericht.
Zur Verfahrenswiederaufnahme wurde vorgebracht, dass der Spruch des Bescheides die Beurteilung ermöglichen müsse, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt seien oder nicht. Würden einfach nur Rechtsfragen eines bereits bekannten Sachverhaltes anders beurteilt, dann sei eben kein Wiederaufnahmegrund vorgelegen, auch wenn in einem Prüfungsbericht der Sachverhalt erläutert werde. Das Gesetz und damit das Wort "neu" seien nach dem Telos auszulegen. "Neu" beziehe sich nach Sprachgebrauch immer auf den Zustand jetzt im Verhältnis zum Zustand vorher. "Wir als Praktiker" vermuteten sehr stark, dass ein Vorsteuerguthaben in beträchtlicher Höhe bereits bei UVA und eine Rückstellung in Höhe von ca. 1000% der Bilanzsumme (!) bereits bei Bildung überprüft worden seien, hätten aber darüber aus 2010 und 2012 keine Unterlagen. Es springe bei der automatisierten Risikokontrolle raus und werde verprobt. Seien die faktischen Umstände aber bekannt, dann gebe es keine Wiederaufnahme.
Zur Hinzurechnung wurde vorgebracht, dass der Nachweis, wonach mit dem Entstehen einer Verbindlichkeit bzw. eines Verlustes ernsthaft zu rechnen gewesen sei, durch die bei der Behörde aufliegenden Drohgebärden, Klagen, Strafanzeigen, Hausdurchsuchungen, Anklagen und Ähnliches erbracht sei. Der Beschwerdeführer verstehe nicht, warum die aufgezählten Inhalte des Finanzamtsaktes die gesetzlich geforderten Sachverhaltselemente ("ernsthaft zu rechnen") nicht bewiesen. Weiters sei nicht ersichtlich, warum genau "in 2014" aufgelöst werde. Wenn man den Ausführungen des Finanzamtes folge, bezweifle die Behörde das Vorliegen der Umstände bis 2017, weil erst 2017 ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Dann wäre aber doch wohl schon die Rückstellung im Jahr 2010 nicht zu bilden gewesen und dem entsprechend selbstverständlich nicht 2014 aufzulösen.
Beschwerdevorlage
Mit Vorlagebericht vom 20.10.2022 (OZ 65) legte die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. In ihrer Stellungnahme führte die Abgabenbehörde aus:
Zur Verfahrenswiederaufnahme wurde ausgeführt, dass lediglich bekannt gewesen sei, dass eine Rückstellung in einem bestimmten Ausmaß gebildet gewesen bzw. aufgelöst worden sei, nicht aber der hierfür maßgebliche Sachverhalt. Der für die Bildung bzw. teilweise Auflösung der Rückstellung maßgebliche Sachverhalt sei erst im Zuge der Außenprüfung neu hervorgekommen.
Zur Hinzurechnung wurde, dass die Behörde keineswegs "bis 2017" das Fehlen der Voraussetzungen für eine Rückstellungsbildung ab dem Jahr 2010 bezweifle. Die Behörde gehe davon aus, dass sie ab 2014 nicht mehr bestanden hätten und nur aufgrund von Drohungen eine Rückstellung im Jahr 2014 nicht mehr zulässig sei.
Verwaltungsgerichtliches Verfahren
Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 07.04.2025 (OZ 91) ist zum Streitpunkt zu entnehmen:
Der steuerliche Vertreter übergibt dem Gericht und den Vertretern der anderen Partei ein Handout.
Der steuerliche Vertreter bringt vor, dass die Rückstellung im Jahr 2010 zu Unrecht gebildet wurde. Dies kann nicht durch eine Rückstellungsauflösung bereinigt werden.
Der Vorsitzende fragt den Bf, warum die Rückstellung bei seiner Einkunftsquelle Planungsbüro gebildet wurde.
Der Bf gibt an, dass er kein Buchhalter und Bilanzierer ist und der Steuerberater hat von ihm sämtliche Klagsunterlagen erhalten und die Rückstellung aus eigenem Antrieb eingebucht.
