JudikaturBFG

RV/7101813/2023 – BFG Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***BE*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 21. April 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 17. April 2023 betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe den Zeitraum März 2023 bis Juni 2023, OB ***1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Antrag vom 30. Jänner 2023 beantragte die Beschwerdeführerin die Verlängerung des Anspruchs auf Familienbeihilfe für ihre Tochter ***2***.

Mit Bescheid vom 17. April 2023 wies das Finanzamt den Antrag für den Zeitraum März 2023 bis Juni 2023 mit der Begründung ab, dass die Verlängerung des Anspruchs auf Familienbeihilfe über die Altersgrenze (24. Lebensjahr) hinaus infolge der COVID-19-Krise bereits berücksichtigt worden sei.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 21. April 2023 Beschwerde und machte geltend, dass ihr Anspruch bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ihrer Tochter zu verlängern sei, da diese ein dem Zivildienst gleichzusetzendes Umweltschutzjahr absolviert habe. Weiters habe ihre Tochter das Bachelorstudium in Mindeststudienzeit abgeschlossen, weshalb hier auch die Anrechnung eines Semesters auf den nächsten Studienabschnitt zustehe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22. Mai 2023 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Eine Verlängerung des Beihilfenanspruchs über die Altersgrenze hinaus sei nur bei Ableistung eines Präsenz- oder Zivildienstes möglich, es sich bei dem von der Tochter absolvierten Umweltschutzjahr jedoch um keine vergleichbare Tätigkeit handle.

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin am 25. Mai 2023 eine als Vorlageantrag zu wertende Beschwerde ein. Dass keine Verlängerung des Anspruchs auf Familienbeihilfe bis zum 25. Lebensjahr erfolge, da in der Zeit des Sozial- bzw Zivildienstjahres Familienbeihilfe bezogen worden sei, widerspreche den Angaben dazu auf der Finanzamtsseite. Dem Anhang sei zu entnehmen, dass die Familienbeihilfe bis zum 25. Lebensjahr verlängert werde, wenn ein Zivildienst, soziales Jahr oder Studium in Mindestzeit erfolge.

Mit Vorlageantrag vom 5. Juni 2023 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht mit dem Antrag auf Abweisung zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Tochter der Beschwerdeführerin, ***2***, ist im Juni 1998 geboren und hat im Juni 2022 das 24. Lebensjahr vollendet.

Die Tochter hat im Juni 2017 die Reifeprüfung abgelegt und ab dem Wintersemester 2017/2018 ihr Bachelorstudium an der WU Wien absolviert, das sie in der Mindeststudienzeit am 26. Juni 2020 abgeschlossen hat.

Anschließend hat sie von 1. September 2020 bis 30. Juni 2021 ein Freiwilliges Umweltschutzjahr absolviert. Dieses ist laut § 12c Zivildienstgesetz als Zivildienstersatz anerkannt.

Mit dem Wintersemester 2021/22 hat die Tochter ihr Masterstudium begonnen.

Die Familienbeihilfe wurde durchgehend bis einschließlich Februar 2023 bezogen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakt und ist unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. …

Nach § 2 Abs 1 lit g FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Kinder keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit l gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden.

Nach § 2 Abs 1 lit k FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und die sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs 1 lit b vorgesehenen Studiendauer.

Gemäß § 2 Abs 1 lit l FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die teilnehmen am aa) Freiwilligen Sozialen Jahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl I Nr 17/2012bb) Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl I Nr 17/2012,

Lit l des § 2 Abs 1 FLAG 1967 wurde durch BGBl I Nr 17/2012 eingefügt.

Das Freiwilligengesetz 2012, in dessen Abschnitt 2 das Freiwillige Umweltschutzjahr erstmals gesetzlich geregelt wurde, soll die Freiwilligentätigkeit fördern (siehe Seite 1 EB RV 1634 BlgNR, 24. GP). Auf Seite 14 der Erläuternden Bemerkungen ist zu den Änderungen in Familienlastenausgleichsgesetz angeführt: "Nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 wird die Familienbeihilfe für volljährige Kinder nur dann gewährt, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden. Da es sich bei der Absolvierung des Freiwilligen Sozialjahres, des Freiwilligen Umweltschutzjahres, sowie des Gedenkdienstes und des Friedens- und Sozialdienstes im Ausland aber um keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 handelt, wird eine Sonderregelung geschaffen, um die Gewährung der Familienbeihilfe sicherzustellen." Vor der Aufnahme der lit l in § 2 Abs 1 FLAG 1967 war die Regelung der lit k des § 2 Abs 1 FLAG 1967 auf diejenigen Kinder anwendbar, die vor Vollendung ihres 24. Lebensjahres eine freiwillige Hilfstätigkeit absolviert hatten; für die Dauer der freiwilligen Hilfstätigkeit stand damals keine Familienbeihilfe zu.

Nach § 55 Abs 19 FLAG 1967 gilt für das Inkrafttreten durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 17/2012 eingefügter Bestimmungen Folgendes samt ergänzender Maßgaben:

a) §§ 2 Abs 1 lit l und 6 Abs 2 lit k treten mit 1. Juni 2012 in Kraft,b) § 2 Abs 1 lit k ist bis 31. Dezember 2020 mit der Maßgabe anzuwenden, dass für Kinder, für die die Familienbeihilfe nach § 2 Abs 1 lit l gewährt wurde, ein Anspruch nach § 2 Abs 1 lit k ausgeschlossen ist, ….

