JudikaturAUSL EGMR

Bsw22541/93 – AUSL EGMR Entscheidung

Entscheidung
05. März 1998

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer, Beschwerdesache Marte und Achberger gegen Österreich, Urteil vom 5.3.1998, Bsw. 22541/93.

Spruch

Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 4 7. ZP EMRK, § 269 StGB, Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG, Art. 18 Vlbg. SittenpolG - Unzureichende nachprüfende Kontrolle von VfGH und VwGH

bei Verwaltungsstrafen - Grundsatz ne bis in idem.

Streichung aus dem Register der beim EGMR anhängigen Verfahren (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Die Bf. waren anlässlich des Besuchs eines Sommerfestes von Polizeibeamten aufgefordert worden, mit ihnen die dortige Bar zu verlassen. Sie verweigerten dies mit den Worten "Arschlöcher, Scheiß Bullen, Ihr könnt uns am Arsch lecken" und versuchten, sich loszureißen. Bei dem darauffolgenden Handgemenge wurden die Polizeibeamten verletzt. Das Landesgericht Feldkirch verurteilte die Bf. daraufhin wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt gemäß § 269 StGB. Im Verwaltungswege wurden über die Bf. Geldstrafen verhängt: a) gemäß Art. IX (1) Z.1 EGVG (Störung der Ordnung an öffentlichen Orten) aufgrund ihres - Ärgernis erregenden - Verhaltens vor und nach dem Eintreffen der Polizeibeamten bzw. wegen Tätlichkeiten gegen einen Polizeibeamten; b) gemäß Art. 18 (2) Vlbg. SittenPolG (Verletzung des öffentlichen Anstandes) aufgrund der Beleidigung von Polizeibeamten. Die gegen die Verwaltungsstrafen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos. Der daraufhin angerufene VfGH lehnte eine Behandlung der Bsw. mangels Aussicht auf Erfolg ab: Was den Beschwerdepunkt nach Art. 6 EMRK betreffe, sei auf den österr. Vorbehalt zu Art. 5 EMRK hinzuweisen; hinsichtlich des Beschwerdepunktes nach Art. 4 7.ZP EMRK sei festzuhalten, dass Österreichs Erklärung anlässlich der Ratifikation dieses Protokolls Verfassungsrang habe. Der VwGH wies die Bsw. ab: Eine Verwaltungsstraftat könne zwar nicht zweimal in einem Verwaltungsstrafverfahren verfolgt werden, dies schließe aber eine verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung - auch nach erfolgter strafrechtlicher Verurteilung - nicht aus. Art. 18 Vlbg. SittenPolG gehe von einem anderen Verhalten aus als zB. § 115 StGB (Beleidigung) oder § 269 StGB; gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung sei daher nicht verstoßen worden.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Die Bf. behaupten eine Verletzung ihres Rechts auf eine Entscheidung durch ein Gericht gemäß Art. 6 (1) EMRK und von Art. 4 7.ZP EMRK (ne bis in idem).

Am 12.1.1998 wurde dem GH das Zustandekommen einer gütlichen Regelung zwischen der österr. Reg. und den Bf. mitgeteilt, wonach sich erstere zu einer Zahlung von ATS 136.000,-- (je 68.000,--) Entschädigung bereit erklärte. Löschung aus dem Gerichtsregister (einstimmig).

Anm.: Die Kms. hatte in ihrem Ber. v. 9.4.1997 (= NL 97/5/1) eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK und Art. 4 7.ZP EMRK festgestellt (jeweils einstimmig).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 5.3.1998, Bsw. 22541/93, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1998, 70) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/98_2/Marte_Achberger.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Rückverweise