Über Befragung des Vorsitzenden, gibt der steuerliche Vertreter an, dass beim Planungsbüro laut Ertragskontenblatt 17 Rechnungen verbucht sind. Der höchste Betrag ist 266.666,67 EUR im Zusammenhang der ***Y*** GmbH.
Die Vertreter der Abgabenbehörde geben an, dass der Rest Mieterlöse und erhaltene Anzahlungen betrifft.
Die Vertreter der Abgabenbehörde beantragen diesfalls eine Bilanzberichtigung.
Der steuerliche Vertreter weist darauf hin, dass eine Bilanzberichtigung für solch einen Fall nicht zulässig ist.
Die mündliche Verhandlung wurde vertagt.
Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17.06.2025 (OZ xxx) ist zu entnehmen:
Der steuerliche Vertreter erklärt, dass der Streitpunkt "Photovoltaikanlage" zurückgenommen wird.
Der Vorsitzende trägt die Sache zum Streitpunkt "Rückstellung" wie folgt vor:
Der Beschwerdeführer war Gesellschafter (im Firmenbuch gelöscht am 13.07.2013) und Geschäftsführer (im Firmenbuch gelöscht am 19.07.2013) der ***X-GmbH_alt*** (später: ***X-GmbH_neu***).
Im Jahr 2010 bildete der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einem Rechtstreit mit der ***A2-AG*** (vormals ***A1-AG***), bei dem er Zweitbeklagter war, eine Rückstellung im Betrag von 504.000 €.
Im Streitjahr 2014 löste der Beschwerdeführer die Rückstellung teilweise (im Betrag von 100.000 €) auf.
Die Abgabenbehörde vertritt die Rechtsansicht, dass die Rückstellung im Jahr 2014 zur Gänze steuerwirksam aufzulösen sei.
In der Beschwerde wird vorgebracht, in den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden seien die Wiederaufnahmegründe nicht ersichtlich. Konkret fehle jeweils die Angabe, über welche Informationen die Abgabenbehörde bei Erlassung der ursprünglichen Abgabenbescheide verfügt habe und welche Tatsachen und Beweismittel im Prüfungsverfahren neu hervorgekommen seien. Die beiden Informationen seien unabdingbar notwendig um beurteilen zu können, ob der Neuerungstatbestand des § 303 Abs. 1 lit b BAO (nova reperta) erfüllt sei (Seite 2).
Im Ergänzungsschreiben zur Beschwerde wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer die Auffassung vertrete, dass die Risiken, welche für die Bildung der Rückstellung aus seiner "Auseinandersetzung" mit der ***A-Gruppe*** vorhanden gewesen seien, noch immer vorhanden seien. Als Beweis führe der Beschwerdeführer an, dass die ***A-Gruppe***, nach Verlust von 2 Prozessen, eine (oder mehrere) Strafanzeigen eingebracht habe, welche beim Beschwerdeführer massive finanzielle Belastungen zur Folge gehabt hätten. Explizit führe der Steuerzahler die Eröffnung eines Strafverfahrens, eines Finanzstrafverfahrens und mehrere Hausdurchsuchungen an. Des Weiteren seien mehrere Außenprüfungsverfahren durchgeführt worden, die zu rechtlich unrichtigen Erkenntnissen geführt hätten und gegen deren Ergebnisse der Beschwerdeführer Beschwerden hätte einbringen müssen. Aus diesem Grund seien die Aussagen der Außenprüfung im Prüfbericht dahingehend zu ergänzen, dass möglicherweise aktuell keine sichtbare Außenverpflichtung des Beschwerdeführers gegenüber der ***A-Gruppe*** erkennbar sei, dass aber infolge der Einleitung der zahlreichen Verfahren nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine solche noch entstehe, falls in den Strafverfahren Erkenntnisse gewonnen würden (was könne aus Sicht des Anzeigenden sonst