JudikaturAUSL EGMR

Bsw11138/10 – AUSL EGMR Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2016

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Große Kammer, Beschwerdesache Mozer gg. Moldawien und Russland, Urteil vom 23.2.2016, Bsw. 11138/10.

Spruch

Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 5 Abs. 1 EMRK, Art. 5 Abs. 4 EMRK, Art. 8 EMRK und Art. 9 EMRK, Art. 13 EMRK, Art. 17 EMRK - Verantwortlichkeit Russlands für Freiheitsentziehung durch Gerichte in Transnistrien.

Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 2 EMRK (einstimmig).

Keine gesonderte Prüfung von Art. 2 EMRK (einstimmig).

Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 3 EMRK (einstimmig).

Keine Verletzung von Art. 3 EMRK durch Moldawien (16:1 Stimmen).

Verletzung von Art. 3 EMRK durch Russland (16:1 Stimmen).

Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 5 Abs. 1 EMRK (einstimmig).

Keine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK durch Moldawien (16:1 Stimmen).

Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK durch Russland (16:1 Stimmen).

Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 5 Abs. 4 EMRK (einstimmig).

Keine gesonderte Prüfung von Art. 5 Abs. 4 EMRK (einstimmig).

Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 8 EMRK und Art. 9 EMRK (einstimmig).

Keine Verletzung von Art. 8 EMRK und Art. 9 EMRK durch Moldawien (16:1 Stimmen).

Verletzung von Art. 8 EMRK und Art. 9 EMRK durch Russland (16:1 Stimmen).

Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 13 iVm. Art.2, Art. 3, Art. 5, Art. 8 und Art. 9 EMRK (einstimmig).

Keine Verletzung von Art. 13 EMRK durch Moldawien (16:1 Stimmen).

Verletzung von Art. 13 EMRK iVm. Art. 3 EMRK und Art. 9 EMRK durch Russland (16:1 Stimmen).

Unzulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 17 EMRK (einstimmig).

Entschädigung nach Art. 41 EMRK: € 5.000,– für immateriellen Schaden; € 20.000,– für materiellen Schaden; € 4.000,– für Kosten und Auslagen (16:1 Stimmen).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Der Bf. wurde am 24.11.2008 festgenommen, weil er im Verdacht stand, das Unternehmen betrogen zu haben, für das er tätig war. Zwei Tage später verhängte das »Volksgericht Tiraspol« Untersuchungshaft ohne zeitliche Beschränkung. Sie wurde bis zur Hauptverhandlung wiederholt verlängert. Sämtliche Haftbeschwerden wurden vom »Obersten Gerichtshof der Moldawischen Republik Transnistrien (›MRT‹)« abgewiesen. (Anm: Die »Moldawische Republik Transnistrien« ist ein international nicht anerkanntes Gebiet, das sich 1990 von der Republik Moldawien abgespaltet hat und seither von einem von Russland unterstützten separatistischen de facto-Regime kontrolliert wird.)

Am 1.7.2010 verurteilte das »Volksgericht Tiraspol« den Bf. zu sieben Jahren Haft, die bedingt nachgesehen wurden. Kurz danach begab sich der Bf. in die Schweiz, wo er bis heute als anerkannter Flüchtling lebt.

Auf Antrag seines Anwalts wurde das Urteil des »Volksgerichts Tiraspol« vom Obersten Gerichtshof der Republik Moldawien mit der Begründung aufgehoben, die in der »MRT« errichteten Gerichte würden nicht den moldawischen Gesetzen entsprechen und könnten daher keine rechtmäßigen Verurteilungen aussprechen. Der Oberste Gerichtshof ordnete eine Weiterleitung der Akten an die Staatsanwaltschaft an, die Ermittlungen gegen die für die Freiheitsentziehung verantwortlichen Personen eröffnete. Aufgrund der Unmöglichkeit, Verfahrensschritte auf dem Gebiet der »MRT« zu setzen, blieben diese Ermittlungen ohne Ergebnis.

Während der Untersuchungshaft verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Bf., der von klein auf an Asthma litt. In den Haftanstalten, in denen er angehalten wurde, herrschten unangemessene Haftbedingungen. Zudem erhielt er nicht die gebotene medizinische Unterstützung. Von November 2008 bis Mai 2009 wurde ihm nicht gestattet, seine Eltern zu sehen. Auch einem Pastor wurde lange Zeit der Zugang zu ihm verweigert.

