Bsw27778/95 – AUSL EKMR Entscheidung
Kopf
Europäische Kommission für Menschenrechte, Kammer I, Beschwerdesache Johann Zipper gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 21.5.1997, Bsw. 27778/95.
Spruch
Art. 6 Abs. 1 EMRK - Berichtigung eines Strafurteils nach bereits erhobener Nichtigkeitsbeschwerde.
Unzulässigkeit der Beschwerde (einstimmig).
Text
Begründung:
Sachverhalt:
1993 wurde der Bf. vom Landesgericht (LG) für Strafsachen Wien zu 20 Monaten Haft wegen versuchten Diebstahls durch Einbruch verurteilt. Das Gericht stellte fest, der Bf. sei in ein Schwesternheim eingedrungen und habe dort die Tür zu einer Wohnung aufgebrochen. Dabei wurde er von der Bewohnerin eines Appartements überrascht. Vor Gericht gab der Bf. an, er hätte in dieser Wohnung nur jemanden gesucht, außerdem sei die Türe offen gewesen. Das Gericht folgte diesen Ausführungen nicht und hielt fest, dass der Bf. die Türe mit Hilfe eines Werkzeuges aufgebrochen hatte. Noch am Tatort war ein im Eigentum des Bf. befindliches Taschenmesser beschlagnahmt worden. Der Bf. behauptete hingegen, er hätte mit diesem Taschenmesser die Türe aus technischen Gründen gar nicht aufbrechen können und beantragte die Bestellung eines Sachverständigen. Das Gericht lehnte dies mit der Begründung ab, es könne nicht mehr genau festgestellt werden, ob der Bf. die Türe mit dem beschlagnahmten Taschenmesser oder mit einem anderen Werkzeug aufgebrochen habe.
Der Bf. erhob Nichtigkeitsbeschwerde an den OGH und Berufung an das OLG mit der Begründung, das LG habe seinen Antrag auf Bestellung eines Sachverständigen abgelehnt, ferner weise das Urteil Widersprüche auf: Einerseits werde behauptet, der Bf. hätte das beschlagnahmte Taschenmesser tatsächlich verwendet, andererseits könne nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, welches Werkzeug der Bf. tatsächlich benutzt habe.
Der OGH wies die Nichtigkeitsbeschwerde ab: Er könnte im vorliegenden Urteil keine Widersprüche feststellen. In diesem war von einem "Werkzeug, wahrscheinlich einem Taschenmesser" die Rede. Das OLG setzte die Strafe auf 15 Monate herab.
Während des Verfahrens nahm der Anwalt des Bf. Akteneinsicht. Die Urteilsausfertigung, die sich im Akt befand, war nachträglich handschriftlich berichtigt worden. Das Wort "Taschenmesser" wurde jeweils durch "Werkzeug, wahrscheinlich ein Taschenmesser" ersetzt. Diese berichtigte Urteilsfassung war weder dem Bf. noch seinem Rechtsanwalt je zugestellt worden.
Rechtliche Beurteilung
Rechtsausführungen:
Der Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (Recht auf ein faires Verfahren), da das Urteil nach Einbringen seiner Nichtigkeitsbeschwerde berichtigt wurde. Der OGH habe die Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen, da die ursprünglich vorhandenen Widersprüche beseitigt worden waren.
Festgestellt wird, dass die Berichtigung von "Taschenmesser" in "Werkzeug, wahrscheinlich ein Taschenmesser" nur geringfügig ist und den Bf. nicht in der wirksamen Ausübung seines Rechtes auf Erhebung eines Rechtsmittels beeinträchtigt hat. Außerdem ist die Ablehnung des Sachverständigen durch das Gericht allein deswegen erfolgt, weil eben nicht mehr genau festgestellt werden konnte, ob der Bf. nun mit dem beschlagnahmten Taschenmesser die Tür aufgebrochen hatte oder nicht.
Eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK kann nicht gefunden werden. Die Bsw. ist unzulässig (einstimmig).
Hinweis:
Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung der EKMR vom 21.5.1997, Bsw. 27778/95, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1997, 171) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt. Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut (pdf-Format): www.menschenrechte.ac.at/orig/97_4/Zipper.pdf
Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.