Bsw31179/96 – AUSL EKMR Entscheidung
Kopf
Europäische Kommission für Menschenrechte, Kammer I, Beschwerdesache P. E. gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 3.12.1997, Bsw. 31179/96.
Spruch
Art. 6 EMRK, Art. 8 EMRK, Art. 13 EMRK, Art. 5 7. ZP EMRK, § 148 ABGB, § 176 ABGB -
Besuchsrecht und Recht auf Telefonkontakt.
Unzulässigkeit der Beschwerde (einstimmig).
Text
Begründung:
Sachverhalt:
Die Ehe des Bf. wurde 1988 einvernehmlich geschieden. Das Obsorgerecht für die zwei gemeinsamen ehelichen Kinder wurde der Mutter im Rahmen eines Scheidungsvergleiches zugesprochen, die Regelung des Besuchsrechts des Bf. einer außergerichlichen Vereinbarung vorbehalten.
1993 stellte der Bf. beim zuständigen Bezirksgericht einen Antrag gemäß § 176 ABGB (Gerichtliche Verfügungen bei Gefährdung des Kindeswohles): Das Gericht möge ihm das Recht einräumen, seine Kinder 2 mal pro Woche zu vereinbarten Zeiten anzurufen, ferner möge seiner geschiedenen Gattin aufgetragen werden, diesen Telefonkontakt zu unterstützen. Als Begründung führte er an, dass der nunmehrige Lebensgefährte seiner geschiedenen Gattin - in dessen Haus auch die beiden ehelichen Kinder wohnen - den Telefonkontakt mit seinen Kindern verhindere, da er eine Geheimnummer beantragt und diese dem Bf. nicht bekanntgegeben habe. Dem Antrag wurde nicht stattgegeben, mit der Begründung, § 176 ABGB umfasse nicht das Recht auf Telefonverkehr zwischen Eltern und Kindern.
Dem dagegen erhobenen Rechtsmittel wurde stattgegeben und die Entscheidung an das Bezirksgericht zurückverwiesen. Aufgrund zahlreicher vorausgegangener Streitigkeiten zwischen dem Bf. und seiner geschiedenen Gattin wurde nun das Besuchsrecht des Bf. gerichtlich geregelt, sein Antrag auf Regelung des Telefonverkehrs jedoch erneut abgewiesen: Nach Angaben seiner geschiedenen Gattin hätten seine Anrufe ein solches Ausmaß angenommen, dass ihr Lebensgefährte und sie keine andere Möglichkeit mehr sahen als jene, eine Geheimnummer zu beantragen. Zudem könnten die Kinder ihren Vater jederzeit von einer öffentlichen Telefonzelle aus anrufen. Dagegen erhobene Rechtsmittel wurden abgewiesen
Rechtliche Beurteilung
Rechtsausführungen:
Der Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens), Art. 5 7.ZP EMRK (Gleichberechtigung der Ehegatten), Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) und Art. 13 EMRK (Recht auf eine wirksame Bsw. vor einer nationalen Instanz).
Zur behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK:
Der Bf. behauptet, die Weigerung der Gerichte, ihm das Recht auf Telefonkontakt zu gewähren, sei ein Eingriff in sein Recht auf Achtung des Familienlebens. Festgehalten wird, dass nach Scheidungen der Eltern ein Familienleben iSv. Art. 8 EMRK zwischen Eltern und Kindern weiterhin besteht (vgl. Keegan/IRL, Urteil v. 25.5.1994, A/290 § 44 = NL 94/3/13)
Die vom Bf. gerügten Entscheidungen der Gerichte stellen einen Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zu prüfen ist nun, ob der Eingriff iSd. in Art. 8 (2) EMRK angeführten Kriterien gerechtfertigt war: Die Entscheidungen der Gerichte waren gesetzlich vorgesehen (§ 148 ABGB), sie dienten einem legitimen Ziel (Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, hier des Lebensgefährten und der Kinder, die unter den Streitigkeiten ihrer Eltern litten) und waren in einer demokratischen Gesellschaft notwendig.
Der Beschwerdepunkt ist offensichtlich unbegründet (Art. 27 (2)
EMRK).
Zur behaupteten Verletzung von Art. 5 7.ZP EMRK:
Der Bf. rügt ganz allgemein die gesetzliche Regelung, dass bei Scheidungen das Obsorgerecht nur einem Elternteil zugesprochen wird, dem anderen Elternteil hingegen nur Mindestrechte. Dem Bf. wurde das Obsorgerecht im Jahr 1988 aberkannt, die vorliegende Bsw. an die Kms. am 10.1.1996 eingebracht. Der Beschwerdepunkt wird wegen Ablaufs der 6-Monate-Frist (Art. 26 EMRK) zurückgewiesen.
Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 EMRK:
Der Bf. rügt die mangelhafte Sachverhaltsfeststellung des Bezirksgerichtes bei der neuerlichen Verhandlung (nach Zurückverweisung der Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht). Der Beschwerdepunkt wurde im Verfahren vor den nationalen Instanzen nicht vorgebracht, somit wird er mangels Erschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges (Art. 26 EMRK) zurückgewiesen.
Zur behaupteten Verletzung von Art. 13 EMRK:
Der Bf. rügt die in seinem Fall fehlende Möglichkeit, direkt beim VfGH ein Gesetzesprüfungsverfahren einleiten zu können. Aus Art 13 EMRK kann ein Recht auf Normenkontrolle nicht abgeleitet werden. Der Beschwerdepunkt ist offensichtlich unbegründet (Art. 27 (2) EMRK). Die gesamte Bsw. wird für unzulässig erklärt (einstimmig).
Hinweis:
Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung der EKMR vom 3.12.1997, Bsw. 31179/96, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1998, 14) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.
Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut
(pdf-Format):
www.menschenrechte.ac.at/orig/98_1/P.E..pdf
Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.