Zweck der Anzeige sein?) und eine faktische wirtschaftliche Verpflichtung bestehe, die Verfahren abzuwenden, um der eigenen wirtschaftlichen Betätigung weiter nachgehen zu können. Zum aktuellen Zeitpunkt sei bis dato der Beschwerdeführer zu keinerlei strafrechtlicher Verfehlung rechtskräftig schuldig gesprochen worden. Selbst nach alter Diktion der Finanzverwaltung seien z.B. Strafverteidigungskosten eines Freigesprochenen als Werbungskosten und als Betriebsausgabe abzugsfähig, wenn der Beschuldigte freigesprochen werde und die potentielle Tat ein Teil seiner beruflichen / betrieblichen Tätigkeit gewesen sei. Diese Ansicht sei von der Judikatur des VwGH (21.4.2016, 2013/15/0182; 22.03.2018, Ro 2017/15/0001 und 0002) später verstärkt worden (siehe auch EStR 2000 Rz. 1621). Nichts Anderes könne gelten, wenn ein Unternehmer Vorsorge treffen müsse, weil ihn sein Geschäftspartner aus Überschussjahren mit Klagen und Strafanzeigen eindecke und er massive Abwehrkosten aufbringen müsse (Seite 2).
Im Vorlageantragsschreiben wird vorgebracht, dass der Nachweis, wonach mit dem Entstehen einer Verbindlichkeit bzw. eines Verlustes ernsthaft zu rechnen gewesen sei und sei, sei durch die bei der Behörde aufliegenden Drohgebärden, Klagen, Strafanzeigen, Hausdurchsuchungen, Anklagen und Ähnliches erbracht. Der Beschwerdeführer verstehe nicht, warum die aufgezählten Inhalte des Finanzamtsaktes die gesetzlich geforderten Sachverhaltselemente ("ernsthaft zu rechnen") nicht bewiesen. Weiters sei nicht ersichtlich, warum genau "in 2014" aufgelöst werde. Wenn man den Ausführungen des Finanzamtes folge, bezweifle die Behörde das Vorliegen der Umstände bis 2017, weil erst 2017 ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Dann wäre aber doch wohl schon die Rückstellung im Jahr 2010 nicht zu bilden gewesen und dem entsprechend selbstverständlich nicht 2014 aufzulösen.
In der mündlichen Verhandlung am 7. April 2025 hat der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers vorgebracht, dass der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der ***X-GmbH_alt*** verklagt worden sei und der Einkommensteuererklärung 2010 keine Einnahmen aus dieser Tätigkeit zu entnehmen seien. Die Bildung einer unzulässigen Rückstellung könne nicht (nachträglich) durch eine Rückstellungsauflösung bereinigt werden.
Dazu wurde in der mündlichen Verhandlung am 7. April 2025 festgestellt, dass in der Einkommensteuererklärung 2010 (OZ 94) mehrere Tätigkeiten angegeben wurden, und zwar als Einzelunternehmer in der Branche 701 (Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben) ohne Angabe von Einkünften (unter Angabe der Gewinnermittlungsart "Basispauschalierung gemäß § 17 Abs. 1"), als Einzelunternehmer in der Branche 662 (Mit Versicherungsdienstleistungen und Pensionskassen verbundene Tätigkeiten) mit Angabe von Einkünften von 414,04 € (unter Angabe der Gewinnermittlungsart "Basispauschalierung gemäß § 17 Abs. 1"), als Einzelunternehmer in der Branche 711 (Architektur- und Ingenieurbüros) mit Angabe von Einkünften von 66.891,40 € (unter Angabe der Gewinnermittlungsart "Bilanzierung gemäß § 4 Abs. 1") und als Einzelunternehmer in der Branche 141 "Herstellung von Bekleidung (ohne Pelzbekleidung)" ohne Angabe von Einkünften (unter Angabe der Gewinnermittlungsart "Bilanzierung gemäß § 4 Abs. 1").
