Bsw23464/94 – AUSL EKMR Entscheidung
Kopf
Europäische Kommission für Menschenrechte, Kammer I, Beschwerdesache Johann und Elisabeth Kühberger gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 28.6.1995, Bsw. 23464/94.
Spruch
Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 1 1. ZP EMRK - Präklusion des Anspruchs auf Umwidmungsentschädigung und "civil rights".
Unzulässigkeit der Beschwerde unter Art. 1 1. ZP EMRK (mehrheitlich).
Unzulässigkeit der Beschwerde unter Art. 6 Abs. 1 EMRK (mehrheitlich.
Text
Begründung:
Sachverhalt:
Die Bf., ein in Südafrika lebendes österr. Ehepaar, sind Eigentümer eines Grundstücks in Bad Aussee. Dieses war auf ihren Antrag hin am 27.7.1979 vom Bürgermeister als Bauland gewidmet worden. Anlässlich des beabsichtigten Verkaufs ihres Grundstückes erfuhren die Bf. am 15.7.1991 durch einen Brief der Gemeinde, dass ihr Grundstück durch den am 2.1.1982 in Kraft getretenen und durch Anschlag auf der Amtstafel kundgemachten Flächenwidmungsplan (Flwp.) zu Freiland umgewidmet worden war. Daraufhin beantragten sie am 19.7.1991 bei den Verwaltungsbehörden den Zuspruch einer Umwidmungsentschädigung nach § 34 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz (Stmk. ROG). Gleichzeitig stellten sie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG, da der Entschädigungsanspruch nach § 34 Stmk. ROG binnen einem Jahr nach Wirksamkeit der Umwidmung bei sonstigem Verlust des Anspruchs geltend zu machen ist. Die Bf. hatten jedoch aufgrund ihres Aufenthalts in Südafrika erstmals am 15.7.1991 von der Umwidmung erfahren. Die Verwaltungsbehörden lehnten den Wiedereinsetzungsantrag ab, da sich § 71 AVG nur auf verfahrensrechtliche Fristen beziehe, es sich aber bei der Frist des § 34 Stmk. ROG um eine materiellrechtliche handle. Der Entschädigungsantrag an sich wurde mit dem Hinweis auf die durch den Fristablauf eingetretene Präklusion des Anspruchs abgelehnt. Das den Bf. am 20.7.1993 zugestellte Erkenntnis des VwGH bestätigte die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden.
Rechtliche Beurteilung
Rechtsausführungen:
Die Bf. behaupten eine Verletzung von Art. 1 1.ZP EMRK (Recht auf Achtung des Eigentums) und von Art. 6 (1) EMRK (Recht auf ein faires Verfahren), weil ihnen der Flwp., der die Umwidmung verfügte und somit in ihr Eigentum eingriff, nicht persönlich (nach Südafrika) zugestellt worden war. Dies stelle eine Verletzung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts dar und mache das Verfahren über die Erlassung des Flwp. unfair. Zudem verletze die - trotz Unkenntnis von der Umwidmung - durch Fristablauf eingetretene Präklusion ihres Entschädigungsanspruchs das Recht auf Zugang zu einem Gericht gemäß Art. 6 (1) EMRK.
Zur Zulässigkeit der Bsw. (Art. 26 EMRK):
Gemäß Art. 26 EMRK kann sich die Kms. nur nach Erschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges und binnen sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung mit einer Angelegenheit befassen. Letztere sind innerstaatliche Rechtsbehelfe, die ausreichend effektiv sind, um in der Beschwerdeangelegenheit Abhilfe zu schaffen (vgl. EKMR, Bsw. 11763/85, Baner/S, Entsch. v. 9.3.1989, DR 60, 137). Die Entschädigungsansprüche waren nicht geeignet, gegen die behauptete Konventionsverletzung (begründet in der Nichtzustellung des Flwp.) Abhilfe zu schaffen: Der Flwp. ist 1981 erstellt worden; die Bf. haben erstmals durch den Brief vom 15.7.1991 von ihm Kenntnis erlangt, die sechsmonatige Frist des Art. 26 EMRK beginnt ab diesem Tag zu laufen. Die Bsw. an die Kms. wurde erst am 17.1.1994 erhoben und ist daher gemäß Art. 27 (3) EMRK zurückzuweisen (mehrheitlich).
Zur Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (Recht auf Zugang zu einem Gericht):
Die Kms. erinnert, dass Art. 6 EMRK nur auf Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen anwendbar ist, die von der innerstaatlichen Rechtsordnung in irgendeiner Weise anerkannt werden. Art. 6 EMRK garantiert keinen bestimmten materiell-rechtlichen Gehalt für die in den nationalen Rechtsordnungen enthaltenen zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen (vgl. Urteil Boden/S, A/125-B § 28). Zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung am 19.7.1991 hatten die Bf. nach österr. Recht keine Ersatzansprüche mehr. Das Verfahren über ihre Anträge beinhaltete somit keine Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen, das Recht auf Zugang zu einem Gericht kann daher nicht verletzt worden sein. Dieser Teil der Bsw. ist gemäß Art. 27 (2) EMRK zurückzuweisen (mehrheitlich).
Hinweis:
Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung der EKMR vom 28.6.1995, Bsw.Nr. 23464/94, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1995,183) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.
Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):
www.menschenrechte.ac.at/orig/95_5/Kuehberger v A_ZE.pdf
Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.