IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Angelegenheit der Parteien
Dr. ***Bf1*** (Beschwerdeführer), vertreten durch die Mag. Peter Kopp Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, 1210 Wien und ***FA*** als Amtspartei und als Gesamtrechtsnachfolger des Finanzamtes Baa UGK
über die Beschwerde vom 19.10.2012 gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 4.10.2012 betreffend Änderung gem. § 295 Abs 1 BAO des Einkommensteuerbescheides 2005
zu Recht erkannt:
Der bekämpfte Bescheid wird aufgehoben.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Erkenntnis gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig (§ 25 a Abs 1 VwGG).
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang und Feststellungen
Mit Einkommensteuerbescheid 2005 vom 7.8.2007 wurde die ESt antragsgemäß festgesetzt. Der Bf ist zumindest seit 2005 Beteiligter der ***1*** GmbH & Atypisch Stille Gesellschaft, und erklärte ausschließlich deshalb negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Einkünfte des Bf aus Gewerbebetrieb wurden antragsgemäß bereits vor Erlassung des Feststellungsbescheides an die ***1*** GmbH & atypisch Still in Höhe von -4.042,90 € im Einkommensteuerbescheid angesetzt (ESt-Bescheid 2005 vom 7.8.2007). Die Einkommensteuer 2005 wurde in Höhe von 11.673,45 € angesetzt. Abzüglich der angesetzten Lohnsteuer ergab sich eine Gutschrift von -6.885,11 €.
Am 14.12.2009 erging der Erstbescheid im Feststellungsverfahren der ***1*** GmbH & Atypisch Still .
Mit Bescheidänderung gem. § 295 Abs 1 BAO vom 21. 12.2009 wurden im Einkommensteuerverfahren des Bf. die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von Null € angesetzt. Die Einkommensteuer 2005 wurde in Höhe von 13.496,95 € angesetzt. Abzüglich der anrechenbaren Lohnsteuer ergab sich eine festgesetzte ESt 2005 von -5.041,61 €. Diese Bescheidänderung erfolgte auf Grund des Feststellungsbescheides vom 14.12.2009 im Verfahren St.Nr.abc (FA KIN/IAT) an die ***1*** GmbH & atypisch Still. Die gegen die Bescheidänderung gem. § 295 Abs 1 BAO erhobene Berufung wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 21. 7. 2010 abgewiesen.
Mit Bescheid vom 30.8.2011 wurde allerdings der Bescheid gem. § 295 Abs 1 BAO vom 21.12.2009 aufgehoben. Durch diese Bescheidaufhebung wurde der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid 2005 vom 7.8.2007 wieder in Geltung gesetzt.
Sodann erging im Feststellungsverfahren der ***1*** GmbH & atypisch Still der Feststellungsbescheid vom 21.9.2012 unmittelbar zeitgleich mit einer Wiederaufnahme des Verfahrens. Dieser Feststellungsbescheid wurde jedem einzelnen Beteiligten gegenüber wirksam zugestellt (VwGH vom 19.10.2023, Ra 2023/13/0007). Die Zustellung dieses Feststellungsbescheides an den Bf zu Handen seiner steuerlichen Vertreterin erfolgte am 9.11.2012 (Vorlageantrag im ESt-Verfahren des Bf vom 24.2.2023, S. 2, unbestritten; RSb-Rückschein vom 9.11.2012 im Feststellungsverfahren St.Nr.abc).
Mit der im gegenständlichen Verfahren bekämpften Bescheidänderung gem. § 295 Abs 1 BAO vom 4.10.2012, zugestellt an den Bf jedenfalls vor dem 19.10.2012, wurden im ESt-Verfahren des Bf aufgrund des Feststellungsbescheides vom 21.9.2012 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2005 in Höhe von Null € angesetzt. Die ESt 2005 wurde dadurch in Höhe von 13.496,95 € angesetzt. Abzüglich der anrechenbaren Lohnsteuer ergab sich eine festgesetzte ESt 2005 von -5.041,61 €. Diese Bescheidänderung erfolgte auf Grund des Feststellungsbescheides im Verfahren St.Nr.abc an die ***1*** GmbH & atypisch Still (FA KIN/IAT) vom 21.9.2012, der allerdings dem Bf erst im November 2012 zugestellt wurde.
Die Zustellung des bekämpften Bescheides gem. § 295 BAO vom 4.10.2012 vor dem 19.10.2012 ergibt sich daraus, dass der Bf am 19.10.2012 bereits seine Beschwerde gegen diesen Bescheid per Fax eingebracht hat.
Gegen den im ESt-Verfahren ergangenen Bescheid gem. § 295 Abs 1 BAO vom 4.10.2012 wurde Berufung vom 19.10.2012 erhoben, die heute im gegenständlichen Verfahren als Beschwerde zu behandeln ist. In dieser Beschwerde wurde vorgebracht:
Es liege kein wirksam zugestellter Feststellungsbescheid in der Sache der ***1*** GmbH & atypisch Still vor. Daher gebe es keine Rechtsgrundlage für die Bescheidänderung gem. § 295 BAO.