Die Eltern des Bf. wandten sich mit einigen Beschwerden an die moldawischen Behörden und an die russische Botschaft. Nach Zustellung der vorliegenden Beschwerde ersuchte der stellvertretende Ministerpräsident Moldawiens die Botschafter Russlands, der Ukraine und der USA sowie den Europarat, die EU und die OSZE um Unterstützung bei der Sicherstellung der Rechte des Bf.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. behauptete eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK (Recht auf persönliche Freiheit), Art. 3 EMRK (hier: Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung), Art. 8 EMRK (hier: Recht auf Achtung des Familienlebens), Art. 9 EMRK (hier: Religionsfreiheit), Art. 13 EMRK (Recht auf eine wirksame Beschwerde vor einer nationalen Instanz) und von Art. 17 EMRK (Verbot des Missbrauchs der Rechte).

Allgemeine Fragen der Zulässigkeit

(79) Die russische Regierung brachte vor, der Bf. befinde sich nicht in ihrer Hoheitsgewalt, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Russland ratione personae und ratione loci für unzulässig erklärt werden müsse. Die Regierung Moldawiens bestritt ihrerseits nicht, dass die Republik Moldawien Hoheitsgewalt über das von der »MRT« kontrollierte Gebiet ausübte, brachte aber vor, der Bf. habe es verabsäumt, die innerstaatlichen Rechtsbehelfe zu erschöpfen. [...]

Hoheitsgewalt

(80) Zunächst muss der GH entscheiden, ob der Bf. in Hinblick auf die in Beschwerde gezogenen Angelegenheiten iSv. Art. 1 EMRK in die Hoheitsgewalt eines der belangten Staaten oder beider Staaten fällt.

Hoheitsgewalt der Republik Moldawien

(99) Der GH muss zuerst prüfen, ob der Fall in die Hoheitsgewalt Moldawiens fällt. In diesem Zusammenhang stellt er fest, dass der Bf. immer auf moldawischem Territorium inhaftiert war. Es trifft zu, dass Moldawien – wie alle Parteien anerkennen – keine Autorität über jenen Teil seines Gebiets östlich des Flusses Dniester hat, der von der »MRT« kontrolliert wird. Dennoch hat der GH in Ilascu u.a./MD und RUS festgestellt, dass in Transnistrien inhaftierte Personen in die Hoheitsgewalt Moldawiens fallen, weil Moldawien der Territorialstaat war, selbst wenn es keine effektive Kontrolle über die Region Transnistrien ausübte. Moldawiens aus Art. 1 EMRK resultierende Verpflichtung, »allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen die Rechte und Freiheiten [der EMRK] zuzusichern«, war allerdings unter den vorliegenden Umständen auf eine positive Verpflichtung beschränkt, jene diplomatischen, wirtschaftlichen, juristischen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, die in seiner Macht standen und dem Völkerrecht entsprachen. Der GH gelangte in den Fällen Ivantoc u.a./MD und RUS und Catan u.a./MD und RUS zu ähnlichen Schlussfolgerungen.

(100) Der GH sieht keinen Grund, den vorliegenden Fall von den oben genannten zu unterscheiden. Obwohl Moldawien keine effektive Kontrolle über die Handlungen der »MRT« in Transnistrien hat, erwächst aus der Tatsache, dass die Region völkerrechtlich als Teil des Staatsgebiets Moldawiens anerkannt ist, gemäß Art. 1 EMRK eine Verpflichtung dieses Staates, alle ihm verfügbaren rechtlichen und diplomatischen Mittel einzusetzen, um den dort Lebenden weiterhin den Genuss der in der Konvention vorgesehenen Rechte und Freiheiten zu garantieren. [...] (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov).

Hoheitsgewalt Russlands

(101) Aus der [...] Rechtsprechung des GH folgt, dass ein Staat extraterritorial Hoheitsgewalt ausüben kann, wenn er in Folge rechtmäßiger oder rechtswidriger militärischer Handlungen effektive Kontrolle über ein außerhalb seines nationalen Territoriums gelegenes Gebiet ausübt. Außerdem erinnert der GH daran, dass ein Staat unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen durch die Durchsetzung von Autorität und Kontrolle staatlicher Organe über eine Person oder über Personen Hoheitsgewalt extraterritorial ausüben kann. Im vorliegenden Fall akzeptiert der GH, dass keine Beweise für eine direkte Beteiligung russischer Organe an der Inhaftierung und Behandlung des Bf. vorliegen. Allerdings behauptete der Bf., dass Russland effektive Kontrolle oder zumindest entscheidenden Einfluss über die »MRT« hat und der GH muss feststellen, ob dies zur Zeit der Freiheitsentziehung des Bf., die von November 2008 bis Juli 2010 dauerte, der Fall war.

