BundesrechtInternationale VerträgeEuropäische Sozialcharta

Europäische Sozialcharta

In Kraft seit 28. November 1969
Up-to-date

Artikel 1

DAS RECHT AUF ARBEIT

Art. 1

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Arbeit zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. die Erreichung und die Aufrechterhaltung eines möglichst hohen und stabilen Beschäftigungsstandes zu einem ihrer Hauptziele und einer ihrer wichtigsten Aufgaben zum Zwecke der Verwirklichung der Vollbeschäftigung zu machen;

2. das Recht des Arbeitnehmers wirksam zu schützen, seinen Lebensunterhalt durch eine frei übernommene Tätigkeit zu verdienen;

3. unentgeltliche Arbeitsvermittlungsdienste für alle Arbeitnehmer einzurichten oder aufrechtzuerhalten;

4. eine geeignete Berufsberatung, berufliche Ausbildung und Wiedereingliederung vorzusehen oder zu fördern.

Artikel 2

DAS RECHT AUF GERECHTE ARBEITSBEDINGUNGEN

Art. 2

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf gerechte Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. eine angemessene tägliche und wöchentliche Arbeitszeit vorzusehen, wobei die Arbeitswoche fortschreitend zu verkürzen ist, soweit die Produktivitätssteigerung und andere mitwirkende Faktoren dies gestatten;

2. bezahlte öffentliche Feiertage vorzusehen;

3. die Gewährung eines bezahlten Jahresurlaubs von mindestens zwei Wochen vorzusehen;

4. die Gewährung zusätzlicher bezahlter Urlaubstage oder einer verkürzten Arbeitszeit für Arbeitnehmer vorzusehen, die mit von der innerstaatlichen Gesetzgebung bezeichneten gefährlichen oder gesundheitsschädlichen Arbeiten beschäftigt sind;

5. eine wöchentliche Ruhezeit sicherzustellen, die, soweit wie möglich, mit dem Tag zusammenfällt, der in dem betreffenden Land oder Bezirk durch Herkommen oder Brauch als Ruhetag anerkannt ist.

Artikel 3

DAS RECHT AUF SICHERE UND GESUNDE ARBEITSBEDINGUNGEN

Art. 3

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften zu erlassen;

2. Überwachungsmaßnahmen zur Durchführung dieser Vorschriften anzuordnen;

3. die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen in geeigneten Fällen bei Maßnahmen zu Rate zu ziehen, die auf eine Verbesserung der Sicherheit und der Gesundheit bei der Arbeit gerichtet sind.

Artikel 4

DAS RECHT AUF EIN GERECHTES ARBEITSENTGELT

Art. 4

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf ein gerechtes Arbeitsentgelt zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. das Recht der Arbeitnehmer auf ein Arbeitsentgelt anzuerkennen, das ausreicht, ihnen und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu sichern;

2. das Recht der Arbeitnehmer auf Zahlung erhöhter Lohnsätze für Überstundenarbeit anzuerkennen, vorbehaltlich von Ausnahmen in bestimmten Fällen;

3. das Recht männlicher und weiblicher Arbeitnehmer auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit anzuerkennen;

4. das Recht aller Arbeitnehmer auf eine angemessene vorherige Benachrichtigungsfrist im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzuerkennen;

5. Lohnabzüge nur unter den Bedingungen und in den Grenzen zuzulassen, die in innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen oder durch Gesamtarbeitsvertrag oder Schiedsspruch bestimmt sind.

Die Ausübung dieser Rechte ist durch frei abgeschlossene Gesamtarbeitsverträge, durch gesetzliche Verfahren der Lohnfestsetzung oder auf jede andere den innerstaatlichen Verhältnissen entsprechende Weise zu gewährleisten.

Artikel 5

DAS VEREINIGUNGSRECHT

Art. 5

Um den Arbeitnehmern und Arbeitgebern die Freiheit zur Bildung örtlicher, innerstaatlicher oder internationaler Organisationen zum Schutze ihrer wirtschaftlichen und sozialen Belange und zum Beitritt zu diesen Organisationen zu gewährleisten oder zu fördern, verpflichten sich die Vertragsparteien, diese Freiheit weder durch die innerstaatliche Gesetzgebung noch durch deren Anwendung zu beeinträchtigen. Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmen, inwieweit die in diesem Absatz vorgesehenen Garantien auf die Polizei Anwendung finden. Der Grundsatz für die Anwendung dieser Garantien auf Angehörige der Streitkräfte und gegebenenfalls ihr Umfang werden gleichfalls durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmt.

Artikel 6

DAS RECHT AUF KOLLEKTIVER HANDLUNGEN

Art. 6

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Kollektivverhandlungen zu gewährleisten, verpflichten sich die Vortragsparteien:

1. gemeinsame Beratungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu fördern;

2. Verfahren für freiwillige Verhandlungen zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberorganisationen einerseits und Arbeitnehmerorganisationen andererseits zu fördern, soweit dies notwendig und zweckmäßig ist mit dem Ziele, die Beschäftigungsbedingungen durch Gesamtarbeitsverträge zu regeln;

3. die Einrichtung und die Anwendung geeigneter Einigungs- und freiwilliger Schiedsverfahren zur Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten zu fördern; und anerkennen:

4. das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechtes im Falle von Interessenkonflikten, vorbehaltlich von Verpflichtungen, die sich aus den geltenden Gesamtarbeitsverträgen, ergeben.

