(1) Im Wege der Vereinbarung können die zuständigen Behörden von zwei oder mehr Mitgliedstaaten für einen bestimmten Zweck und einen begrenzten Zeitraum, der im gegenseitigen Einvernehmen verlängert werden kann, eine gemeinsame Ermittlungsgruppe zur Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen in einem oder mehreren der an der Gruppe beteiligten Mitgliedstaaten bilden. Die Zusammensetzung der Ermittlungsgruppe wird in der Vereinbarung angegeben. Eine gemeinsame Ermittlungsgruppe kann insbesondere gebildet werden,
a) wenn in dem Ermittlungsverfahren eines Mitgliedstaats zur Aufdeckung von Straftaten schwierige und aufwendige Ermittlungen mit Bezügen zu anderen Mitgliedstaaten durchzuführen sind;
b) wenn mehrere Mitgliedstaaten Ermittlungen zur Aufdeckung von Straftaten durchführen, die in infolge des zugrundeliegenden Sachverhalts ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen in den beteiligten Mitgliedstaaten erforderlich machen.
Ein Ersuchen um Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe kann von jedem der betroffenen Mitgliedstaaten gestellt werden. Die Gruppe wird in einem der Mitgliedstaaten gebildet, in dem die Ermittlungen voraussichtlich durchzuführen sind.
(2) Ersuchen um Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe enthalten außer den in den einschlägigen Bestimmungen des Artikel 14 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens und des Artikels 37 des Benelux-Übereinkommens genannten Angaben auch Vorschläge für die Zusammensetzung der Gruppe.
(3) Die gemeinsame Ermittlungsgruppe wird im Hoheitsgebiet der an der Gruppe beteiligten Mitgliedstaaten unter folgenden allgemeinen Voraussetzungen tätig:
a) Die Gruppe wird von einem Vertreter der an den strafrechtlichen Ermittlungen beteiligten zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Einsatz der Gruppe erfolgt, geleitet. Der Gruppenleiter handelt im Rahmen der ihm nach innerstaatlichem Recht zustehenden Befugnisse.
b) Die Gruppe führt ihren Einsatz gemäß den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats durch, in dem ihr Einsatz erfolgt. Die Mitglieder der Gruppe nehmen ihre Aufgaben unter Leitung der unter Buchstabe a) genannten Person unter Berücksichtigung der Bedingungen wahr, die ihre eigenen Behörden in der Vereinbarung zur Bildung der Gruppe festgelegt haben.
c) Der Mitgliedstaat, in dem der Einsatz der Gruppe erfolgt, schafft die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen für ihren Einsatz.
(4) Im Sinne dieses Artikels gelten die aus anderen Mitgliedstaaten als dem Einsatzmitgliedstaat stammenden Mitglieder der gemeinsamen Ermittlungsgruppe als in die Gruppe „entsandte“ Mitglieder.
(5) Die in die gemeinsame Ermittlungsgruppe entsandten Mitglieder sind berechtigt, bei Ermittlungsmaßnahmen im Einsatzmitgliedstaat anwesend zu sein. Der Gruppenleiter kann jedoch aus besonderen Gründen, nach Maßgabe der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Einsatz der Gruppe erfolgt, anders entscheiden.
(6) Die in die gemeinsame Ermittlungsgruppe entsandten Mitglieder können nach Maßgabe der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Einsatz der Gruppe erfolgt, von dem Gruppenleiter mit der Durchführung bestimmter Ermittlungsmaßnahmen betraut werden, sofern dies von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Einsatz erfolgt, und von den entsendenden Mitgliedstaats gebilligt worden ist.
(7) Benötigt die gemeinsame Ermittlungsgruppe Ermittlungsmaßnahmen, die in einem der Mitgliedstaaten, die die Gruppe gebildet haben, zu ergreifen sind, so können die von diesem Mitgliedstaat in die Gruppe entsandten Mitglieder die zuständigen Behörden ihres Landes ersuchen, diese Maßnahmen zu ergreifen. Sie werden in dem betreffenden Staat gemäß den Bedingungen erwogen, die für im Rahmen innerstaatlicher Ermittlungen erbetene Maßnahmen gelten würden.
(8) Benötigt die gemeinsame Ermittlungsgruppe die Unterstützung eines Mitgliedstaats, der nicht zu denen gehört, die die Gruppe gebildet haben, oder eines Drittstaats, so kann von den zuständigen Behörden des Einsatzstaats entsprechend den einschlägigen Übereinkünften oder Vereinbarungen ein Rechtshilfeersuchen an die zuständigen Behörden des anderen betroffenen Staates gerichtet werden.
(9) Ein Mitglied der gemeinsamen Ermittlungsgruppe darf im Einklang mit den Rechtsvorschriften seines Landes und im Rahmen seiner Befugnisse der Gruppe Informationen, über die der das Mitglied entsendende Mitgliedstaat verfügt, für die Zwecke der von der Gruppe geführten strafrechtlichen Ermittlungen vorlegen.
(10) Von einem Mitglied oder einem entsandten Mitglied während seiner Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe rechtsmäßig erlangte Informationen, die den zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten nicht anderweitig zugänglich sind, dürfen für folgende Zwecke verwendet werden:
a) für die Zwecke, für die Gruppe gebildet wurde;
b) zur Aufdeckung, Ermittlung und Strafverfolgung anderer Straftaten vorbehaltlich der vorherigen Zustimmung des Mitgliedstaats, in dem die Informationen erlangt wurden. Diese Zustimmung kann nur in Fällen verweigert werden, in denen die Verwendung die strafrechtlichen Ermittlungen im betreffenden Mitgliedstaat beieinträchtigen würde, oder in Fällen, in denen dieser Mitgliedstaat sich weigern könnte, Rechtshilfe zu leisten;
c) zur Abwehr einer unmittelbaren und ernsthaften Gefahr für die öffentliche Sicherheit und unbeschadet des Buchstabens b), wenn anschließend eine strafrechtliche Ermittlung eingeleitet wird;
d) für andere Zwecke, sofern dies von den Mitgliedstaaten, die die Gruppe gebildet haben, vereinbart worden ist.
(11) Andere bestehende Bestimmungen oder Vereinbarungen über die Bildung oder den Einsatz gemeinsamer Ermittlungsgruppe werden von diesem Artikel nicht berührt.
(12) Soweit die Rechtsvorschriften der betreffenden Mitgliedstaaten oder die zwischen ihnen anwendbaren Übereinkünfte dies gestatten, kann vereinbart werden, daß sich Personen an den Tätigkeiten der gemeinsamen Ermittlungsgruppe beteiligen, die keine Vertreter der zuständigen Behörde der Mitgliedstaaten sind, die die Gruppe gebildet haben. Hierbei kann es sich beispielsweise um Bedienstete von nach dem Vertrag über die Europäische Union geschaffenen Einrichtungen handeln. Die den Mitgliedern oder den entsandten Mitgliedern der Gruppe kraft dieses Artikels verliehenen Rechte gelten nicht für diese Personen, es sei denn, daß die Vereinbarung ausdrücklich etwas anderes vorsieht.
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