(108) In Catan u.a./MD und RUS kam der GH zu folgendem Schluss: »die russische Regierung hat den GH nicht überzeugt, dass seine 2004 im Urteil Ilascu gezogenen Schlüsse unzutreffend waren. Die »MRT« wurde in Folge russischer Militärhilfe errichtet. Die fortgesetzte militärische Präsenz in der Region sandte an die Führer der »MRT«, die Regierung Moldawiens und internationale Beobachter ein starkes Signal für die fortgesetzte militärische Unterstützung der Separatisten. Zudem war die Bevölkerung von kostenlosen oder hochsubventionierten Gaslieferungen, Pensionen und anderen finanziellen Hilfen abhängig.« Angesichts des Fehlens relevanter neuer Informationen, die auf das Gegenteil hindeuten würden, ist diese Schlussfolgerung nach Ansicht des GH auch für die fragliche Zeitspanne, nämlich November 2008 bis Juli 2010, weiterhin gültig.

(110) Der GH hält daher an seinen Feststellungen in Ilascu u.a./MD und RUS, Ivantoc u.a./MD und RUS und Catan u.a./MD und RUS fest, wonach die »MRT« nur aufgrund der militärischen, wirtschaftlichen und politischen Unterstützung durch Russland weiter existieren und den moldawischen sowie internationalen Bemühungen um eine Lösung des Konflikts [...] widerstehen kann. Unter diesen Umständen stellt die hochgradige Abhängigkeit der »MRT« von russischer Unterstützung ein starkes Indiz dafür dar, dass Russland weiterhin effektive Kontrolle und entscheidenden Einfluss über die Behörden der »MRT« ausübt.

(111) Folglich fällt [...] der Bf. nach Art. 1 EMRK in die Hoheitsgewalt Russlands. Daher verwirft der GH die Einreden der russischen Regierung [...] (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov).

Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittel

(113) Die moldawische Regierung brachte [...] vor, dass der Bf. die ihm in Moldawien zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe nicht erschöpft hätte. Insbesondere [...] hätte er keinen auf Gesetz Nr. 1545 (1998) gestützten Antrag auf Entschädigung durch die Republik Moldawien für die Verletzung seiner Rechte gestellt, nachdem der Oberste Gerichtshof seine Verurteilung durch das Gericht der »MRT« aufgehoben hatte.

(117) [...] Gemäß § 1 des Gesetzes Nr. 1545 (1998) ist dieses ausdrücklich auf Fälle anwendbar, in denen durch rechtswidrige Handlungen der Strafverfolgungsbehörden, der Staatsanwaltschaften oder der Gerichte ein Schaden verursacht wird. Nach Angaben der Regierung Moldawiens können nur jene Behörden und insbesondere Gerichte, die entsprechend dem moldawischen Recht errichtet wurden, offiziell als solche anerkannt werden. Nach Ansicht des GH scheint dies jede Entschädigung für rechtswidrige Handlungen irgendwelcher »Gerichte«, »Staatsanwaltschaften« oder anderer Behörden, die von der »MRT« geschaffen wurden, auszuschließen.

(111) [...] Der GH weist die Einrede der moldawischen Regierung betreffend die Nichterschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe zurück (einstimmig).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK

(122) Der Bf. rügte, er wäre von unrechtmäßig errichteten Milizen und Gerichten festgenommen und inhaftiert worden. [...]

Zulässigkeit

(123) Die auf Art. 5 Abs. 1 EMRK gestützten Beschwerdepunkte sind nicht offensichtlich unbegründet [...] und auch aus keinem anderen Grund unzulässig. Sie müssen daher für zulässig erklärt werden (einstimmig).

Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung

(133) Der Bf. wurde am 24.11.2008 festgenommen und anschließend von 26.11.2008 bis 1.7.2010 in Untersuchungshaft angehalten. Daher ist Art. 5 Abs. 1 lit. c EMRK anwendbar.

(135) Der vorliegende Fall wirft die Frage auf, ob die Festnahme und Untersuchungshaft des Bf. als »rechtmäßig« iSv. Art. 5 Abs. 1 EMRK angesehen werden können, da sie von Organen der »MRT«, einer nicht anerkannten Entität, angeordnet wurden. [...]

Allgemeine Grundsätze betreffend die Rechtmäßigkeit von Handlungen nicht anerkannter Entitäten

(141) In Ilascu u.a./MD und RUS formulierte der GH bei der Prüfung, ob die Freiheitsentziehung der Bf. aufgrund ihrer Verurteilung durch den »Obersten Gerichtshof der MRT« als »rechtmäßig« iSv. Art. 5 Abs. 1 lit. a EMRK angesehen werden konnte, den allgemeinen Grundsatz wie folgt: »Unter bestimmten Umständen kann ein Gericht, das zum Gerichtssystem einer international nicht anerkannten Entität gehört, als gesetzlich vorgesehenes Gericht angesehen werden, wenn es Teil eines Gerichtssystems ist, das auf einer Verfassungs- und Rechtsgrundlage beruht, die eine mit der Konvention vereinbare Rechtstradition widerspiegelt [...].«

Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall

(142) [...] Das vorrangige Anliegen muss immer sein, dass die Konventionsrechte überall im Territorium aller Vertragsparteien effektiv geschützt werden, selbst wenn ein Teil dieses Territoriums unter der effektiven Kontrolle einer anderen Vertragspartei steht. Daher kann der GH, für die beschränkten Zwecke der Konvention, die von den Gerichten einer nicht anerkannten Entität getroffenen Entscheidungen nicht bloß wegen deren unrechtmäßigem Charakter und der Tatsache, dass sie nicht international anerkannt wurde, automatisch als rechtswidrig ansehen.

