(1) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Maßnahmen, um den Transit von Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen zu erleichtern, im Einklang mit dem Grundsatz der Transitfreiheit und ohne Unterscheidung hinsichtlich des Ursprungs, der Bestimmung oder des Eigentums der Primärenergieträger und Energieerzeugnisse oder Diskriminierung bei der Preisfestsetzung auf der Grundlage dieser Unterscheidungen, ohne unangemessene Verzögerungen, Beschränkungen oder Abgaben aufzuerlegen.
(2) Die Vertragsparteien ermutigen die zuständigen Stellen zur Zusammenarbeit in folgenden Bereichen:
a) Modernisierung der Energiebeförderungseinrichtungen, die zum Transit von Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen erforderlich sind;
b) Entwicklung und Betrieb von Energiebeförderungseinrichtungen, mit denen das Gebiet von mehr als einer Vertragspartei versorgt wird;
c) Maßnahmen zur Milderung der Auswirkungen von Ausfällen bei der Versorgung mit Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen;
d) Erleichterung des Verbunds von Energiebeförderungseinrichtungen.
(3) Jede Vertragspartei verpflichtet sich, dafür zu sorgen, daß in ihren Vorschriften über die Beförderung von Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen und die Nutzung von Energiebeförderungseinrichtungen Primärenergieträger und Energieerzeugnisse im Transit nicht weniger günstig behandelt werden als Primärenergieträger und Energieerzeugnisse, deren Ursprung oder Bestimmung in ihrem eigenen Gebiet liegt, sofern eine geltende internationale Übereinkunft nichts anderes bestimmt.
(4) Kann der Transit von Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen nicht zu marktüblichen Bedingungen mit Hilfe von Energiebeförderungseinrichtungen erreicht werden, so legen die Vertragsparteien der Schaffung neuer Kapazitäten keine Hindernisse in den Weg, sofern anwendbare Rechtsvorschriften, die mit Absatz 1 vereinbar sind, nichts anderes bestimmen.
(5) Eine Vertragspartei, durch deren Gebiet Primärenergieträger und Energieerzeugnisse im Transit geleitet werden können, ist nicht verpflichtet,
a) den Bau oder die Änderung von Energiebeförderungseinrichtungen zu gestatten oder
b) einen neuen oder zusätzlichen Transit durch bestehende Energiebeförderungseinrichtungen zu gestatten,
wenn sie den anderen beteiligten Vertragsparteien nachweist, daß dies die Sicherheit oder Effizienz ihrer Energienetze einschließlich der Versorgungssicherheit gefährden würde.
Vorbehaltlich der Absätze 6 und 7 sichern die Vertragsparteien den seit langem bestehenden Fluß von Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen zu, von und zwischen den Gebieten anderer Vertragsparteien.
(6) Eine Vertragspartei, durch deren Gebiet der Transit von Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen verläuft, darf im Fall einer Streitigkeit über eine Frage im Zusammenhang mit diesem Transit den Transit weder unterbrechen noch verringern, und sie darf nicht einer ihrer Aufsicht unterstehenden Stelle gestatten oder eine ihrer Gerichtsbarkeit unterstehende Stelle auffordern, den vorhandenen Fluß der Primärenergieträger und Energieerzeugnisse zu unterbrechen oder zu verringern, bevor das in Absatz 7 vorgesehene Streitbeilegungsverfahren abgeschlossen ist, es sei denn, dies ist in einem privatrechtlichen Vertrag oder einer anderen Vereinbarung über den Transit ausdrücklich vorgesehen oder nach Maßgabe der Entscheidung des Schlichters erlaubt.
(7) Folgende Bestimmungen finden auf eine in Absatz 6 beschriebene Streitigkeit Anwendung, jedoch erst, nachdem alle einschlägigen vertraglichen oder sonstigen Mittel der Streitbeilegung erschöpft sind, die zuvor zwischen den Vertragsparteien, die Streitparteien sind, oder zwischen einem in Absatz 6 genannten Rechtsträger und einem Rechtsträger einer anderen Vertragspartei, die Streitparteien sind, vereinbart wurden.
a) Eine Vertragspartei, die Streitpartei ist, kann die Streitigkeit an den Generalsekretär in einer Notifikation verweisen, in der die strittigen Fragen zusammengefaßt sind. Der Generalsekretär unterrichtet alle Vertragsparteien von der Notifikation.
