JudikaturBFG

RV/6100432/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Dr. Bruno Hübscher in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Thomas Bründl, Mondseerstraße 5, 5204 Straßwalchen, über die Beschwerde vom 21. Mai 2021 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 21. Dezember 2021 betreffend Glücksspielabgabe für die Monate März 2015 bis Dezember 2015, Jänner 2016 bis Dezember 2016 sowie Jänner 2017 bis Dezember 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtene Bescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2012 als alleiniger Gesellschafter die T-LTD (in der Folge: LTD) mit der Adresse Road-1, UK, gegründet; die Gesellschaft war in Österreich im Firmenbuch mit dem Geschäftszweig Sportwetten und Medientechnologie eingetragen. Am 22.1.2015 hat der Beschwerdeführer seine Gesellschaftsanteile an EA übertragen und war fortan (mit kurzen Unterbrechungen bis 31.8.2018) nur mehr als Dienstnehmer bei der 1 LTD beschäftigt. Die LTD ist in UK seit 26.3.2019 und in Österreich seit 3.7.2019 aus den öffentlichen Büchern gelöscht.

GSpA-Bescheide vom 21.4.2021

Anhand von Kontrollen durch die Finanzpolizei (2015, 2017 und 2018) und einer anschließenden Außenprüfung gemäß § 99 FinStrG, Abgabenkontonummer ***BF1StNr1***, hat das Finanzamt Österreich (FA) festgestellt, dass die LTD in Österreich an den Standorten X, und Y, in den Jahren 2015 bis 2017 illegales Glücksspiel mit Automaten betrieben und hierfür die Glücksspielabgaben (GSpA) weder angemeldet noch abgeführt hat. Laut Prüfbericht waren die LTD und ihr im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführer EA nur vorgeschoben, während tatsächlich der Beschwerdeführer die Geschäfte geführt hat. Aufgrund der Summe der Ermittlungsergebnisse hat das FA die Existenz der LTD steuerrechtlich nicht anerkannt und den Beschwerdeführer als Veranstalter der Ausspielungen und somit als Steuerschuldner identifiziert.

Daraufhin hat das FA gemäß § 201 Bundesabgabenordnung (BAO) betreffend die Zeiträume 3-12/2015, 1-12/2016 und 1-12/2017 (drei gesondert ausgefertigte) GSpA-Bescheide je vom 21.4.2021 erlassen, womit die GSpA für Ausspielungen im Sinne des § 57 Abs. 3 Glücksspielgesetz (GSpG) in geschätzter Höhe von insgesamt 795.324,60 € festgesetzt und dem Beschwerdeführer als Abgabenschuldner vorgeschrieben wurden.

Beschwerden vom 21.5.2021 und 2.6.2021

Am 21.5.2021 brachte der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter Beschwerde gegen die Glücksspielabgabenbescheide 03-12/2015, 01-12/2016 und 01-12/2017 mit dem Hinweis ein, dass die Begründung gesondert erfolgen würde.

Mit Schreiben vom 2.6.2021 wurde vom Beschwerdeführer durch seinen rechtlichen Vertreter nach Fristverlängerung ebenfalls Beschwerde eingebracht. Eine allfällige Haftung des Beschwerdeführers sei nicht geltend gemacht worden. Der Beschwerdeführer stellt den Antrag der Beschwerde Folge zu geben und die GSpA-Bescheide aufzuheben, in eventu mit "Null" festzusetzen oder die Sache zurückzuverweisen.

Da die Beschwerde vom 21.5.2021 vor der Beschwerde vom 2.6.2021 eingebracht wurde, ist die Beschwerde vom 21.5.2021 als rechtswirksame Beschwerde anzusehen. Das Schreiben vom 2.6.2021 wird als ergänzendes Schreiben gewertet.

Das FA hat die Beschwerde teilweise als gerechtfertigt angesehen und infolgedessen seine Rechtsansicht dahingehend geändert, dass der Beschwerdeführer nicht Veranstalter der Ausspielungen gewesen sei.