(143) In Einklang mit dieser Überlegung erachtet es der GH als bereits in seiner Judikatur festgestellt, dass die Entscheidungen von Gerichten nicht anerkannter Entitäten, inklusive der Entscheidungen ihrer Strafgerichte, als »rechtmäßig« im Sinne der EMRK angesehen werden können, vorausgesetzt sie erfüllen bestimmte Kriterien. Dies bedeutet in keiner Weise eine Anerkennung der Unabhängigkeitsbestrebungen dieser Entität.

(144) [...] Bei der Einschätzung, ob die Gerichte einer nicht anerkannten Entität dem in seinem Urteil Ilascu u.a./MD und RUS dargelegten Test entsprechen, nämlich ob sie Teil eines auf einer mit der Konvention vereinbaren Verfassungs- und Rechtsgrundlage beruhenden Gerichtssystems sind, wird der GH der Frage Gewicht beimessen, ob sie als unabhängig und unparteiisch angesehen werden können und auf der Grundlage des Rechtsstaatsprinzips arbeiten.

(145) Bei der Prüfung, ob die Gerichte der »MRT«, von denen die Freiheitsentziehung des Bf. angeordnet wurde, nämlich das »Volksgericht Tiraspol« und der »Oberste Gerichtshof der MRT«, den oben genannten Kriterien entsprechen, muss der GH von den Feststellungen ausgehen, die er in seiner früheren Rechtsprechung zu dieser nicht anerkannten Entität getroffen hat. In Ilascu u.a./MD und RUS stellte der GH unter Verweis auf die »offensichtlich willkürlichen Umstände, unter denen die Bf. festgenommen und verurteilt wurden« fest, dass der »Oberste Gerichtshof der MRT« »zu einem System gehört, von dem kaum gesagt werden kann, dass es auf einer Verfassungs- und Rechtsgrundlage beruht, die eine mit der Konvention vereinbare Rechtstradition widerspiegelt.« Zugleich kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Situation seit diesem 2004 ergangenen Urteil weiterentwickelt hat. Dies macht es notwendig zu prüfen, ob das, was in Ilascu u.a./MD und RUS über die Gerichte der »MRT« vor dem 1997 bzw. 1998 erfolgten Beitritt Moldawiens bzw. Russlands zur EMRK festgestellt wurde, im vorliegenden Fall weiterhin gültig bleibt.

(147) Es ist nach Ansicht des GH in erster Linie Sache jener Vertragspartei, die effektive Kontrolle über die betroffene nicht anerkannte Entität ausübt, zu zeigen, dass ihre Gerichte »Teil eines Gerichtssystems sind, das auf einer Verfassungs- und Rechtsgrundlage beruht, die eine mit der Konvention vereinbare Rechtstradition widerspiegelt.« Wie der GH bereits festgestellt hat, ist es im Fall der »MRT« Russland, das solche effektive Kontrolle hat. Bis heute hat die russische Regierung dem GH keine Informationen über die Organisation der Gerichte der »MRT« vorgelegt, die es ihm ermöglichen würden zu beurteilen, ob sie oben genannte Anforderung erfüllen. Auch hat sie keine Details über das Recht der »MRT« übermittelt, das als Grundlage für die Anhaltung des Bf. diente. Außerdem bemerkt der GH die Dürftigkeit offizieller Informationsquellen hinsichtlich des Rechts- und Gerichtssystems in der »MRT«. Diese Tatsache macht es schwierig, ein klares Bild von den anwendbaren Gesetzen zu erhalten. Der GH ist folglich nicht in der Lage sich zu vergewissern, ob die Gerichte der »MRT« und ihre Praxis den oben genannten Anforderungen entsprachen.

(148) Es gibt auch keine Grundlage für die Annahme, dass in dem Gebiet ähnlich wie im Rest der Republik Moldawien ein System besteht, das eine mit der Konvention vereinbare Rechtstradition widerspiegelt. Die Trennung zwischen Moldawien und der »MRT« fand 1990 statt, bevor Moldawien 1995 dem Europarat beitrat. Zudem wurde das moldawische Recht einer genauen Prüfung unterzogen, als Moldawien die Mitgliedschaft im Europarat beantragte, und es wurden Änderungen vorgeschlagen, um die Vereinbarkeit mit der Konvention sicherzustellen, die von Moldawien schließlich 1997 ratifiziert wurde. Das Rechtssystem der »MRT« wurde keiner solchen Analyse unterzogen und daher war es nie Teil eines Systems, das eine mit den Konventionsprinzipien vereinbare Rechtstradition widerspiegelt, bevor es 1990 zur Spaltung in getrennte Rechtssysteme kam.