Artikel 7

DAS RECHT DER KINDER UND JUGENDLICHEN AUF SCHUTZ

Art. 7

Um die wirksam Ausübung des Rechtes der Kinder und Jugendlichen auf Schutz zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. das Mindestalter von 15 Jahren für die Zulassung zu einer Beschäftigung festzusetzen, vorbehaltlich von Ausnahmen für Kinder, die mit bestimmten leichten Arbeiten beschäftigt werden, die weder ihre Gesundheit, noch ihre Sittlichkeit, noch ihre Erziehung gefährden;

2. ein höheres Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung mit bestimmten Arbeiten, die als gefährlich oder gesundheitsschädlich gelten, festzusetzen;

3. die Beschäftigung Schulpflichtiger mit Arbeiten zu verbieten, die den vollen Nutzen dieser Schulausbildung beeinträchtigen würden;

4. die Arbeitszeit von Jugendlichen unter 16 Jahren entsprechend den Erfordernissen ihrer Entwicklung und insbesondere ihrer Berufsausbildung zu begrenzen;

5. das Recht der jugendlichen Arbeitnehmer und Lehrlinge auf ein gerechtes Arbeitsentgelt oder eine andere angemessene Beihilfe anzuerkennen;

6. vorzusehen, daß die Zeit, die Jugendliche während der normalen Arbeitszeit mit Zustimmung des Arbeitgebers für die Berufsausbildung verwenden, als Teil der täglichen Arbeitszeit gilt;

7. die Dauer des bezahlten Jahresurlaubes für Arbeitnehmer unter 18 Jahren auf mindestens drei Wochen festzusetzen;

8. die Nachtarbeit für Personen unter 18 Jahren zu verbieten, mit Ausnahme bestimmter in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegter Arbeiten;

9. vorzusehen, daß Arbeitnehmer unter 18 Jahren, die in bestimmten, in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegten Beschäftigungen tätig sind, einer regelmäßigen ärztlichen Überwachung unterliegen;

10. einen besonderen Schutz gegen körperliche und sittliche Gefahren sicherzustellen, denen Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind, insbesondere gegen solche Gefahren, die sich unmittelbar oder mittelbar aus ihrer Arbeit ergeben.

Artikel 8

DAS RECHT DER ARBEITNEHMERINNEN AUF SCHUTZ

Art. 8

Um die wirksame Ausübung des Rechtes der Arbeitnehmerinnen auf Schutz zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. eine Arbeitsbefreiung für Frauen vor und nach der Niederkunft von insgesamt mindestens 12 Wochen in Form eines bezahlten Urlaubes, einer angemessenen Leistung der Sozialen Sicherheit oder einer Leistung aus öffentlichen Mitteln vorzusehen;

2. es als ungesetzlich zu betrachten, daß ein Arbeitgeber einer Frau während ihrer Abwesenheit infolge Mutterschaftsurlaubs oder zu einem solchen Zeitpunkt kündigt, daß die Kündigungsfrist während ihrer Abwesenheit abläuft;

3. vorzusehen, daß Mütter, die ihre Kinder stillen, für diesen Zweck Anspruch auf ausreichende Arbeitsunterbrechungen haben;

4. a) die Nachtarbeit von Arbeitnehmerinnen in gewerblichen Betrieben zu regeln;

b) jede Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen mit Untertagearbeiten in Bergwerken und gegebenenfalls mit allen Arbeiten zu untersagen, die infolge ihrer gefährlichen, ungesunden oder beschwerlichen Art für sie ungeeignet sind.

Artikel 9

DAS RECHT AUF BERUFSBERATUNG

Art. 9

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Berufsberatung zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien, einen Dienst einzurichten oder zu fördern, soweit dies notwendig ist, der allen Personen, einschließlich der Behinderten, hilft, die Probleme der Berufswahl oder des beruflichen Aufstieges zu lösen, und zwar unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Eigenschaften und deren Beziehungen zu den Beschäftigungsmöglichkeiten; diese Hilfe soll sowohl Jugendlichen einschließlich Kindern schulpflichtigen Alters als auch Erwachsenen unentgeltlich zur Verfügung stehen.

Artikel 10

DAS RECHT AUF BERUFLICHE AUSBILDUNG

Art. 10

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf berufliche Ausbildung zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. soweit dies notwendig ist, die fachliche Und berufliche Ausbildung aller Personen, einschließlich der Behinderten, vorzusehen oder zu fördern, wobei die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen zu Rate gezogen werden, und Möglichkeiten für den Zutritt zur höheren technischen Ausbildung und zur Universitätsausbildung zu gewähren, wobei nur die persönliche Eignung maßgebend sein soll;

2. ein System der Lehrlingsausbildung und andere Systeme der Ausbildung für junge Menschen beiderlei Geschlechts in ihren verschiedenen Berufstätigkeiten vorzusehen oder zu fördern;

3. soweit es notwendig ist, vorzusehen und zu fördern,

a) geeignete und leicht zugängliche Ausbildungsmöglichkeiten für erwachsene Arbeitnehmer;

b) besondere Möglichkeiten für die berufliche Umschulung erwachsener Arbeitnehmer, die durch den technischen Fortschritt oder neue Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt erforderlich geworden ist;

4. die volle Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten durch geeignete Maßnahmen anzuregen, wie durch

a) Ermäßigung oder Aufhebung aller Gebühren und Kosten;

b) Gewährung finanzieller Hilfe in geeigneten Fällen;

c) Anrechnung der Zeiten auf die normale Arbeitszeit, die der Arbeitnehmer auf Verlangen seines Arbeitgebers während der Beschäftigungszeit für den Besuch von Fortbildungslehrgängen aufwendet;

d) Gewährleistung einer wirksamen Lehrlingsausbildung für jugendliche Arbeitnehmer sowie eines angemessenen Schutzes der jugendlichen Arbeitnehmer im allgemeinen durch eine zweckentsprechende Überwachung in Beratung mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen.

