JudikaturAUSL EKMR

Bsw27096/95 – AUSL EKMR Entscheidung

Entscheidung
10. September 1997

Kopf

Europäische Kommission für Menschenrechte, Kammer I, Beschwerdesache Josef Stettner gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 10.9.1997, Bsw. 27096/95.

Spruch

Art. 8 EMRK, § 18 Abs. 1 FrG, § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG - Aufenthaltsverbot und Art. 8 EMRK.

Zulässigkeit der Beschwerde (mehrheitlich).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Der Bf., ein austral. Staatsangehöriger, lebte seit seinem zweiten Lebensjahr mit einer unbefristeten Aufenthaltsbewilligung bei seiner Familie in Österreich. Einige Familienmitglieder haben die österr., andere die austral. Staatsbürgerschaft. Eine Schwester des Bf. lebt in Ungarn.

Im Alter von 20 Jahren wurde der Bf. wegen Bandenbildung und schweren Raubes zu vier Jahren Haft verurteilt. Ein dagegen erhobenes Rechtsmittel blieb erfolglos. In der Folge wurde von der Bundespolizeidirektion Wien ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 18 (1) und (2) Z. 1 FrG gegen ihn erlassen. Die Sicherheitsdirektion wies das dagegen erhobene Rechtsmittel ab: Das Aufenthaltsverbot stelle einen zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bf. dar. Dieser habe als Mitglied einer Bande mehrere Raubüberfälle verübt und - in einem Fall - ein Opfer sogar mit einem Messer bedroht. Von einem für die Zukunft zu erwartenden Wohlverhalten des Bf. könne in Anbetracht der Schwere der von ihm begangenen Straftaten nicht ausgegangen werden.

Der vom Bf. angerufene VfGH lehnte eine Behandlung der Bsw. ab. Die vor dem VwGH erhobene Bsw. wurde abgewiesen: Die Sicherheitsdirektion habe eine korrekte Beurteilung der Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Bf. und seiner Familie vorgenommen. Der Einwand des Bf., er beherrsche nicht die englische Sprache und habe keine Verwandten oder Freunde in Australien, sei irrelevant, da das Aufenthaltsverbot nur seinen weiteren Aufenthalt in Österreich verbiete und nicht regle, in welches Land er schließlich abgeschoben würde.

Nach zwei Jahren wurde der Bf. wegen guter Führung aus der Haft entlassen. Unmittelbar danach wurde er in Schubhaft genommen und - wie von ihm beantragt - nach Ungarn und nicht nach Australien abgeschoben.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. behauptet, das unbefristete Aufenthaltsverbot und seine Abschiebung hätten sein Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt.

Die Reg. wendet ein, beide Maßnahmen seien in Anbetracht der Schwere der Straftaten, nämlich Bandenbildung und schwerer Raub - in einem Fall unter Verwendung einer Waffe -, verhältnismäßig gewesen. Die Behauptung des Bf., er habe keine Bindung zu seinem Heimatstaat, sei irrelevant, da er - auf eigenen Wunsch - nach Ungarn abgeschoben wurde, weil er ungarisch spreche und dort bei seiner Schwester leben könne.

Der Bf. bestreitet das Vorliegen einer Notwendigkeit für das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot. Er lebe seit seinem zweiten Lebensjahr bei seiner Familie in Österreich, spreche Deutsch als Muttersprache und habe keinerlei Bindung zu seinem Heimatstaat, dessen Sprache er auch nicht beherrsche. Er sei lediglich einmal verurteilt worden und es habe sich dabei - da er die Straftaten im Alter von 20 Jahren verübt habe - um typische Jugenddelikte gehandelt. Man habe ihn wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen und außerdem festgestellt, es sei nicht zu vermuten, er würde erneut straffällig werden.

Die Bsw. wird für zulässig erklärt (mehrheitlich).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung der EKMR vom 10.9.1997, Bsw. 27096/95, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1997, 256) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt. Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut (pdf-Format): www.menschenrechte.ac.at/orig/97_6/Stettner.pdf

Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Rückverweise