Bsw3041/19 – AUSL EGMR Entscheidung
Kopf
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer V, Beschwerdesache G. T. B. gg Spanien, Urteil vom 16.11.2023, Bsw. 3041/19.
Spruch
Art 8 EMRK - Positive Verpflichtung von Behörden bei fehlender Geburtsurkunde.
Zulässigkeit der Beschwerde (einstimmig).
Verletzung von Art 8 EMRK (einstimmig).
Entschädigung nach Art 41 EMRK: € 12.000,– für immateriellen Schaden; € 4.840,– für Kosten und Auslagen (einstimmig).
Text
Begründung:
Sachverhalt:
Der Bf, ein spanischer Staatsangehöriger, wurde im August 1985 von seiner spanischen Mutter (Frau X.) in Mexiko geboren. Seine Geburt wurde nicht ins Register des spanischen Konsulats eingetragen, kurz darauf wurde er mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Spanien zurückgeschickt. Der Bf war während mehrerer Zeiträume in behördlicher Obhut, so war er etwa im Zeitraum vom 29.12.1989 bis zum 15.1.1991 nach der freiwilligen Abgabe durch seine Mutter in einem Kinderheim, wobei die Behörden keine Schritte unternahmen, um die Eintragung seiner Geburt zu veranlassen oder ihm einen Personalausweis auszustellen.
Im September 1997, als der Bf zwölf Jahre alt war, beantragte seine Mutter die nachträgliche Eintragung seiner Geburt. Das Verfahren zur Erlangung der Geburtsurkunde verzögerte sich erheblich, weil die Mutter nicht in der Lage war, die für die Eintragung der Geburt erforderlichen Dokumente vorzulegen, und die Behörden auf deren Vorlage bestanden. Somit war den Behörden spätestens seit März 1999 bekannt, dass die Mutter des Bf keine Dokumente zum Nachweis der Geburten ihrer Söhne in Mexiko besaß und folglich auch keine Dokumente vorlegen konnte. Dennoch bestand das zentrale Standesamt im Oktober 2002 darauf, dass Frau X. weitere Schritte bei der Direktion für konsularische Angelegenheiten des Außenministeriums unternehmen musste, obwohl es eindeutige Hinweise darauf gab, dass sie in der Vergangenheit in den betreffenden Verwaltungsangelegenheiten nicht mit der vollen Sorgfalt gehandelt hatte und dass der Bf, eine minderjährige und schutzbedürftige Person, infolgedessen Gefahr lief, für einen erheblichen Zeitraum ohne Ausweispapiere zu bleiben [...]. Erst im Jänner 2004 wurde das Standesamt selbst aktiv und wandte sich direkt an die Direktion für konsularische Angelegenheiten des Außenministeriums. Die Geburt des Bf wurde erst im Jahr 2006, als er 21 Jahre alt war, registriert. Die Amtshaftungsklage des Bf, mit der er Ersatz für den Schaden geltend machte, der ihm durch die unangemessene Verzögerung bei der Ausstellung seines Personalausweises entstanden sei, blieb ebenso erfolglos wie das anschließende verwaltungsgerichtliche Verfahren.
Rechtliche Beurteilung
Rechtsausführungen:
Der Bf behauptete insb eine Verletzung von Art 8 EMRK (hier: Recht auf Achtung des Privatlebens), da er jahrelang keine Identitätsdokumente hatte und deshalb psychisch und physisch litt.
Zur behaupteten Verletzung von Art 8 EMRK
Zulässigkeit
(91) Der GH stellte betreffend die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs fest, dass der Bf in seiner Verfassungsbeschwerde [...] alle erlittenen Folgen vorgebracht hatte [...].
(93) In Bezug auf den Opferstatus [...] ist der GH der Ansicht, dass die Frage, ob die Verzögerung und die Probleme bei der Registrierung der Geburt des Bf und der Ausstellung eines Personalausweises den Handlungen und Unterlassungen der Behörden oder dem Verhalten des Bf und/oder seiner Mutter zuzuschreiben sind, in Wirklichkeit ein Vorbringen zur Begründetheit der Beschwerde ist. [...]