(149) Die oben erreichten Schlussfolgerungen werden nach Ansicht des GH durch die Umstände bestätigt, unter denen der Bf. im vorliegenden Fall festgenommen und seine Haft angeordnet und verlängert wurde, [...]sowie durch verschiedene Medienberichte, die Besorgnis über die Unabhängigkeit und Qualität der Gerichte der »MRT« aufwerfen.

(150) Insgesamt kommt der GH zu dem Ergebnis, dass seine Feststellungen in Hinblick auf die vom vorliegenden Fall umfasste Zeitspanne weiterhin gültig bleiben. Er stellt daher fest, dass die Gerichte und folglich auch jede andere Behörde der »MRT« nicht die »rechtmäßige Festnahme und Freiheitsentziehung« iSv. Art. 5 Abs. 1 lit. c EMRK anordnen konnten. Dementsprechend war die auf den Anordnungen der Gerichte der »MRT« beruhende Freiheitsentziehung des Bf. unrechtmäßig.

Verantwortlichkeit der belangten Staaten

Republik Moldawien

(151) Der GH muss nun prüfen, ob die Republik Moldawien ihre positiven Verpflichtungen erfüllte, angemessene und ausreichende Maßnahmen zu treffen, um die Rechte des Bf. nach Art. 5 Abs. 1 EMRK zu gewährleisten. In Ilascu u.a./MD und RUS stellte der GH fest, dass sich die positiven Verpflichtungen Moldawiens sowohl auf Maßnahmen bezogen, die notwendig waren, um als Ausdruck seiner Hoheitsgewalt die Kontrolle über das Gebiet Transnistrien wiederherzustellen, als auch auf Maßnahmen, um die Achtung der individuellen Rechte des Bf. zu gewährleisten. [...]

(152) Was den ersten Aspekt der positiven Verpflichtungen Moldawiens betrifft, nämlich die Kontrolle wiederherzustellen, stellte der GH in Ilascu u.a./MD und RUS fest, dass Moldawien von Beginn der Feindseligkeiten 1991 und 1992 bis Juli 2004, als das Urteil erlassen wurde, alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen ergriffen hatte, um die Kontrolle über das Gebiet Transnistriens wiederherzustellen. In Catan u.a./MD und RUS sah der GH keinen Grund, von diesen Feststellungen abzuweichen. Im vorliegenden Fall brachten die Parteien keine neuen Argumente zu dieser Angelegenheit vor. Nichts deutet darauf hin, dass die Regierung Moldawiens ihre Position in Bezug auf Transnistrien in den folgenden Jahren bis zur Zeit der Freiheitsentziehung des Bf. von November 2008 bis Juli 2010 geändert hätte. Der GH sieht daher keinen Grund, im vorliegenden Fall zu einer anderen Schlussfolgerung zu gelangen.

(153) Zum zweiten Aspekt der positiven Verpflichtungen, nämlich die Achtung der individuellen Rechte des Bf. sicherzustellen, ist der GH [...] der Ansicht, dass die Regierung Moldawiens erhebliche Bemühungen unternahm, um den Bf. zu unterstützen. Insbesondere wandten sich die Behörden an eine Reihe internationaler Organisationen und anderer Staaten, insbesondere Russland, und ersuchten sie um Unterstützung bei der Gewährleistung der Rechte des Bf. Als der Bf. beim Obersten Gerichtshof Moldawiens die Aufhebung seiner Verurteilung beantragte, erlangte er eine solche Entscheidung und die Staatsanwaltschaft ergriff schließlich alle ihr möglichen Schritte, um die seine rechtswidrige Freiheitsentziehung betreffenden Vorwürfe des Bf. zu untersuchen.

(155) Angesichts dessen ist der GH der Ansicht, dass die Republik Moldawien ihre positiven Verpflichtungen gegenüber dem Bf. erfüllt hat. Er stellt daher fest, dass es zu keiner Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK durch Moldawien gekommen ist (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov).

Russland

(156) Es gibt keine Hinweise darauf, dass im Namen der Russischen Föderation handelnde Personen direkt an den gegen den Bf. ergriffenen Maßnahmen beteiligt waren.

(157) Wie der GH allerdings festgestellt hat, übte Russland zur fraglichen Zeit effektive Kontrolle über die »MRT« aus. Angesichts dieser Schlussfolgerung [...] ist es nicht notwendig zu entscheiden, ob Russland detaillierte Kontrolle über die Politik und die Handlungen der untergeordneten lokalen Administration ausübte. Die fortgesetzte militärische, wirtschaftliche und politische Unterstützung der »MRT«, die andernfalls nicht überleben könnte, begründet die Verantwortlichkeit Russlands nach der Konvention hinsichtlich der Verletzung der Rechte des Bf.