Die Tätigkeit als Einzelunternehmer in der Branche 701 (Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben) ist erstmals in der Einkommensteuererklärung 2010 angegeben.
Für die Tätigkeit als Einzelunternehmer in der Branche 711 (Architektur- und Ingenieurbüros) sind Erträge/Betriebseinnahmen von 506.510 € und insgesamt Aufwendungen von -536.591,70 € sowie eine Korrektur (Steuerliche Mehr-/Weniger-Rechnung) von +100.000 € verzeichnet. Die in den Aufwendungen enthaltenen Übrigen Aufwendungen/Betriebsausgaben von -516.267,33 € beinhalten den Rückstellungsaufwand.
Der Beschwerdeführer selbst gab zur Frage, warum die Rückstellung bei der Tätigkeit "Planungsbüro" gebildet worden sei, an, dass er kein Buchhalter und Bilanzierer sei und der Steuerberater von ihm sämtliche Klagsunterlagen erhalten und die Rückstellung so eingebucht habe (siehe die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 07.04.2025 [OZ 91]).
Der stV des Beschwerdeführers führt in seinem Handout zur mündlichen Verhandlung am 07.04.2025 aus (OZ 91/5):
{ "type": "ol", "children": [ { "type": "li", "children": [ { "type": "em", "children": [ "[Bf] wurde als GF der Erstbeklagten GmbH als zweitbeklagte Partei geführt." ] } ] }, { "type": "li", "children": [ { "type": "em", "children": [ "Als GF, nicht als selbständiger Unternehmer, dessen Erfolg bilanziert und erklärt wurde." ] } ] }, { "type": "li", "children": [ { "type": "em", "children": [ "Es handelt sich nach den Recherchen des Verfassers dieser Zeilen um eine nicht bilanzierte und nicht erklärte Tätigkeit, die mit dem Einzelunternehmen von [Bf] nichts zu tun hat. Er bezog hieraus keine GF-Einnahmen und hat auch die Beteiligung nicht aktiviert." ] } ] }, { "type": "li", "children": [ { "type": "em", "children": [ "Konkret hat [Bf] deshalb auch keinerlei Einkünfte als GF (§ 22 Z 2 TS2 EstG) erklärt." ] } ] }, { "type": "li", "children": [ { "type": "em", "children": [ "Umsatzsteuerlich kann eine natürliche Person nur ein Unternehmen betreiben - ertragsteuerlich ist aber zwischen den unterschiedlichen Einkunftsquellen zu differenzieren." ] } ] }, { "type": "li", "children": [ { "type": "em", "children": [ "Hier konkret wurde eine Rückstellung im Einzelunternehmen gebildet, die dort offensichtlich überhaupt nichts verloren hat." ] } ] }, { "type": "li", "children": [ { "type": "em", "children": [ "Dem entsprechend war die Rückstellung im Ursprungsjahr der Bildung falsch." ] } ] }, { "type": "li", "children": [ { "type": "em", "children": [ "Eine nicht zu bildendende Rückstellung kann nicht in einem Folgejahr ertragswirksam aufgelöst werden (Grundsatz der Periodenrichtigkeit)." ] } ] }, { "type": "li", "children": [ { "type": "em", "children": [ "Prozesskosten und Schadenersatz sind nur dann abzugsfähig, wenn sie die Einkunftserzielungssphäre betreffen. Wenn jemand eine Tätigkeit ohne Verrechnung ausübt, dann stehen Prozesskosten und Schadenersatz nicht in Zusammenhang mit der Einkunftserzielung und wären dem entsprechend auch aus diesem Titel nicht abzugsfähig (vgl. EstR 2000 Rz 1621)." ] } ] } ], "attributes": { "class": "ListeAufzhlung", "style": "list-style-type: disc;" } }
Die Abgabenbehörde hat eine Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs. 2 EStG 1988 beantragt.
Der steuerliche Vertreter hat vorgebracht, dass hier eine Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs. 2 EStG 1988 unzulässig sei.
Die Parteien führen aus wie in den Schriftsätzen im bisherigen Verfahren.