Artikel 11

DAS RECHT AUF SCHUTZ DER GESUNDHEIT

Art. 11

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Schutz der Gesundheit zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien, entweder unmittelbar oder in Zusammenarbeit mit öffentlichen oder privaten Organisationen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die unter anderem darauf abzielen:

1. soweit wie möglich die Ursachen von Gesundheitsschäden zu beseitigen;

2. Beratungs- und Schulungsmöglichkeiten zu schaffen zur Verbesserung der Gesundheit und der Entwicklung des persönlichen Verantwortungsbewusstseins in Fragen der Gesundheit;

3. Soweit wie möglich epidemischen, endemischen und anderen Krankheiten vorzubeugen.

Artikel 12

DAS RECHT AUF SOZIALE SICHERHEIT

Art. 12

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Soziale Sicherheit zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. ein System der Sozialen Sicherheit einzuführen oder beizubehalten;

2. das System der Sozialen Sicherheit auf einem befriedigenden Stand zu halten, der zumindest dem entspricht, der für die Ratifikation des Übereinkommens (Nr. 102) der Internationalen Arbeitsorganisation über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit erforderlich ist;

3. sich zu bemühen, das System der Sozialen Sicherheit fortschreitend auf einen höheren Stand zu bringen;

4. durch den Abschluß geeigneter zwei- und mehrseitiger Abkommen oder durch andere Mittel und nach Maßgabe der in diesen Abkommen niedergelegten Bedingungen Maßnahmen zu ergreifen, die gewährleisten:

a) die Gleichbehandlung der Angehörigen anderer Vertragsparteien mit ihren eigenen Staatsangehörigen hinsichtlich der Ansprüche aus der Sozialen Sicherheit einschließlich der Wahrung der nach der Gesetzgebung der Sozialen Sicherheit erwachsenen Leistungsansprüche, wo immer die geschützten Personen innerhalb der Gebiete der Vertragsparteien ihren Aufenthalt nehmen;

b) die Gewährung, (die Erhaltung und das Wiederaufleben von Ansprüchen aus der Sozialen Sicherheit durch Mittel wie die Zusammenrechnung von Versicherungs- und Beschäftigungszeiten, die nach der Gesetzgebung einer der Vertragsparteien zurückgelegt wurden.

Artikel 13

DAS RECHT AUF SOZIALE UND ÄRZTLICHE HILFE (FÜRSORGE)

Art. 13

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf soziale und ärztliche Hilfe zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. sicherzustellen, daß jedem, der nicht über ausreichende Mittel verfügt und sich diese auch nicht selbst oder von anderen, insbesondere durch Leistungen aus einem System der Sozialen Sicherheit, verschaffen kann, ausreichende Unterstützung gewährt wird und im Falle der Erkrankung die Betreuung, die seine Lage erfordert;

2. sicherzustellen, daß Personen, die diese Fürsorge in Anspruch nehmen, aus diesem Grund nicht in ihren politischen oder sozialen Rechten beeinträchtigt werden;

3. dafür zu sorgen, daß jedermann durch zweckentsprechende öffentliche oder private Einrichtungen die zur Verhütung, Behebung oder Milderung einer persönlichen oder familiären Notlage erforderliche Beratung und persönliche Hilfe erhalten kann;

4. die Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 3 dieses Artikels auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsparteien, die. sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, auf der Grundlage der Gleichbehandlung in Übereinstimmung mit den Verpflichtung gen anzuwenden, die sie in dem am 11. Dezember 1953 in Paris unterzeichneten Europäischen Fürsorgeabkommen (Europäisches Übereinkommen über die soziale und ärztliche Hilfe) übernommen haben.

Artikel 14

DAS RECHT AUF INANSPRUCHNAHME SOZIALER DIENSTE

Art. 14

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Inanspruchnahme sozialer Dienste zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1, Dienste zu fördern oder zu schaffen, die unter Anwendung der Methoden der Sozialarbeit zum Wohlbefinden und zur Entfaltung des Einzelnen und der Gruppen innerhalb der Gemeinschaft beitragen, wie auch zu ihrer Anpassung an die soziale Umgebung;

2. die Mitwirkung von Einzelpersonen und von freien oder anderen Organisationen bei der Bildung und Aufrechterhaltung dieser Dienste anzuregen.

Artikel 15

DAS RECHT DER KÖRPERLICH ODER GEISTIG BEHINDERTEN AUF BERUFLICHE AUSBILDUNG SOWIE AUF BERUFLICHE UND SOZIALE WIEDEREINGLIEDERUNG

Art. 15

Um die wirksame Ausübung des Rechtes der körperlich öder geistig Behinderten auf berufliche Ausbildung sowie auf berufliche und Soziale Wiedereingliederung zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. geeignete Maßnahmen für die Bereitstellung von Ausbildungsmöglichkeiten zu treffen, erforderlichenfalls unter Einschluß von öffentlichen oder privaten Sondereinrichtungen;

2. geeignete Maßnahmen für die Vermittlung Behinderter auf Arbeitsplätze zu treffen, insbesondere durch die Schaffung von Sondervermittlungsstellen, durch Ermöglichung wettbewerbsgeschützter Beschäftigung und durch Maßnahmen, die den Arbeitgebern einen Anreiz zur Einstellung von Behinderten bieten.

