RS0105619 – AUSL EGMR Rechtssatz
EGMR 28.8.1991, 37/1990/228/292-294 (Brandstetter gg Österreich)
Der Grundsatz der Waffengleichheit als Teilaspekt eines fairen Verhaltens im Sinne des Art 6 Abs 1 MRK beinhaltet das Recht auf einen kontradiktorischen Strafprozeß, so daß sowohl die Anklagebehörde als auch die Verteidigung die Möglichkeit haben muß, Stellungnahmen oder Beweise der Gegenseite zur Kenntnis zu nehmen und zu erörtern. Dieser Grundsatz ist verletzt, wenn in einem Rechtsmittelverfahren vor einem OLG das "Croquis" (die Stellungnahme) der Oberstaatsanwaltschaft der Verteidigung nicht zugestellt wird und diese nur durch Wachsamkeit und eigene Schritte Kenntnis von dessen Einbringung erlangen kann, um dazu Stellung zu nehmen. Die Kenntnis des materiellen Inhalts des Croquis im weiteren Verfahren, weil dieser in den Text einer Entscheidung des ersten Rechtsgangs eingeflossen ist, bietet keinen wirksamen Ersatz für die unmittelbare Prüfung und Bekämpfung des Croquis als solchen.
Veröff: EuGRZ 1992,190