Die Beschwerde vom 19.10.2012 wurde im gegenständlichen ESt-Verfahren mit Beschwerdevorentscheidung vom 24. 1. 2023 abgewiesen. In der Begründung wurde ausschließlich auf § 252 Abs 1 BAO hingewiesen.
Im Vorlageantrag vom 24. 2.2023 brachte der Bf vor: Es werde eine mündliche Verhandlung und eine Entscheidung des Senates beantragt. Es werde beantragt, den bekämpften ESt-Bescheid vom 4.10.2012 aufzuheben.
Der Feststellungsbescheid vom 21.9.2012 sei erst am 9.11.2012 zugestellt worden. Das Finanzamt hat dieses Vorbringen nicht bestritten.
Im Vorlagebericht des Finanzamtes vom 14.3.2023 wird in Bezug auf den Grundlagenbescheid vom 21.9.2012 im Feststellungsverfahren der ***1*** GmbH & atypisch Still auf das Erkenntnis des BFG vom 29.11.2022, RV/7100470/2014 und auf das Verfahren vor dem VwGH Ra 2023/13/0007 hingewiesen.
Mit Beschluss des VwGH vom 19.10.2023, Ra 2023/13/0007 wurden die Revisionen gegen das Erkenntnis des BFG über die Beschwerde gegen den Grundlagenbescheid vom 21.9.2012 zurückgewiesen. Der angefochtene Feststellungsbescheid im Verfahren der ***1*** GmbH & atypisch Still vom 21.12.2012 sei nicht unwirksam gewesen.
Der Bf zog den Antrag auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Telefax vom 11.6.2025 zurück.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Der Feststellungsbescheid vom 21.9.2012, der dem bekämpften Abgabenbescheid 2005 gem. § 295 Abs 1 BAO vom 4.10.2012 zu Grunde liegt, ist wirksam ergangen (VwGH vom 19.10.2023, Ra 2023/13/0007).
Allerdings ist nach Ansicht des BFG auch der Zeitpunkt der Zustellung des Feststellungsbescheides an den Bf von Bedeutung.
Wird ein Änderungsbescheid gemäß § 295 Abs 1 erlassen, obwohl der hierfür herangezogene Grundlagenbescheid noch nicht zugestellt worden ist , so ist diese Rechtswidrigkeit nicht dadurch sanierbar, dass nachträglich der Grundlagenbescheid zugestellt wird [vgl VwGH 24.11.1998, 93/14/0203; vgl. UFS 17.2.2005, RV/0570-I/03; vgl. UFS 10.3.2011, RV/0064-W/06; vgl. BFG 2.10.2019, RV/7103150/2018; vgl. VwGH 18.12.2019, Ra 2019/15/0154; vgl . BFG 15.4.2021, RV/7100431/2021; Siehe auch Ritz/Koran, BAO, 8. Aufl, § 295 Abs 4 , Rz 21a bis 21j; Ritz/Koran, BAO, 8. Aufl, § 295 TZ 13].
Der Feststellungsbescheid vom 21.9.2012 ist an den Bf erst am 9.11.2012 zugestellt worden (Vorlageantrag vom 19. 10.2012, unbestritten; RSb Rückschein vom 9.11. 2012 im Feststellungsverfahren 2005 St.Nr. St.Nr.abc). Zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Einkommensteuerbescheides gem. § 295 Abs 1 BAO vom 4.10.2012 - dieser bekämpfte ESt-Bescheid gem. § 295 Abs 1 BAO ist jedenfalls vor dem 19.10.2012 zugestellt worden- ist daher der Feststellungsbescheid gegenüber dem Bf noch nicht wirksam gewesen. Daher hatte das FA im Oktober 2012 nicht das Recht, den bekämpften Bescheid gem. § 295 Abs 1 BAO zu erlassen. Daher ist der bekämpfte Bescheid aufzuheben.
Zur Frage, ob eine Revision zulässig ist:
Die gegenständliche, bekämpfte Bescheidänderung gemäß § 295 Abs 1 BAO betreffend ESt 2005 vom 4.10.2012 wurde mit dem Feststellungsbescheid vom 21.9.2012, St.Nr.abc begründet. Der bekämpfte Bescheid gemäß § 295 BAO wurde jedenfalls vor dem 19.10.2012 dem Bf zugestellt. Der Feststellungsbescheid vom 21.9.2012 wurde dem Bf allerdings erst am 9.11.2012 zugestellt. Daher hätte der im gegenständlichen Verfahren erlassene Bescheid gem. § 295 Abs 1 BAO nicht erlassen werden dürfen [vgl VwGH 24.11.1998, 93/14/0203; vgl. UFS 17.2.2005, RV/0570-I/03; vgl. UFS 10.3.2011, RV/0064-W/06; vgl. BFG 2.10.2019, RV/7103150/2018; vgl. VwGH 18.12.2019, Ra 2019/15/0154; vgl . BFG 15.4.2021, RV/7100431/2021; Siehe auch Ritz/Koran, BAO, 8. Aufl, § 295 Abs 4 , Rz 21a bis 21j; Ritz/Koran, BAO, 8. Aufl, § 295 TZ 13].
Erhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von Art 133 Abs 4 B-VG haben sich nicht ergeben. Daher ist nach Ansicht des BFG eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am 12. Juni 2025