Artikel 16

DAS RECHT DER FAMILIE AUF SOZIALEN, GESETZLICHEN UND WIRTSCHAFTLICHEN SCHUTZ

Art. 16

Um die erforderlichen Voraussetzungen für die Entfaltung der Familie als der Grundeinheit der Gesellschaft zu schaffen, verpflichten sich die Vertragsparteien, den wirtschaftlichen, gesetzlichen und sozialen Schutz des Familienlebens zu fördern, insbesondere durch Sozial- und Familienleistungen steuerliche Maßnahmen, Förderung des Baues von familiengerechten Wohnungen, Hilfe für junge Eheleute oder durch andere geeignete Mittel.

Artikel 17

DAS RECHT DER MÜTTER UND DER KINDER AUF SOZIALEN UND WIRTSCHAFTLICHEN SCHUTZ

Art. 17

Um die wirksame Ausübung des Rechtes der Mütter und der Kinder auf sozialen und wirtschaftlichen Schutz zu gewährleisten, werden die Vertragsparteien alle hierzu geeigneten und notwendigen Maßnahmen treffen, einschließlich der Schaffung und Beibehaltung geeigneter Einrichtungen und Dienste.

Artikel 18

DAS RECHT AUF AUSÜBUNG EINER ERWERBSTÄTIGKEIT IM HOHEITSGEBIET DER ANDEREN VERTRAGSPARTEIEN

Art. 18

Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet jeder anderen Vertragspartei zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. bestehende Vorschriften großzügig anzuwenden;

2. bestehende Formvorschriften zu vereinfachen und Verwaltungsgebühren und andere von ausländischen Arbeitnehmern oder ihren Arbeitgebern zu entrichtende Abgaben zu ermäßigen oder aufzuheben;

3. Vorschriften über die Regelung der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer einzeln oder gemeinschaftlich zu liberalisieren;

und anerkennen:

4. das Recht ihrer Staatsangehörigen, das Land zu verlassen, um im Hoheitsgebiet anderer Vertragsparteien eine Erwerbstätigkeit auszuüben.

Artikel 19

DAS RECHT DER WANDERARBEITER UND IHRER FAMILIEN AUF SCHUTZ UND BEISTAND

Art. 19

Um die wirksame Ausübung des Rechtes der Wanderarbeiter und ihrer Familien auf Schutz und Beistand im Hoheitsgebiet jeder anderen Vertragspartei zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

1. geeignete Stellen zu unterhalten oder sich zu vergewissern, daß solche Stellen bestehen, die diese Arbeitnehmer, insbesondere bei der Einholung genauer Auskünfte unentgeltlich betreuen, und, soweit die innerstaatliche Gesetzgebung es zuläßt, geeignete Maßnahmen gegen irreführende Werbung zur Auswanderung und Einwanderung zu treffen;

2. in den Grenzen ihrer Zuständigkeit geeignete Maßnahmen zur Erleichterung der Abreise, der Reise und der Aufnahme dieser Arbeitnehmer und ihrer Familien zu treffen und in den Grenzen ihrer Zuständigkeit notwendige Gesundheitsdienste, ärztliche Betreuung und gute hygienische Bedingungen während der Reise vorzusehen;

3. die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen und privaten Einrichtungen der sozialen Wohlfahrt in den Auswanderungs- und Einwanderungsländern, soweit tunlich, zu fördern;

4. sicherzustellen, daß diese Arbeitnehmer, die zum Aufenthalt in ihrem Gebiet befugt sind, nicht weniger günstig behandelt werden als ihre eigenen Staatsangehörigen in bezug auf die folgenden Gegenstände, soweit sie gesetzlich geregelt oder der Überwachung durch die Verwaltungsbehörden unterstellt sind:

a) das Arbeitsentgelt und andere Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen;

b) den Beitritt zu gewerkschaftlichen Organisationen und den Genuß der durch die Gesamtarbeitsverträge gebotenen Vorteile;

c) die Unterkunft;

5. sicherzustellen, daß diese Arbeitnehmer, die zum Aufenthalt in ihrem Gebiet befugt sind, nicht weniger günstig behandelt werden als ihre eigenen Staatsangehörigen in bezug auf die Steuern, Abgaben und Beiträge, die für den Arbeitnehmer auf Grund der Beschäftigung zu zahlen sind;

6. die Zusammenführung eines zur Niederlassung in dem Gebiet berechtigten Wanderarbeiters mit seiner Familie soweit wie möglich zu erleichtern;

7. sicherzustellen, daß diese Arbeitnehmer, die zum Aufenthalt in ihrem Gebiet befugt sind, nicht weniger günstig behandelt werden als ihre eigenen Staatsangehörigen in bezug auf die Möglichkeit, den Rechtsweg hinsichtlich der in diesem Artikel behandelten Angelegenheiten zu beschreiten;

8. sicherzustellen, daß diese Arbeitnehmer die zur Aufenthalt in ihrem Gebiet befügt sind, nur ausgewiesen werden können, wenn sie die Staatssicherheit gefährden oder gegen die öffentliche Ordnung (ordre publie) oder die Sittlichkeit verstoßen;

9. innerhalb der gesetzlichen Grenzen die Überweisung der Teile des Verdienstes und der Ersparnisse zuzulassen, die diese Arbeitnehmer zu überweisen wünschen;

10. den in diesem Artikel vorgesehenen Schutz und Beistand auf die aus- und einwandernden selbständig erwerbstätigen Wanderer auszudehnen, soweit solche Maßnahmen auf diesen Personenkreis anwendbar sind.

