Bsw22714/93 – AUSL EKMR Entscheidung
Kopf
Europäische Kommission für Menschenrechte, Plenum, Beschwerdesache Alfred Worm gegen Österreich, Bericht vom 23.5.1996, Bsw. 22714/93.
Spruch
Art. 10 EMRK - Verurteilung wegen verbotener Einflussnahme auf ein Strafverfahren
und Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung.
Verletzung von Art. 10 EMRK (18:11 Stimmen).
Text
Begründung:
Sachverhalt:
Der Bf. verfasste in einer Wochenzeitschrift einen Artikel über ein gegen einen ehemaligen österr. Finanzminister laufendes Gerichtsverfahren wegen Abgabenhinterziehung. Da dem Artikel zu entnehmen war, dass der Bf. den Angeklagten für schuldig hielt, wurde er wegen verbotener Einflussnahme auf ein Strafverfahren verurteilt. (Vgl. die ZE v. 27.11.1995 = NL 96/1/7).
Rechtliche Beurteilung
Rechtsausführungen:
Der Bf. behauptet, seine Verurteilung verletze sein Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung. Er bestreitet die Notwendigkeit des Eingriffs mit der Begründung, es habe ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung bestanden. Er wollte sich lediglich zu den moralischen Verpflichtungen des Angeklagten sowie zu seinem Auftreten während der Verhandlung äußern. Ferner war der Angeklagte bereits idZ. wegen falscher Zeugenaussage verurteilt worden. Die Kms. hält fest, dass die Verurteilung des Bf. einen Eingriff in sein Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung darstellt. Sie war gesetzlich vorgesehen und verfolgte ein legitimes Ziel - die Aufrechterhaltung von Autorität und Unparteilichkeit der Rechtsprechung. Zu prüfen ist, ob die Begründung des Gerichts relevant und ausreichend ist für die Beurteilung, ob der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist: Das Gericht hat keine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung der verbotenen Einflussnahme auf ein Strafverfahren und jenem an Informationen über das Verhalten eines ehemaligen Finanzministers iZm. dem Vorwurf der Abgabenhinterziehung vorgenommen. Ferner wurde die relevante Textpassage isoliert vom Inhalt des gesamten Artikels beurteilt. Das Argument der Verteidigung, der Bf. habe sich bei seiner Schlussfolgerung auf das Vorbringen des Staatsanwaltes in der Hauptverhandlung bezogen, wurde nicht berücksichtigt. Trotz der Äußerungen des Bf. hinsichtlich der Schuld des Angeklagten, waren die Richter durchaus in der Lage, über diese Frage unabhängig zu entscheiden. Der Eingriff war unverhältnismäßig, Art. 10 EMRK wurde verletzt (18:11 Stimmen). Abweichende Meinungen Busuttil, Weitzel, Soyer, Schermers, Martinez, Liddy, Loucaides, Cabral Barreto, Bratza, Ress, Herndl:
Die Äußerungen des Bf. konnten nur so verstanden werden, dass er von der Schuld des Angeklagten überzeugt gewesen ist. Sie wurden zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, in dem die Unparteilichkeit der Laienrichter beeinflusst werden konnte. Der Eingriff war nicht unverhältnismäßig.
Hinweis:
Das vorliegende Dokument über den Bericht der EKMR vom 23.5.1996, Bsw.. 22714/93, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1996,107) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.
Der Bericht im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):
www.menschenrechte.ac.at/orig/96_4/Worm.pdf
Das Original des Berichts ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.