1 Befindet sich eine Person im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei und soll diese Person als Zeuge oder Sachverständiger von den Justizbehörden einer anderen Vertragspartei vernommen werden, so kann Letztere, sofern ein persönliches Erscheinen der zu vernehmenden Person in ihrem Hoheitsgebiet nicht zweckmäßig oder möglich ist, darum ersuchen, dass die Vernehmung per Videokonferenz nach Maßgabe der Absätze 2 bis7 erfolgt.
2 Die ersuchte Vertragspartei bewilligt die Vernehmung per Videokonferenz, wenn der Rückgriff auf Videokonferenzen den Grundprinzipien ihrer Rechtsordnung nicht zuwiderläuft und sie über die technischen Vorrichtungen für eine derartige Vernehmung verfügt. Verfügt die ersuchte Vertragspartei nicht über die technischen Vorrichtungen für eine Videokonferenz, so können ihr diese von der ersuchenden Vertragspartei in gegenseitigem Einvernehmen zur Verfügung gestellt werden.
3 Ersuchen um Vernehmung per Videokonferenz enthalten außer den in Artikel 14 des Übereinkommens genannten Angaben die Begründung dafür, dass ein persönliches Erscheinen des Zeugen oder Sachverständigen bei der Vernehmung nicht zweckmäßig oder möglich ist, sowie die Bezeichnung der Justizbehörde und die Namen der Personen, welche die Vernehmung durchführen werden.
4 Die Justizbehörde der ersuchten Vertragspartei lädt die betreffende Person in der in ihrem innerstaatlichen Recht vorgeschriebenen Form vor.
5 Für die Vernehmung per Videokonferenz gelten folgende Regeln:
a Bei der Vernehmung ist ein Vertreter der Justizbehörde der ersuchten Vertragspartei, bei Bedarf unterstützt von einem Dolmetscher, anwesend, der auch die Identität der zu vernehmenden Person feststellt und auf die Einhaltung der Grundprinzipien der Rechtsordnung der ersuchten Vertragspartei achtet. Werden nach Ansicht des Vertreters der Justizbehörde der ersuchten Vertragspartei bei der Vernehmung die Grundprinzipien der Rechtsordnung der ersuchten Vertragspartei verletzt, so trifft sie sofort die Maßnahmen, die erforderlich sind, damit bei der weiteren Vernehmung diese Prinzipien beachtet werden;
b zwischen den zuständigen Behörden der ersuchenden und der ersuchten Vertragspartei werden gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz der zu vernehmenden Person vereinbart;
c die Vernehmung wird unmittelbar von oder unter Leitung der Justizbehörde der ersuchenden Vertragspartei nach deren innerstaatlichen Rechtsvorschriften durchgeführt;
d auf Wunsch der ersuchenden Vertragspartei oder der zu vernehmenden Person sorgt die ersuchte Vertragspartei dafür, dass die zu vernehmende Person bei Bedarf von einem Dolmetscher unterstützt wird;
e die zu vernehmende Person kann sich auf das Aussageverweigerungsrecht berufen, das ihr nach dem Recht der ersuchten oder der ersuchenden Vertragspartei zusteht.
6 Unbeschadet etwaiger zum Schutz von Personen vereinbarter Maßnahmen erstellt die Justizbehörde der ersuchten Vertragspartei nach der Vernehmung ein Protokoll, das Angaben zum Termin und zum Ort der Vernehmung, zur Identität der vernommenen Person, zur Identität und zur Funktion aller anderen im Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei an der Vernehmung teilnehmenden Personen, zu einer etwaigen Vereidigung und zu den technischen Bedingungen, unter denen die Vernehmung stattfand, enthält. Dieses Dokument wird der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei von der zuständigen Behörde der ersuchten Vertragspartei übermittelt.
7 Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in Fällen, in denen Zeugen oder Sachverständige gemäß diesem Artikel in ihrem Hoheitsgebiet vernommen werden und trotz Aussagepflicht die Aussage verweigern oder falsch aussagen, ihr innerstaatliches Recht genauso gilt, als ob die Vernehmung in einem innerstaatlichen Verfahren erfolgen würde.
8 Die Vertragsparteien können nach freiem Ermessen in Fällen, in denen dies zweckdienlich erscheint, und mit Zustimmung ihrer zuständigen Justizbehörden die Bestimmungen dieses Artikels auch auf die Vernehmung eines Beschuldigten oder Verdächtigen per Videokonferenz anwenden. In diesem Fall ist die Entscheidung, ob und in welcher Form eine Vernehmung per Videokonferenz stattfinden soll, Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den beteiligten Vertragsparteien, die diese Entscheidung im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht und den einschlägigen internationalen Übereinkünften treffen. Die Vernehmung des Beschuldigten oder Verdächtigen darf nur mit dessen Zustimmung durchgeführt werden.
9 Jeder Vertragsstaat kann jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung mitteilen, dass er nicht die Absicht hat, von dem Recht nach Absatz 8 Gebrauch zu machen, diesen Artikel auch auf die Vernehmung eines Beschuldigten oder Verdächtigen per Videokonferenz anzuwenden.
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