JudikaturBFG

RV/7101131/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike Stephan in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 18. November 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 16. Oktober 2024 betreffend Familienbeihilfe 06.2024-10.2024 Ordnungsnummer ***125*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2024 wurde die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kinder ***A***, SVNr. ***123*** für den Zeitraum Juni 2024 bis Oktober 2024 zurückgefordert/angerechnet. Im Rückforderungs-/Anrechnungsbetrag enthalten ist die anteilige Geschwisterstaffel für das Kind ***B***, SVNr. ***124***.

Begründet wurde der Bescheid wie folgt:

"Zu ***A***: Das Kind lebt nicht in Ihrem Haushalt und Sie leisten auch nicht überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind (§ 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967). Ihr Kind ***A*** lebt seit 4.6.2024 nicht mehr mit Ihnen im gemeinsamen Haushalt. Daher besteht kein Anspruch mehr auf Familienbeihilfe. […]"

2. Dagegen wurde am 18.11.2024 Beschwerde erhoben. Begründet wurde die Beschwerde wie folgt:

"[…] In der betroffenen Zeit bis Oktober wurde von mir ein großer Teil der notwendigen Aufwendungen für den Unterhalt meines Sohnes getragen. Hier nenne ich folgende Beispiele meiner Aufwendungen: Internatskosten monatlich bis Ende Schuljahr 2023/2024 Erhöhte Miete da ***A*** eigenes Zimmer hat Kulturelle und sportliche Aktivitäten Feriengestaltung wie Ausflüge und ein Urlaub in Tunesien, Ausflüge vor Ort (z.B. Starwars-Kulissen) Handyanmeldung Internetzugang Begleitung und Fahrten zu Arzttermine, Therapien und dazu die medizinische Versorgung Sonderklasseversicherung bei Uniqua Taxifahrten zum Psychologen wenn diese von mir nicht geleistet werden konnte Schulutensilien und weitere Schulkosten wie Kopiergeld, Unkostenbeiträge fürs Werken oder Workshops Lernapp Sofatutor online Nachhilfe Möbel bei Pflegeeltern Bett, Matratze, Kommoden, Bildschirm inklusive Transport und Leih LKW Lebensmittel, Essenszubereitungen und Besuche von Restaurants, ebenso Hygieneartikel diese wurden auch zu den Pflegeeltern mitgegeben Taschengeld und Jausengeld für Nachmittagsbetreuung bis zum Ende der Sommerferien hat ***A*** die überwiegende Zeit in meiner Obhut verbracht und im gemeinsamen Haushalt genächtigt. Ebenso wurde adäquate Kleidung zu Verfügung gestellt und alles notwendige für den Schulstart 2024/25 bereit gestellt Ich hoffe auf positiven Ausgang. […]"

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21. November 2024 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde begründet wie folgt:

"Sie haben am 18.11.2024, eingelangt am 18.11.2024, eine Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom 16.10.2024 betreffend die Familienbeihilfe für das Kind ***A*** im Zeitraum Juni 2024 bis Oktober 2024 beim ho Finanzamt eingebracht

Sie begründen Ihre Beschwerde damit, dass Sie die überwiegenden Unterhaltskosten von ***A*** getragen haben und er bis zum Ende der Sommerferien, also August 2024, in Ihrer Obhut war.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts ***L*** vom 04.06.2024 wurde Ihnen die Obsorge für ***A*** entzogen und an die Pflegeeltern von ***A*** übertragen. Aus dem Beschluss geht ebenfalls hervor, dass ***A*** jedenfalls bereits seit Juni 2024 im Haushalt der Pflegeeltern lebt. Die Änderung des Hauptwohnsitzes von ***A*** erfolgte jedoch erst am 04.09.2024.

Gemäß §2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind icht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 3 FLAG 1967 sind Kinder einer Person im Sinne dieses Abschnittes deren Nachkommen, deren Wahlkinder und deren Nachkommen, deren Stiefkinder und deren Pflegekinder.

Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Flaushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***L*** vom 04.06.2024 wurde festgestellt, dass ***A*** jedenfalls bereits seit Juni 2024 im Flaushalt der Pflegeeltern lebt. Ebenfalls wurde die Pflegeelterneigenschaft von den jetzigen Pflegeeltern festgestellt und die Obsorge für ***A*** an diese übertragen. Die Feststellung der Flaushaltzugehörigkeit zu den Pflegeeltern beruht insbesondere auf den Aussagen von ***A*** selbst.

Sie geben zwar an, dass ***A*** bis August 2024 in Ihrer Obhut war, jedoch widerspricht dies den Feststellungen des Bezirksgerichtes ***L***.

Bestätigungen über die Hauptwohnsitzmeldung können lediglich als Indiz für das Bestehen einer Wohngemeinschaft herangezogen werden. Sie sind jedoch nicht geeignet einen vollen Beweis des tatsächlichen Vorliegens einer Haushaltsgemeinschaft bzw. der Haushaltszugehörigkeit zu liefern (vgl. Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 2 (2) Rz (141)).

Auch wenn die Änderung des Hauptwohnsitzes von ***A*** erst mit 04.09.2024 erfolgte, stellt diese keinen Beweis für eine tatsächliche Haushaltszugehörigkeit zu Ihnen dar. Insbesondere da diese den Feststellungen des Bezirksgerichtes ***L*** widerspricht und aufgrund dessen von einer tatsächlichen Haushaltzugehörigkeit zu den Pflegeeltern auszugehen ist.

Aus § 2 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967 ergibt sich klar, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe einer Person, die die überwiegenden Unterhaltskosten für ein Kind trägt, subsidiär gegenüber dem Anspruch der Person ist, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Auch wenn Sie den überwiegenden Teil der Unterhaltskosten von ***A*** getragen haben sollten, besteht für Sie kein Anspruch auf Familienbeihilfe, da ***A*** seit Juni 2024 im gemeinsamen Haushalt mit den Pflegeeltern lebt. […]"

4. Mit Eingabe vom 16.12.2024 wurde die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

5. Mit Vorlagebericht vom 14.04.2025 wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

6. Am 22.05.2025 fand die mündliche Verhandlung statt. Ergänzend brachte die Beschwerdeführerin vor:

"Die Familienbeihilfe steht mir meiner Meinung nach bis September 2024 zu. ***A*** war bis Ende September bei mir wohnhaft in der ***Bf1-Adr***. Unter der Woche hätte sich ***A*** grundsätzlich im Internat befinden sollen (bis Juni 2024) in ***XY***. Im Sommer war ***A*** zu 50% bei mir. Anfang 2024 habe ich sein Zimmer neu eingerichtet. Mit den Pflegeeltern wurde Anfang 2024 vereinbart (über ***A***), dass die Bf. weiter die FB beziehen könne, wenn sie Unterhalt leistet. Über die Frage, wie oft im Zeitraum Juni 2024 bis September 2024 ***A*** bei der Bf. übernachtet hat, kann die Bf. keine genaue Auskunft, beziehungsweise Anzahl nennen. Im August 2024 waren wir jedenfalls 8 Tage (gemeinsamer Urlaub) zusammen. Die Schulsachen 2024 wurden von mir bezahlt."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin bezog im Zeitraum Juni 2024 bis Oktober 2024 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für Ihren im September 2008 geborenen Sohn ***A***.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***L*** vom 4. Juni 2024 wurde der Beschwerdeführerin die Pflege und Erziehung für das Kind ***A*** entzogen und an die Pflegeeltern Mag. ***X***, geb. am TT.10.1969, und ***Y***, geb. am TT.10.1965 übergeben.

Jedenfalls ab Juni 2024 war der Sohn der Beschwerdeführerin nicht mehr bei ihr haushaltszugehörig.

2. Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Beschwerdeverfahrens in freier Beweiswürdigung nach § 167 Abs 2 BAO zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (siehe VwGH 06.07.2006, 2006/15/0183, VwGH 24.10.2005, 2001/13/0263).

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Sohn der Beschwerdeführerin im Zeitraum Juni bis Oktober (in der mündlichen Verhandlung eingeschränkt auf September) bei der Beschwerdeführerin oder bereits bei den Pflegeeltern haushaltszugehörig war. Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihr Sohn sei im streitgegenständlichen Zeitraum weiterhin ihrem Haushalt zugehörig gewesen. Demgegenüber ergibt sich aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes ***L***, dass der Sohn bereits im Haushalt der Pflegeeltern eingegliedert war.

Aus der Begründung des Beschlusses: "Am 26.3.2024 beantragte der Minderjährige gemeinsam mit Mag. ***X*** und ***Y*** wie im Spruch ersichtlich (ON 70) und brachte vor, es bestehe seit langem ein enges Verhältnis mit ***Y*** und ***X***, deren Kinder fast schon so etwas wie Brüder für ihn seien. Aufgrund Differenzen mit seiner Mutter und Stiefschwester wolle er von ***Y*** und ***X*** betreut werden, bei denen er auch bereits faktisch wohne, wenn er nicht in der Schule sei. Mag. ***X*** und ***Y*** (ON 70) sowie die allein obsorgeberechtigte Mutter ***Bf1*** (ON 77) stimmten dem Antrag zu; auch die Großeltern sowie der Vater äußerten sich nicht ablehnend (ON 79, 80, 86). Nach Befassung des KJHT (ON 76) sowie persönlicher Anhörung von ***A***, Mag. ***X***, ***Y*** und ***Bf1*** steht fest, dass ein langjähriges enges Verhältnis iSd § 185 ABGB zwischen ***A*** einerseits und Mag. ***X*** sowie ***Y*** andererseits besteht, dass ***A*** bereits in den Haushalt der Familie eingegliedert ist sowie, dass die Pflege und Erziehung ***A*** durch Mag. ***X*** und ***Y*** langfristig übernommen werden soll. Da dies auch dem klaren Wunsch des Minderjährigen entspricht war dem Antrag zum Wohl von ***A*** stattzugegeben und spruchgemäß zu entscheiden." (Beschluss vom 4. Juni 2024 zu ***XYZ***)."

Die Beschwerdeführerin konnte keine Aufzeichnungen oder anderweitigen Nachweise über den tatsächlichen Aufenthalt des Sohnes im Zeitraum von Juni bis September vorlegen, insbesondere nicht hinsichtlich der Nächtigungen.

Dem Beschluss des Bezirksgerichtes kommt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein höherer Beweiswert zu, da dieser auf Grundlage eines strukturierten Verfahrens und unter Einbeziehung mehrerer Sachverhaltselemente ergangen ist. Es ist davon auszugehen, dass der ***A*** bereits ab Juni 2024 dem Haushalt der Pflegeeltern angehörte.

Der Behauptung der Beschwerdeführerin konnte daher nicht gefolgt werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967).

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

§ 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 stellt hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruches primär auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind ab und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz) darauf, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 steht der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig war, zwingend entgegen (VwGH 25.2.1987, 86/13/0158).

Da das anspruchsvermittelnde Kind im beschwerdegegenständlichen Zeitraum bereits zum Haushalt der Pflegeeltern gehörte, scheidet ein Beihilfenanspruch der Beschwerdeführerin aufgrund einer allfälligen überwiegenden Kostentragung zwingend aus. Auf die Höhe der von ihr weiterhin noch getragenen Kosten kommt es somit nicht an. Das Beschwerdevorbringen zur behaupteten überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten vermag daher der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrundeliegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Wien, am 27. Mai 2025

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