(158) Zusammenfassend [...] stellt der GH fest, dass es zu einer Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK durch Russland gekommen ist (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov; im Ergebnis übereinstimmendes Sondervotum von Richter López Guerra).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 5 Abs. 4 EMRK

(163) Dieser Beschwerdepunkt [...] muss für zulässig erklärt werden (einstimmig). Der GH [...] erachtet jedoch eine gesonderte Prüfung unter Art. 5 Abs. 4 EMRK nicht für notwendig (einstimmig).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 2 EMRK

(164) Der Bf. rügte das Versäumnis der Behörden, ihm die notwendige medizinische Unterstützung [...] zu gewähren. [...]

(165) Dieser Beschwerdepunkt ist [...] für zulässig zu erklären (einstimmig).

(170) Trotz der insgesamt ungünstigen Prognose des Bf. stellten die Ärzte zu keinem Zeitpunkt eine unmittelbare Lebensgefahr fest. [...]

(171) Daher erfordern die vom Bf. vorgebrachten Tatsachen keine gesonderte Behandlung unter Art. 2 EMRK (einstimmig). [...]

Zur behaupteten Verletzung von Art. 3 EMRK

(172) Der Bf. rügte, dass er nicht die gebotene medizinische Unterstützung erfahren hätte und unter unmenschlichen Haftbedingungen angehalten worden sei. [...]

(173) Dieser Beschwerdepunkt ist [...] für zulässig zu erklären (einstimmig).

(179) [...] Obwohl die Ärzte davon ausgingen, dass sich der Zustand des Bf. verschlechterte und es an den für seine Behandlung erforderlichen Spezialisten und Geräten fehlte, verweigerten die Behörden der »MRT« nicht nur seine Verlegung in ein ziviles Krankenhaus, sondern setzten ihn weiterem Leiden und einem ernsteren Gesundheitsrisiko aus, indem sie ihn am 15.2.2010 in ein gewöhnliches Gefängnis überstellten. Es ist unbestreitbar, dass der Bf. unter seinen Asthmaanfällen stark litt. Der GH ist auch von der Tatsache betroffen, dass die Krankheit des Bf., die als ausreichend schwer angesehen wurde, um die Verlegung einer verurteilten Person in ein ziviles Krankenhaus zu erfordern, kein Grund für eine Verlegung einer Person war, die auf ihre Verhandlung wartete. Angesichts des Fehlens jeglicher Erklärung für die Verweigerung einer angemessenen Behandlung stellt der GH fest, dass die medizinische Unterstützung des Bf. nicht ausreichend gewährleistet wurde.

(180) Der GH wird sich nun den Haftbedingungen zuwenden. Dem Bf. zufolge war die Zelle sehr heiß, feucht, schlecht belüftet und ohne natürliches Licht. Sie war überfüllt und voller Zigarettenrauch und parasitärer Insekten. Er hatte stundenlang keinen Zugang zur Toilette und konnte Kleidung nicht außerhalb der Zelle trocknen. Das Essen war ungenießbar und es gab keine Hygieneartikel. Während seiner Anhaltung erhielt er nicht die von seinem Zustand erforderte medizinische Unterstützung.

(181) Während die belangte Regierung keinen Kommentar zur vom Bf. vorgelegten Beschreibung abgegeben hat, wird diese von den Berichten des CPT und des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über die Besuche von verschiedenen Orten in der »MRT«, wo Personen die Freiheit entzogen wird, weitgehend bestätigt. Der GH stellt insbesondere fest, dass der Besuch des UN-Sonderberichterstatters etwa vier Monate vor der Inhaftierung des Bf. stattfand.

(182) Aufgrund des ihm vorliegenden Materials hält es der GH für erwiesen, dass die Bedingungen der Haft des Bf. eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung iSv. Art. 3 EMRK darstellten [...].

(183) Es besteht nach Ansicht des GH kein materieller Unterschied hinsichtlich des Charakters der Verantwortlichkeit jedes der belangten Staaten hinsichtlich der verschiedenen Beschwerdepunkte des vorliegenden Falls. Dementsprechend stellt der GH aus denselben Gründen wie hinsichtlich der Beschwerde nach Art. 5 Abs. 1 EMRK fest, dass keine Verletzung von Art. 3 EMRK durch die Republik Moldawien stattgefunden hat (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov).