b) Binnen 30 Tagen nach Eingang dieser Notifikation bestellt der Generalsekretär in Konsultation mit den Streitparteien und den anderen betroffenen Vertragsparteien einen Schlichter. Dieser muß über Erfahrung in den strittigen Angelegenheiten verfügen und darf weder Staatsangehöriger oder Bürger einer Streitpartei oder einer der anderen betroffenen Vertragsparteien sein noch in einer von ihnen seinen ständigen Aufenthalt haben.
c) Der Schlichter bemüht sich um die Zustimmung der Streitparteien zu einer Streitbeilegung oder zu einem Verfahren, durch das die Streitbeilegung herbeigeführt wird. Ist es dem Schlichter innerhalb von 90 Tagen nach seiner Bestellung nicht gelungen, eine solche Zustimmung herbeizuführen, so empfiehlt er eine Beilegung der Streitigkeit oder ein Verfahren zur Beilegung der Streitigkeit und entscheidet über einstweilige Tarife und sonstige Bedingungen für den Transit, die von einem von ihm zu bestimmenden Zeitpunkt an einzuhalten sind, bis die Streitigkeit beigelegt ist.
d) Die Vertragsparteien verpflichten sich zur Einhaltung und sorgen für die Einhaltung jeder einstweiligen Entscheidung nach Buchstabe c über Tarife und Bedingungen durch die ihrer Aufsicht oder Gerichtsbarkeit unterstehenden Stellen in den zwölf Monaten nach der Entscheidung des Schlichters oder bis zur Beilegung der Streitigkeit, falls dieser Zeitpunkt früher ist.
e) Ungeachtet des Buchstabens b kann sich der Generalsekretär entschließen, keinen Schlichter zu bestellen, wenn er der Auffassung ist, daß die Streitigkeit einen Transit betrifft, der bereits Gegenstand des unter den Buchstaben a bis d vorgesehenen Streitbeilegungsverfahrens ist oder war, das nicht zu einer Beilegung der Streitigkeit geführt hat.
f) Die Chartakonferenz beschließt Standardbestimmungen über den Verlauf des Vergleichsverfahrens und die Vergütung der Schlichter.
(8) Die Rechte und Pflichten einer Vertragspartei auf Grund des Völkerrechts, einschließlich des Völkergewohnheitsrechts, aus bestehenden zweiseitigen oder mehrseitigen Übereinkünften einschließlich der Regeln über unterseeische Kabel und Rohrleitungen bleiben durch diesen Artikel unberührt.
(9) Dieser Artikel ist nicht so auszulegen, als verpflichte er eine Vertragspartei, die nicht über eine bestimmte Art von Energiebeförderungseinrichtungen für den Transit verfügt, auf Grund dieses Artikels Maßnahmen in bezug auf diese Art der Einrichtung zu treffen. Diese Vertragspartei ist jedoch verpflichtet, Absatz 4 einzuhalten.
(10) Im Sinne dieses Artikels
a) bedeutet „Transit“
i) die Beförderung durch das Gebiet einer Vertragspartei oder zu oder aus Hafenanlagen in ihrem Gebiet zum Be- und Entladen von Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen, die ihren Ursprung im Gebiet eines anderen Staates und ihre Bestimmung im Gebiet eines dritten Staates haben, solange entweder der andere Staat oder der dritte Staat Vertragspartei ist,
ii) die Beförderung durch das Gebiet einer Vertragspartei von Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen, die ihren Ursprung im Gebiet einer anderen Vertragspartei und ihre Bestimmung im Gebiet dieser anderen Vertragspartei haben, sofern die beiden beteiligten Vertragsparteien nichts anderes beschließen und ihren Beschluß gemeinsam in die Anlage N eintragen. Die beiden Vertragsparteien können ihre Eintragung in Anlage N löschen, indem sie diese Absicht dem Sekretariat in einer gemeinsamen schriftlichen Notifikation mitteilen; dieses leitet die Notifikation an alle übrigen Vertragsparteien weiter. Die Löschung wird vier Wochen nach der ersten Notifikation wirksam;
b) bestehen „Energiebeförderungseinrichtungen“ aus Gas-Hochdruckrohrleitungen, Hochspannungsnetzen und -leitungen, Rohölfernleitungen, Schlammkohle-Rohrleitungen, Rohrleitungen für Mineralölprodukte und anderen ortsfesten Einrichtungen speziell für den Umgang mit Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen.
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