TEIL III

Artikel 20

VERPFLICHTUNGEN

Art. 20

1. Jede der Vertragsparteien verpflichtet sich:

a) Teil I dieser Charta als eine Erklärung der Ziele anzusehen, die sie, entsprechend dem einleitenden Absatz dieses Teiles, mit allen geeigneten Mitteln verfolgen wird;

b) mindestens fünf der folgenden sieben Artikel des Teiles II dieser Charta für sich als bindend anzusehen: 1, 5, 6, 12, 13, 16 und 19;

c) Zusätzlich zu den nach Maßgabe des vorstehenden Unterabsatzes ausgewählt ten Artikeln so viele Artikel oder nummerierte Absätze des Teiles II der Charta auszuwählen und für sich als bindend anzusehen, daß die Gesamtzahl dar Artikel oder nummerierten Absätze, durch die sie gebunden ist, nicht weniger als 10 Artikel oder 45 nummerierte Absätze beträgt.

2. Die nach Maßgabe der Unterabsätze b) und c) von Absatz 1 dieses Artikels ausgewählten Artikel oder Absätze sollen dem Generalsekretär des Europarates mitgeteilt werden, wenn die betreffende Vertragspartei ihre Urkunde über die Ratifikation öder Annahme hinterlegt.

3. Jede Vertragspartei kann zu einem späteren Zeitpunkt durch Mitteilung an den Generalsekretär erklären, daß sie jeden anderen Artikel oder jeden ändern nummerierten Absatz von Teil II der Charta für sich als bindend ansieht, den sie bisher noch nicht nach den Bestimmungen von Absatz 1 dieses Artikels angenommen hat. Diese später übernommenen Verpflichtungen gelten als Bestandteil der Ratifikation und haben vom dreißigsten Tag nach dem Zeitpunkt der Mitteilung an die gleiche Wirkung.

4. Der Generalsekretär bringt allen unterzeichnenden Regierungen und dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes jede Mitteilung zur Kenntnis, die er entsprechend diesem Teil der Charta erhält.

5. Jede Vertragspartei soll über ein den innerstaatlichen Verhältnissen entsprechendes System der Arbeitsaufsicht verfügen.

TEIL IV

Artikel 21

BERICHTE ZU DEN ANGENOMMENEN BESTIMMUNGEN

Art. 21

Die Vertragsparteien senden dem Generalsekretär des Europarates alle zwei Jahre einen Bericht in einer von dem Ministerkomitee festzulegenden Form, der die Anwendung der von ihnen angenommenen Bestimmungen des Teiles II der Charta behandelt.

Artikel 22

BERICHTE OBER NICHTANGENOMMENE BESTIMMUNGEN

Art. 22

Die Vertragsparteien senden dem Generalsekretär des Europarates in angemessenen vom Ministerkomitee zu bestimmenden Zeitabständen Berichte über die Bestimmungen des Teiles II der Charta, die sie weder zum Zeitpunkt ihrer Ratifikation oder Annahme noch durch eine spätere Mitteilung angenommen haben. Das Ministerkomitee beschließt von Zeit zu Zeit, über welche Bestimmungen solche Berichte angefordert werden und in welcher Form sie vorzulegen sind.

Artikel 23

ZUSTELLUNG VON ABSCHRIFTEN

Art. 23

1. Jede Vertragspartei übermittelt Abschriften ihrer Berichte nach den Artikeln 21 und 22 an diejenigen innerstaatlichen Organisationen, die Mitglieder der internationalen Arbeitgeberund Arbeitnehmerorganisationen sind, die gemäß Artikel 27 Absatz 2 eingeladen werden sollen, sich auf den Tagungen des Unterausschusses des Sozialausschusses der Regierungen vertreten zu lassen.

2. Die Vertragsparteien leiten von den innerstaatlichen Organisationen erhaltene Stellungnahmen zu den oben genannten Berichten auf deren Ersuchen an den Generalsekretär weiter.

Artikel 24

PRÜFUNG DER BERICHTE

Art. 24

Die dem Generalsekretär nach den Artikeln 21 und 22 übersandten Berichte werden von einem Sachverständigenausschuß geprüft, dem ebenfalls alle dem Generalsekretär nach Artikel 23 Absatz 2 übersandten Stellungnahmen vorliegen.

Artikel 25

SACHVERSTÄNDIGENAUSSCHUSS

Art. 25

1. Der Sachverständigenausschuß besteht aus höchstens sieben Mitgliedern, die vom Ministerkomitee aus einer Liste unabhängiger von den Vertragsparteien vorgeschlagener Sachverständiger von höchster Integrität und anerkannter Sachkenntnis in sozialen internationalen Fragen ernannt werden.

2. Die Mitglieder des Ausschusses werden auf sechs Jahre ernannt. Sie können wiederernannt werden. Für zwei Mitglieder von den zuerst ernannten Mitgliedern läuft jedoch die Amtszeit nach vier Jahren ab.

3. Die Mitglieder, deren Amtszeit nach der Anfangsperiode von vier Jahren abläuft, werden von dem Ministerkomitee sofort nach der ersten Ernennung durch Los bestimmt.

4. Ein Mitglied des Sachverständigenausschusses, das an Stelle eines Mitgliedes ernannt wird, dessen Amtszeit noch nicht abgelaufen ist, bleibt bis zum Ende der Amtszeit seines Vorgängers im Amt.

Artikel 26

BETEILIGUNG DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION

Art. 26

Die Internationale Arbeitsorganisation ist einzuladen, einen Vertreter namhaft zu machen, der in beratender Eigenschaft an den Verhandlungen des Sachverständigenausschusses teilnimmt.

Artikel 27

UNTERAUSSCHUSS DES SOZIALAUSSCHUSSES DER REGIERUNGEN

Art. 27

1. Die Berichte der Vertragsparteien und die Schlußfolgerungen des Sachverständigenausschusses werden einem Unterausschuß des Sozialausschusses der Regierungen des Europarates zur Prüfung vorgelegt.