§ 55 befindet sich im FLAG im Abschnitt der Übergangs- und Schlussbestimmungen. Sinn und Zweck der Übergangsbestimmung des § 55 Abs 19 lit b FLAG 1967 war eine Regelung, die sicherstellt, dass Kinder, die bereits für die Dauer der freiwilligen Tätigkeit (§ 2 Abs 1 lit l FLAG 1967) Familienbeihilfe ausbezahlt bekommen haben, über das 24. Lebensjahr hinaus keinen weiteren Anspruch auf Familienbeihilfe haben, auch wenn sie sich noch in Berufsausbildung befinden. Lediglich dann, wenn während der freiwilligen praktischen Hilfstätigkeit kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat, war lit k des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 aufgrund der genannten Übergangsregelung noch anwendbar und hat einen Anspruch um ein weiteres Jahr (bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Kindes) begründet. Die Übergangsregelung sollte eindeutig sicherstellen, dass durch die Einführung des § 2 Abs 1 lit l FLAG 1967 kein Kind doppelt begünstigt wurde (Familienbeihilfe während des Freiwilligendienstes und des Verlängerungsjahres) oder keinerlei Anspruch auf Familienbeihilfe (weder während des Freiwilligendienstes noch im Verlängerungsjahr) hatte (vgl BFG 14.11.2024, RV/3100398/2024).

Nach § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 verlängert sich die Anspruchsdauer nach Abs 1 lit b im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenen Studium infolge der COVID-19-Krise.

Die Tochter der Beschwerdeführerin hat im Juni 2022 das 24. Lebensjahr vollendet und sich im zweiten Semester ihres Masterstudiums befunden. Die Beschwerdeführerin bezog für sie in den Monaten September 2020 bis Juni 2021 Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs 1 lit l FLAG 1967, da ihre Tochter in diesen Monaten ein Freiwilliges Umweltschutzjahr absolvierte.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die Familienbeihilfe bis zum 25. Lebensjahr verlängert wird, wenn ein Zivildienst, soziales Jahr oder Studium in Mindestzeit absolviert wurde, ist Folgendes zu entgegnen:

Während der Teilnahme am Freiwilligen Umweltschutzjahr, das laut § 12c Zivildienstgesetz als Zivildienstersatz anerkannt ist, bestand für die Tochter der Beschwerdeführerin nach § 2 Abs 1 lit l FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe. Im Gegensatz dazu besteht während der Ableistung des Zivildienstes kein Beihilfenanspruch, weshalb bei Zutreffen der in § 2 Abs 1 lit g FLAG 1967 normierten Voraussetzungen die Altersgrenze längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres verlängert wird. Dieser Verlängerungstatbestand gilt jedoch nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung nicht, wenn für das Kind Familienbeihilfe nach lit l gewährt wurde und es nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen wird. Eine Verlängerung der Anspruchsdauer bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der Tochter aufgrund ihrer Teilnahme am Freiwilligen Umweltschutzjahr (für das die Familienbeihilfe gewährt wurde) kann daher aus § 2 Abs 1 lit g FLAG 1967 nicht abgeleitet werden.

Der Verlängerungstatbestand des § 2 Abs 1 lit k FLAG 1967 (Absolvierung einer freiwilligen praktischen Hilfstätigkeit) ist mit 31. Dezember 2020 ausgelaufen. Zudem ordnet § 55 Abs 19 lit b FLAG 1967 an, dass ein Anspruch nach § 2 Abs 1 lit k ausgeschlossen ist, wenn für Kinder, für die die Familienbeihilfe nach § 2 Abs 1 lit l - im gegenständlichen Fall während des Freiwilligen Umweltschutzjahres der Tochter - bezogen wurde.

Soweit die Tochter ihr Bachelorstudium in der Mindeststudiendauer absolviert hat, kann ein Toleranzsemester nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 nur innerhalb der Altersgrenze von 24 Jahren in den nächsten Abschnitt bzw in das Masterstudium mitgenommen werden. Es liegen auch nicht die Voraussetzungen für die Verlängerung der Anspruchsdauer bis zum Alter von 25 Jahren auf Grund eines Studiums mit einer Mindeststudiendauer von zehn Semestern vor, da ein Bachelorstudium ein eigenständiges Studium ist. Für die Berechnung, ob die gesetzliche Studiendauer zehn oder mehr Semester beträgt, ist ein daran anschließendes Masterstudium nicht miteinzubeziehen (vgl auch Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 Rz 33).

Es liegt somit kein Verlängerungstatbestand für einen Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der Tochter vor.

Das Finanzamt hat den Beihilfenanspruch im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise gemäß § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 über die Altersgrenze von 24 Jahren hinaus bis Februar 2023 verlängert. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin erfolgte daher zu Recht.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage liegt nicht vor, da sich die mangelnde Anspruchsberechtigung direkt aus den gesetzlichen Bestimmungen ergibt. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Salzburg, am 23. Juni 2025

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