Herr Mag. ***stV*** verweist auf den Vortrag des Senatsvorsitzenden und bring ergänzend vor, dass das Ersturteil und das Urteil des OLG im Jahr 2013 ergangen sind, weshalb eine Auflösung der Rückstellung im Jahr 2014 unzulässig wäre.
Herr Mag. ***FA*** bringt vor, dass der Bf. im Jahr 2010 etwas mehr als 266.000,- € aus der Geschäftsführertätigkeit bei der ***Y*** GmbH erklärt hat. Mag. ***FA*** bestätigt, dass betragsmäßig keine Einkünfte aus der ***X-GmbH_alt*** erklärt wurden.
Herr Mag. ***stV*** bringt vor, dass es sich um eine Eigenständige Tätigkeit handelt, die eigenständig zu erklären ist.
Der Vertreter des Finanzamtes beantragt die Abweisung der Beschwerden.
Der steuerliche Vertreter beantragt die Stattgabe der Beschwerden.
Die mündliche Verhandlung wurde nach Beratung und Abstimmung des Senates mit der Verkündung des Beschlusses, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt, geschlossen.
Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerden erwogen:
Ausgangspunkt der Entscheidung sind die oben unter "Sachverhalt" dargestellten (der Aktenlage zu entnehmenden) Umstände, die als festgestellt gelten.
Rückstellungen können für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden (§ 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988). Die Bildung von Rückstellungen ist nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist (§ 9 Abs. 3 EStG 1988). Die BEIBEHALTUNG von Rückstellungen ist daher nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall WEITERHIN mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist.
In der mündlichen Verhandlung am 07.04.2025 hat der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers vorgebracht, dass der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der ***X-GmbH_alt*** verklagt worden sei und der Einkommensteuererklärung 2010 keine Einnahmen aus dieser Tätigkeit zu entnehmen seien. Die Bildung einer unzulässigen Rückstellung könne nicht (nachträglich) durch eine Rückstellungsauflösung bereinigt werden.
Dazu ist festzustellen, dass in der Einkommensteuererklärung 2010 (OZ 94) mehrere Tätigkeiten angegeben wurden, und zwar als Einzelunternehmer in der Branche 701 (Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben) ohne Angabe von Einkünften (unter Angabe der Gewinnermittlungsart "Basispauschalierung gemäß § 17 Abs. 1"), als Einzelunternehmer in der Branche 662 (Mit Versicherungsdienstleistungen und Pensionskassen verbundene Tätigkeiten) mit Angabe von Einkünften von 414,04 € (unter Angabe der Gewinnermittlungsart "Basispauschalierung gemäß § 17 Abs. 1"), als Einzelunternehmer in der Branche 711 (Architektur- und Ingenieurbüros) mit Angabe von Einkünften von 66.891,40 € (unter Angabe der Gewinnermittlungsart "Bilanzierung gemäß § 4 Abs. 1") und als Einzelunternehmer in der Branche 141 "Herstellung von Bekleidung (ohne Pelzbekleidung)" ohne Angabe von Einkünften (unter Angabe der Gewinnermittlungsart "Bilanzierung gemäß § 4 Abs. 1").
Die Tätigkeit als Einzelunternehmer in der Branche 701 (Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben) ist erstmals in der Einkommensteuererklärung 2010 angegeben.
Für die Tätigkeit als Einzelunternehmer in der Branche 711 (Architektur- und Ingenieurbüros) sind Erträge/Betriebseinnahmen von 506.510 € und insgesamt Aufwendungen von -536.591,70 € sowie eine Korrektur (Steuerliche Mehr-/Weniger-Rechnung) von +100.000 € verzeichnet. Die in den Aufwendungen enthaltenen Übrigen Aufwendungen/Betriebsausgaben von -516.267,33 € beinhalten den Rückstellungsaufwand.