Aufgrund dieser neuen Würdigung der Prüfungsergebnisse hat das FA die folgenden Bescheide - alle gerichtet wiederum an den Beschwerdeführer als Bescheidadressaten - erlassen:

Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom 21.12.2021

Da die Abgabenfestsetzungen, wie vom Beschwerdeführer moniert, an den Beschwerdeführer als Abgabenschuldner und nicht als Haftenden ergangen sind, hat das FA die GSpA-Bescheide vom 21.4.2021 gemäß § 299 BAO als unrichtig aufgehoben. Der Beschwerdeführer sei nicht Veranstalter der Ausspielungen und somit nicht Steuerschuldner gemäß § 59 Abs. 2 GSpG gewesen, sodass sich die Bescheide als unrichtig erwiesen hätten.

Gleichzeitig hat das FA (die Bescheide vom 21.4.2021 ersetzende) Abgabenbescheide gemäß § 201 BAO erlassen und damit die GSpA der Höhe nach unverändert festgesetzt und Haftungsbescheide gemäß § 9a Abs. 1 BAO erlassen, mit denen es den Beschwerdeführer für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der LTD als Haftungspflichtigen gemäß § 9a iVm. §§ 80 ff BAO in Anspruch genommen hat.

Beschwerde vom 26.1.2022 (wegen Aufhebungs-, Abgaben- und Haftungsbeschiede)

Gegen die Bescheide vom 21.12.2021 wurde abermals mit Schreiben vom 26.1.2022 Beschwerde eingebracht. Der Beschwerdeführer führte aus, dass die Aufhebung der Bescheide vom 21.4.2021 unzulässig sei, da es sich nicht um eine Unrichtigkeit des Spruches, sondern um einen falschen Adressaten der Abgabenbescheide handle.

Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt gemäß § 253 BAO die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. § 253 BAO setzt die Erlassung des an die Stelle eines früheren Bescheides tretenden Bescheides vor Erledigung der Bescheidbeschwerde voraus (Ritz/Koran, BAO8 § 253 BAO Rz 8). Folglich ist im verfahrensgegenständlichen Fall die Beschwerde vom 21.5.2021 auch für die erst später erlassenen (21.12.2021) Bescheide heranzuziehen.

Das Vorbingen vom 26.1.2022 ist somit ebenfalls als ergänzender Schriftsatz zur Beschwerde vom 21.5.2021 zu qualifizieren.

Beschwerdevorentscheidung vom 15.5.2024

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 15.5.2024 wurde die Beschwerde vom 2.6.2021 samt ergänzender Begründung vom 26.1.2022 als unbegründet abgewiesen. Als Begründung wurde ausgeführt, dass mit dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 24.10.2023, RV/5100456/2023, die drei GSpA-Bescheide jeweils vom 21.4.2021 mit drei Aufhebungsbescheiden vom 21.12.2021 zu Recht aufgehoben wurden, an ihre Stelle jedoch die drei GSpA-Bescheide vom 21.12.2021 getreten sind. Die neuen Bescheide setzen lediglich die GSpA in der von der Prüfung ermittelten Höhe neuerlich fest.

Vorlageantrag vom 11.6.2024

Am 11.6.2024 beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und führt in seinem Schreiben aus, dass die Glücksspielbescheide vom 21.12.2021 fälschlicherweise gegen den Beschwerdeführer erlassen wurden. Er beruft sich auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 24.10.2023.

Am 23.12.2024 legte das Finanzamt Österreich den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Veranstalter ist die LTD und somit auch Abgabenschuldner. Der Beschwerdeführer, an den die Bescheide adressiert wurden, ist somit nicht Abgabenschuldner.

Bei den angefochtenen Bescheiden handelt es sich sowohl um Haftungs- als auch Abgabenbescheide.

Sache im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind nur die Abgabenbescheide. Die Abhandlung der Haftungsbescheide obliegt einem gesonderten Beschwerdeverfahren.