(94) Der Bf brachte erstens vor [...], dass die Behörden das Verfahren zur Eintragung seiner Geburt nie eingeleitet oder fortgesetzt hätten, obwohl sie dies hätten tun müssen, da er minderjährig gewesen und während bestimmter Zeiträume unter behördlicher Obhut gestanden sei. Zweitens machte er geltend, dass die Verzögerung bei der Eintragung seiner Geburt durch die ständigen und unnötigen Hindernisse verursacht worden sei, welche die Behörden bei der Anforderung von Dokumenten und Informationen, von denen bekannt war, dass sie nicht verfügbar waren, verursacht hätten.
[Der GH stellt fest, dass das Vorbringen weder offensichtlich unbegründet noch aus einem anderen in Art 35 EMRK angeführten Grund unzulässig ist. Es ist daher für zulässig zu erklären (einstimmig).]
In der Sache
(112) Der GH stellt erneut klar, dass der Begriff des Privatlebens die physische und psychische Integrität einer Person umfasst und mehrere Aspekte der physischen und sozialen Identität einschließen kann [...].
(113) Die Achtung des Privatlebens erfordert [...], dass jeder in der Lage sein sollte, Einzelheiten seiner Identität als individueller Mensch festzustellen [...]. Vom GH wurden auch die bedeutenden Auswirkungen anerkannt, die die Vorschriften über die Geburtseintragung und den Zugang zu Ausweispapieren auf die persönliche Autonomie haben können [...].
(114) [...] [Aus Art 8 EMRK ergeben sich] auch positive Verpflichtungen, die mit einer wirksamen Achtung des Privat- und Familienlebens verbunden sind [...].
(115) [...] Es geht um die Frage, ob die angebliche Verpflichtung eng und präzise oder weit und unbestimmt ist [...] bzw um das Ausmaß der Belastung, die die Verpflichtung dem Staat auferlegen würde. Bei der Entscheidung, wie sie ihren positiven Verpflichtungen nachkommen, verfügen die Staaten über einen weiten Ermessensspielraum [...]. Wenn ein besonders wichtiger Aspekt der Existenz oder der Identität einer Person auf dem Spiel steht, wird der dem Staat eingeräumte Ermessensspielraum eingeschränkt [...].
(116) Der GH stellt insoweit fest, dass [...] die Geburtsregistrierung nicht nur die Meldung des Geburtsvorgangs bei den Standesbeamten und die amtliche Eintragung der Geburt durch die Standesbeamten umfasst, sondern auch die tatsächliche Ausstellung einer Geburtsurkunde, die den Nachweis der rechtlichen Anerkennung des Kindes durch den Staat darstellt.
(118) Der GH weist darauf hin, dass [...] Hindernisse bei der Erlangung der Registrierung der Geburt und der daraus resultierende fehlende Zugang zu Ausweispapieren schwerwiegende Auswirkungen auf das Gefühl der Identität einer Person als individueller Mensch haben können. Darüber hinaus kann das Fehlen einer Geburtsregistrierung und gültiger Ausweisdokumente erhebliche Probleme im täglichen Leben einer Person verursachen, insb auf der Verwaltungsebene [...] und im Bereich der Bildung. Die Tatsache, dass die Identität einer Person nicht festgestellt werden kann, stellt somit einen Eingriff in die persönliche Autonomie dar und steht in direktem Zusammenhang mit dem Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art 8 EMRK. Die Bedeutung der Geburtsregistrierung und damit auch anderer gültiger Ausweisdokumente wurde auch von weiteren internationalen Gremien unterstrichen. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat [...] deutlich darauf hingewiesen, dass das Fehlen einer Geburtsregistrierung eine Form der Vernachlässigung und der fahrlässigen Behandlung sein kann, wenn die für die Betreuung des Kindes verantwortlichen Personen über die Mittel, das Wissen und den Zugang zu Diensten verfügen [...]. In Anbetracht der obigen Ausführungen kommt der GH zu dem Schluss, dass das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art 8 EMRK so zu verstehen ist, dass es grundsätzlich ein individuelles Recht auf Eintragung der Geburt und folglich auf Zugang zu anderen Identitätsdokumenten umfasst.