Der Beschwerdeführer selbst gab zur Frage, warum die Rückstellung bei der Tätigkeit "Planungsbüro" gebildet worden sei, an, dass er kein Buchhalter und Bilanzierer sei und der Steuerberater von ihm sämtliche Klagsunterlagen erhalten und die Rückstellung so eingebucht habe (siehe die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 07.04.2025 [OZ 91]).
Das Bundesfinanzgericht stellt daher fest, dass die anlässlich der im Jahr 2010 eingereichten zivilrechtlichen Klage gebildete Rückstellung nicht "zu Unrecht gebildet" wurde, sondern dass die Einkommensteuererklärung 2010 bloß insoweit unrichtig erstellt wurde, als der Rückstellungsaufwand nicht bei der in der Einkommensteuererklärung angegebenen Tätigkeit als Einzelunternehmer in der Branche 701 (Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben), sondern unrichtig bei der Tätigkeit als Einzelunternehmer in der Branche 711 (Architektur- und Ingenieurbüros) berücksichtigt wurde. Auf die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage des Beschwerdeführers für das Jahr 2010 hatte die unrichtige Erstellung der Steuererklärung keine betragsmäßige Auswirkung. Die solcherart unrichtige Erstellung der Einkommensteuererklärung ändert nichts daran, dass der im Jahr 2010 geltend gemachte Rückstellungsaufwand der angegebenen Tätigkeit als Einzelunternehmer in der Branche 701 (Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben) zuzurechnen ist und als einziger Aufwandsposten bei dieser Tätigkeit eine freiwillige Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 für diese Tätigkeit zum Ausdruck bringt. Macht der Steuerpflichtige einen Aufwand im Zusammenhang mit einer Tätigkeit geltend und erzielt in der Folge aus eigener Entscheidung keine Einnahmen (vgl. § 1152 ABGB, wonach ein angemessenes Entgelt als bedungen gilt, wenn im Vertrag kein Entgelt bestimmt und auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart ist), kann er sich nicht im Nachhinein zur Erlangung eines unrechtmäßigen steuerlichen Vorteils auf das Fehlen der Einkunftsquelleneigenschaft der Tätigkeit berufen.
Wenn der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nun erstmals vorbringt, dass die zivilgerichtlichen Entscheidungen bereits im Jahr 2013 ergangen seien und die Rückstellung deshalb schon in diesem Jahr aufzulösen gewesen wäre, so ist festzustellen, dass von Seiten des Beschwerdeführers im verwaltungsbehördlichen Verfahren unter Hinweis auf die "entsprechende Anpassung der Rückstellung" (Streitjahr 2014) selbst vorgebracht wurde, dass es zivilrechtlich zu einer Klärung der Angelegenheit gekommen sei, gleichzeitig aber ein diesbezügliches Strafverfahren sowie ein weiteres anderes Strafverfahren zunächst absehbar gewesen seien (siehe E-Mail des steuerlichen Vertreters vom 19.07.2019 [OZ 35]). Im Ergänzungsschreiben zur Beschwerde wurde von Seiten des Beschwerdeführers selbst vorgebracht, dass die Risiken, welche für die Bildung der Rückstellung aus seiner "Auseinandersetzung" mit der ***A-Gruppe*** vorhanden gewesen seien, noch immer vorhanden seien (siehe Schreiben vom 08.03.2020 [OZ 7]). Im Sinne dieses Vorbringens geht auch das Bundesfinanzgericht davon aus, dass eine durch die ***A-Gruppe*** veranlasste strafrechtliche Verfolgung des Beschwerdeführers nach dessen endgültigem persönlichem Obsiegen im Zivilrechtsstreit im Herbst 2013 und nach der Aufhebung des Konkurses der ***X-GmbH_neu*** (vormals ***X-GmbH_alt***) nach Schlussverteilung (Verteilungsmasse lediglich 16.562,24 €) im Juni 2014 hinreichend wahrscheinlich war (was in der langjährigen Sache im Übrigen bereits im Jahr 2009 die E-Mail des Rechtsanwalts ***RA*** an den Beschwerdeführer [OZ 113] belegt, wonach anlässlich des zuletzt geführten Gespräches seitens der Rechtsvertreter der ***A1-AG*** erhebliche Drohungen in Richtung strafbaren Verhalten im Zusammenhang mit der Einbringung der Liegenschaft ausgesprochen worden sei). Vor diesem Hintergrund und dem Vorbringen von Seiten des Beschwerdeführers im verwaltungsbehördlichen Verfahren trifft es nicht zu, dass die Rückstellung bereits im Jahr 2013 zwingend aufzulösen war.