Das BFG hat bereits mit dem Erkenntnis vom 24.10.2023, RV/5100456/2023, zur Beschwerde gegen die Aufhebungsbescheide entschieden. Diesem Erkenntnis wird inhaltlich gefolgt.

2. Beweiswürdigung

Der oben dargestellte Verfahrensgang gibt auch den zu beurteilenden Sachverhalt wieder. Er ist von den Parteien des Verfahrens unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Sammelbescheid

Bei den verfahrensgegenständlichen Bescheiden handelt es sich um Sammelbescheide. Obwohl es dafür keine gesetzlichen Regeln gibt, ist es nach der Rechtsprechung zulässig, mehrere Abgaben in einem einzigen Schriftstück vorzuschreiben (VwGH 17.12.1996, 92/14/0214; 21.03.2005, 2003/17/0011; 18.06.2024, Ra 2023/13/0074).

Ein einzelnes Schriftstück enthält in diesem Fall mehrere Bescheide, die durch die klare Bezeichnung der jeweiligen Sache im Spruch (Abgabe, Zeitraum etc.) voneinander trennbar sind.

Im gegenständlichen Verfahren umfassen die Sammelbescheide sowohl die Abgabenbescheide gemäß § 201 BAO betreffend Glücksspielabgabe sowie die Haftungsbescheide gemäß § 9a Abs. 1 BAO. Abgesprochen wird im konkreten Verfahren jedoch nur über die Abgabenbescheide.

Antrag auf mündliche Verhandlung

Gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 setzt ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung einen rechtzeitigen Antrag des Beschwerdeführers voraus (Ritz/Koran, BAO8 § 274 BAO Rz 2).

Anträge, die erst in einem der Beschwerde (oder dem Vorlageantrag) ergänzenden Schreiben gestellt werden, begründen keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung (VwGH 17.05.2006, 2004/14/0102; 17.10.2007, 2006/13/0069; 27.06.2012, 2008/13/0148).

Im verfahrensgegenständlichen Fall wurde der Antrag auf mündliche Verhandlung im Schreiben vom 2.6.2021 gestellt. Dieses Schreiben ist jedoch lediglich als ergänzendes Schreiben zu qualifizieren, da die eigentliche Beschwerde bereits am 21.5.2021 eingebracht wurde. Indem der Antrag auf mündliche Verhandlung nur im ergänzenden Schreiben und nicht in der Beschwerde vorgebracht wurde, besteht kein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und wird davon abgesehen.

Wirkung der Firmenbuchlöschung

Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat nach österreichischem Recht deklarativen Charakter und führt nicht zum Verlust der Parteifähigkeit (VwGH 17.05.2004, 2003/17/0134; 24.02.2011, 2007/15/0112; 28.10.2014, Ro 2014/13/0035).

Bei der verfahrensgegenständlichen juristischen Person handelt es sich jedoch um eine Limited mit Sitz in Großbritannien und ist folglich englisches Recht anzuwenden. Demnach endet die Rechtsfähigkeit der Limited nach Maßgabe des englischen Gesellschaftsrechts konstitutiv bereits mit der Löschung im Gesellschaftsregister (OGH 13.9.2007, 6 Ob 146/06y). Sie ist nach der Löschung nicht mehr parteifähig.

Abgabenschuldner

Gemäß § 59 Abs. 2 GSpG sind im gegenständlichen Fall von Ausspielungen mit Glücksspielautomaten im Sinne des § 57 Abs. 3 GSpG Abgabenschuldner zur ungeteilten Hand der Vertragspartner des Spielteilnehmers, der Veranstalter der Ausspielung sowie der Vermittler und der wirtschaftliche Eigentümer der Automaten.