(184) Aus denselben Gründen wie oben (siehe Rn. 156-158) stellt der GH eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch Russland fest (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 8 und Art. 9 EMRK

(185) Der Bf. rügte weiters, dass er ohne ersichtlichen Grund seine Eltern während einer erheblichen Zeitspanne nicht treffen hätte können und sie während der Treffen, die schließlich gestattet wurden, nicht ihre eigene Sprache sprechen durften. Er wurde auch daran gehindert, seinen Pastor zu sehen. [...]

(186) Dieser Beschwerdepunkt [...] ist für zulässig zu erklären (einstimmig).

(193) [...] Aus den Dokumenten in der Akte gehen keine Gründe für die Verweigerung von Familienbesuchen hervor und es ist klar, dass der Bf. seine Eltern während der ersten sechs Monate nach seiner Festnahme nicht treffen konnte.

(194) Die belangten Regierungen brachten keine Erklärung vor, warum es notwendig war, den Bf. während einer so erheblichen Zeitspanne von seiner Familie zu trennen. Es wurde daher nicht gezeigt, dass der Eingriff ein legitimes Ziel verfolgt hätte oder verhältnismäßig zu diesem Ziel gewesen wäre, wie es von Art. 8 Abs. 2 EMRK gefordert wird.

(195) Der GH hält es auch grundsätzlich für inakzeptabel, dass ein Gefängnisaufseher bei Familienbesuchen anwesend war. [...] Wieder wurde keine Erklärung dafür geboten, warum es notwendig war, die Treffen so genau zu überwachen.

(197) Zum Vorbringen des Bf., es sei ihm nicht gestattet worden, den Pastor [...] zu sehen, erinnert der GH daran, dass die Weigerung, einem Gefangenen zu erlauben, einen Priester zu treffen, einen Eingriff in die durch Art. 9 EMRK garantierten Rechte darstellt.

(199) Wieder ist nicht klar, ob es eine rechtliche Grundlage für die Weigerung gab, Treffen zu erlauben, und es wurden keine Gründe vorgebracht, um diese Weigerung zu rechtfertigen. Nach Ansicht des GH wurde nicht gezeigt, dass der Eingriff [...] ein legitimes Ziel verfolgte oder verhältnismäßig zu diesem Ziel war [...].

(200) Aus denselben Gründen, die hinsichtlich der Beschwerde unter Art. 5 Abs. 1 EMRK gegeben wurden (siehe Rn. 151-155), stellt der GH fest, dass keine Verletzung von Art. 8 und Art. 9 EMRK durch Moldawien stattgefunden hat (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov).

(201) Aus denselben Gründen wie oben (siehe Rn. 156-158) stellt der GH eine Verletzung von Art. 8 und Art. 9 EMRK durch Russland fest (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 13 iVm. Art. 2, 3, 5, 8 und 9 EMRK

(202) Der Bf. brachte weiters vor, ihm wären keine effektiven Rechtsbehelfe [...] zur Verfügung gestanden. [...]

(203) Dieser Beschwerdepunkt [...] ist für zulässig zu erklären (einstimmig).

(208) [...] Es ist nicht notwendig, gesondert zu prüfen, ob die Beschwerde unter Art. 2 EMRK vertretbar iSv. Art. 13 EMRK war, da der GH sich mit dieser Angelegenheit jedenfalls unter Art. 3 EMRK befassen wird. Wie er feststellt, war das Vorbringen des Bf. unter Art. 3 sowie jenes unter Art. 5, 8 und 9 EMRK vertretbar. [...]

(209) Der Bf. hatte daher einen Anspruch auf eine wirksame innerstaatliche Beschwerde iSv. Art. 13 EMRK in Hinblick auf seine Rügen unter Art. 3, 8 und 9 EMRK. Dementsprechend wird der GH prüfen, ob für den Bf. eine solche Beschwerde zur Verfügung stand.

(210) Soweit sich die Beschwerde gegen Moldawien richtet, verweist der GH auf seine obigen Überlegungen zur von der moldawischen Regierung erhobenen Einrede der Nichterschöpfung, die ihn zu dem Ergebnis führten, dass Schadenersatzverfahren, die der Bf. vor den moldawischen Gerichten führen hätte können, nicht als wirksame Rechtsbehelfe in Hinblick auf irgendeines seiner Beschwerdevorbringen angesehen werden können.

(211) Soweit sich die Beschwerde gegen Russland richtet, wiederholt der GH, dass Bf. unter gewissen Umständen verpflichtet sein können, in einer nicht anerkannten Entität verfügbare effektive Rechtsbehelfe zu erschöpfen. Allerdings gibt es keinen Hinweis darauf, dass dem Bf. in der »MRT« irgendwelche effektiven Rechtsbehelfe hinsichtlich der oben genannten Rügen zur Verfügung gestanden wären, und die russische Regierung hat dies auch nicht behauptet.