Was die Rechtsmäßigkeit der abgabenbehördlichen Hinzurechnung (Auflösung) im Streitjahr 2014 betrifft, so hat die Abgabenbehörde in ihrer Begründung zu Recht zu erkennen gegeben, dass ein Fortdauern der Wahrscheinlichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung (bzw. eine sich daraus ergebende "messbare Verpflichtung") über das Jahr 2014 hinaus nicht festgestellt werden konnte. Selbst sechs Monate nach Aufhebung des Konkurses der ***X-GmbH_neu*** (vormals ***X-GmbH_alt***) waren von der ***A-Gruppe*** keine Veranlassungen betreffend die strafrechtliche Verfolgung des Beschwerdeführers getroffen worden, sodass die Rückstellung mit Ablauf des Streitjahres 2014 über das vom Beschwerdeführer vorgenommene Ausmaß aufzulösen war.
Dass die ***A-Gruppe*** im November 2017 (also fast drei Jahre später) schließlich doch noch eine strafrechtliche Verfolgung des Beschwerdeführers veranlasst hat (siehe die Sachverhaltsdarstellung der ***A2-GmbH*** und der ***B_neu*** Besitz GmbH an die Staatsanwaltschaft Wien vom 16.11.2017 [OZ 110/3]), war mit Ende des Jahres 2014 nicht mehr absehbar, sodass dies der Auflösung der Rückstellung mit Ablauf des Streitjahres 2014 nicht entgegensteht. Die Frage einer allfälligen erneuten Rückstellungsbildung im Jahr 2017 ist nicht Gegenstand dieser Beschwerdeentscheidung.
Zur Begründung der Wiederaufnahme des Verfahrens hat die Abgabenbehörde im Wiederaufnahmebescheid auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung verwiesen. In diesem Bericht wird im Abschnitt "Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO" zur Einkommensteuer 2014 auch auf die Textziffer 2 verwiesen, die wiederum auf den "Anhang zu Tz. 2 Rückstellung" verweist.
Aus dem im Betriebsprüfungsbericht gegebenen Hinweis auf einzelne Textziffern darf die Rechtsmittelbehörde im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO folgern, dass das Finanzamt die Wiederaufnahme auf den Neuerungstatbestand gestützt hat und die in den einzelnen Textziffern getroffenen Prüfungsfeststellungen jenen Tatsachenkomplex bilden, der nach Ansicht des Finanzamtes im Zuge der Prüfung neu hervorgekommen ist (vgl. VwGH 28.02.2012, 2008/15/0005).
Im "Anhang zu Tz. 2 Rückstellung " führt die Abgabenbehörde an, dass (zivilrechtliche) Verfahren mittlerweile in zwei Instanzen "entschieden und beigelegt" sei. Eine "messbare" Verpflichtung gegenüber Dritten habe über 2014 hinausgehend nicht festgestellt werden können. Dabei handelt es sich um im Zuge der Außenprüfung neu hervorgekommene Umstände im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO, die die Abgabenbehörde zur Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigt haben.
Im Hinblick auf die Höhe der sich aus diesem Streitpunkt ergebenden Nachforderung war die Wiederaufnahme des Verfahrens zweckmäßig. Gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens sprechende Unbilligkeitsgründe hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht und waren auch der Aktenlage nicht zu entnehmen.
Die Beschwerden gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2014 waren daher als unbegründet abzuweisen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.
Wien, am 30. Juni 2025