(119) Das Recht auf Ausstellung einer Geburtsurkunde und, auf deren Grundlage, anderer Identitätsdokumente durch die zuständigen staatlichen Behörden für Personen, die ihrer Hoheitsgewalt unterstehen, setzt voraus, dass die betreffenden Personen eine Reihe von materiell- und verfahrensrechtlichen Anforderungen erfüllen, die im innerstaatlichen Recht vorgesehen sind. Zu diesen Anforderungen kann die Vorschrift gehören, dass die Ausstellung von Ausweispapieren von der betreffenden Person, ihren gesetzlichen Vertretern oder einer anderen gesetzlich bestimmten Person oder Institution beantragt werden muss. Der GH vertritt die Auffassung, dass die Wahrung der Kohärenz und Zuverlässigkeit der Personenstandsregister und im weiteren Sinne der Rechtssicherheit ein wichtiges Ziel des Allgemeininteresses darstellen und grundsätzlich strenge Verfahren für die Registrierung von Geburten rechtfertigen, insb wenn diese außerhalb des Hoheitsgebiets des betreffenden Staates stattgefunden haben. Die Staaten verfügen über einen weiten Ermessensspielraum hinsichtlich der geeigneten Mittel, um die Ausübung des – aus Art 8 EMRK ableitbaren – Rechts auf Geburtsregistrierung und folglich den Zugang zu Ausweispapieren zu gewährleisten [...].
(120) Gegenständlich besteht kein Zweifel daran, dass nach spanischem Recht das Verfahren zur Eintragung der Geburt einer Person und zur anschließenden Ausstellung von Ausweispapieren klar und vorhersehbar ist [...]. Der GH weist darauf hin, dass nach spanischem Recht die Hauptverantwortung für die Durchführung der für die Eintragung der Geburt und die Beschaffung von Ausweisdokumenten eines Kindes erforderlichen Verwaltungsschritte normalerweise bei den Eltern liegt [...].
(122) Der GH ist der Auffassung, dass eine gewisse Anpassungsfähigkeit der Standardverfahren für die Ausstellung von Identitätsdokumenten erforderlich sein kann, wenn die Umstände dies zwingend erfordern, um wichtige, durch Art 8 EMRK geschützte Interessen zu wahren. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang etwa das Recht einer Person, ihre Geburt registrieren zu lassen und auf dieser Grundlage Zugang zu Ausweispapieren zu erhalten. Der GH weist darauf hin, dass die Rüge des Bf im vorliegenden Fall im Kern nicht darin besteht, dass der Staat aufgrund seiner Handlungen in einer bestimmten Weise seine Rechte verletzt hat, sondern darin, dass er es unterlassen hat, dort tätig zu werden, wo er es seiner Ansicht nach hätte tun müssen [...]. Der Bf rügt insb, dass die Behörden ihre positiven Verpflichtungen aus Art 8 EMRK in einer Situation nicht beachtet hätten, in der sein Recht auf Achtung seines Privatlebens als Minderjähriger gefährdet gewesen sei. Dem GH stellt sich nicht die Frage, ob das Verfahren zur Eintragung der Geburt des Bf als solches angemessen war, sondern ob die Behörden eine positive Verpflichtung hatten, dafür zu sorgen, dass ein gerechter Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen gefunden wurde, um insb sicherzustellen, dass das Recht des Bf auf eine anerkannte Identität nach Art 8 EMRK nicht verletzt wurde.
(123) [...] Der GH stellt fest, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Minderjährigen handelt, der seit 1996, im Alter von elf Jahren, psychische Störungen aufwies und bei dem im Jahr 2002 verschiedene psychiatrische Erkrankungen diagnostiziert wurden [...] und dessen einziger verfügbarer Elternteil es versäumt hat, sich um die Registrierung seiner Geburt zu bemühen. Auch das Fehlen von Ausweisdokumenten hatte zumindest in gewissem Umfang Auswirkungen auf die Fähigkeit des Bf, akademische Studien und Ausbildungen zu absolvieren; es war ihm unmöglich, feste Arbeitsverträge zu erhalten, was seine Fähigkeit beeinträchtigte, sein Privat- und Familienleben zu organisieren, und dazu beitrug, seine Gefühle von Angst und Bedrängnis zu verstärken.