Das FA hat in seinen ursprünglichen Bescheiden vom 21.4.2021 die GSpA dem Beschwerdeführer vorgeschrieben; zur Begründung verweist das FA auf den Prüfbericht betreffend die LTD, welcher einen integrierten Bestandteil der Bescheide bildete. Lt. diesem Bericht hat das FA insbesondere aufgrund von diversen Zeugeneinvernahmen, der Angaben von EA und des Beschwerdeführers sowie sonstigen Ermittlungen den Beschwerdeführer als Veranstalter der Ausspielungen und somit als Steuerschuldner identifiziert, wohingegen die LTD sowie ihr nomineller Geschäftsführer, EA, lediglich zum Schein existierten, die Geschäfte jedoch vom Beschwerdeführer geführt worden seien. Demgegenüber hat das FA in den hier gegenständlichen Aufhebungsbescheiden dem Beschwerdeführer insofern Recht gegeben, als der Beschwerdeführer nicht Veranstalter der Ausspielungen gewesen sei und somit auch nicht Steuerschuldner.

Veranstalter im Sinne des Gesetzes ist jede natürliche oder juristische Person, die eine Veranstaltung abhält oder öffentlich oder der Behörde gegenüber als Veranstalter auftritt. Im Zweifel hat als Veranstalter zu gelten, wer über die Veranstaltungsstätte bzw. Betriebsräumlichkeit verfügungsberechtigt ist.

Als Veranstalter ist derjenige anzusehen, in dessen Namen oder auf dessen Rechnung der Spielapparat gehalten wird bzw. der die Ausspielung anbietet oder organisiert. Ist Veranstalter eine Kapitalgesellschaft, wird diese durch ihren handelsrechtlichen Geschäftsführer vertreten, welcher für die Einhaltung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen Sorge zu tragen hat. (vgl. BFG vom 10.10.2016, RV/7100866/2015).

In diesem Sinn hatte die LTD die Gewerbeberechtigung (Gastgewerbe) für den Standort Y, und hat als weitere Betriebsstätte den Standort X, gemeldet; die LTD war lt. Anlagenverzeichnis Eigentümerin der Glücksspielautomaten und hat auch Automatenerlöse in ihrer Buchhaltung ausgewiesen; die Räumlichkeiten, in denen die Glücksspielgeräte betriebsbereit aufgestellt waren, haben sich im Verfügungsbereich der LTD als Mieterin befunden und hat Letztere auch das Personal, das die Geräte bedient, zur Verfügung gestellt. Wie dem Prüfbericht zu entnehmen ist, waren bei den Kontrollen durch die Finanzpolizei vor Ort angetroffene Bedienstete (Frau Z und Frau R) bei der LTD angestellt. Auch wenn bei den Einvernahmen von Kunden (MM, IF, AD) teilweise als Chef, Geschäftsführer bzw. Verantwortlicher "W" genannt wurde, so war im Außenverhältnis bei einer Gesamtbetrachtung dennoch die LTD Vertragspartner der Spieler und somit Veranstalter der Ausspielungen.

Zum Beschwerdevorbringen, es sei keine Unrichtigkeit des Spruches vorgelegen, sondern lediglich ein falscher Adressat angegeben gewesen, ist auf § 93 BAO zu verweisen, wonach der Spruch auch die Person zu nennen hat, an die er ergeht (somit den Bescheidadressaten). Demnach gehört nach der Judikatur (VwGH 26.2.2013, 2010/15/0017) auch das Adressfeld zum Bescheidspruch (Ritz/Koran, BAO8 § 93 Tz 6) und erweist sich der Spruch der Bescheide aufgrund des falschen Adressaten, wie schon das FA zutreffend in seiner BVE vom 19.8.2022 ausgeführt hat, als nicht richtig (siehe BFG vom 24.10.2023, RV/5100456/2023).

Informativ wird mitgeteilt, dass das gegenständliche Beschwerdeverfahren lediglich die Abgabenbescheide betrifft und das Beschwerdeverfahren gegen die Haftungsbescheide noch offen ist.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Fall die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen eindeutig ist und das Erkenntnis auf die angeführte, bisherige Rechtsprechung des VwGH Bedacht genommen hat, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab.

 

Salzburg, am 12. Juni 2025

Rückverweise