(1) Die Beamten der Sicherheitsbehörden eines Vertragsstaates dürfen eine Person ohne vorherige Zustimmung eines anderen Vertragsstaates grenzüberschreitend verfolgen, welche
a) bei einer auslieferungsfähigen Straftat betreten oder deswegen verfolgt wird, oder
b) aus einer Untersuchungs- oder Strafhaft, die wegen einer im anderen Vertragsstaat auslieferungsfähigen Straftat verhängt wurde, geflohen ist,
wenn wegen besonderer Dringlichkeit die Behörden des anderen Vertragsstaates nicht zuvor unterrichtet werden konnten oder nicht rechtzeitig zur Stelle sind, um die Verfolgung zu übernehmen.
(2) Gleiches gilt, wenn sich eine Person innerhalb einer Entfernung von 80 Kilometern von der Staatsgrenze einer polizeilichen Kontrolle entzieht, sofern dabei die Aufforderung zum Anhalten missachtet wurde und in der Folge eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit herbeigeführt wird.
(3) Die nacheilenden Beamten nehmen unverzüglich Kontakt mit den zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates auf. Die Verfolgung ist einzustellen, sobald diese es verlangen. Auf Ersuchen der nacheilenden Beamten ergreifen die örtlich zuständigen Behörden die betroffene Person nach Maßgabe des nationalen Rechts, um ihre Identität festzustellen oder sie fest zu nehmen.
(4) Wird die Einstellung der Verfolgung nicht verlangt und können die zuständigen Behörden nicht rechtzeitig eingreifen, dürfen die nacheilenden Beamten die Person nach Maßgabe des Rechts des anderen Vertragsstaates festhalten, bis die unverzüglich zu unterrichtenden, örtlich zuständigen Beamten die Identitätsfeststellung, die Festnahme oder weitere Maßnahmen vornehmen.
(5) Die Nacheile wird ohne räumliche und zeitliche Begrenzung ausgeübt. Das Überschreiten der Grenze darf auch außerhalb zugelassener Grenzübergänge und festgesetzter Verkehrsstunden erfolgen.
(6) Allgemeine Voraussetzungen sind:
a) Die nacheilenden Beamten müssen als solche eindeutig erkennbar sein, wie zum Beispiel durch eine Uniform, besondere Kennzeichen oder durch an dem Fahrzeug angebrachte Zusatzeinrichtungen.
b) Die nach Absatz 4 ergriffene Person darf im Hinblick auf ihre Vorführung vor die örtlichen Behörden lediglich einer Sicherheitsdurchsuchung unterzogen werden. Es dürfen ihr während der Beförderung Handschellen angelegt werden. Die von der verfolgten Person mitgeführten Gegenstände dürfen bis zum Eintreffen der örtlich zuständigen Beamten vorläufig sichergestellt werden.
c) Die nacheilenden Beamten melden sich nach jedem Einschreiten gemäß den Absätzen 1 bis 4 unverzüglich bei den örtlich zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates und erstatten Bericht. Auf Ersuchen dieser Behörden sind sie verpflichtet, sich bis zur Klärung des Sachverhalts an Ort und Stelle bereitzuhalten. Gleiches gilt auch, wenn die verfolgte Person nicht festgenommen werden konnte.
d) Artikel 14 Absatz 8 lit. a, b, e und f gilt entsprechend.
(7) Die festgenommene Person kann nach dem Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie aufgegriffen wurde, zur Vernehmung festgehalten werden. Nationale Regelungen, die aus anderen Gründen die Anordnung von Haft oder eine vorläufige Festnahme ermöglichen, bleiben unberührt.
(8) Meldungen nach Absatz 3 sind zu richten an:
– in der Republik Österreich: die Landespolizeidirektionen für die Bundesländer Tirol und Vorarlberg,
– in der Schweizerischen Eidgenossenschaft: die Kantonspolizei Sankt Gallen oder die Kantonspolizei Graubünden,
– im Fürstentum Liechtenstein: die Landespolizei.
In Fällen von übergeordneter Bedeutung oder, wenn die Nacheile über das Grenzgebiet gemäß Artikel 4 Absatz 3 hinausgegangen ist, unterrichten diese die nationalen Zentralstellen.
(9) Für die Sicherheitsbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Fürstentums Liechtenstein ist die Nacheile auf dem Gebiet der Kantone St. Gallen und Graubünden sowie des Fürstentums Liechtenstein auch bei Verstößen gegen das Straßenverkehrsrecht zulässig. Die Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein ist aus wichtigen Gründen befugt, für Dienstfahrten die Nationalstraße A13 auf dem Staatsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft entlang der gemeinsamen Staatsgrenzen zu benutzen. Die vorstehenden Absätze gelten sinngemäß.
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