(124) Der GH ist [...] der Auffassung, dass es im vorliegenden Fall den Behörden oblag, im Interesse des Kindes, dessen Geburtseintragung beantragt wurde, zu handeln, um die Versäumnisse der Mutter auszugleichen und zu verhindern, dass das Kind ohne Eintragung und damit ohne Ausweispapiere bleibt. Die Behörden hatten somit eine positive Verpflichtung aus Art 8 EMRK, mit der gebotenen Sorgfalt zu handeln, um dem Bf zu helfen, seine Geburtsurkunde und seine Ausweispapiere zu erhalten, um damit die tatsächliche Achtung seines Privatlebens zu gewährleisten [...]. Der GH stimmt mit der Regierung überein, dass es notwendig war, sicherzustellen, dass die bereitgestellten Informationen zuverlässig waren, bevor die Eintragung der Geburt des Bf vorgenommen wurde. Der Schutz der öffentlichen Ordnung in dieser Hinsicht war jedoch nicht unvereinbar mit der Unterstützung einer Person wie dem Bf, der aufgrund gesundheitlicher und sozialer Faktoren erhöht schutzbedürftig ist [...].
(125) Sohin ist erstens zu prüfen [...], ab welchem Zeitpunkt die Behörden von der besonderen Situation hinreichend Kenntnis hatten, um ihrer positiven Verpflichtung nachzukommen, und zweitens, ob sie angemessene Maßnahmen zur Erfüllung dieser Verpflichtung getroffen haben.
(126) Betreffend den Zeitpunkt, an dem den Behörden die Notwendigkeit bewusst wurde, angesichts der Untätigkeit der Mutter des Bf selbst tätig zu werden, um dessen Recht auf Privatleben zu schützen, stellt der GH fest, dass verschiedene Behörden während des größten Teils des Lebens des Bf über seine schutzbedürftige Situation Bescheid wussten: als er in öffentlichen Schulen eingeschrieben war, aber die Schule nicht besuchte, was sogar dem Jugendamt gemeldet wurde [...]; als Jugendlicher, als er mehrere Straftaten beging und zu Strafmaßnahmen verurteilt wurde [...]; als er erfolglos versuchte, sich für eine akademische oder berufliche Ausbildung einzuschreiben oder diese abzuschließen [...]; als bei ihm schwere psychiatrische und psychologische Störungen diagnostiziert wurden [...].
(127) [...] Es kann davon ausgegangen werden, dass die Meldebehörden von den Schwierigkeiten des Bf, seine Geburt eintragen zu lassen und infolgedessen einen Personalausweis zu erhalten, irgendwann Mitte 1999 Kenntnis erlangten, als das Verfahren wegen der Unmöglichkeit, seine Mutter vorzuladen, ausgesetzt werden musste [...]. Spätestens ab Mai 2002, als klar wurde, dass die Mutter des Bf keine anderen als die von ihr vorgelegten Dokumente würde vorlegen können [...], muss es für die zuständigen Behörden offensichtlich gewesen sein, dass positive Maßnahmen erforderlich waren, um sicherzustellen, dass der Bf nicht ohne registrierte Identität blieb. In Anbetracht des Vorstehenden ist der GH der Auffassung, dass die positive Verpflichtung der Behörden und insb des Zentralen Standesamts, den Bf bei der Eintragung seiner Geburt zu unterstützen und in dieser Hinsicht mit der gebotenen Sorgfalt zu handeln, ab Mai 2002 vorlag.
(128) [...] Am 11.1.2005 erschien Frau X. mit ihren Söhnen beim Standesamt von La Laguna und beantragte die dringende Eintragung der Geburt ihrer Kinder, wobei sie erneut geltend machte, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, Geburtsurkunden vorzulegen, und dass sie bereits alles vorgelegt habe, was sich in ihrem Besitz befinde, dh ihre eigene Geburtsurkunde, ihren Reisepass und ihre Sozialversicherungskarte [...], die Wohnsitzbescheinigung für alle drei Kinder, eine Kopie der Verwaltungsakte über den Antrag auf verspätete Eintragung ihrer Geburt sowie ihre wiederholten Anträge beim Zentralen Standesamt [...].