2. Dieser Unterausschuß besteht aus je einem Vertreter jeder Vertragspartei. Er soll höchstens zwei internationale Arbeitgeberorganisationen und höchstens zwei internationale Arbeitnehmerorganisationen, die er bestimmt, einladen, sich auf seinen Tagungen durch Beobachter in beratender Eigenschaft vertreten zu lassen. Er kann sich in Fragen, wie der sozialen Wohlfahrt und des wirtschaftlichen und sozialen Schützes der Familie, des Rates von höchstens zwei Vertretern internationaler nichtstaatlicher Organisationen mit beratendem Status beim Europarat bedienen, die auf diesem Gebiet besonders fachkundig sind.

3. Der Unterausschuß legt dem Ministerkomitee einen Bericht mit seinen Schlussfolgerungen vor, dem er den Bericht des Sachverständigenausschusses beifügt.

Artikel 28

BERATENDE VERSAMMLUNG

Art. 28

Der Generalsekretär des Europarates übermittelt der Beratenden Versammlung die Schlußfolgerungen des Sachverständigenausschusses. Die Beratende Versammlung teilt dem Ministerkomitee ihre Ansicht über diese Schlussfolgerungen mit.

Artikel 29

MINISTERKOMITEE

Art. 29

Das Ministerkomitee kann mit Zweidrittelmehrheit der zur Teilnahme an den Sitzungen des Komitees berechtigten Mitglieder auf Grund des Berichtes des Unterausschusses und nachdem es die Beratende Versammlung zu Rate gezogen hat, an jede Vertragspartei alle notwendigen Empfehlungen richten.

TEIL V

Artikel 30

NOTSTANDSKLAUSEL

Art. 30

1. In Kriegszeiten öder bei einem anderen öffentlichen Notstand, der das Leben der Nation bedroht, kann jede Vertragspartei Maßnahmen treffen, um sich von den in dieser Charta vorgesehenen Verpflichtungen soweit zu befreien, als dies nach der Lage unbedingt erforderlich ist, vorausgesetzt, daß diese Maßnahme nicht mit ihren anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen in Widerspruch stehen.

2. Jede Vertragspartei, die von diesem Recht der Befreiung Gebrauch gemacht hat, unterrichtet den Generalsekretär des Europarates innerhalb eines angemessenen Zeitraumes ausführlich über alle getroffenen Maßnahmen und die Gründe hierfür. Sie unterrichtet den Generalsekretär auch von dem Zeitpunkt, zu dem diese Maßnahmen aufgehoben wurden und die von ihr angenommenen Bestimmungen der Charta wieder in vollem Umfang angewandt werden.

3. Der Generalsekretär setzt die anderen Vertragsparteien und den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes von allen nach Absatz 2 dieses Artikels bei ihm eingegangenen Mitteilungen in Kenntnis.

Artikel 31

EINSCHRÄNKUNGEN

Art. 31

1. Die in Teil I niedergelegten Rechte und Grundsätze dürfen nach ihrer endgültigen Verwirklichung ebenso wie ihre in Teil II vorgesehene wirksame Ausübung anderen als den in diesen Teilen vorgesehenen Einschränkungen oder Begrenzungen nur unterliegen, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer oder zum Schutz der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Staatssicherheit, der öffentlichen Gesundheit und der Sittlichkeit notwendig sind.

2. Von den nach dieser Charta zulässigen Einschränkungen der darin niedergelegten Rechte und Verpflichtungen darf für keinen anderen als den vorgeschriebenen Zweck Gebrauch gemacht werden.

Artikel 32

VERHÄLTNIS ZWISCHEN DER CHARTA UND DEM INNERSTAATLICHEN RECHT SOWIE DEN INTERNATIONALEN ABKOMMEN

Art. 32

Die Bestimmungen dieser Charta lassen geltende oder in Zukunft in Kraft tretende Bestimmungen des innerstaatlichen Rechtes oder zwei- und mehrseitige Verträge, Übereinkommen und Abkommen unberührt, die den geschützten Personen eine günstigere Behandlung einräumen.

Artikel 33

ERFÜLLUNG DURCH GESAMTARBEITSVERTRÄGE

Art. 33

1. In den Mitgliedstaaten, in denen die Bestimmungen der Absätze 1, 2, 3, 4 und 5 von Artikel 2, der Absätze 4, 6 und 7 von Artikel 7 und der Absätze 1, 2, 3 und 4 von Artikel 10 des Teiles II dieser Charta Angelegenheiten sind, die üblicherweise durch Gesamtarbeitsverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitgeberorganisationen und Arbeitnehmerorganisationen geregelt oder üblicherweise auf anderem als auf gesetzlichem Wege durchgeführt werden, können die Verpflichtungen dieser Absätze übernommen werden und als erfüllt gelten, wenn diese Bestimmungen auf Grund derartiger Gesamtarbeitsverträge oder auf andere Weise auf die überwiegende Mehrheit der betreffenden Arbeitnehmer Anwendung finden.

2 In Mitgliedstaaten, in denen diese Bestimmungen üblicherweise Gegenstand der Gesetzgebung sind, können die entsprechenden Verpflichtungen gleichfalls übernommen werden und als erfüllt gelten, wenn diese Bestimmungen auf Grund der Gesetze auf die überwiegende Mehrheit der betreffenden Arbeitnehmer Anwendung finden.

Artikel 34

TERRITORIALER GELTUNGSBEREICH

Art. 34

1. Diese Charta findet Anwendung in den zum Mutterland jeder Vertragspartei gehörenden Gebieten. Jede Vertragspartei kann im Zeitpunkt der Unterzeichnung oder der Hinterlegung ihrer Urkunde über die Ratifikation oder Annahme in einer an den Generalsekretär des Europarates gerichteten Erklärung das Gebiet bezeichnen, das in diesem Sinne als zum Mutterland gehörend anzusehen ist.

