Vorwort
Kapitel I – Begriffsbestimmungen
Artikel 1 – Begriffsbestimmungen
Art. 1
Im Sinne dieses Protokolls
1. ist der Ausdruck „Schiedsrichter“ entsprechend dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten dieses Protokolls zu verstehen, muss aber in jedem Fall auch eine Person umfassen, die aufgrund einer Schiedsvereinbarung dazu berufen ist, eine rechtlich bindende Entscheidung in einer ihr von den Parteien der Schiedsvereinbarung vorgelegten Streitigkeit zu fällen;
2. bezeichnet der Ausdruck „Schiedsvereinbarung“ eine nach innerstaatlichem Recht anerkannte Vereinbarung, durch welche die Parteien übereinkommen, eine Streitigkeit der Entscheidung durch einen Schiedsrichter zu unterwerfen;
3. ist der Ausdruck „Schöffe“ entsprechend dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten dieses Protokolls zu verstehen, muss aber in jedem Fall auch eine Person umfassen, die als Laienmitglied eines Kollegiums handelt, das die Aufgabe hat, im Rahmen eines Strafverfahrens über die Schuld eines Angeklagten zu erkennen;
4. darf der verfolgende Staat im Fall eines Verfahrens unter Mitwirkung eines ausländischen Schiedsrichters oder Schöffen die Bestimmung des Begriffs „Schiedsrichter“ oder „Schöffe“ nur insoweit anwenden, als sie mit seinem innerstaatlichen Recht vereinbar ist.
Kapitel II – Innerstaatlich zu treffende Maßnahmen
Artikel 2 – Bestechung inländischer Schiedsrichter
Art. 2
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben: das unmittelbare oder mittelbare Versprechen, Anbieten oder Gewähren eines ungerechtfertigten Vorteils an einen Schiedsrichter, der seine Aufgaben nach Maßgabe des innerstaatlichen Schiedsrechts dieser Vertragspartei wahrnimmt, für diesen selbst oder für einen Dritten als Gegenleistung dafür, dass er bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben eine Handlung vornimmt oder unterlässt.
Artikel 3 – Bestechlichkeit inländischer Schiedsrichter
Art. 3
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben: das unmittelbare oder mittelbare Fordern oder Annehmen eines ungerechtfertigten Vorteils oder das Annehmen des Angebots oder Versprechens eines solchen Vorteils durch einen Schiedsrichter, der seine Aufgaben nach Maßgabe des innerstaatlichen Schiedsrechts dieser Vertragspartei wahrnimmt, für ihn selbst oder für einen Dritten als Gegenleistung dafür, dass er bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben eine Handlung vornimmt oder unterlässt.
Artikel 4 – Bestechung und Bestechlichkeit ausländischer Schiedsrichter
Art. 4
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um die in den Artikeln 2 und 3 genannten Handlungen, wenn ein Schiedsrichter, der seine Aufgaben nach Maßgabe des innerstaatlichen Schiedsrechts eines anderen Staates wahrnimmt, beteiligt ist, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben.
Artikel 5 – Bestechung und Bestechlichkeit inländischer Schöffen
Art. 5
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um die in den Artikeln 2 und 3 genannten Handlungen, wenn eine Person, welche die Aufgaben eines Schöffen innerhalb des Gerichtswesens der betreffenden Vertragspartei wahrnimmt, beteiligt ist, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben.
Artikel 6 – Bestechung und Bestechlichkeit ausländischer Schöffen
Art. 6
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um die in den Artikeln 2 und 3 genannten Handlungen, wenn eine Person, welche die Aufgaben eines Schöffen innerhalb des Gerichtswesens eines anderen Staates wahrnimmt, beteiligt ist, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben.
Kapitel III – Überwachung der Durchführung und Schlussbestimmungen
Artikel 7 – Überwachung der Durchführung
Art. 7
Die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) überwacht die Durchführung dieses Protokolls durch die Vertragsparteien.
