BundesrechtInternationale VerträgeÜbereinkommen (Nr. 98) über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen

Übereinkommen (Nr. 98) über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen

In Kraft seit 10. November 1952
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Artikel 1

Art. 1

1. Die Arbeitnehmer sind vor jeder gegen die Vereinigungsfreiheit gerichteten unterschiedlichen Behandlung, die im Zusammenhange mit ihrer Beschäftigung steht, angemessen zu schützen.

2. Dieser Schutz ist insbesondere gegenüber Handlungen zu gewähren, die darauf gerichtet sind,

a) die Beschäftigung eines Arbeitnehmers davon abhängig zu machen, daß er keiner Gewerkschaft beitritt oder aus einer Gewerkschaft austritt,

b) einen Arbeitnehmer zu entlassen oder auf sonstige Weise zu benachteiligen, weil er einer Gewerkschaft angehört oder weil er sich außerhalb der Arbeitszeit oder mit Zustimmung des Arbeitgebers während der Arbeitszeit gewerkschaftlich betätigt.

Artikel 2

Art. 2

1. Den Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber ist in bezug auf ihre Bildung, Tätigkeit und Verwaltung gebührender Schutz gegen jede Einmischung von der anderen Seite, sowohl seitens der Organisationen wie auch ihrer Vertreter oder Mitglieder, zu gewähren.

2. Als Einmischung im Sinne dieses Artikels gelten insbesondere Handlungen, die darauf gerichtet sind, von einem Arbeitgeber oder von einer Organisation von Arbeitgebern abhängige Organisationen von Arbeitnehmern ins Leben zu rufen oder Organisationen von Arbeitnehmern durch Geldmittel oder auf sonstige Weise zu unterstützen, um sie unter den Einfluß eines Arbeitgebers oder einer Organisation von Arbeitgebern zu bringen.

Artikel 3

Art. 3

Soweit erforderlich, sind den Landesverhältnissen angepasste Einrichtungen zu schaffen, um den Schutz des Vereinigungsrechtes im Sinne der vorangehenden Artikel zu gewährleisten.

Artikel 4

Art. 4

Soweit erforderlich, sind den Landesverhältnissen angepasste Maßnahmen zu treffen, um im weitesten Umfang Entwicklung und Anwendung von Verfahren zu fördern, durch die Arbeitgeber oder Organisationen von Arbeitgebern einerseits und Organisationen von Arbeitnehmern anderseits freiwillig über den Abschluß von Gesamtarbeitsverträgen zur Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen verhandeln können.

Artikel 5

Art. 5

1. Die Gesetzgebung bestimmt, inwieweit die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Rechte auf das Heer und die Polizei Anwendung finden.

2. Die Ratifikation dieses Obereinkommens durch ein Mitglied läßt bereits bestehende Gesetze, Entscheidungen, Gewohnheiten oder Vereinbarungen, die den Angehörigen des Heeres und der Polizei irgendwelche in diesem Übereinkommen vorgesehene Rechte einräumen, gemäß dem Grundsatze des Artikels 19, Abs. 8, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation unberührt.

Artikel 6

Art. 6

Dieses Übereinkommen lässt die Stellung der öffentlichen Beamten unberührt und darf in keinem für die Rechte und die Rechtsstellung dieser Beamten irgendwie nachteiligen Sinn ausgelegt werden.

Artikel 7

Art. 7

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 8

Art. 8

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate, nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 9

Art. 9

1. In den dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gemäß Artikel 35, Abs. 2, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation übermittelten Erklärungen hat das beteiligte Mitglied die Gebiete bekanntzugeben,

a) für die es die Verpflichtung zur unveränderten Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens übernimmt,

b) für die es die Verpflichtung zur Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens mit Abweichungen übernimmt, unter Angabe der Einzelheiten dieser Abweichungen,

c) in denen das Übereinkommen nicht durchgeführt werden kann, und in diesem Falle die Gründe dafür, d) für die es sich die Entscheidung bis zu einer weiteren Prüfung der Lage in bezug auf die betreffenden Gebiete vorbehält.

2. Die Verpflichtungen nach Abs. 1 a und b dieses Artikels gelten als wesentlicher Bestandteil der Ratifikation und haben die Wirkung einer solchen.

3. Jedes Mitglied kann die in der ursprünglichen Erklärung nach Abs. 1 b, c und d dieses Artikels mitgeteilten Vorbehalte jederzeit durch eine spätere Erklärung ganz oder teilweise zurückziehen.

4. Jedes Mitglied kann dem Generaldirektor zu jedem Zeitpunkt, in dem das Übereinkommen nach Artikel 11 gekündigt werden kann, eine Erklärung übermitteln, durch die der Inhalt jeder früheren Erklärung in sonstiger Weise abgeändert und die in dem betreffenden Zeitpunkt in bestimmten Gebieten bestehende Lage angegeben wird.

Artikel 10

Art. 10

1. In den dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes nach Artikel 35 Abs. 4 und 5 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation übermittelten Erklärungen ist anzugeben, ob das Übereinkommen in dem betreffenden Gebiete mit oder ohne Abweichungen durchgeführt wird; teilt die Erklärung mit, daß die Durchführung des Übereinkommens mit Abweichungen erfolgt, so sind die Einzelheiten dieser Abweichungen anzugeben.

2. Das beteiligte Mitglied, die beteiligten Mitglieder oder die beteiligte internationale Behörde können jederzeit durch eine spätere Erklärung auf das Recht der Inanspruchnahme jeder in einer früheren Erklärung mitgeteilten Abweichung ganz oder teilweise verzichten.

3. Das beteiligte Mitglied, die beteiligten Mitglieder oder die beteiligte internationale Behörde können dem Generaldirektor zu jedem Zeitpunkt, in dem dieses Übereinkommen gemäß Artikel 11 gekündigt werden kann, eine Erklärung übermitteln, durch die der Inhalt jeder früheren Erklärung in sonstiger Weise abgeändert und die in dem betreffenden Zeitpunkte bestehende Lage in bezug auf die Durchführung dieses Übereinkommens angegeben wird.

Artikel 11

Art. 11

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Maßgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 12

Art. 12

1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen, Erklärungen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 13

Art. 13

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charter der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Maßgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen, Erklärungen und Kündigungen.

Artikel 14

Art. 14

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 15

Art. 15

1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:

a) Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied schließt ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Rücksicht auf Artikel 11; Voraussetzung ist dabei, daß das neugefaßte Übereinkommen, in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkte des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 16

Art. 16

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.