JudikaturAUSL EGMR

Bsw53818/00 – AUSL EGMR Entscheidung

Entscheidung
01. Februar 2005

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer I, Beschwerdesache T. W. Computeranimation GmbH u.a. gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 1.2.2005, Bsw. 53818/00.

Spruch

Art. 14 EMRK, Art. 1 1. ZP EMRK - Beschwerdelegitimation einer Gesellschafterin.

Unzulässigkeit der Beschwerde unter Art. 1 1. Prot. EMRK und iVm. Art. 14 EMRK (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Die ErstBf. ist eine GmbH mit Sitz in Wien, der ZweitBf. und die DrittBf. waren während des der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalts ihre Gesellschafter. Am 21.3.2000 wurde die GmbH in eine Einzelfirma umgewandelt, deren Alleineigentümer der ZweitBf. ist. Mit Inkrafttreten des Strukturanpassungsgesetzes (BGBl. 201/1996) am 30.4.1996 wurde die in § 24 Abs. 4 Körperschaftssteuergesetz (KStG 1988) vorgesehene Mindeststeuer von ATS 15.000,– (€ 1.090,–) auf ATS 50.000,– (€ 3.633,60) angehoben.

Mit Bescheid des Finanzamts für Körperschaften vom 27.6.1996 wurde der ErstBf. unter Anwendung des § 24 Abs. 4 des KStG 1988 idF. des Strukturanpassungsgesetzes 1996 eine Vorauszahlung an Körperschaftssteuer für 1996 in der Höhe von ATS 50.000,– vorgeschrieben. Eine Berufung an die Finanzlandesdirektion blieb erfolglos.

Am 20.11.1996 erhob die ErstBf. Beschwerde an den VfGH, mit der sie die Änderung des KStG 1988 durch das Strukturanpassungsgesetz als verfassungswidrig anfocht. Diese Bestimmung wurde auch von ca. 11.000 weiteren Gesellschaften angefochten.

Aus Anlass von vier der Beschwerdefälle – nicht jedoch der Beschwerde der Bf. – leitete der VfGH von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 24 Abs. 4 KStG 1988 idF. des Strukturanpassungsgesetzes 1996 ein. Am 24.1.1997 hob der VfGH diese Bestimmung wegen Gleichheitswidrigkeit auf (VfGH G 388-291/96) und beschloss, die Wirkung dieses Erkenntnisses über die vier Anlassfälle hinaus auf alle auf der aufgehobenen Bestimmung beruhenden Bescheide zu erstrecken. Der VfGH sprach aus, dass diese Bescheide somit als aufgehoben und die rund 11.000 anhängigen Verfahren als beendet gelten würden. Über die darin gestellten Anträge einschließlich jener auf Kostenersatz wurde daher nicht abgesprochen.

Mit gesonderten Entscheidungen vom selben Tag sprach der VfGH den Beschwerdeführern in den vier Anlassfällen Kostenersatz zu (VfGH 24.1.1997, B 2962/96; B 2959/96; B 2947/96; B 2909/96). In einer Presseerklärung vom 24.1.1997 erklärte der VfGH, er sähe sich zu dieser weitgehenden Ausschöpfung seiner Ermächtigung zur Ausdehnung der Wirkung der Gesetzesaufhebung im Sinne eines raschen und effizienten Rechtsschutzes veranlasst. Die formale Erledigung aller 11.000 Beschwerden hätte Jahre in Anspruch genommen und die Behandlung der übrigen beim VfGH anhängigen Beschwerden und Anträge um viele Jahre verzögert. Angesichts dieses besonderen Rechtsschutzinteresses müsse das Interesse an der gesonderten Erledigung jedes einzelnen der über 11.000 anhängigen Fälle – einschließlich der dort gestellten Kostenbegehren – zurücktreten, auch wenn dies für einzelne Beschwerdeführer eine Härte bedeute. Am 29.12.1998 beantragten die Bf. beim VfGH den Ersatz ihrer mit ATS 18.000,– (€ 1.308,–) bezifferten Verfahrenskosten. Sie brachten vor, sie seien inzwischen durch Rückzahlung der von ihnen bezahlten Körperschaftssteuer klaglos gestellt. Eine Abweisung ihres Antrags auf Ersatz der Prozesskosten würde eine gegen Art. 14 EMRK verstoßende Diskriminierung darstellen. Der VfGH wies den Antrag am 23.2.1999 zurück, da die Sache durch das Erkenntnis vom 24.1.1997 bereits entschieden sei.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Die Bf. behaupten eine Verletzung von Art. 1 1. Prot. EMRK (Recht auf Achtung des Eigentums) alleine und in Verbindung mit Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) durch die Verweigerung des Ersatzes der Prozesskosten durch den VfGH.