2. Jede Vertragspartei kann bei der Ratifikation oder Annahme dieser Charta oder zu irgendeinem späteren Zeitpunkt in einer an den Generalsekretär des Europarates gerichteten Mitteilung erklären, daß die Anwendung der Charta ganz oder teilweise auf eines oder mehrere der in der Erklärung näher bezeichneten, nicht zum Mutterland gehörenden Gebiete ausgedehnt werden soll, für deren internationale Beziehungen sie verantwortlich ist oder deren internationale Beziehungen sie wahrnimmt. In dieser Erklärung sind die Artikel oder Absätze des Teiles II der Charta anzugeben, die die Vertragspartei für die in der Erklärung bezeichneten Gebiete als bindend anerkennt.

3. Die Charta findet in dem Gebiet oder in den Gebieten, die in der vorgenannten Erklärung bezeichnet werden, vom dreißigsten Tage an nach Eingang dieser Mitteilung bei dem Generalsekretär Anwendung.

4. Jede Vertragspartei kann zu einem späteren Zeitpunkt in einer an den Generalsekretär gerichteten Mitteilung erklären, daß sie für eines oder mehrere der Gebiete, auf die die Anwendung der Charta nach Absatz 2 dieses Artikels ausgedehnt worden ist, bestimmte Artikel oder nummerierte Absätze annimmt, die sie für dieses Gebiet oder diese Gebiete noch nicht angenommen hat. Derartige später eingegangene Verpflichtungen werden als Bestandteil der ursprünglichen Erklärung für das betreffende Gebiet angesehen und haben vom dreißigsten Tage nach dem Zeitpunkt der Mitteilung an die gleiche Wirkung.

5, Der Generalsekretär unterrichtet die anderen unterzeichneten Regierungen und den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes von jeder Mitteilung, die ihm auf Grund dieses Artikels übermittelt wird.

Artikel 35

UNTERZEICHNUNG RATIFIZIERUNG UND INKRAFTTRETEN

Art. 35

1. Diese Charta liegt zur Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten des. Europarates auf. Sie bedarf der Ratifikation oder Annahme. Die Urkunden über die Ratifikation oder Annahme sind bei dem Generalsekretär des Europarates zu hinterlegen.

2. Diese Charta tritt am dreißigsten Tage nach der Hinterlegung der fünften Urkunde über die Ratifikation oder Annahme in Kraft.

3. Für jeden Unterzeichner, der diese Charta in der Folge ratifiziert, tritt sie dreißig Tage nach dem Zeitpunkt der Hinterlegung seiner Urkunde über die Ratifikation oder Annahme in Kraft.

4. Der Generalsekretär macht allen Mitgliedstaaten des Europarates und dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes Mitteilung von dem Inkrafttreten der Charta, den Namen der Vertragsparteien, die sie ratifiziert oder angenommen haben, sowie von jeder folgenden Hinterlegung einer Urkunde über eine Ratifikation oder Annahme.

Artikel 36

ÄNDERUNGEN

Art. 36

Jedes Mitglied des Europarates kann in einer an den Generalsekretär des Europarates gerichteten Mitteilung Änderungen dieser Charta vorschlagen. Der Generalsekretär übermittelt den anderen Mitgliedern des Europarates alle Änderungsvorschläge, die dann vom Ministerkomitee geprüft und der Beratenden Versammlung zur Stellungnahme vorgelegt werden Jede vom Ministerkomitee gebilligte Änderung tritt am dreißigsten Tage nach dem Zeitpunkt in Kraft, in dem alle Vertragsparteien den Generalsekretär von ihrer Annahme der Änderung unterrichtet haben. Der Generalsekretär macht allen Mitgliedern des Europarates und dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes Mitteilung von dem Inkrafttreten dieser Änderungen.

Artikel 37

KÜNDIGUNG

Art. 37

1. Jede Vertragspartei kann diese Charta erst nach Ablauf von fünf Jahren, nachdem die Charta für sie in Kraft getreten ist, oder in der Folge jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zwei Jahren kündigen. In jedem Falle ist die Kündigung sechs Monate vorher dem Generalsekretär des Europarates mitzuteilen, der die anderen Vertragsparteien und den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes entsprechend unterrichtet. Diese Kündigung berührt nicht die Gültigkeit der Charta für die anderen Vertragsparteien, solange ihre Zahl nicht unter fünf absinkt.

2. Jede Vertragspartei kann nach Maßgabe der Bestimmungen des vorhergehenden Absatzes jeden von ihr angenommenen Artikel oder Absatz von Teil II der Charta kündigen, vorausgesetzt, daß die Zahl der für sie verbindlichen Artikel oder Absätze niemals weniger als 10 bzw. weniger als 45 beträgt und daß diese Anzahl von Artikeln oder Absätzen weiterhin die Artikel einschließt, welche die Vertragspartei aus den in Artikel 20 Absatz 1 Unterabsatz b) besonders angeführten ausgewählt hat.

3. Jede Vertragspartei kann diese Charta oder jeden Artikel oder Absatz des Teiles II der Charta unter den im Absatz 1 dieses Artikels niedergelegten Voraussetzungen für jedes Gebiet kündigen, in dem die Charta auf Grund einer Erklärung nach Artikel 34 Absatz 2 Anwendung findet.

Artikel 38

ANHANG

Art. 38

Der Anhang zu dieser Charta ist Bestandteil der Charta.

Zu Urkund dessen haben die hierzu in der gehörigen Form ermächtigten Unterzeichner diese Charta unterschrieben.