(129) Erst nachdem sich diese Bemühungen als erfolglos erwiesen hatten, [...] wurde ein neuer Termin für die »Anerkennung« der Söhne von Frau X. vor dem Gericht in La Lagunga festgelegt. Dieser Termin fand am 13.5.2005 statt: Frau X. erkannte ihre Kinder in einer Anhörung vor dem Richter an, die Schwester des Bf bestätigte ebenfalls ihre Beziehung, und der Bf und sein Bruder stimmten der Anerkennung durch ihre Mutter und der Eintragung ihrer Geburt zu. Sie wurden alle vom Gerichtsmediziner untersucht, der ihr biologisches Alter bestätigte, und es wurden Dekrete veröffentlicht, um die Anerkennung offiziell zu machen [...]. Trotzdem wurde Frau X. einige Monate später erneut aufgefordert, die Bescheinigungen über die von ihren Söhnen absolvierten Studien vorzulegen, was sie nach eigenen Angaben nicht schaffte. Daher wurde schließlich der verspäteten Eintragung der Geburt zugestimmt und die Geburt des Bf wurde im Jahr 2006 eingetragen. Insgesamt vergingen vier Jahre zwischen dem Zeitpunkt, an dem den Behörden klar wurde, dass die Mutter des Bf keine weiteren Unterlagen zur Eintragung der Geburt ihres Sohnes beibringen konnte, und der tatsächlichen Eintragung. Der GH ist der Auffassung, dass es nicht gerechtfertigt war, die »Anerkennung«, die die einzige Möglichkeit zu sein schien, die Mutter-Sohn-Beziehung zu beweisen, und damit die Ausstellung einer Geburtsurkunde für den Bf bis Mai 2005 hinauszuzögern, da es keine einschlägigen mexikanischen Dokumente gab. Daher sind die Behörden nach Ansicht des GH ihrer positiven Verpflichtung, dem Bf bei der Beschaffung einer Geburtsurkunde und der damit zusammenhängenden Ausweisdokumente zu helfen, nicht hinreichend angemessen und rechtzeitig nachgekommen, denn seit 2002 war klar, dass er diese Hilfe benötigte; sie haben lediglich auf die Verantwortung der Mutter des Bf für die Erfüllung aller gesetzlich festgelegten Kriterien bestanden, obwohl sie wussten, dass keine weiteren Dokumente über die Geburt des Bf in Mexiko gefunden werden würden, und die besondere Schutzbedürftigkeit des Bf außer Acht gelassen.
(130) [...] Der GH ist der Auffassung, dass die Behörden ihrer positiven Verpflichtung, mit der gebotenen Sorgfalt zu handeln, um dem Bf bei der Eintragung seiner Geburt und folglich bei der Beschaffung seiner Ausweispapiere zu helfen, nicht nachgekommen sind.
(131) Folglich hat eine Verletzung der positiven Verpflichtungen der Behörden bei der Sicherstellung der Inanspruchnahme des Rechts des Bf auf Achtung seines Privatlebens gemäß Art 8 EMRK stattgefunden (einstimmig).
Entschädigung nach Art 41 EMRK € 12.000,– für immateriellen Schaden; € 4.840,– für Kosten und Auslagen (einstimmig).
Vom GH zitierte Judikatur:
Botta/IT, 24.2.1998, 21439/93 = NL 1998, 66 = ÖJZ 1999, 76
Christine Goodwin/GB, 11.7.2002, 28957/95 (GK) = NL 2002, 145 = ÖJZ 2003, 766
Smirnova/RU, 24.7.2003, 46133/99, 48183/99 = NL 2003, 217
Wainwright/GB, 26.9.2006, 12350/04 = NL 2006, 232
M./CH, 26.4.2011, 41199/06 = NLMR 2011, 104
Bărbulescu/RO, 5.9.2017, 61496/08 (GK) = NLMR 2017, 430
Lozovyye/RU, 24.4.2018, 4587/09 = NLMR 2018, 243
Hinweis:
Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 16.11.2023, Bsw. 3041/19, entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NLMR 2023, 560) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.
Das Original des Urteils ist auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.