(1) Unbeschadet der allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts sowie der Bestimmungen des Artikels 18 Absatz 2 Buchstabe c) gelten die in diesem Artikel vorgesehenen Verpflichtungen für Überwachungsanordnungen, die von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen erlassen oder genehmigt wurden: dabei muß es sich um Ermittlungen handeln, die infolge der Begehung einer spezifischen Straftat, einschließlich versuchter Straftaten, soweit diese nach dem innerstaatlichen Recht unter Strafe gestellt sind, durchgeführt werden, um die dafür Verantwortlichen festzustellen und festzunehmen, Anklage gegen sie zu erheben, sie strafrechtlich zu verfolgen oder abzuurteilen.
(2) Wenn zum Zwecke einer strafrechtlichen Ermittlung die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats (des „überwachenden Mitgliedstaats“) genehmigt wurde und der in der Überwachungsanordnung bezeichnete Telekommunikationsanschluß der Zielperson im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats (des „unterrichteten Mitgliedstaats“) genutzt wird, von dem für die Durchführung der Überwachung eine technische Hilfe benötigt wird, so hat der überwachende Mitgliedstaat den unterrichteten Mitgliedstaat von der Überwachung zu unterrichten:
a) vor der Überwachung in Fällen, in denen er bereits bei Anordnung der Überwachung davon Kenntnis hat, daß sich die Zielperson im Hoheitsgebiet des unterrichteten Mitgliedstaats befindet, oder
b) in den anderen Fällen unmittelbar, nachdem er davon Kenntnis erhält, daß sich die Zielperson im Hoheitsgebiets des unterrichteten Mitgliedstaats befindet.
(3) Die Informationen, die von dem überwachenden Mitgliedstaat zu notifizieren sind, enthalten:
a) die Angabe der Behörde, die die Überwachung anordnet;
b) eine Bestätigung, daß eine rechtmäßige Überwachungsanordnung im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Ermittlung erlassen wurde;
c) Angaben zum Zwecke der Identifizierung der Zielperson;
d) eine Angabe des strafbaren Verhaltens, das der Ermittlung zugrunde liegt;
e) die voraussichtliche Dauer der Überwachung.
(4) Wird ein Mitgliedstaat gemäß den Absätzen 2 und 3 unterrichtet, so gilt folgendes:
a) Erhält die zuständige Behörde des unterrichteten Mitgliedstaats die Informationen nach Absatz 3, so antwortet sie unverzüglich und spätestens innerhalb von 96 Stunden dem überwachenden Mitgliedstaat, um
i) die Durchführung oder die Fortsetzung der Überwachung zu bewilligen. Der unterrichtete Mitgliedstaat kann seine Zustimmung von der Erfüllung jeglicher Bedingungen abhängig machen, die in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall zu erfüllen wären;
ii) zu verlangen, daß die überwachung nicht durchgeführt oder beendet wird, wenn die Überwachung nach dem innerstaatlichen Recht des unterrichteten Mitgliedstaats oder aus den in Artikel 2 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens aufgeführten Gründen nicht zulässig wäre. Stellt der unterrichtete Mitgliedstaat eine solche Forderung, so hat er seine Entscheidung schriftlich zu begründen;
iii) zu verlangen, daß in Fällen nach Ziffer ii) das Material, das bereits gesammelt wurde, während sich die Person im Hoheitsgebiet des unterrichteten Mitgliedstaats befand, nicht oder nur unter den von ihm festzulegenden Bedingungen verwendet werden darf. Der unterrichtete Mitgliedstaat setzt den überwachenden Mitgliedstaat von den Gründen für diese Bedingungen in Kenntnis;
iv) zu verlangen, daß die ursprüngliche Frist von 96 Stunden um eine kurze, mit dem überwachenden Mitgliedstaat zu vereinbarende Frist von höchstens acht Tagen verlängert wird, damit die nach ihrem innerstaatlichen Recht erforderlichen Verfahren durchgeführt werden können. Der unterrichtete Mitgliedstaat teilt dem überwachenden Mitgliedstaat schriftlich die Bedingungen mit, die gemäß seinem innerstaatlichen Recht die Beantragte Fristverlängerung rechtfertigen.
b) Solange keine Entscheidung des unterrichteten Mitgliedsstaats gemäß Buchstabe a) Ziffer i) oder ii) vorliegt, darf der überwachende Mitgliedstaat
i) die Überwachung fortsetzen;
ii) das bereits gesammelte Material nicht verwenden, es sei denn
– die betreffenden Mitgliedstaaten haben etwas anderes vereinbart, oder
– zur Ergreifung dringlicher Maßnahmen zur Abwehr einer unmittelbaren und ernsthaften Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Der unterrichtete Mitgliedstaat wird über jegliche derartige Verwendung unter Angabe der Gründe unterrichtet.
c) der unterrichtete Mitgliedstaat kann eine kurze Darstellung des Sachverhalts und jede weitere Information verlangen, die er benötigt, um beurteilen zu können, ob in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall eine Überwachung genehmigt werden würde. Ein solches Ersuchen hat keine Auswirkungen auf die Anwendung des Buchstabens b), es sei denn, der unterrichtete und der überwachende Mitgliedstaat haben etwas anderes vereinbart.
d) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß eine Antwort innerhalb der 96-Stunden-Frist ergehen kann. Zu diesem Zweck bezeichnen sie Kontaktstellen, die rund um die Uhr besetzt sind, und führen sie in ihren Erklärungen nach Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe e) auf.
(5) Der unterrichtete Mitgliedstaat behandelt die nach Absatz 3 übermittelten Informationen nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts vertraulich.
(6) Ist der überwachende Mitgliedstaat der Ansicht, daß die nach Absatz 3 zu übermittelnden Informationen besonders geheimhaltungsbedürftig sind, so können diese Informationen der zuständigen Behörde über eine besondere Behörde übermittelt werden, sofern dies zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten bilateral vereinbart wurde.
(7) Jeder Mitgliedstaat kann bei der Notifizierung nach Artikel 27 Absatz 2 oder zu jedem späteren Zeitpunkt erklären, daß er Informationen über eine Überwachung nach Maßgabe des vorliegenden Artikels nicht benötigt.
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