Geschehen zu Turin, am 18. Oktober 1961 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer einzigen Ausfertigung, die im Archiv des Europarates hinterlegt wird. Der Generalsekretär übermittelt jedem Unterzeichnerstaat beglaubigte Abschriften.

ANHANG ZUR SOZIALCHARTA

Persönlicher Geltungsbereich der Sozialcharta

Anl. 1

1. Vorbehaltlich der Bestimmungen der Artikel 12 Absatz 4 und 13 Absatz 4 schließt der durch die Artikel 1 bis 17 erfaßte Personenkreis ausländische Staatsangehörige nur insoweit ein, als sie Staatsangehörige der anderen Vertragsparteien sind, die zum Aufenthalt in dem Hoheitsgebiet der betreffenden Vertragspartei befugt oder dort ordnungsgemäß beschäftigt sind, mit der Maßgabe, daß die obengenannten Artikel im Sinne der Bestimmungen der Artikel 18 und 19 auszulegen sind.

Diese Auslegung schließt die Ausdehnung entsprechender Rechte auf andere Personen durch irgendeine der Vertragsparteien nicht aus.

2. Jede Vertragspartei wird Flüchtlingen im Sinne des am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Übereinkommens über den Status der Flüchtlinge, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, eine Behandlung gewähren, die so günstig wie möglich, in keinem Fall aber weniger günstig ist als nach den von der Vertragspartei angenommenen Verpflichtungen des oben erwähnten Übereinkommens oder anderer internationaler Verträge, die auf solche Flüchtlinge Anwendung finden.

Teil I

Absatz 18 und Teil II

Artikel 18 Absatz 1

Es besteht Einverständnis darüber, daß diese Bestimmungen nicht die Einreise in die Hoheitsgebiete der Vertragsparteien betreffen und die Bestimmungen des Europäischen Niederlassungsabkommens, unterzeichnet in Paris am 13. Dezember 1955, unberührt lassen.

TEIL II

Artikel 1 Absatz 2

Anl. 1

Diese Bestimmung darf nicht so ausgelegt werden, als . ob durch sie Schutzklauseln oder Schutzmaßnahmen der Gewerkschaft verboten oder erlaubt würden.

Artikel 4 Absatz 4

Anl. 1

Diese Vorschrift ist dahin zu verstehen, daß sie eine fristlose Entlassung im Falle einer schweren Verfehlung nicht verbietet.

Artikel 4 Absatz 5

Anl. 1

Es besteht Einverständnis darüber, daß eine Vertragspartei die in diesem Absatz geforderte Verpflichtung eingehen kann, wenn für die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer Lohnabzüge durch Gesetz, Gesamtarbeitsverträge oder Schiedssprüche verboten sind und Ausnahmen nur für diejenigen Personen gelten, auf welche diese Vorschriften keine Anwendung finden.

Artikel 6 Absatz 4

Anl. 1

Es besteht Einverständnis darüber, daß jede Vertragspartei, soweit es für sie in Betracht kommt, die Ausübung des Streikrechtes durch Gesetz regeln kann, vorausgesetzt, daß jede weitere Einschränkung dieses Rechtes auf Grund der Bestimmungen des Artikels 31 gerechtfertigt werden kann.

Artikel 7 Absatz 8

Anl. 1

Es besteht Einverständnis darüber, daß eine Vertragspartei die in diesem Absatz vorgesehene Verpflichtung eingehen kann, wenn sie dem Geist dieser. Verpflichtung dadurch nachkommt, daß die überwiegende Mehrheit der Personen unter 18 Jahren kraft Gesetzes nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden darf.

Artikel 12 Absatz 4

Anl. 1

Die Worte „und nach Maßgabe der in diesem Abkommen niedergelegten Bedingungen“ in der Einleitung zu diesem Absatz sollen unter anderem bedeuten, daß eine Vertragspartei hinsichtlich von Leistungen, die unabhängig von Versicherungsbeiträgen gewährt werden, die Zurücklegung einer vorgeschriebenen Aufenthaltsdauer vor der Gewährung derartiger Leistungen an Staatsangehörige anderer Vertragsparteien verlangen kann.

Artikel 13 Absatz 4

Anl. 1

Regierungen, die nicht Vertragsstaaten des Europäisches Übereinkommens über soziale und ärztliche Hilfe sind, können die Sozialcharta hinsichtlich dieses Absatzes ratifizieren, sofern sie den Staatsangehörigen der anderen Vertragsparteien eine Behandlung gewähren, die mit den Bestimmungen des genannten Abkommens in Einklang steht.

Artikel 19 Absatz 6

Anl. 1

Für die Anwendung dieser Bestimmung ist der Ausdruck „Wanderarbeiter mit seiner Familie“ dahin auszulegen, daß er zumindest seine Ehefrau und seine Kinder unter 21 Jahren, für die er unterhaltspflichtig ist, umfaßt.

TEIL III

Anl. 1

Es besteht Einverständnis darüber, daß die Charta rechtliche Verpflichtungen internationalen Charakters enthält, deren Durchführung ausschließlich der in ihrem Teil IV vorgesehenen Überwachung unterliegt.

Artikel 20 Absatz 1

Anl. 1

Es besteht Einverständnis darüber, daß als „nummerierte Absätze“ auch Artikel anzusehen sind, die aus einem einzigen Absatz bestehen.

TEIL V

Artikel 30

Anl. 1

Der Ausdruck „in Kriegszeiten oder bei einem anderen öffentlichen Notstand“ ist dahin zu verstehen, daß er auch den Zustand einer drohenden Kriegsgefahr mit einschließt.