Artikel 8 – Verhältnis zum Übereinkommen
Art. 8
1. Die Vertragsparteien betrachten die Artikel 2 bis 6 dieses Protokolls als Zusatzartikel zum Übereinkommen.
2. Die Bestimmungen des Übereinkommens sind anwendbar, soweit sie mit den Bestimmungen dieses Protokolls vereinbar sind.
Artikel 9 – Erklärungen und Vorbehalte
Art. 9
1. Hat eine Vertragspartei eine Erklärung nach Artikel 36 des Übereinkommens abgegeben, so kann sie bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde eine gleichartige Erklärung zu den Artikeln 4 und 6 dieses Protokolls abgeben.
2. Hat eine Vertragspartei einen Vorbehalt nach Artikel 37 Absatz 1 des Übereinkommens gemacht, durch den die Anwendung der in Artikel 5 des Übereinkommens genannten Straftaten der Bestechlichkeit begrenzt wird, so kann sie bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einen gleichartigen Vorbehalt zu den Artikeln 4 und 6 dieses Protokolls machen. Jeder andere von einer Vertragspartei nach Artikel 37 des Übereinkommens gemachte Vorbehalt findet auch auf dieses Protokoll Anwendung, sofern die betreffende Vertragspartei bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde nichts anderes erklärt.
3. Weitere Vorbehalte sind nicht zulässig.
Artikel 10 – Unterzeichnung und Inkrafttreten
Art. 10
1. Dieses Protokoll liegt für die Staaten, die das Übereinkommen unterzeichnet haben, zur Unterzeichnung auf. Diese Staaten können ihre Zustimmung, gebunden zu sein, ausdrücken,
a. indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen oder
b. indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen und später ratifizieren, annehmen oder genehmigen.
2. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.
3. Dieses Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem fünf Staaten nach den Absätzen 1 und 2 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein, aber nicht bevor das Übereinkommen selbst in Kraft getreten ist.
4. Für jeden Unterzeichnerstaat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch dieses Protokoll gebunden zu sein, tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem er nach den Absätzen 1 und 2 seine Zustimmung ausgedrückt hat, durch das Protokoll gebunden zu sein.
5. Ein Unterzeichnerstaat kann dieses Protokoll nur ratifizieren, annehmen oder genehmigen, wenn er zugleich oder zuvor seine Zustimmung ausdrückt, durch das Übereinkommen gebunden zu sein.
Artikel 11 – Beitritt zum Protokoll
Art. 11
1. Jeder Staat, der dem Übereinkommen beigetreten ist, und die Europäische Gemeinschaft, wenn sie dem Übereinkommen beigetreten ist, können diesem Protokoll nach dessen Inkrafttreten beitreten.
2. Für jeden diesem Protokoll beitretenden Staat und für die Europäische Gemeinschaft, wenn sie dem Protokoll beitritt, tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats folgt.
Artikel 12 – Räumlicher Geltungsbereich
Art. 12
1. Jeder Staat und die Europäische Gemeinschaft können bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Protokoll Anwendung findet.
2. Jede Vertragspartei kann jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung die Anwendung dieses Protokolls auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken, dessen internationale Beziehungen sie wahrnimmt oder für das sie Vereinbarungen treffen kann. Das Protokoll tritt für dieses Hoheitsgebiet am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Erklärung beim Generalsekretär folgt.
3. Jede nach den Absätzen 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Rücknahme wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär des Europarats folgt.
Artikel 13 – Kündigung
Art. 13
1. Jede Vertragspartei kann dieses Protokoll jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation kündigen.
2. Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.
3. Die Kündigung des Übereinkommens hat ohne weiteres auch die Kündigung dieses Protokolls zur Folge.
Artikel 14 – Notifikationen
Art. 14
Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats, jedem Staat, der diesem Protokoll beigetreten ist, und der Europäischen Gemeinschaft, wenn sie diesem Protokoll beigetreten ist,
a. jede Unterzeichnung dieses Protokolls;
b. jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde;
c. jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach den Artikeln 10, 11 und 12;
d. jede Erklärung oder jeden Vorbehalt nach den Artikeln 9 und 12;
e. jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem Protokoll.
Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.
Geschehen zu Straßburg am 15. Mai 2003 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Unterzeichnerparteien und beitretenden Parteien beglaubigte Abschriften.