(212) Der GH kommt daher zu dem Schluss, dass dem Bf. in Hinblick auf seine Rügen unter Art. 3, 8 und 9 EMRK keine wirksame Beschwerde zur Verfügung stand. Folglich muss der GH entscheiden, ob einem der belangten Staaten eine Verletzung von Art. 13 EMRK zugerechnet werden kann.

(214) Es wäre nach Ansicht des GH widersprüchlich festzustellen, dass Moldawien, das keine Möglichkeit hat, die Handlungen der Behörden der »MRT« zu kontrollieren, für seine Unfähigkeit verantwortlich zu machen ist, von den moldawischen Behörden getroffene Entscheidungen auf dem unter der effektiven Kontrolle der »MRT« stehenden Gebiet zu vollstrecken. Er erinnert daran, dass die Moldawien obliegende positive Verpflichtung darin besteht, alle rechtlichen und diplomatischen Mittel zu nutzen, um den in der Region Transnistrien lebenden Personen weiterhin den Genuss der in der Konvention definierten Rechte und Freiheiten zu gewährleisten. Die Beschwerden, die Moldawien dem Bf. anbieten muss, bestehen daher darin, ihm zu ermöglichen, die moldawischen Behörden über die Details seiner Situation zu informieren und über die verschiedenen ergriffenen rechtlichen und diplomatischen Handlungen auf dem Laufenden gehalten zu werden.

(215) [...] Moldawien hat eine Reihe von [...] Behörden geschaffen, die parallel zu denen der »MRT« arbeiten. Auch wenn die Effekte einer von diesen moldawischen Behörden getroffenen Entscheidung nur außerhalb der Region Transnistrien spürbar sind, ermöglichen sie es, Fälle in der angemessenen Form vor die moldawischen Behörden zu bringen, die dann diplomatische und rechtliche Schritte setzen können, um in konkreten Fällen zu intervenieren, insbesondere indem sie Russland drängen, bei der Behandlung der »MRT« und der dort getroffenen Entscheidungen seinen Verpflichtungen aus der EMRK nachzukommen.

(216) Angesichts dieser Ausführungen ist der GH der Ansicht, dass Moldawien dem Bf. Verfahren zur Verfügung gestellt hat, die seiner beschränkten Fähigkeit entsprechen, die Rechte des Bf. zu schützen. Es hat damit seine positiven Verpflichtungen erfüllt. Daher stellt der GH fest, dass keine Verletzung von Art. 13 EMRK durch Moldawien stattgefunden hat (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov).

(217) Im vorliegenden Fall hat der GH festgestellt, dass Russland weiterhin effektive Kontrolle über die »MRT« ausübt. [...] Russlands Verantwortlichkeit wird durch seine fortgesetzte militärische, wirtschaftliche und politische Unterstützung der »MRT« begründet, die andernfalls nicht überleben könnte.

(218) Angesichts des Fehlens eines Vorbringens der russischen Regierung hinsichtlich irgendwelcher für den Bf. verfügbarer Rechtsbehelfe kommt der GH zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung von Art. 13 iVm. Art. 3 und 9 EMRK durch Russland stattgefunden hat (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 17 EMRK

(219) Schließlich behauptete der Bf. eine Verletzung von Art. 17 EMRK durch beide belangten Staaten wegen ihrer Duldung des in der »MRT« etablierten unrechtmäßigen Regimes, das keines der in der Konvention garantierten Rechte anerkenne. [...]

(223) Nach Ansicht des GH fällt die Beschwerde [...], mit der eine Verletzung von Art. 17 EMRK [...] behauptet wird, außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung. In jedem Fall sieht der GH keine Hinweise darauf, dass sich einer der belangten Staaten bewusst daran gemacht hätte, eines der vom Bf. im vorliegenden Fall geltend gemachten Rechte abzuschaffen oder eines dieser Rechte in größerem Maß einzuschränken, als dies in der Konvention vorgesehen ist.

Dieser Beschwerdepunkt ist folglich offensichtlich unbegründet und muss [als unzulässig] zurückgewiesen werden (einstimmig).

Entschädigung nach Art. 41 EMRK

€ 5.000,– für immateriellen Schaden; € 20.000,– für materiellen Schaden; € 4.000,– für Kosten und Auslagen (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Dedov).

Vom GH zitierte Judikatur:

Zypern/TR v. 10.5.2001 (GK)

Ilascu u.a./MD und RUS v. 8.7.2004 (GK) = NL 2004, 174

Al-Skeini u.a./GB v. 7.7.2011 (GK) = NL 2011, 219

Ivantoc u.a./MD und RUS v. 15.11.2011

Catan u.a./MD und RUS v. 19.10.2012 (GK) = NL 2012, 335

Sargsyan/AZ v. 16.6.2015 (GK) = NL 2015, 256

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 23.2.2016, Bsw. 11138/10, entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2016, 13) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/16_1/Mozer.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Rückverweise