Zur Opfereigenschaft der Bf.:

a) Hinsichtlich der ErstBf. und des ZweitBf.:

Der GH wies die ErstBf. und den ZweitBf. am 17.2.2004 schriftlich darauf hin, dass sie es verabsäumt hätten, fristgerecht Stellung zu nehmen und ihre Beschwerde aus seinem Register gestrichen würde. Da die beiden Bf. auf dieses Schreiben nicht reagierten, besteht Grund zu der Annahme, dass die ErstBf. und der ZweitBf. ihre Beschwerde nicht weiterzuverfolgen beabsichtigen. Der GH beschließt daher, ihre Beschwerde gemäß Art. 37 Abs. 1 lit. a EMRK aus seinem Register zu streichen (einstimmig).

b) hinsichtlich der DrittBf.:

Adressat des angefochtenen Steuerbescheids war nur die ErstBf. Die Beschwerde an den VfGH vom 20.11.1996 wurde daher auch nur von ihr erhoben. Der Antrag auf Zuspruch der Verfahrenskosten wurde hingegen von allen drei Bf. gestellt.

Die DrittBf. bringt vor, sie wäre Opfer der behaupteten Verletzungen der EMRK, da sie Gesellschafterin der ErstBf. gewesen sei. Der Eingriff in deren Recht auf Achtung des Eigentums würde auch ihre eigenen finanziellen Interessen beeinträchtigen.

Nach Ansicht des GH versucht die Bf., den Schleier der Körperschaft (corporate veil) zu durchstoßen. Der GH hat in früheren Fällen festgestellt, dass eine Beschwerdeberechtigung der Anteilseigner einer Gesellschaft nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht kommt, insbesondere wenn es der Gesellschaft selbst offensichtlich unmöglich ist, durch ihre Organe bzw. im Falle der Liquidation durch ihre Konkursverwalter Beschwerde zu erheben. Solche Umstände liegen aber hier nicht vor. Nach Erhebung der Beschwerde an den GH wurde die ErstBf. von einer GmbH in eine Einzelfirma umgewandelt, deren Alleineigentümer der ZweitBf. ist. Es gibt keine Anzeichen, warum diese Nachfolgefirma die Beschwerde nicht durch den ZweitBf. weiter verfolgen könnte, wenn sie wollte. Die DrittBf. kann daher nicht behaupten, Opfer einer Verletzung der Konvention zu sein. Die Bsw. ist daher soweit sie die DrittBf. betrifft als ratione personae unvereinbar mit der Konvention gemäß Art. 35 Abs. 3 iVm. Abs. 4 EMRK als unzulässig zurückzuweisen (einstimmig).

Vom GH zitierte Judikatur:

Agrotexim u.a./GR v. 24.10.1995, A/330-A.

CDI Holding u.a./SK v. 18.10.2001 (ZE).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 1.2.2005, Bsw. 53818/00, entstammt der Zeitschrift „Newsletter Menschenrechte" (NL 2005, 114) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/05_3/T.W.Computeranimation.pdf

Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

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